Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 02, 1903, Sonntags-Blatt, Image 11

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0 .
Was-W W.
No. 33. Der
mein Hosband
ig, das is en
ganz trauriger
SeckeL Der-Zel- «
ler dot enDrick i
an mich ge
spielt, verdudt
einiges biete.
Denke S emol
an, der Feller dot mich im Stich ge
kosse, awwer jud bett judr Budts das
dudts settelr. Jch will nickg medr mit
idn zu dudn den im wann ich Jdne
die Geschicht veriadle, dann könne Sie
mich auch nit for bledme. Also es
war e paar Tag zurück, do den mer
Mittags ganz gemietdlich bei unser
Dinuer gelzockt - un den itvwek den
Jokmie sei Fjudtscher getadkt, was mer
aus den Kanne mache wollte, wie das
«in Fäckt unser redgeller Tadk sor die
letzte paar Woche war. Wie gewöhn
lich sen mer zu kein Riesolt komme un
der Philipp dot nach den Esse sein
Nöpp genomme, wie er das schon for
e lang-e Zeit zuriick als e Rudl dubn
dudt. Wie er mit dorch war, do den
ich reiteweb widder gestari mit den
Jodnnie un der Philipp dot aeiaan
newwer meino, Lizzie, dud nor nit
worrie iwwer den Bub, ei teil jud,
der macht sein Weg in die Welt, Der
bot e aiänztnde Fjudtscher dir-net sich.
Dann ioi er sich reitia aemacht un er
sagt, er wollt emol en Freund sedn,
von wege den Jodnnie un dann dätt
er auch noch e wenig Bißnes mit den
Wedesweiier. Jch den gesagt, das is
recht, duh alles was du kannst, daß
ich die Geschicht von mein Meind kriege
un do is er sort. Er dot mich noch
von autseit zugedallert, er mär meddie
nit in Zeit für Sopper deim: awwer
mir sollte nit warte. Abtrecht, den ich
aesagt, bikads ich fin nor zu srod ge
wese, daß er ebdes sor den Bub dot
dudn wolle. Well, die Zeit is erum
Sange, wie jeden Dag, die Butve sin
aus die Schul heim komme un den
aklonscht un sm dann widder an Iie
Stritt sor zu schiedte un dann den
ich se nit medr aeiedn, dis- eS Zeit for
dac- Sopver wurzer sm se immer an
Hand. Well, der Philipp is ni«
dageirese un mir den mit-aus idn arise
speist den die Buive ihr Doiimknerl
gemacht, hen sich Dann noch e Weil
ernm aiebalqt bis ich den ganze Bonscir
ins Bett getschehst hen. Dort is die
Feiterei noch for e Stand odber so
weiter gange un dann war Ruh in den
Haus; awwer der Philipp is noch
immer nit dagewese. Epitteran is e
Lahdschschwester tomine un hot mich
zu e Kartparthie inweitet. Jch sin
ganz froh gewese, daß se komme ig,
bitahs do hen ich doch nit so lchn
sont-n gefiehlt. Wie die Schweschter
fort is, do bot die Klack els Uhr ge
strocke, awtoer der Philipp is immer
noch nit dagewese. Zchieiviß, lyen ich
gedentt, was is dann bo die Mätter?
Ich stn e Stickelche weg mit die
Schimschter gange un hen gesehn, das-,
bei den Wedegweiler noch Licht gecoese
is. Wie ich widder zuriicl komme sin,
do is alles duntel gewese un do den
ich sor schuhr gewißt, baß der Philipp
jetzt heim wär. Wie ich aioioer aug
gesunne ben. daß er immer noch nit
heim war, do bin ich doch teinoer ef
sreht aewese. Bei Galle, hen ich zu
mich gesagt, do is schuhr ebbes ge
hiippend un wann ich en Wage an die
Stritt päßt bei hen breiwse höre, Do
hen ich immer edspecttet, daß es en
Embulenz wär. Jch ben noch e Zeit
lang gewart un dann hen ich’s nit
mehr stende könne. Jch hen mein
Käpp umgehöngt un fin zu Wehes
weilersch gelaufe. Ich hen so lang
an die Dohr genackt, bis der Wehes
weiler ussgiemacht hot· Jch hen ge
fragt, wo der Philipp is un do bot
er gesagt, er wißt nii; der Philipp
wär schon srieh am Obend in sein
Platz gewese un wär gleich widder
fort, wie er en Drini odder zwei ges
habt hätt. Dann ftn ich heim, awwer
Se könne mich qlauwe, daß ich die
ganze Nacht kein Auge zugemacht hen.
Um drei Uhr sin ich Usigestansde un
hen mich Kassee gekocht, bitahs ich sin
so eckseitet gewese. Do hen ich dann
bis Morgens um sechs Uhr gesosse un
hen ein Kopp Kaiser nach den annere
gedrunte, awwer der Philipp is im
mer noch nit komme. Ufs eemol kitnmt
en Speschell Deliwwerie Messenscher
Bub un bringt mich en Brief« wo von
den Philipp gewese is· Der Brief hot
sagt: »Liebe Lizzir. wann du den
- rief kriege dubst, dann stn ich nii
mehr bo.« -—— do ben ich gesehnt. Wie
ich wibder rietowwert gehabt ben, ben
ich weiter gelese. — »Dann stn ich aus
die Stadt sort un in Fäckt aus die
Kontrin wenn ich widder rietörne
bahn, daß kann ich dich nit sage, bi
kabs ich weiß selbst noch nit. Wo ich
hin geht-, bat kann ich dich auch nit
sage, bitabs ich will nit, awwer ich
denke, bu bannsM in den Rubspehper
aussinnr. Ich hen nickt gesagt von
meine Jntenschen, blind-, du bött'si
mich mebbie nit fortgelosse, un ich hen
doch unner alle irtumsienzei, obbee
wie mer ufs deits sage dicht, bei alle
Mien« sortgewdlli. Mach dich tein
Trnbel sor mich. ich sitt ablreit un
, » wann ich widder komme. dann will ich
.- — alles eckipiehm Well gubei tota,
womit ich oerbleitve dein liewer Phi
lipp.« —- Jch hen den Brief in dau
fend Splintersch verrisse un hen ihn
in die Rehnsch geschmisse· So en
Schutoiatt Amt-der, wann er denke
duht, ich debt warte bis er mich alles
ecksplehnt, dann is er schief getvicteli.
Jch will nicks mehr von ihn wisse, ich
lasse mich diewohrse un dann kann er
lang suche, bis er widder so e altes
Kameel finne dn'ht wie ich. Die Kin
ner die nemm ich all init mich un ich
dense, ich gehn nach die alte Kontrie
zu meine Ma. No, no, warum stn
ich nur foe dummes Rindsoieh gewese.
daß ich das Trietcnent die lange
Jahre gestand hent Heut werd noch
die Latt un das Bilding un das ganze
Gelumps verkauft un dann geht’s los.
Wenn Sie ebbes von ihn höre, Idann
könne So ihn alles sage, ich geb nicks
drs.nn. Wann er dann widder komme
duhi· dann lann er ja bei den Wehes
weiter ruhme« do is er ooch amLiebste.
Ich denle sei warmes llnnerivehr duhn
ich toch nit verlaufe, bilahs er is e
ioensa dellitett un konnt am End leicht
Kalt tetsche· Mit beste Riegards
Juh hrs ·
Lizzie HanfftengeL
» ----—-o-.---—
»Ich-Orte und Praxis.
Welch' himmelfchreiender Unter
schied zwischen Theorie und Praxis
besteht, erhellt aus folgender Ge
schichte, welche der Kreisarzi Dr. Ber
ger in Hannooer in feiner eben erschie«
nenen Schrift »Kreisarzt und Schul
hhgiene« erzählt. Jch frage in einer
Dorfschule einen Jungen: »Was muß
man thun, wenn man die Zähne schön
und weiß erhalten will?« —- »Putzen«,
lautete die Antwort. -—— »Und wenn
muß man putzen«?" —- »Morgens.« —
. Sonst auch noch?" —— Alles schweigt.
»Wornit putzt man?« — »Mit einer
Zahnbiirfte.« — »Hast Du denn eine
Zahnbiirste?« — »Nein« — »Hm
Dein Vater eine Zahnbiirste?« —
»Nein« — »Hm Deine Mutter eine
Zahnbiirfte?" — »Nein« —- »Weder
kreißt Du denn das mit der Zahn
lsiirfie?« ——- »Wir verkaufen Zahnbitr
sten."
' —--·..-————
Der vertan-sie Töchter-.
Zu einem im Reichglande garnifo
izirenden fächsischen Regimente wurde
ein Offizier aus Stuttgart versetzt.
Derselbe tam an seinem neuen Be
stimmungsort gegen Abend an und be
gab sich nach eingezogenen Erlundi
gungen bald in das Restaurant, wo,
wie er vernommen hatt, seine neuen
Kameraden verkehrten, um sich diesen
vorzustellen. Er traf die . rren ziem
l:-I- s--I·I0«-;-IT- «- KOA c- I- -- III-HO
.»» »».,.,.-..».» »-.., ».» » .»...
« lich den lfrnpsana nicht allzu freund
z lich, denn nach kurzer Zeit erhob sich
HEiner nach dem Anderen und schließ
t ltch saß er allein; er begriff die Sache
s nicht recht. Am nächsten Morgen mel
» dete er sich beim Oberst und auch die-:
I ser schien ihm verstimmt; aus ein lei
x fes Antlopsen tam es endlich heraus-:
die herren waren Alle sehr ver-stimmt
gewesen« das-, sie der aus dem Schwa
benlande zugetotnrnene Kamerad durch
»Sächseln« verullt hätte . . . »Aber
Herr Oberst«, — ries dieser — »ich
bin ja ein geborener Leib»t-iger! » ich
war gliecllich, maine Mudderschbrache
wieder zu hören!«
--——-·O.-—-—
Charakteristische untioemte tilgen
fetmftem
Wenn Jemand in Frankreich stirbt
ist die erste Frage: »Wie alt war et?«
Hört man von einein Todesfall in
Deutschland, so ist vor allen Beileids
i bezeiqungen erst nothwendig, zu er
i fahren, an was er gestorben ist: »Was
hat ihm gesehlti« ist die stereothpe
Reden-zart Jn Italien heißt es:
»Dir-mer Bursche, armer Mann, armes
Mädchen«; in Nnßland: »Jh!n ist
wohl, er braucht nicht mehr zu arbei:
ten." Die Holländer ertunoiaen sich
sosort nach den Vermögensverhsiltniss
sen oes Verblichenem ,,Wieviel hat er
hinterlassen?« und des Englanders
Interesse conzentrirt sich in der Frage:
»War er oersichert?«
—-—-——
Insekt-aussehn dumm-.
Grund acnua. »Ich ivundere mich,«
sagt-: ein junges Mädchen, »daß so
oiele Männer, die Autornobilc besitzen
sich nicht oerheiriathen Es ist doch be
kannt, daß das Zweit-ad zu vielen Ver
lobunan aefiihrt hat.'« »Nun,« ant
wortete der jung-e Mann, »ein Mann
ertennt eben bald, daß er nicht gleich
zeitig ein Autontobil und eine Frau
lenke-kanns«
Der Grund. Er nennt das Babtt
,.Fbasfee«. »Was siir ein Name! Wa
rum nennt er es sa?« »Weil es ihn
Nachts wach hölt.«
Ein- neues Licht. »Was höre ich.
Major, Sie wollen toiader heirathen?
Sie sagten mir doch, das Licht Jhres
Lebens wär-e ausgegangen« Fröhlicher
Witttver: »Ganz recht. Aber sehe
Sie, nun will ich ain anderes Streich
holz anstecken«
Das letzt-e Wort. »Eine Frau ist
niemals glücklich, wenn sie nicht das
letzte Wort hat.« »Das ist ein Irr
thum. Eine Frau besteht immer da
raus, daß ein Mann das letzte Wort
hat. Aber es muß in Form einer Ent
schukdiauna komm-ein«
-—--·--—————
Ein Bettler, der sich einen Kammer
diener hält, ein anderer Bettler. in
dessen Kleidern man 850,000 findet —
siirwahr, die Prosperitiit ist schon recht
ties, bis in die untersten Schichten,
« gesunken.
!
Durch’5 Telephon.
Von Regine Ziegler.
Sie quälten sich schon lange, die bei
den stolzen Trotzlöpfe, ohne sich ihre
Liebe anders als durch Blicke, abgeris
sene Worte und Seufzer zu verrathen,
über welche sie nachher Beide regelmä
ßig erschraken
»So geht es mit euch nicht länger,«
sagte die junge Frau Rosa Müller zu
ihrer Freundin Marie, deren blasses
Gesichtchen mit den aroszen Augen voll
Leid und Qual ihr in’o Herz schnitt.
Sie saßen in Frau Rosa’s Zimmer
in der gemiithlsichen Ecke am Kamim
und Marie, die heute aus der kleinen
Kreisstadt nach der Reichs hauptstadt
gekommen war, um Eintiiufe zu ma
chen, und bei der Freundin abgestiegen
war wie immer mußte nun Antwort
gehen aus die inquisitcrischen Fragen
derselben, wenn auch nur stocken-d.
»Hat er dir denn nicht ein einziges
mal von Liebe gesprochen, offen und
ehrlich, wie ein rechter Mann, der
wirklich liebt?«
»Ganz offen — nie! Aber gefühlt
habe ichs-« oft. Mit mir spricht er an
ders wie mit den Anderen, so eigen
thiimlich; gleichgiltia hin ich ihm nicht
und manchmal glaube ich auch, er liebe
mich —- aber nun « o ---- nun liebt er
ja die schöne Erna W..., und ich! O,
es wäre auch zu schön gewesen siir
mich, nein, nein!«
,,Natiirlich!« fällt Frau Rossa ihr
ziirnend in’g Wort. »Da hat so ’n
dummes Dina lein SelbstoemusztseW
Warum muß er denn die ?ln'd’re gleich
lieben? Glaubst du, daß ein paar
Augen« wie ou sie im Köpfchen haft,
nicht auch dei einem- Zchxverenöther
wie Max Sturm Unheil genug anrich
ten tönnen2«
»Du BlitzmiideL schau dir sie ein
mal im«Spiegel an. Ich will dich nur
nicht so in’s Gesicht hinein loben, aber
du bist, ivie du da stehst und gehst, mit
deinem goldenen Herzen und deinem
frischen ungeliinsteltensWefen ein sil
ßer, netter Käser, verstehst du?«
»Aber die Andere ist gewandt, ge
scheidt, liebenswiirdig, so daß alle
Männer ihr nachlaufer und er —
Max auch. Jch weiß es-, er schickt ihr
Blumen, tanzt mit ihr, turz —- es istl
Alles zu Ende ——- ich hin so elnd —
und s habe ihn dennoch lieb — ich,
ich —-«
Sie raffte sich plötzlich auf: »Ah-· in,
er verdient es nicht um mich, daß ichs
durch ihn leide; ja, ich will, ich muß
ihn vesgessenl Alles ist mir in letzter
ED-: A nsskvls -«- -«-I-u sh- Ell-k-«
«,... .».»....-, ,,«.,.«»«., ,.». «..,...,
jedg Vergnügen Mein liebes Skla
oierfpiel, die Bücher, das Kuchen und
Haushalten Aber nun will ich wie
der alles die-z thun, will meine Gedan
ten ewingem ja, das will ich, damit sie
nicht imsmer bei ihm find«
»Recht haft du, Rino! Hier, tannft
auch gleich beginnen, diese schönean
iätze auszuführen Schau, in dir-sein
Dutzend Seroisetten winken die zier
sten Löcher und möchten gerne oon dir
genaht fein.«
«Woll-en wir gleich begin-erns«
fragte Frau Rosa mit fpitzbiidifchem
Lächeln, indem sie einen Haufen Flut
ardeit vor sie hinfchiebt. »Ja, wenig
ileng die Hände werden dir folgen «
die Gedanken, fiir die stehe ich nicht«
O rider das Hanaen und Bangen derl
ersten Liede!« l
Sie läßt, in Träumereien dersun:i
len, ein Weilchen ihre Hände im;
Schooße ruhen, wobei sie mit deines-I
tem Mienenfpiel beobachtet, wiet
Marie mit zitternreu Fingern unoi
hochrotheu Wangen an der Wäsche!
arbeitet. I
»Das muß ich saaen! Dein Zu
liinftiger lann fich Pfreuen Glatt
und sauber machst du die Geschichte.
Wird dir in deiner eigenen Häuslich
leit als junae Frau Doktor Sturm —
so heißt er doch, drin ,,.t·««)errlichster von
Allen« —- «sehr zu statten lommen!«
»So fpotte und quäle mich doch
nicht, Rofa. Dein llielnsrmuth in dei
nem Glücke thut so weh! Kaum hatte
ich ihn, den Treulofen, ein wenig ver
gessen, und nun —«
»Alfo im Vergessen List du auch io
flinl? Würdest wohl gar »Nein« fa
aen, wenn er nun doch bald eine gie
wisse Frage an dich stellte? —— Gelt?«
Marie springt au;·. Seroietten,
Scheere, Fingerhut, Alles fliegt zur
Erde; sie stürmt in’s Nebenzimmer,
wo sie sich unter heißen Thränen in
den dunkelsten Winkel des Sofa wirft,
das heiße Köpfchen in die Polster drü
elend.
So findet sie Rofa ,,.51ind, wehe
thun wollte ich dir ja nicht; aber
nimm's nicht übel, ihr spielt wirklich
die reinste Komödie mit euren Herzen.
Jch wette, wollte ich ihm auf den Zahn
fühlen, genau fo thöricht wäre er und
doch —— er hat dich und keine And’re
lieb —- foll ich ihn einmal —"
»Nein, nein, nur nichts verrathen.
Lieber will ich zu Grunde gehen, als
daß er von meiner Liebe wissen sollt«
Frau Rosa küßt ihre weiße Stirn,
über welche sich die kapriciösfen Löc
chen rinaeln.
»Komm mit mir, lassen wir jeht
deinem armen herze n Ruhe und brin
gen es auf andere Gedanken. Schau,
mein Mann hat von seiner letzten
Reife wunderschöne Sachen mitge
bracht, wollen wir die einmal an
schauen?«
Sie zieht die Freundin mit sich fort
in das Studirzimmer ihres abwesen
den Gatten. Es geling. ihr, Marie zu
beruhigen .
»Welch« reizende Muscheln das
sinds« Mehrere Ah! und Oh! ent
schlüpften ihren-Lippen ilber all die
Sehenswiirdigteiten, die auf dem
Tische liegen. Sie sieh-. sich im Zim
mer um.
»Ach, das wußte ich gar nicht, da
habt ihr auch ein Telephon, wie inter
essant, »das giebt es bei uns gar nicht
in dem kleinen Prosoinznest.«
»So?« Jn Frau Rosckg Köpfchen
beginnt ein Gedanke sich zu regen und
—- gedacht, gethan! Sie war zu ra
schen Thaten geneigt.
»Du interessirst dich für das Tele
phons eKnnst du die Mechanik dieses
Zauberwertchens also nicht?« fragte
sie lauernd.
,,Nein,« war die Antwort. »Was
aefchieht mit diesen Muscheln2 Ach
ich möchte riesig gerne znnl da. mit Je
manoem sprechen, wenn eg ginge!«
»Natürlich geht es. Warte, gleich
sollst du Alles kennen lernen, zuhören
unsd — unter einer Bedingung-Auch
selbst sprechen, wenn du mir nämlich
oersprichst, auf alle meine Fragen, die
ich an dich richten werde. offen zu ant
worten. Es soll ein kleiner Scherz sein,
ganz unschädlich; kein-e Angst halbem
willst du?««
»Gut, aber siihrst du auch wirklich
nich-is im Schilde, du Uebermiithige
Du r«
»Nein, nein. Kein Härchen soll dir
qetriimmt werden. Aber bitte, sei- vor
her so freundlich, schau mal nach in
der Küche, ob das Essen nicht an
brennt, bitte fchön.«
Marie eilt hinaus-. Indessen stellt
Rosa die Verbindung her, nimmt die
Muschel und tlingelt.
Nr· ....« ruft sie. Die Antwort
tommt.
,.Gniidige Frau wünschen?« ruft
eine mönnliche Stimme.
»Ach, er ist’g —-- herrlich!« denkt
Frau Rosa bei sich selbst.
»Bitte, Herr Doktor Sturm, wollen
Sie mir helfen, einen kleinen Scherz
zu machen? Ja —— also, verrathen
Sie Ihren Namen in der nächsten
Viertelstunde nicht, hören Sie genau,
wag hier am Telephon gesprochen
wird, es wird eine gewisse traushaa
rige Marie mitsprechen. und dann —
das klebrige ist Jhre Sache —- ver
standen?«
»Natürlich, mit Vergnügen!«
schallt seine erregte Stimme zurück.
Murie kommt.
»Diese Muschel hältst du nun in der
Hand, nahe an’g Ohr, und nun ausge
paßt!«
Sie nimmt die andere Muschel.
Marie iit annz gespannt aui die
Dinge, die sich da entwickeln werden.
»Ja, Kind, wo schweifen denn deine
Gedanken wies-er einber? Solche ab
wesende Augen zu machen! Das thun
eigentlich blos verliebte Leute, und
jetzt, wo wir ganz vernünftig mit ei
ner einfachen trocken-en Telephonnum
mer sprechen wollen, taugt das Träu
men doch nichts-. Du wolltest ihn doch
saanz oeraessen, diesen Doktor Sturm,
and nun-«
»Aber Nostr, wag sind das fiir
grausame Scherz-e! Quäle mieh doch
nicht wieder,« fährt Marie auf, die
ihre Freundin diesmal gar nicht ver
steht.
»Ich sollte dich quälen? Beioahret
Aber es- ist nun einmal so, daß du
ewig an ihn dentsi. Wenn der das
wüßte —«- ich glaube. er tätne sporn
streichs hergerann:, und nähme sich,
was schon lange ihm gehört -— gelt?«
So geht es nectend und lachend wei
ter, bis Marie- ganz erregt, ganz ver
wirrt hervorsprudelt, dabei die Mu
schel immer tranrpfhaft in den Händen
balteno: »Nun sehe ich. daß du mit
Allem Spott treibst, auch mit meiner
Liebe! Ja, ich habe ihn auch lieb, un
endlich lieb, aber ou verstehst wohl gar
nicht, wag solch eine grosze echte Liebe
ist. Du mußt deinen Mann gar nicht
so lieb haben, wenn du so abscheulich
zu mir sprichst — o mein Gott —-— ich
—- ich bin so unglücklich, so --- —««
Da, was ist daz? Eine Stimme
schallt durchs Telphon an ihreObren,
seine Stimme in jubelnden abgebro
brochenen Lauten: »Ich lomme, ich
.lomme —— meine Mart-el«
Gott. träumte sie denn? Das war
; ja Max Sturm, derAllel gehört hatte;
ssie war schändlich verrathen worden
durch Rosa. Sie schlagt die Hände
oor das glühende Gesicht, ein Zittern
geht durch ihren Körper und Rote-.
hält die Wankendse in ihren Armen.
»Nicht böse sein, mein siißer Trotz
lopf » es war zwar ein Gewaltmit:
»tel aber hoffentlich hat eg guten Er
folg. Er hat dich, dich ganz allein
lieb, teine Andere, und ich tonnte es
nicht mehr ansehen, wie ihr euch quäl
tet. Da, hörst ou, da ist er schon.
Nun soll er dir’g sagen, vielleicht
glaubst du ihm es auch eher als mir.«
Die Thür geht auf, ein junger
stürmt herein und — im nächsten
Augenblick hält er das bebende Mäd
chen in seinen Armea uno bedeckt ihr
Gesichtchen mit heißen Küssen. Lang-e
halten sie sich wortlos umschlungen in
endlich errungenem Glück.
»Es lebe das Telephon!« jubelte
Frau Rola, der die Sache zu lange
dauerte. »Könnt euch schön bedanken
bei solch’ feinem Heirathsftifter, denn
ohne Telephon wäre die Sache mit
Such oBtden nicht so glatt abgelau
en.«
——«——-s·-.--——
— Verliebte Gast-.
Kellner: ,.Zweim«al Kalbsbriaten mit
Salat macht zwei Msart.... haben
Sie Brot, bitte?«
Er (zu ihr): »Hast Du Brot. mein
Täubchen?«
Sie: »Ja, entst«
Kellnen »Macht zwei Mart dreiszia
und ein Täubchen — drei Mart fünf
Max
Zlus dem dunklen London.
Tir- Ramfchbazare im Lmnbeth Lorver
Marsh. Massenelend
Ueber die liihnen Bogen von West
minster Bridge führt in London der
Weg aus dem lachenden, flackerden
Westen schnell hinein in ein düstseres
Straße-wetz, wo Frau Sorge auf ie
der Schwelle kauert. Freilich nicht
ganz unvermittelt. Erst kommen Ar
beiterquartiere, die zwar von drüben
grell abstechen, aber durch aus nicht
den Stempel des Elends tragen. Halb
weas zwischen der Themse und St
George’s Square führt links av eine
Lambeth Lower Marsh genannte
Straße. Dort ist jeden Abend Markt,
wie übrigens selbst in manchen Neben
gassen dek- Westens, wie in Artillery
Rom, Westminster und Edgware
Noad, Paddington.
Wenn anderswo die Geschäfte
schließen, Arbeiter und Arbeiterinnen
aus Fabriten und Werkstätten heim
kehren und an ihre eigene Häuslichleit
denken können, entwickelt sich dort ein
reges Treiben. Bis tief in die Nacht
hinein sind alle Laden offen. gegen
über, am Rande des Fahrdammes
auf Karten und über Fässer, Kisten
und Bocke gelegten Brettern Verkaufs
stände unter freien Himmel improvi
sitt. Tausende von Gasstammen ohne
Schirm verbreiten blendendes Licht.
Zu haben ist Alles.
Jn manchen Auslagen werden die
heterogensten Gegenstände feigeboten
Zwischen altem Eisen oder Lederzeug
sieht man gelegentlich ein »K-ale«
Getröse icnd ein paar »Hammel«
Renten —-— gewöhnlich in Folge To
desfalls unter den Hausthieren des
Geschöftginhabers. Aber auch rich
tige Rambschbazsare giebt es, wo man
von der Mohrriibe bis zum Cylinder
hut, und vom Söuglingsstrumpf bis
zum Fahrrad Alles erstehen kann.
Vilbig ist nichts. Ein Dutzend
ordinärster, wie zähes Rindfleisch
schmeckender Austern kostet 6 Pence,
ein halbes Dutzend auf einem winzi
gen Tellerchen angerichteter Schnecken
2 Pence. Für densean Preis kann
man drei Eier, drei Pfund Zwiebeln,
die hier geschmort als Gemiise viel
genossen werden, oder vier Pfund
grüne Bohnen haben. Ein abgezoge
nes Kaninchcn kostet 9, 10 Pence und
mehr. Schon das-, die Mehrzahl der
Geschäfte Fleischerläden sind, läßt er
lcllllcll, DIE lUlk qlcl lll lcillck klgkllkt
lich-In Armengegend sind.
Das Bild ändert sich, sobald wir,
durch diesen Jahrnrsarttiitrubel zurück
bis nach Westminster Bridge Road ge
langt, uns weiter nach Enden wenden.
Die Straßenbeleuchtung hört fast aus.
Aber wir erkennen im aespenstifchen
Flackern einsamer Gaglaternem wie
die Haus r immer tleiner, armseliger,
die Laden immer schabiger, die Fen
ster immer kahlen die Wohnungen
also immer elender werden. Der Noth
liegt inijcheltief ans der Gasse. Ein
beklernmender mufsiger Gestank er
siillt die triibe Lust.
Kaum ein Mensch begegnet uns-.
Hier und da aber öffnet sich der Blick
in das Zwielicht eines Sseitenweges,
aus« dein Hämmern und Pochen her-«
uortönt, unterbrochen von heiterem
Lachen und Schimpfreden ans unsicht
baren Kehlen. Jrgendwo spielt Je
mand eine asthniatische Harmonila
Es klingt wie rythmisches Weinen.
An der Ecke von J .Georges Iquare
aber wird es laut und bell. Dort ist
eine Br-anntweinschente. Gelber Licht
schein fällt durch die Scheiben auf das
zerlnmpte Gesindel, dag den Eingang
umsieht: in der Mitte ein alteg Weib
das, ein Durchlöcherteg Wollentuch um
die Schultern, einen Capotehut mit
Spuren schwarzer Perlenstickerei auf
dem zerzausten Haar, mit erhobener
Faust in gellender Fuselstimme Ein
lafz begehrt.
Die Thiir wird vo« innen zugehen
ten. Ein Schlag gegen den Fenster
einsatz, und tlirrend fallen die Schei
bensplitter aus das- Straßenpflaster.
Jm gleichen Augenblick ist ein Kon
stabler zur Stelle, nimmt die Trun
lene beim Arme und fiihrt sie in Po
lizeigewahrsam Morgen Früh wird
sie drei Monate ins Gefängniß gesetzt.
Der Kneipwirth aber, der die Alte
wohlnseislich erst an die Lust gesetzt,
nachdem sie ihren letzten Heller in Gin
angelegt, wirtt als Stütze der Gesell
schaft unbehelligt weiter.
Gegenüber ist eine billige Gartiiche.
Penetranter Geruch von gebratenen
Zwiebeln und ranzigem Fett quillt
aus der offenen Thür. Ein ans Fen
ster geklebtes Plalat preist als Spe
cialitiit an: »Steal and Money-Pie«l
eine Art Ragout aus Fleisch und Nie
ren, zu zwei Pence die Portion ——- die
letzte Form, in der das treue Pferd sich
dem Menschen nützlich erweist. Aber
noch andere Genüiisse winken hier. Jn
flachen, blechernen Schussein sieht man
im Schein einer von der schmutzig-en
Decke herabhängenden Petroleum
lampe Würste, Gemüse und Kartof
feln über Gasseuer schmoren.
Jn dem Anblick dieser Herrlichkei
ten versunten, obne die Lärmscene aus
der anderen Straßenseite zu beachten
steht vor dem Fenster ein junges
Weib mit abgehärmtem Gesicht, einer
Säugbing aus den Arm, einen kleinen
blassen Knaben neben sich. Sie kramt
mit der Hand, die sie frei hat, in ihrer
Rocktasche, bringt endlich einigt
Kuvsermiin en« zum Vorschein uni
schickt den zunaen damit hinein Je
gend etwas Heißeö, Dampfendeö, ir
ein Papier gewickelt, bringt er zurück
—
Die Mutter nimmt es ihm ab. Der
Junge bekommt das größte Stück.
Emstges Karten und glückliche Mie
nen. Nur das Kleine verbrennt sich
den Mund und schreit aus Leibes
krästen
Selbst dieses elende Quartier ist
nicht ohne seine «jeuneß doree« mit
ihre-n weiblichen Zubehör. Bot der
Auslage eines Trödelkrams begeg
nen wir zwei halbwüchsigen Burschen,
die, die Hände in den Hosentaschem
mit Geld klimpern. Zwischen ihnen
steht in einer schwarzen Sammtjacke,
das ftrohblbndse Haar sorgfältig sti
sirt, ein Mädchen von 15, 16 Jahren,
mit hübschem Gesicht und frechen Au
gen. Das Gespräch dreht sich um die
Anschafsung von einem Paar Lack
stiefel siir die Schöne. Billh, offenbar
ein Knictcr, findet ein Paar Nieder
schuhe ausreichend, »sogar viel hüb
scher«; Bobby »aber sist schon halb und
halb bereit ein Paar Achtknäpfkge zu
spendiren und Jane drängt mtt viel
verheißentdem Blick zum Entschluß.
Sie kann es noch weit bringen msit
ihrem hübschen Gesicht und ihrem aus
geprägten Geschäftssinn Findet sie
einen Man-ager und endet nicht vorher
im HosPEtaL so fährt sie in ein paar
Jahren aus Grimmirädern Jch könnte
zwei englische Gräsinnen nennen, die
das gesäliige englische Adelshandbuch
aus alten, landsiissigen Fanisilien mit
Phantasie - Stammbäuden herleitet,
während ihre Wiege hier im Borough
von Sonthwark stand.
Tag Innere dieses Trödelladens,
der mit allem Erden-klichen vollge
pfropft ist, erzählt eine monotone Ge
schichte mit unzähligen trsaurigen Ka
piteln. Noth nnd Sünde arbeiten im
Geschäftsbereich dieses Trädters unab
lässig an der Fiillung seines Waaren
msagazins. Stirbt der Ernährer der
Seinigen verliert er die Arbeit oder
wird er eingesperrt —- immer liefert
der Trödler, der gleichzeitig Psandlei
her ist, den Fallschirm, indem er durch
Anstaus oder Beleihung des halbwegs
Entbehrlsichen die Familie vor allzu
jähem Untersinlen vor Obdachlosigleit
und Arbeitshaus bewahrt. Ein solcher
Trödlcr erzählt-e mir einmal von ei
nem alten Miitterchen, die ihr einziges
Kleinod, eine Sturzuhr niit bemaltern
Porzellangehäuse verkaufen mußte,
dann aber nur dadurch aus dem La
den zu bringen war, daß er versprach,
Die Uhr ins Schansenster zu stellen,
damit sie sie dort noch so lange wie
möglich sehen könne.
Die Preise in den auf die ärmste
J
!
?
Kunstschafi angewiesenen Laden sind
anscheinend fabelhaft niedrig, aber
nur anscheinend. Jm Grunde sind sie
höher als tie, die der reiche Mann im
Westen fiir seine nothtvendigen Le
bensbediirsnisse bezahlt. Den armen
Teufel, der aus der Hand in den
Mund lebt, treffen alle Nachtheile des
Detail-Einkaufs in koncentrirter
Form. Zwar kann er schon fiir einen
,,-,’5-arthina«. das ist z Penny·. ein klei
nez Bündel Holz und Kohlen erstehen,
das zum stochen einer Mahlzeit noth
diirftia ausreicht. Auf diese Weise aber
kostet ihn die Tonne Kohlen 2 Pfund
Sterlina, das ist beinahe das Doppel
te des Durschnittspreises bei centner
weisein Einkauf. Der Bettler in
Southwark heizt seine Dachkamtner
kostspieliger, als der Millionär in
Park Lane seinen Palast.
In weitem, siidisstlichem Bogen sind
wir wieder an den Fluß gelangt. Aus
London Vridge, die aus den Quartie
ren der Mjiheseligen und Beladenen
hiniiberfijhrt in die goldene City, der
Werkstatt des Londoner Reichthums,
bleiben wir fröstelnd stehen, über-wäl
tiaend von dem Gesiihl der Ohnmacht
vereinzelter Hilfsbereitsehaft gegenüber
dem Massenelend
Schwermiithig plätschern die dun
kelaelben Fluthen des Themsestromes
an die Briickenpfeiler. Unten, über den
Wassern brauen noch Nebel, den
Widerschein der bunten Schiff lichter
vermischend. Droben aber haben sie
sich zusammengeballt zu schwarzen
Wollen. Kalt und schwer fallen die
Tropfen herab Es ist, als drängen
sie uns durch Mark und Bein, als
wandele sieh der eisige Regen der
Herbstnaeht im Menschenherzen zu hei
ßen Thränen.
»-—-—-·--.-———
Auch ein Arlzonaktcken
Einen Reoattenr nsach dem berühm
ten acnerikanischen Muster im wilden
West-en scheint Ier in Vsaalg bei Aarhen
erscheinende Grensbode zu haben, in
dem sich nach der Köln. Violkszeitnng
solaendegGenrebildchen findet: »Lum
penstreich. In der Nacht von Donners
taa auf Freitag scheint ein bezahlter
Hungerleider in die Druckerei dieser
Zeitung, die gerade nicht geschlossen
;vsar, eingedrungen zu sein, denn des
Morgens kam der Berlegr zu der un
angenehmen Entdeckung, daß einige
kleine Theile der eben neuaekauften
Maschine gestohlen waren; da diese
gestohlenen Theile fiir diesen bezahlten
thun-gekleidet keinen Werth haben
konnten, scheint siegend ein Lump diese
gemeine That fiir einige Mart began
gen zu haben, aber ihre-Absicht ist miß
lungen. Die Lumpen haben ohne den
Wirth gerechnet, der Grensbode er
scheint weiter, und wir fordern den
seigen Thäter sauf; nochmals zu kom
men. Jeden Abend werd-en wir die '
Drncksevei offen lassen und hundert
Mark auf die Presse legen; wenn der
Gsaudieb es wagt, diese zu holen, und
wenn er mit dem Leben davon kommt,
bekommt er sie von uns geschenkt.«
. MAY