Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 05, 1902, Sonntags-Blatt, Image 12

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    l
- s ------- 3 ----- DOJOOOOOOOOOW ----------
Pension Malepartuz
käm km semickte Geschichte von Euremta von Adler-Neid
Ballcstkenu
Z
H
J
MUKLOXZWVPAOTHE-OTHER M
(10. Fortsetzung)
Die Nürnberger hängen bekanntlich
keinen, ehe sie ihn nicht haben. und im
Falle Schramm aebörte denn auch der
Major zu dieser Sorte. Jn der denk
bar fürchterlichsten schlechten Laune
suhr er den ganzen Nachmittag imj
Haufe umher, alle hatbe Stunden sich
ertundigend, ob Fräulein und Heer
Schramm noch nicht heimaetehrt, und «
das unweigerlich sich wiederholende
»Nein« mit leider ganz unparlamenta
rischen und unqualisizirbaren Com
mentaren begleitend, bis Frau Thussi
aufs höchste erbittert erklärte, jetzt
hätte sie’s satt, und wenn morgen um
dieselbe Zeit Margot Schramm nicht
wieder ihren Eltern mit eraehenitem
Danke zurückgesandt wäre, so würde
sie ihr Beine machen, daß sie die.
Schuhe verlieren sollte.
Jn dieser angenehmen Stimmung »
nahte der Abend heran und da der
Himmel sich am Nachmittag getrübt
und es leise angefangen hatte zu »trö
pfeln«, so hatte sich nach und nach die ;
ganze Gesellschaft in der Halle, dem
allgemeinen Lieblingsauienthalt der
Gäste, versammelt« mit Ausnahme oon
Misi Phthon und ihren Brüdern, die .
noch nicht heimaeiehrt waren. Da
außer den Genannten inclusive der re
aierungstäthlichen Kinder nunmehr
einundzwnazig Gäste in Malepartus
waren, so war selbst die sehr geräu
mige halle recht belebt von den ver
schiedenen Gruppen, die sich je nach
begenseitigem Gefallen bildeten und
zwischen denen Fräulein von Mardiss,
ausgereat wie immer, umherschosz und
aller Welt Rathschläge ertheilte, auf
die Niemand hörte, trotzdem sie Jeder
mann otferirte, um ihre Erhörung auf
Knioen bitten zu wollen. Eben be
schwor sie den Resierungsrath feine
Kinder doch um alles, was ihm heilig
sei, nicht immer in Weiß neben zu las
sen. weil ihn die viele Wäsche doch
unbedinat ruiniren müsse und blauer
Kattun doch auch fiir die Anfchaffung
viel billiaer sei, als all diese in harm
losen Gespräch begriffenen Gruppen
durch ein Zetergeschrei aufgestört wur
den, das von oben kam und so en:set3
lich gellte, dask es allen durch Mart
nnd eBine fuhr.
Noch ekx sich jemand von der Ueber
rtaschung durch dieses Geschrei erholte
und nach der Ursache sorschen konnte,
rechte sich diese auch schon in Gestalt
des Zinnnermiidchens Rosa, welches,
die Vände siegen ihren Kopf gepreßt.
den Ausdruck wahnsinnigen Entsetz
ens in den Ziiaen, die Treppe herab
stiirzte und dazu dermaßen im höch
sten Mskatet twischte dasr man glau
bten mai-te sie hätte den Verstand ver
loren. -
»Was ist denn lvå?« schrie der Ma
sor, der auf das Geschrei aus dem Bu—
wau geesilt war und dabei sah, dab.
das Esaxnmte·Personci-l des Hauses
aus epeneiaar uno courerram na)
ditto einsand.
»Die SchlanaeI Tie Schldnne!«
heischt-e Rot-a, dem Ausganae zuei
lend, aber der Major treuzte ihr Vor
haben, indem er ibr in den Weg trat.
«Hieraeblieben!« donnerie er das
Mädchen dermaßen an. daß sie still
stand und zu schreien aufhörte »Ver
zeiben Sie den Lärm, meine Herr
schaften, aber wenn Rksa nicht etwa
überaeschnappt ist, dann muß sie docls
eine Ursache haben-«
»Die Schlanae im Zimmer von dem
Fräulein Mis; ist ’raus aus dem Ka
sten und liegt mitten aus ihrem Bette
und will mich sressen,« schluchzte Rosa.
»Was denn für eine Schlange?«
staate alles durcheinander.
»Ja das Fräulein hat doch eine le
bendige Riesenschlange mit in dem
großen Kasten und die ist heraus und
Kieat aus ihrem Bette,« klar-te Rossa
Wer-nd die Gäste von Malenartus
Aber sie fand leider keine gläubigen
sahst-eh die es aar nicht bemerkten.
daß der Major bleich vor Schreck wur
de, sondern halb lachend, halb neugie
tia Rosa umringten, die am ganzen
Leibe bebte und ängstlich die Treppe
bevbachthetr.
In diesem Moment erschien Mis-,
Unaeonda Python in der Hausthür
von draußen kommend und sah ver
wundert den Menschenlnäuel an, der
ihr den Eingana versperrte.
Ranu, was ischt denn passirt?«
fragte sie laut, denn man nimmt doch
an außerordentlichen Ausliitusen qern
Theil, das liegt schon so m der mensch
W Reu- Wißbegier.
Eir- lurze, aber durch keinen Laut
Inierbrochene Pause folgte und dann
« Mast-e Uosa noch einmal ihren Be
- M vor von der Schlange die aus
UT PWO Bett aeleaen.
s s Pytbens Gesicht bei dieser
M war allerdings eineStudie und
m sah, das sie unstet dem Puder
III-U
«,dm M its-sich meinen K sch
W ich satt gänaz
Missi- Rsk du
»Hast-: Sie Die Tnur von meirn
Zimmer wirrtr zua’mrcht?« inquirir
te die Dompteuie weiter.
»Ich weiß nicht — ich glaube nicht,«
haucbte Rom nnt einem Blick auf die
Treppe
»Da. dann schieb« ich für nix,« er
klärt-e Miß Pnthon resignirt. Die
Sirene, die nun folgte, war ebenso tu
multös wie in ihrem Arrangement
unzweckmäßig als Schutt gegen eine
ausgewa Riefenichtange, denn er
stens wenden diese Thiere durch Lärm
völlig wild und unlentbar gern-acht
und zweitens ist es überflüssig, sich
vor ihnen auf Tische und andere Mö
bel zu retten, indem ihre Körperk
ichaffenheit ihnen diese Stellungen
leicht zugänglich macht. Da aber
schließlich Riefenschlangen in Frem
denpensrosnen fiir gewöhnlich nicht dor
zukonrnren pflegen. so darf man den
Gästen von Malepartus ihren Fehl
griff bei dieser Gelegenheit nicht zu
schwer zur Last legen und sich auch
nicht allzusehr wundern, wenn sie nun .
alle mit voller Kraft ihrer Lungen
durcheinanderschrieen und erhöhtet
Stellungen suchten, um instinktiv dein f
Geschick zu entgehen, von dein mögli- l
cherweife schon unter ihnen weilenden »
Reptil in die eBine gebissen zu wer- !
den. Zwar donnerte der Assefsor die
Versicherung unter die aufgeregte Ge- .
sellichaft, Riesenschlangen seien nichk1
atifticn aber das war ein schwacher
Trost, auf den außerdem kein Mensch !
hörte, und zudem war auch hier der l
Satz anwendbar: l
»Auch das Gnu
Beifzt rnal zu,
Denkt: Ranu
hat die liebe Seele Ruh’.«
In einer andern Situation a!sLei
stug an sich betrachtet wäre es einfach
erstaunlich fabelhaft gewesen zu leben,
mit welch· fabelhafter Schnelligkeit
und Gewandtheit die älteren und zum
Theil sehr kräftig gebauten Damen
die Tifchplatten erstiegen, ja die Er
tlirnmung des zwar breiten aber hoben
Kaminsitnfes durch herrn Frosch war s
geradezu ein turnerifches Meisterstück, J
wenn man in Betracht zieht, daß er »
sonst tein Turner war. Aber so macht !
die Angst und Panil aus den Mensj
schen Virtuosen und schreiend, jam
mernd und heulend suchte jeder Ret
tung für sein liebes Ich — ja sogar
die Kleiderstiinder wurden erklettert.
aber keins tarn darauf, einfach ins
Freie zu gehen. Und diese ganze wüste,
wilde und laute Scene wurde großar
tig begleitet durch die Chopicksche E
Dut-Volonaise. welche Fräulein von
Jaczanowsta drinnen im Salon mit
voller Kraftentfaitungv spielte, ohne
sich durch den eigentlich doch unge
Vöhnlichen Lärm ausch nur im gering
sten stören Zu lassen. Mist Anaconda
Bython stand in dem Chaos einige
Augenblicke stumm uno unbeweglich
ca, dann aber wars sie ihren Regen
oaleioi von sich, nahm ihren Regen
schirm wie eine Waffe in die Rechte
und eilte die Treppe hinan, gesolgt
oon dem Assessor, den weniger ritter
liche Gefühle Und der Drang, der küh
nen Dompteuse im Kampf gegen das
Turchibare Reptil beizustehen, bessert
ten, als ein ganz andere Gedanke.
»Das Vieh ist sich-er iiber Schniess
Sen beriefallen und kümmert sich leert
Diitchen um uns,« rief er, diesem Ge
danken Worte gebend. »Wenn Schmei
ten aber een Haar jetriimmt worden
Est, dann ist Ihre Schlange jemesen, so
svahr ich Draszbarg hoeße!«
Dieser fürchterliche Schwur verur
sachte wenigstens das theilweise Ver
itummen des Lärms, denn nun lausch
te alles ängstlich aus das Kampfgetöse,
das sich oben im Corridor abspielen
mußte, falls die Schlange das Bett
verlassen hatte. Aber statt dessen hörte
nan nur eine stürmische Begrüßung
Schnieskes mit seinem Herrnme dann
oard tiefe Stille und endlich tönte
Miß Pythons Stimme zornig herab:
.Da hatvtve Se Jhre Riesenschlang,
nnd nu thue Sie mir den einzige
G’salle und schlage Sie sie der Gans,
der Rosa, um die Ohre! Verdient hat«-Z
das Schassg’sicht siir den-. Lärm!'«
Nun noch ein Moment ängstlicher
Spannung und dann kam der Aisessor,
begleitet von Schnieste wieder in
Sicht, umwickelt oo einem Etwas, das
sich in dem iagbellen Acetnkenlicht der
Lampen unichwer als ein sast arm
dickes Manillatan erkennen ließ.
»Meine hochderehrten Herrschaften,«
schrie er im Iahrmarktschreierton,
«hier sehen Sie die berühmte und ge
sräßige Riesen- oder Abgottsschlange,
die sich von ihren lebendigen Gefähr
ten dadurch dortheiihast unterscheidet,
daß sie nichts frißt, indem sie aus
Manillabans besteht. Welchen Zweck ste
hat, tann ich leider nicht sagen, doch
kann ich soviel verrathen, daß sie zu
irgend einer atrobatischen Schaustec
lang verwendet wird. Da sie aus dem
Bett von Miß Bist-on liegend gedroht
bot, die arme Ro a ausznsreisen, so
set-diente sie eigentlich vernichtet zu
III-des, mit sosa aber inne Glsck
M lebt indes Muts-feile Uber
W kei- Mn is, ss se
Msss is Ist ZU tin-N
-------.-.« ----.x- «-.«—-—,- ü-..—.--.-—-.-i
»der Jnkulpatin an ihre sesiser —
Les jumenux "l«roissetoiles!«
Diese Rede verfehlte ihre beruhi
gende Wirkung nicht —- rnan kletterte
lachend von seinen erhöhten Stellun
gen herab und lachte die arme Rofa
noch weidlich ani, die zitternd in ihrer
Ecke stand und ein höchst thöeichtes
Gesicht machte. Es fiel zum Glück der
Mehrzahl der Gäste gar nicht ein nach
zuforschen, wieso das Zimmermäd
chen auf den Gedanken aekommen sei,
eine Riesenschlange im Besih der Miß
Python zu vermuthen, nur Frau von
Wieland machte ein Gesicht. als käme
ihr die Sache nicht geheuer vor, und
Herr Bachleitner piirschte sich an den
aufathmendrn Major heran und flü
sterte ihm ins Ohr: »Wenn die Thier
händigerin mit ihrem — Handwerks
zeug dashaus nicht hald verläßt, dann
ist der Ruf der Pension adieu undSie
lriegen keinen Menschen mehr hierher
—- wenigstens in dieser Saison nicht!«
Der Major hatte Luft zu einer
scharfen Zurückweisung, weil er die
Richtigkeit dieser Bemerkung siihlle
und weil Herrn Bachleitner ihm un
sympathisch war und in solchen Fäl
len ich man leicht geneigt zu raschem
Wort, aber zum Glück lieh ihm Herr
Bachleitner gar leine Zeit dazu, denn
ehe der Major noch etwas saaen konn
te, fügte er hinzu: «Weisz’ schon,
weiß’ schon —- peinliche Situation für
Sie. Werde es fiir Sie besorgen, ha
ben Sie keine Bange!«
Und damit verschwand er. dieTrevve
hinan und der Maior lehrte in fein
Bureau zurück, weil ihm die E-Dur
Polonaise mit einem Male fürchterlich
ans die Nerven ging
»Das halt’ ich nicht aus," stöhnte
er. »Keine Ruh bei Tag und Nacht-—
das ist jetzt meine Losuna—-— da möchte
oer beste Kerl ein Narr werden! Und
die Schramms noch nicht zuriiell Die
einzige hoffnuna ist« daß sie wo ein
aeregnet sind, von wo sie nicht teleara
phiren können. Nein, es ist zum Aus
wachsen!«
Mitten in feinem trostlosen Grü
beln und Jamrnern wurde lder Major
wieder von Herrn Bachleitner unter
brochen, der ihm diensteisrig mitzu
rheilen karn. Miß Prython wolle mor
gen friih a'hreisen, da sie einsiihe, daß
aer Maior in Mißhelkrglseiten mit sei
nen Gästen gern-then mäßte, wenn
diese erst aus den Gedanken kämen,
daß die Riesenschlangengeschichte so
thöricht urrd arundlos nicht sei, wie sie
ietzt noch auf Kosten der armen Rosa
scheine
»Enorm vernünftiae Person diese
Dompteuse,« siigte Herr Bachleitner
toten-o hinzu. »Sie meint aber, eg
hätte böse werden können, wenn die
Thiere durch die Reuaier des Mäd
chens befreit worden wären. denn ein
mal wild gemacht hilft eben nichts
ragst-gen als todtschlagen und das sei
bei den großen Thieren aguch nicht so
einfach. Und zudem sind sie ihr Ka
nital, dessen Verlust sie fast ruiniren
würde und schon darum wacht sie über
Die Sicherheit der gefährlichen Richtile
wie über ihr eigenes Leben.«
So etlia es dem Major war, so
lonnte er aar nicht anders als Herrn
Bachleitner für seine Hilfe als Unpar
teiischer vielmals zu danken. Dann
machte er Miß Python einen Besuch,
wobei er ihre Brüder bei ihr traf und
die Sache wurde in aller Freundschaft
erledigt, wozu ja allerdinas viel bei:
trua daß die Geschwister sichs genau
bewußt waren, daß die Einführung
von Riesenschlanaen ohne Vorwissen
des Wirth-es in einer Fnerndenpension
eine durchaus unzulässiae und gesetz
lich anateifbare HInsdluna war und
der tluae Herr Bachleitner hatte die
Sache den Artisten so Michickt und
hübsch »servirt,« daß letztere, unter
lirareiiuna der Initiative froh waren,
die Sache für sich so glatt ablaufen zu
sehen.
Was half das alles aber dem armen
Major, dessen Nerven völlig auf dem
Standpuntt der- Versaaens waren.
Und der Abend verging und keine
Spur war von den Schrammö zu
sehen, leine Nachricht tarn von ihnen.
Der Major wartete bis Mitternacht,
dann fielen ihm die Augen zu und er
wachte früh auf feinem harten Bureau
iofa auf, frierend, zerschlagen, mißge
stimmt, in einer unbeschreiblichen see
lischen Verfassung und die schwachen
iLfchon in si mißglückten Trostgriinde
rau Thus 's machten die Sache nur
noch schlimmer.
Gleich nach dem Frühstück reisten die
Artisten ab und der Major, der sie
auch noch freundlich lächelnd zum
Tempel ’rau5 dienern mußte, war
froh, als die orninöfe Kiste auf dem
Gepäckwagen das Weichhild seines Be
sihei verließ. Frau Thussi überreden
ihren Gatten dann zu einer Morgen
pfeife, unter deren beruhigendern Ein
fluß sie zu berathen begannen, was sie
nun im Falle Schramm zuerst thun
müßten: die Eltern benachrichtigen
oder —- bis dahin kamen sie gar nicht«
denn es klopfte und Herr Bachleitner
erschien, seine Nase vorausschiebend,
gleichzeitig ohne auf das »Herrein« zu
warten und fragte höflich an, ob die
Herrschaften ihm erlaubten, zu einer
vertraulichen Unterredung darzutun
chern Der Major grunzte etwas mit
e nem Blick gen Himmel, was Herr
Bachleitner jedenfalls ·für eine Be
jahuna nahm, denn er lud sich selbst
freundlichst zum sihen ein, faltete seine
ruhen« weichlichen Hände über dem
age- und fah seine Wirthe liebe
voll an.
»Diirtte ich bitten mir zu sagen,
it dies k ,«
Was-Picc- aäpiii Jst-:
gehen begann. »Ich habe momentan
außefrordentlich wichtige Dinge im
Kopf e --"
»Weiß schan, weiß schon,a siel Herr
Bachleitner ein. »griiulein Schramm
Bah. lassen wir räulein Schranien
noch ein halb Stündchen weiter tadeln.
Sie wird schon wiederkommen —- Un
lraut verdirbt nicht und wer die ge
stohlen hat. der briuat sie sicher wie
der. —- Richt mein Geschmack, Fräu
lein Schramen —«
»Herr Bachleitner —«
»Weiß schon, weiß schon, verehrter
herr. Also, Fräulein Schramm bei
seite, so bin ich gekommen, Jhnen et
was Wichtiaes zu sagen —«
«Wollen Sie endlich —«
»Weiß schon, weiß schon. Also·
mein verehrter here Major, was ich
sagen wollte: Sie eignen sich ganz und
gar nicht zum Leiter eines Hauses wie
die Pension Malepartus!«
»Herr Bachleitner —!« Der Masor
wollte zitternd vor Wuth ausspringen,
aber sein Gast erhob beschwörend beide
Hände
»Bitte —- ich meine das im guten
Sinne,« rief er liebevoll. »Hören Sie
mich gefälligst zu Ende. Dies Schloß
bier als eine Fremdenpension einzu
richten, war ein auter, ja so ar ein
vortrefflicher Gedanke, aber wie Sie s
anfangen werden Sie nicht nur beine
Seide spinnen, sondern Sie werden
auch bald sertia sein mit Ihrer Ge
sundheit und mit Jbren Mitteln —«
»Derrrrr — wer giebt Jhnen das
Recht, mir hier solche Sachen zu sa
gen?« brach der Major los, außer sich,
wuthbebend.
»Lassen Sie mich doch erst ausreden,
lieber herr, und toben Sie dann mei
netwegen weiter," erwiderte rrBach
leitner seelenruhig. »Näm i,ch was
ich meine, ist dieses: ein hotelier muß
nicht nur geboren, sondern auch erzo
en sein —- ist ja ganz Piepmaß, wie
fich das Haus nennt: Pension, Hotel
oder Gasthaus — Sie müssen Ihren
Gewerbeschein siir das eine wie siir
das andere haben und wenn Sie das
Gewerbe oon der Pite aus nicht ler
nen, da kommen Sie nie damit aus
einen grünen Ast, besonders wenn Sie
mit Ihrem »Gentleman« arbeiten.
Den werden Sie doch nicht mehr los
und der Gentlenean hindert eben den
Wirth in Allem. Fangen Sie an zu
verstehen?«
l »Ja, daß Sie mich beleidigen wol
en —«
»Gerade das lontriire Gegentheil.
Herrin irren ist doch menschlich und
wenn sich ein Gentleinan mal daraus
oerspißt, den Gastwirth zu spielen und·
er sieht ein-»daß er ·sich«dazu nicht eig
net, dann Hi ev doch leer Schande zu
sagen: Sie haben recht, Herr Bach
leitner. Na also, sehen Sie: ich bin
nämlich gelernter Hotelier und sehe ja
genau, wo der baten sitzt· Sie wollen
mit der Pension Malepartus verdienen
und iind dabei in Todesangst, daß Sie
Jhre Gäste mit irgend etwas ver
kürzen, daß Sie sich zuviel von dem
Pensionsdreis einstecken könnten. Was
thun Sie nun, um das ganz augen
scheinlich unmöglich zu machen? Sie
lassen jede Mahlzeit so anrichten, daß
jeder Hotelier mindestens zwei davon
seroiren könnte —- seder Gang wird
so gereicht, daß jeder Gast sich allein
daran bumsdict essen tann — vom
einfachen Sattessen ist da schon gar
keine Rede mehr. Ja, wie wollen Sie
denn dabei etwas verdienen? Friih
stellen Sie Kasseetriige aus, daß die
Leute sich drin baden könnten und die
Milch trinten sie wie die Saugkälber
schon ans purer Langeweile. Die Ex
traordinaria vertausen Sie zu Prei
sen, bei denen Sie nicht bestehen tön
nen, und wenn einer ein Gesicht macht,
dann schreiben Sie die Preise so her
unter, daß Sie dabei zusehen. Zu
anständig, Herr, sind Sie, das will
ich damit sagen und wenn das eine
Beleidigung ist, dann will ich nicht
Bachleitner heißen."
Dem Major war die Pseise längst
ausgegangen und mit seinem Zorn
verdampst. Dieser Mensch, dieser
Bachleitner, hatte recht, dreimal recht,
aber was hals das ihm? Und brachte
es Margot Schramm zurück? Machte
es die Nachricht an ihre Eltern leich
ter? «
»Sind Sie sertig?« sragte er müde,
als rr Bachleitner Athem holte.
« och nicht,« sagte dieser strahlend,
«denn was ich noch zu sagen habe, ist
das: ich melde mich als Käuser stir die
Pension Malepartus und biete Jhnen
300,000 Mart dasjirt«
Der Major sah seinen Gast, sagen
wir, etwas stupide an — die halb
schlaslose, schlechte Nacht aus dem
Sosa, die Austegungen der lehten Zeit
und des gestrigen Tages im besonde
ren hatten nachtheilig aus sein Be
grissidermjtgen eindewirlt.
»Was hat er gesagt?« sragte er
seine Frau. Die aber hatte die run
den hande über dem Magen gesaltet
und schaute erst herrn Bachleitner,
dann ihren Gatten und endlich wieder
lherrn Bachleitner an.
»Sie müssen schon entschuldigen,
wenn wir Ihnen nicht gleich eine Ant
wort geben« begann sie nach umständ
lichem Räuspern, aber here Buchten
ner winkte mit beiden Händen ab.
«Will ich ja gar nicht gleich haben,«
sagte er gemiithlich. »Sie sollen und
müssen sich meinen Vorschlag beschm
sen. Jch hab’ gesagt, was ich sagen
wollte und werde mir morgen um die
Zeit meine Antwort holen. Jch fürchte
nicht, daß sie geradezu »stein« lautet,
denn Sie werden ja längst selbst ein
gesekn haben, da Sie um Wirth
gsein tote der Its sum irrte-sahn
no wwwraioon natürlich« Ich
smtlrde tm Ge ensai ja auch nicht zum
Feldherrn pa en.«
lpHin — scheint auch nicht mein Be
ruf zu sein. sonst hätten sie mich nicht
schon ali Compaanieches sortgejagt,«
brummte der Ma·or in den Bart.
«Feldherrn pa en,« fuhr HerrBa -
leitner fort, indem er sich erhob. »Al o
lassen Sie sich darum leine grauen
saure wach en und wenn Ihnen mein
ropoö paßt, dann schlagen Sie ein.
Guten Motgen.«
Als er heraus war, sahen »Majorö«
sich an — dann lächelte Frau Thussi
»Recht bat er,«' sagte sie.
»Und ’nRiipel ist er auch,« brummte
der Major. »Was hat der Kerl die
ganze Zeit hier gemacht? Spionirt
hat er, seine groiie Gurte dont einer
Nase hat er in alles gesteckt, geschaut
bert und gelochert hat er, taxirt und
lallulirt. Und womit macht er Lein
Provosi Mit einer Blüthenle e er
vorragender Jniurien und s wingt
eine Rede aui meine Dummheit —"
»Na, na,« unterbrach ihn Frau
Thussi »So schlimm ist’s nicht und
man darf auch —«
»Vom Ochsen nichts anderes verlan
en als Rindfleisch,« vollendete der
ajor. »Herrje« nee doch! Also ab
gesehen von dieser glänzenden Consta
tirung meines beschränkten Untertha
nenoerstandes verlangt es mein Ge
techtigleitssinn zu gestehen, daß der
Kerl im ganzen recht hat —'«
»Und daß sein Propos annehmbar
ift,'· siel Frau Thussi ein. »Wunder
barerweiie ist mir bisher nie der Ge
dante aetonimen, daß wir Mandat
tus als Pension verlaufen könnten,
aber ich muß gestehen, daß der Ge
danle seine Reize sür mich hat —"
»Für-mich auch. Und daß mir der
Gedanke nicht gekommen wäre, lann
ich nicht sagen, ich glaubte nur nicht,
daß sich je ein solcher Esel sinden
würde, uns daBDing abtausen zu wol
len. Aber selbst wenn sich drei Esel
dazu gesunden hätten, so würde ung
das nicht der Verpflichtung entheben,
Margot Schramm’ö Bei-schwinden
ihren Eltern zu metden.«
Und der Maior seuszte, daß es einen
Stein bäte erbarmen müssen.
»Ja, ja, du mußt nun depeschiren,
da hilft nichts,« ietundirte ihm die
Gattin
»Das wird ein Telegramm io lang
wie ’ne Beethoven’sche Sonate,« tlaate
der Maior, der ein Vorurtheil gegen
llassische Sonaten hatte. »Und dann,
paß’ mal aus, Thulsi, sobald das
Dinas sort ist, wird das Mädel wie-«
. rlotnmen und noch thun, als ob wir
schuld an der Geschichte wären.«
-Uannlick1 ict«ä nicht« kmb Ican
Thussi »u. indem sie Schreibmateria
lien auf den Tisch vor ihren Gatten
legte. »Aber nun schreib’ mal, Alter,
's wird Zeitl«
»Schreib’ mal. Schreib’ mal!'·
bäumte sich der Masor noch einmal ge
gen diese Zumuthuna auf. »Du hast
leicht sagen, schreib’ mal!« «
Gortsetzung folgt.)
-- —- --
Gar-h setnhaedtd Stab
Wer am 1. und 2. November nach
Paris kommt, am Allerheiligen- und
Allerseelentage, sollte es nie versäu
men, einen Besuch auf den Friedhösen
zu machen. Man tann das Voltsleben
beobachten wie selten bei anderen Ge
legenheiten. Der Pariser hat das Ge
fühl für 'den Cultus der Todten im
hohen Grade. 612,433 Personen ba
ben an den beiden Tagen in diesem
Jahre die Grabstatten besucht. Auf
dem Pere Lachaife erblickte ein Mit
arbeiter der Frantsurter Zeitung et
was Seltsameån das Grab Sarah
Bernhakdt’s. Während sie gerade in
der Mittagsstunde in Berlin diePhä
dra spielte, stand er an ihrer Gruft.
Wie sie bei ihren Darftellungen
nichts bern Zufall überläßt, so hat sie
auch bereits die Jnfcenirung siir ih
ren Tod geschaffen. Ein ernftee
Mausoleum, ein einfacher -Sarlophaa,
auf dem nur das Wort »Bernhardt«
siebt. Dort will sie sich spät-er nieder
lassen. Man sagt aus dem Friedhof,
sie komme zuweilen hierher, um sich
der Vergänglichkeit menschlichenGlan
ges zu erinnern. Ein Strauß von rosa
Chrysanthemen lag an ihrer Gruft —
gerade als ob sie schon wirklich darin
läge. Welcher Collegin mag diese
Aufmerksamkeit zu danken sein?
WH
Dtchtims und saht-heit.
Jm Allgemeinen pflegt es einem
Roman sehr als Lob anaerechnet zu
werden, wenn feine Schilderunaen
»wie aus dein Leben gegriffen« sind.
Daß Dichtung und Wahrheit aber ar
leaentlich auch in sehr unangenehmer
Weise zusammentreffen können, lehrt
ein Fall, der dieser Taae in Paris ver
handelt wunde. Vor Kurzem erschien
ein Roman »La Marque« von Cha
deron. Einer der Charaktere in die
sem Buch ist der Standesbeamte in
Versailleö, und dieser wird darin in
ein sehr ungünstige-Z Licht gestellt, und
er bat an ausfchweifenden Seenen
theilaenommen, auf die im Roman
angespielt wird. Uebeitdies soll die
Scene in der Nue Montboion in Ver
failles stattgefunden haben, und der
Zufall hat es gewollt, daß der setziae
Standesdeamte in Verlatlles, ein M.
Jolh, wirklich in der Rue Montboron
wohnt.
Das Alles hatte nun sehr unange
nehme Folgen fltr M. Jolh. Ohne zu
wissen warum, war er der Gegenstand
allen möglichen kleiner-. Die Leute
auf der Straße lachten sartastisch über
sthn, Veto-note oermteden ihn, wenn sie
ihn tot-wen sahen, und dte Thüren
wurden ifm vor der Nase zugeschlo
gen. sene srau erhielt ais-nume
Briefe mit den Anspielurgen auf ih
ren Mann, und der Döhepuntt war
es, als derRichter ihn aufspederte, eine
Ertliirung feines Benehmens, von dem
ein allgemein verbreitetes Gerücht et
was wissen wollte, zu geben. Erst jetzt
hörte der unglückliche M. Jolh von
M. Ehaperon und seinem Roman.
Er las ihn und ah, daß er ein ge
naues Eonterfei von ihm selbst zu ent
halten schien. Darauf folgte eine Ver
leumdungstlage. Der Dichter erklärte,
nie etwas von M. Joln gehört zu
haben, den er jetzt zum ersten Mal sah.
Er bedauerte das Zusammentreffen
sehr. Er hätte sein Buch in volltom
men sehr guten Glauben geschrieben
und erkenne an, daß der Standesbe
amte ein ehrenhafter Mensch sei. Der
Gerichtshof verurtheilte jedoch den
Dichter und seinen Verleger zu 8200
Schadenrsah und Tragung der Unio
iten. Die Bücher sollen eingezogen urtd
für jedes ferner zum Verlauf ge
brachte Exemplar eine Strafe von 810
bezahlt werden.
»Gut-maule« tu England
Lange Zeit war die Elubomanie,
d. i. die Sucht, neue und eigenartige
Eluhs zu grünt-en, in England ende
mifch, ja, fre galt sogar für eine aus
schließlich britische Krankheit. Das
ist jeht anders geworden, und die Clu
bomanie fordert lange nicht mehr so
viele Opfer, tvie die früherer Zeiten.
Ihre Blüthe-seit hatte die Clubvmanie
unter der Regierung Karls ll. Da
mals gab es fast jede Woche höchst
merkwürdige Elubgründun en. Ei
nes Tages zog Lord Finch die Kleider
eines Poftlutschers an uno lenlte in
den Straßen von London eine vier
spännige Kutsche. Sofort wurde oie
,,Mail-anch« als — fast möchten wir
sag-In —- »salonfähiges« Fuhrwert
proclamirt, und eine Anzahl »Mutte
men« machte es wie Lord Finch und
gründete bald darauf den »Four in
Hand-Elub«. Dieser Elub steht noch
heute in voller Blüthe und hat sich
nicht einmal durch den überhandneh
menden Automobilismus oerdrüngen
lassen.
Ein anderes Mal, aber immer un
ter Karl ll» trifft ein Londoner. der
sechs Finger an jeder Hand besaß, eine
Person, die mit demselben Finger
überfluß ausgestattet war. Sofort
gründen sie den »Sir Fingers-Elub",
und die Zahl der Mitglieder war ziem
lich groß. Aber der Club bestand nicht
lange. Es lam zu ernsten Streitigkei
ten darüber. ob auch Personen ausge
nommen werden sollten. die nur an
einer band sechs Finaer hatten, uno
dann Leute mit zroiils oder elf Fuß
zehen.
Ein ensilischer Lord hatte mit gro
ßer Betrübniß bemerkt, baß seineZeit
genossen Strümpfe von allen Farben
trugen, nur blaue nicht. Sosott be
schlon er in feinem Herzen, ausschließ
lich himmelblaue Strümpfe zu tragen.
Mehrere feiner Freunde, unter welchen
sich auch hoiace Walpole befand, tha:
ten desgleichen, uno per ,,Club der
Blaustriirnpfler« war fertig. Man
täusche sieh aber nicht: Frauen wurden
nicht aufgenommen! Es gab in Lon
oon zu derselben Zeit einen »Club oer
«Sanrfon5«, o. i. eine Vereinigung oon
Leuten mit üppigem Haativiich5; ei
nen Club Ider Hörncriräger (!), einen
Club der Katzenfreunde, einen Club
der Tulptnfreunoe und einen Cliib der
Bantrottirerl Jn oen letztgenannten
Club wurde man nur dann aufgenom
men, wenn man mincieftens zwei Ban
trotte hinter sich hatte, und als Mit
glieid des Verwaltungsraths lonnte
nur ein wegen betrügeriichenBantrotts
vorbeftrafter Mann gewählt werten.
— O-—-.-——
Glossen sue Inmitten-«
Von Korn Totvåkm
E v ei.
Eva war die erste Frau.
Und nur wenig sieht zu lesen
lliid die-I Wenige iiiigenaii, «
Wie und wag isie sonst geiveiein
Diese Fraueiifmne blieb
Uiigeliiii bis heutzutage-.
Eva hatte Adam lieb;
Das allein ist einher Frage.
O . .
I i- e i e L i e i e.
Freie Liebe ’.- Warum denn nicht?
Nur ift das so eine eigne Geschicht’:
Denn siehst du: die Freiheit« mein liebes
Kind,
Hort aus« too die wahre Liebe beginnt.
. I O
Die Schlimmste.
Zwei Freundinnen iaizen ini Boudoik
lind sprinlieii iibck die Ehe,
Wie sie von Weitem so wunderbar
llnd fo tranria lei in der Nähe-,
lliid wie fie noeh steinern der fie erstrebt,
Jin Grunde je wirklich beseligt.
Was hatten die Beiden io Schlinttnes
erlebt?
Man hatte sie nicht geeh·licht.
—- '-.--—
Ineekeimimh
Anläjzlich des Todes des englischen
Hiindeziichterö Paninure Goroon er
zahleii englische Blätter folgen-des net
tes Hiftorehen Flfur Zeit als Li hung
Tsehang in Eng ano zu Besuch weit-,
machte ihm Mr. Gordon einen preis
aetronten hund zum Geschenk« dessen
Werth auf·1000 Pfd. Sterl. geschäht
war. Einige Tagesfpiiter traf Gor
don den chinesischen Minister beiin Di
ner iin Mansion house und fragte
durch den Dolinetscher feine Excellenh
ob er den hund bekommen habe nnd
was er von ihin haltet »Oh, danke
ehe! ch selbst e ais-Phoride
leileh, a r meine D ner W ihn
ii Oel nnd fanden ihn fe gut,« war
die libeerafihende Inn-or des gessen
chinelein