Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 28, 1902, Sonntags-Blatt, Image 11

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    Ists-!
Wie sich unsere cotte verliebte
Von Margarete Stadien
Unsere Lotte ist die jüngste von siins
Geschwisterm der Liebling aller, das
Nesthätchem Aber man ones sich des
« halle nicht etwa ein überzarteö, ver
wöhntes Fegean vorstellen, ganz im
Gegenthei . Sie ist- ein großes, zwar
schlantes, aber lriistiget Möbel mit ei
nem dicken, braunen Desreggerzopf,
großen, schwarzbraunen Augen und ei
nem tecken Stumvsnäschen im Weiß
und Noth ihres hübschen Gesichts. Sie
ist immer lustig und immer aus den
Beinen, in aller Morgensriihe mit der
Mutter in Küche und Milchteller oder
mit dem Vater aus den Feldern oder
aus der Jagd. Natürlich beherrscht sie
das ganze Haus, seit die beidenSchwe
stern an Gutsnachbarn verheirathet
sind. Den Vater nennt sie »Ches«, zu
seinem größten Gaudium, und die
Mutter «Kleinchen«. Und wenn dies
beiden Brüder, zwei stattliche Garbe
leutnants, zum Besuch kommen, heißt
es: »Nun sind unsere drei Jungens
wieder mal beisammen.« Denn von
klein aus hat sich unsere Lotte mehr zu
den Jungen wie zu den Mädchen ge
halten. Jhre Puppen saßen nothdiirs
tig bekleidet alle mit- und durcheinan
der im Pubpenwagen, wobei das
»Vabn« gewöhnlich die ,,Braut'«'aus
dem Zchooße hielt. Lotte aber tobte
mit den beiden Brüdern Fritz und Karl
und Dbersörster Hausdorss Gustav im
Hofe und Garten umher, und die ganze
Teckelsamilie schloß sich mit jauchzen
dem Gebell an. Wenn die Lotte las
oder lernte, that sie das am liebsten in
lustiger Höhe. und man mußte noch
Gott danken, wenn sie nicht plötzlich
aus den Zweigen der großen Linde vor
dem Hang-, wo sie sich gern aushielt,
aus die Nase siel.
Doch diese .,Sturm- und Brautwe
riode« ging glücklich vorüber;Fritz nnd
Karl kamen nach Lichterselde in die
»Kadeltenfabril«, wie Lotte sagte, und
Obeissörsters Gustav wurde nach Ber
lin aufs Ghmnasium geschickt.
Damals hatte Lotte einen halben
Tag bitterlich schluchzend aus derLinde
zugebracht, dann war sie wieder die
Alte, wenn sie auch erlliirtex »Ohne die
Junos ist es bloß ein halbes Leben!«
Aber auch das ,,halbe Leben« machte
ihr unglaublichen Spaß, da sie die sel
tene Gabe besaß, Menschen und Thiere
mit warmer Zärtlichkeit zu lieben und
allen Situationen die heiterste Seite
abzugewinnen.
Um so mehr mußte es uns ausfallen»
daß ne piotzitaz, ohne besonderen
Grund, anfing, stiller und gesetzter zu
werden, Das frühere mit schweigen
dem, aber leidenschaftlichem Haß be
handelte Klavier wurde jetzt plötzlich
als ,,Lieblingsmöbel« betrachtet, und
ihre hübsche Stimme klang, wenn sie
uns Abends all die alten Vollslieder
sang, die wir so liebten, ordentlich zu
Herzen aebend Diese Veränderung
datirte seit Helenes undMartbas, ihrer
älteren Schwestern, Toppelliochzeii.
Was da eigentlich daran schuld mar,
läßt sich schwer sagen. Es war eine
vergnügte Hochzeit; ich seh-e noch den
siattlichen Brautzug durch den som
merlichen Bart zur geschmückten, lleii
nen Dorftirche wandern. Voran die
beiden strahlenden Vrautpaare, dann
unsere schmucken Ousarenleutnants
mit ihren Damen, den zwei Oderför
sterstöchtern, hieraus Gustav in der
tleidsamen Unisdrm des Forstreierersp
dars mit der schönen Schwester don
helene’s Bräutigam Hans Rudhardt,
die noch dazu nicht nur iiber den poetis
schen Namen ,,Jnes« versiigte, sondern
gleichzeitig die seltene Eigenschaft be
saß, wienerisch zu sprechen, was ihr in
den Augen unserer Jungen einen gro
ßen Reiz verlieh. Den Schluß des Zu
Z machte Lotte, ein eben »ausqewach
ener« reisender 16jähriger Backsisch,
mit Georg Heller, dem Bruder von
Martbas Bräutigam. Sie sah aller
liebst aus im dustigen, weißen Kleid-—
dem ersten wirklich langen! —- und ei
nem Kränzchen von Moosrosen im
Kraushaar, und ich siir meienn Theil
fand sie viel schöner als die vielaeprio
sene Jnes. Aber eine Großmutter wie
ich ist nicht unparteiisch im Urtheil,
und da meine beiden Entelsähne sie für
»ein geradezu versiilsrerisches Weib«
erklärten, —- diesen weltmännischen
Ausdruck waren sie dem Berliner Le
ben und ibrer Würde schuldig! ——-- und
dersicherten, Gustav sei ebenfalls »di
Mt weg«. mußte ich mich bescheiden.
Und ali sie sagten: »Ne, Großmutter,
sei nicht böse, aber von Frauenreizen
verstehst Du nicht die Bohne!« schwieg
ich in meines Nichts durchbohrendem
Gefühl.
Aus die unruhvollen Wochen, welche
der Hochzeit vorangingen, folgten um
so stillere, und wenn ich auch meine
Beobachtungen siir mich behielt, so
war ich doch überzeugt, die Lotte »batte
irgend -etwas«. Nicht etwa, daß sie
sauertöpsilch war, o nein!- Aber sie
konnte stundenlang bei einer Näharbeit
sitzen, auch waren selten einmal ihre
gewohnten Schelmenstreiche zu der
zeichnen Und als im Winter die Biille
kamen, tanzte sie zwar slvtt, versicherte
aber ossen: »Weder ist mirs schon,
wenn ich nicht zu geben brauche; et ge
stillt mir nichtP
Dabei wurde ihre Stimme immer
schen und wenn sie Sonntags in der
i
—.-—l
1
Kirche sang, so lauschte nicht nur der
alte Kanten ihr Lehrer, und wir, son
dern die ganze Gemeinde mit innigem.
Entzücken So vergingen zwei Jahre
in den üblichen kleinen Leiden und
Freuden des Alltagi, die man auf ei
nem großen Gut noch mehr empfindet
als in der Stadt. »Tagei Arbeit,
Abends Gäste, saure Wochen, frohe
Feste« stand nicht umsonst in hinz
brandarbeit über der Thür unseres
Eßzimmer3.
Jm eigentlichen Familienleben hatte
sich nichts geändert, außer daß beiRud
hardts und Hellers die Babies an
langten welche Lotte mit Begeisterung
hegen und pflegen hals. Hausdorfö
waren unsere böusigen Gäste, und wir
waren auch oft in der gemüthlichen
Qbersöriterei, wo es, seit Gustav als
Assessor dort zeitweise thätig war, noch
hübscher war als vorher, wenn auch
das junge Voll den alten harmlosen
Ton aus der Kinderzeit gar nicht so
recht wiederfinden lonnte.
Aber noch ein anderer war es, der
jetzt unseren Kreis häufig ergänzte,
und zwar der neue, junge Pfarrer Na
mens Neubert.
Es war ein lieber, schlichter Mann,
der Sonntaas mit verliärtem Gesicht
auf Lottes Gesang lauschte und in der
Woche endlose Konserenzen über den
Kindergottesdienft, den sie leitete, und
die von ihr treulich gepflegten Dorfm
men mit ihr führte.
Natürlich dachte ich mir mein Theil,
aber weder mein Sohn noch die
Schwiegertochter glaubten meinenPro
phezeiungen Bald aber lam, wie Fritz
Reuter sagt, ,,de Sal taum Swur«'.
Es war ein schöner Sommerabend,
und gerade fing es an, dämmerig zu
werden. Jch saß mit meinem Strick-.
zeug allein in meinem netten Stäbchen
auf dem Fenstertritt, von wo ich meine
ganze Welt, in der ich jung gewesen
und alt geworden war, überschauen
konnte: den Garten, den Gutshof und
drüben am Walde ein Stück-then Got
tesacker. Da klopfte es, und die Lotte
kam herein. ,,Grofzmutter,« fing sie
an und sah ganz bekümmert aus, »denl
Dir, ist das nicht schrecklich? Pastor
Neubert hat um mich angehalten! Und
Papa ist so unzufrieden, daß ich nicht
»Ja« sagen will.«
Jch streichelte ihr beruliigend die hei
ssen Wangen. »Und warum willst Du
denn nicht« Kind? Hast Du ihn nicht
gern?«
»Nng gern. Großmutter, das ist
es ja eben. Es wird mir furchtbar
kx —-— .
falls-FI, IYIII IN» all ccsulh uUclp llufllg
lieben thue ich ihn nicht« nicht mit der
»großen Liebe«, weißt Du. — Und
Papa sagt, das schadet nichts.«
»Ja, Lotte, das ist eine schlimme
Sache. Die große Liebe begegnet nicht
jeden-« Und dann ist sie nicht immer
gliiellich —- und wenn man feinen Er
wählten wirtlich betommi, dann hält
sie nicht immer vor im Treiben und
Sorgen des stllltags.«
»Aber ich möchie wenigstens noch
daran glauben können, Großinutter,«
sagte sie und sah rtich bittend mit den
großen, schioarzbJounen Augen an,
»und ich tann mir auch nicht denken,
daß sie bei mir nicht vorhielte!«
Da war ich nun geschlagen, denn
das tonnte ich mir auch nicht denken.
lind so sagte ich nur: »Wiißtest Du
denn einen andern, Lotte«t«
Da sagte sie nichts, sondern wurde
dunkelrotd, faßte mich um und gab
mir einen langen Kuß. »Er will mich
aber nicht haben, Großmuttel,« flii
sterte sie ganz leise — dann war sie
fort.
Der arme Pastor Neubert aber be
tam in aller Freundschaft den Absage
brief, so schonend wie möglich.
Sechs Wochen später stand bei uns
wieder einmal das Haus aus demKopL
und es waren alle Hände voll zu thun
zur Jagd, bei welcher Gelegenheit ge
wöhnlich viele Gäste kamen. Mariechen,
meine Schwiegertochter, und Lotte be
reiteten riesige Schüsseln Weißfauer,
die Mamsell arbeitete von früh bis
spät mit dem Schweinemetzger. und
durch das ganze Haus zog ein töstlicher
Duft von frischem Kuchen.
Fritz und Karl waren gekommen,
und noch viel Besuch wurde erwartet,
wofiir es viel Arbeit gadt, so daß man
wirklich froh war, Abends bei einem
Gläschen Wunsch, den die Leutnants
genieinsclmstlich mit ihrem alten
Freund Gustav gebraut hatten, behag
lich beisammensitzen zu können.
Es war ein hübsches Bild, an wel
chem ich alte Frau meine Freude hatte.
Die Dberförsterin und Mariechen sa
ßen aus dem Sopha, nnd Flossie, die
Teckelmutter, lag auf ihrem Schoon
mit den klugen Auqen sinnend von
einem zum andern schauend, so daß
sie interessirt dem Gespräch zu folgen
schien.
Der Oberförster und mein Sohn
spielten Schach, unt die jungen Leute
»machten Unsinn«, und das helle, fröh
liche Gelächter hörte nicht auf. Ueber
Allem lag der milde Schein eines gro
ßen, zum Kerzentronleuchter umgemo
delten hirschgerveihs, der so viel
freundlicher ist, als das grelle Gluti
licht. Auch meines lieben seligen Man
nes großes Oelbild war vIl und
warm beleuchtet, und er schien mit
theilzunehrnen an unserer Freude.
»Na. Kinder, fest laßt mal was Ver
ntinftiges hdeent« rief mein Sohn und
tlapvte das schachbrett su. «Lottet
tOICPsflsss Sm—-CI4Osj-.-o-Sia-ss
-«-I-s--«-Oo-s-( Mos
m
sus
L—
—o-- -—
Singen! Mir it's »»liederlich zu
Muthe!« —
Es ist eine von Lottes guten Eigen
schaften, daß sie sich nicht ziert, und so
erklang denn bald eines unserer Lieb
lingslieder nach dem andern.
»Aber jetzt habe ich eine geoße
Bitte,« sagte der Obersörster plötzlich,
»die heimliche Liebe, Lottchen!« Und
dann fing er selbst mit seinem dröh
nenden Basz an: »Kein Feuer, leine
Kohle —«
Lotte behauptete. die Noten ver-legt
zu hasben und das Lied nicht ansetzen
dig zu wissen —- aber die Brüder
brachten es im Triumph herbei, so daß
leine Ausrede galt und die liebe, alte
Weise durchs Zimmer zog. Jch weiß
nicht, ich verstehe ja nichts davon und
will gern glauben, daß Schubert und
Schumann und Brahms und wie sie
alle heißen, viel schönere Sachen ge
schrieben haben. Aber wenn sie jetzt
so thun, als hätte man früher noch gar
nichts gelonnt, das macht mich ordent
lich« böse! Die Klugschwöyer hätten
nur einmal die Lotte hören sollen, wie
sie die »heimliche Liebe« sang!
Als sie geendet hatte, seufzte unser
Karl »llaftertief«, um mich seines ei
genen Ausdrucks zu bedienen, und wie
derholte mit unbeschreiblichem Aus
druck:
»Ach ja-a-a, von der nie-hi-mand
nichts tveiß!«
Die Mädchen ticherten, Lotte machte
ein unglaublich unsbefangenes Gesicht
und Oberförsters Gustav hob mit gro
ßer Umständlichleit eine Walnuß auf,
die ihm entfallen war.
Am anderen Tage erschienen die
übrigen Gäste,· und das Mittagessen
zog sich bis lang in den Abend. Zu
späterStunde wurde plötzlich ein Pack
chen fiir Lotte abgegeben, und als sie
gar nicht damit erschien, trieb mich die
Neugier zu ihr hinein.
Sie stand mitten in ihrem kleinen
niedlichen Mädchenstübchen, das außer
Blumen und Kanarienvogel wenig
lieberfliissiges enthält, am Tisch und
hielt etwas in der Hand, auf das sie
mit verllärtemLiicheln herabblielte und
das sich bei näherer Prüfung als —
ein Pfefferlnchenherz erwies! —
»Großmuttel. Dul« sagte sie leise
und dann fiel sie mir plötzlich um den
Hals und weinte. Aber ich merkte es
wohl, diese Thränen thaten ihr nicht
weh.
Dann gab sie mir das merkwürdige
herz in die Hand. Es war ein recht
nescbmncklnskä Dink- nrn d» Ninbrbeik
dise Ehre zu geben. Jn weißer Zucker
schrist aus rothem Untergrund stand
das ganze Lied von der »»heimlichen
Liebe« darauf, von »Kein Feuer, keine
Kohle« bis ,,wie treu ich es mein« und
,,Gusta«v« stand darunter.
Jch schuttelte den Kopf, sagte aber
kein Wort, um ihr die Freude nicht zu
verderben. Lieber Gott« es ist nun ein
mal so! Wenn der Geliebte einen Pe
tersilienstrauß sendete, um seine Ge
fühle zu erklären, so wiirde auch der
freudige Gefühle hervorruer und
sehr viel geschmackooller fand ich das
Herz auch nicht. — Da aber stiirmte
jemand die Treppe heraus. immer zwei
Stufen aus einmal nehmend, und na
türlich war das der Herr Forstassefsor.
In der Hand trug er ebenfalls so ein
kleines-, roth und weißes Ungeheuer-,
.Lotte« unterzeichnet, so viel ich sehen
konnte. ;
»Lotte, hast Du mir das Psefferlu
thenherz geschickt?« hörte ich ihn noch
iagen, dann ging ich eilig zu den andesT
sen hinüber, denn ich wußte, die Bei-i
Den hatten einander viel zu sagend
Bleichzeitg aber kam mir blitzartig die
Erlenntniß des näheren Zusammen
)anges; ich ging also ins Wohnzimmer
rnv ,,taufte« mir mein Enkelsöhnchen
Karl. »Es ist schade, mein Junge, daß
Du keinen Pfeil und Bogen trägst oder
»in Paar Flügel,« sagte ich, so sanft
ch konnte.
»Wie meinst Du das» Großnrutter?«
ragte er und versuchte kindlich-lieblich
1uszufehen.
»O, nur so,« versetzte ich, «es würde
"o gut zu Dir passen! Denn der an
)ere Amor zielt doch nicht auf Pfeffer
Iuchenherzen, soviel ich weiss.«
»Groszmutter, Du bist ein samoser
kerlt« sagte er anerkennend »Daß
Du so schnell den giitigen Wohlthäter
rlannt hast! Natürlich bin ich es, der
pas Herrliche vollendet! Kannst Du
Dir denken, daß dieser Mensch, der
Bustav, bis über die Ohren in Lotte«
perliebt ist und trotzdem warten woll
e, bis er selbst genug hätte, um eine
frau zu ernähren?! Als Forstassefsort
»lber zum Glück bin ich auch noch da,«
iigte er voll Stolz hinzu, und reckte
eine schlanke Gestalt hoch auf. »Die
wei Scheusaler find natürlich von
nir, und nun wird die Jagd erstSvaß
nachen, weil er uns nicht immer die
sesten Prachtstiicke vor der Nase weg
chieszen wird; Bräutigams treffen nie
twast Aber ich muß gehen und den
llten vorbereiten.«
Währenddessen kamen sie denn auch
n, glückselig und verlegen, die beides
!iebenden, um mit der Mutter zusam
nen, der sie inzwischen gebeichtet bat
es, Papas Erlaubniß einzuholen. Na
iirlich wurde der »«dritte Sohn des
Hauses« gern empfangen, während
Ibersttrsters strahlend die erwünschte
Schwiegertochter umarmten.
Und dann war der allgemeine Jubel
fres, und als wir wieder um den all
gemeinen Tisch im Wohnzimmer sa
ßen, aus toelchem die große Wunsch
botvle dampfte, erhob sich der Kantor
und sagte: »Ein volles Glas gebührt
diesmal der Frau Musita und ganz
besonders ihrem Diener, dessen Namen
man nicht mehr weiß, der uns die
schöne Weise erfand von der ,,heimli
chen Liebe«.«
Und unter all den Hochrufen, die
nun folgten, merkte es Niemand, daß
Gustav und Lotte sich ganz ungenirti
einen Kuß gaben.
Karl abergasz am Klavier und sang
aus voller ehle das alte Schnada
hUpflt
Was braucht denn ein Jägers
Ein Jäger braucht nix
Als ein schwarzbraunes Mädel,
Einen Hund und ’ne Büchs!
Der Alte im Bart.
Dieser Tage warenes 50 Jahre,
seit der »Alle im Bart«, wie die Ber
liner den langbärtigen Turnvater
Jahn in seinem vorgerückten MUS
alter allgemein zu nennen pflegten,
gestorben ist. Sein Lebensbild versetzt
uns in Zeiten nationaler Begeisterung,
in die Mitte der Befreiungstriege, und
bietet uns ein Stück deutscher Kultur
geschichte. Die Persönlichkeit des po
pulären Turnvaters ist wegen der vie
len Wunderlichteiten, die ihm persön
lich anhafteten, nicht leicht zu ver
stehen, und man kommt nur zu leicht
in die Gefahr, diesen trefflichen Mann
nicht nach Geblihr zu würdigen. »Der
Jahn«, wie er sich rnitsftolzem Selbst
bewußtsein zu nennen liebte —- er
stellte sich nämlich stets knit derselben
Redewendung vor: »Ich bin der Jahn«
-— offenbart sich uns als Persönlichkeit
in seiner Schrift iiber das deutsche
Volksthum s— Jahn ift der Erfinder
des Wortes ,,Bolisthum« ——, einer
Schrift, die trotz aller darin vorkom
menden 'lesonderlichteiten fiir jene
Zeit von unfchätzbarem nationalen
Werth war. Bliicher nannte es das
deutsch-Este Wehrbiichlein. Es war das
Hohe Lied von der deutschen Einheit,
das damals vielfach als romantifche
Schwärmerei belacht wurde. Leider
bat Jahn aber durch feine vielen per
sönlichen Seltsamteiten und Schrullen
der guten Sache, der er fein Leben
lang mit glühender Begeifterung
diente, unbewußt sehr geschadet, um so
mehr, als feine Wunderlichleiten mit
der Zeit fo sehr alle-s Maß überstie
gen, das; sich selbst wohlmeinende
Leute von ihm abwendeten, die fiir
seine Turnerei, durch die er in ganz
Deutschland besonders aber in Berlin .
so berühmt geworden ist, mit allem
Eifer eintraten.
Kurz, Jahn war persönlich ein wun
derlicher Kauz. Sein ganzer Lebens
gang von der Kindheit bis in’s Grei
senalter ist eine Kette von mitunter
recht schnurrigen und abenteuerlichen
Episoden. Er stammte aus der Prüg
nitz, wo er in dem Dorfe Lanz am
’ 11. August 1778 als Sohn des dorti
gen Pastors geboren wurde. Auf dem
Ghmnasium zu Salztvedel war er der
,,Störer der Schulordnung« und ging
auf den ihm ertheilten Rath ab, um in
Berlin seinen ersten Einzug zu halten·
Hier trat er in das Gymuasium des
grauen Klosters ein, aber auch hier
lvar er so unverträglich, daß er plötz
lich nach kurzem Aufenthalt ohne jeden
Abschied Berlin verließ· Seine Klei
dungsstücke ließ er vor dem Kottbuser
Thor liegen —- sie werden wohl danach
gewesen sein —, man glaubte daher,
daß er beim Baden verunglückt sei.
Bald darauf bezog er die Universität
Halle, um Theologie zu studiren, ließ
diese aber bald lints liegen und wid
mete sich der deutschen Geschichte uno
Sprache. Hier trater gegen die ihm
oerhaßten Landsmannschaften auf, er
wurde in Verruf gethan und lebte in
beständigen Raufereien. Wie ein Wil
der hauste er in einer Höhle, in den
Felsen, die sich bei Giebichenstein un
terhalb Halle hinziehen. Die Höhle
heißt noch heute »Jahnshöhle«· Er hat
sie sich selbst ausgesprengt, er lebte
darin einen ganzen Sommer als Ein
siedler und ist nur einmal täglich nach
dem gegenüberliegenden Dorf Müll
lvitz geschwommen. Auch hattte er
dort ein Stück Land gepachtet und
baute Kartoffeln, welche den haupt
sächlichsten Theil seiner Nahrung bil
deten. Später besuchte es oie Univer
sitäten Jena und Greisswalo. Jn
Greifswalds wurde er relegirt, und
alle seine Biographien stimmen darin
überein, daß sein Leben das eines
wüsten Gesellen und sein Abschied
recht unriihmlich war. Nachdem er in
Mecklenburg als Hauslehrer gewirkt,
wollte er an der Universität Göttin
gen Vorlesungen halten, aber es wurde
nichts daraus. Als der Krieg von
1806 begann, eilte er zum Heere, das
sich in Thüringen zusammenzog. Er
machte den Feldzug als »freiwilliger
Flüchtling« mit. Nach längerem Wan
derleben kam er nach Berlin. Er
wurde dann Lehrer am Grauen Klo
ster· wo er sich wegen seiner Grobheit
mit dem Direltor überwarf, und spä
ter bei oer Plamann’schen Erziehungs
austalt, deren Schüler später Bismarcl
lot-rie.
Jetzt begann er die Turnerei zu be
gründen. Zunächst gingen nur einige
Schüler mit ihm in Feld und Wald,
dann immer mehr und mehr, bis sich
eine Unzahl Knaben zusammenfanden,
so daß im Frühjahr 1811 der erste
Jurnplatz in der Hasenbaide eröffnet
wurde. Damals kamen durch Jahn die
Benennungen »Turnkunst«, ,,turnen«,
»Turnplatz« auf. Jahn war aber nicht
fein-a der Begrllder des Trinken-,
gyinnastische Uebungen wurden schon
lange vorher les:i·-ben, und der Kam
mergsxrichtsrath nnd berühmte Dichter
E. Sr. ti. existiert-» der in dem späte
ren Jahn’set:en Prozesse Dezernent
war, betonte in seinem Bericht aus
drücklich: »Mit ist daran nichts als
der Nan:e.«« Dennoch ist und bleibt
Jahn der Vater rer Turnkunst, wie
er sie gestaitet nat. der er den Namen
unt den ihr eigi:n:thiimlichen Charakter
gegeben hat.
Jn den Familien entstand aber ein
großer Larm wegen dieser Neuerung,
besonhcrs waren die Mütter aufJahn
schlecht zu sprechen. Die Jungen zer
rissen nämlich bcim Turnen jedesmal
die Hosen, so daß die Mütter schließ
lich rebellisch wurden. a tamJahn
auf einen praltischen Ge anken. Die
Knaben trugen enge, tuchene Beinklei
der, die stets an Knie plagten. Das
war unpraltisch. die Kleidung mußte
geändert werden. und nun erfand
Jahn die Turnertracht von grauer
Leinwand. Das wirtte erst recht wie
eine Bombe. Die neue Turnertleidung
erregte allgemein unwilliges Kopf
schiitteln. Erst später ließ Jsahn sich
den Vollbart stehen, den er zu einer
unbändigen Länge und Breite wachsen
ließ. Das war auch eine unerhörte
Neuerung, die ihm so sehr oerdacht
wurde, daß er in seinem späteren
Prozeß zu seiner Vertheidigung er
klärte, daß er den Bart auf ärztlichen
Rath als Vorbeugungsmittel gegen
eine Drüsentrantheit habe wachsen
lasset-. Die neue Kleidung der Tur
ner wirtte aber auch sonst reforrnato
rifrh. Bis dahin hatte sich unter den
Schäfer-n ein Kastengeist und Rang
untersthied geltend gemacht, der nun
mit der gleichen Kleidung mit einem
Schlage nustzörtr. Auch war es von
hohem Werth, daß Jahn, der ein so
wiistes Vorleben zurückgelegt hatte,
nun tei den Turnern auf strengste
Zucht und Sitte hielt. Unerbittlich
schloß er solche Schüler aus, die in
ihren Sitten verdorben waren. Alles
Naschwert war verboten. Fiir den
Hungrigen stand Brod und Salz in
der Nähe, für den Durstigen ein Krug
Wasser. Tobak und Branntwein war
in Acht und Bann gethan.
Das Turnen fand bald trotz aller
Bedenken allgemeinen Beifall, wozu
die Oeffentlichkeit der Uebungen viel
beitrug. Viele Hunderte von Zu
schauern jeglichen Standes umgaben
stets den Turnplatz. Auch Bliicher
beehrte den Turnplatz öfter mit seinem
Besuch und pflegte an die Turner An
sprachen zu halten, die aber den ran
zosenhasser Jahn nicht sehr entz« ckten,
weil der alte Haudegen die Turner
»Messieurs« anredete. Jahn hatte es
Us- -’-:..-.s;.1. --c«... ib- .:(..2.-:-c...·-.
»u, usw«-, usw-u »Hu »Ist-konsultiere
zur Hauptaufgabe gestellt, in seinen
Schülern den Haß gegen die Franzo
sen zu erwecken und ihre Begeisterung
fiir die Befreiung Deutschlands von
fremdem Joch zu entfachen.
Jrn Jahre 1810 griindete er eine
Verbindung, die in späteren Jahren
in sein Leben tief einschneiden sollte.
An einem Novemberabend kam in dem
»Dufteren Keller« in der Nähe des
Kreuzbergs unter Jahns Leitung ein
Kreis von Männern zufammen,
weihte sich hier der Befreiung Des Va
terlandes vom französischen Joch und
krriindete dazu den »Deutschen Bund«.
Bald darauf gab Jahn die erste An
regung zur Gründung der Deutschen
Vurschenschaft und gehörte auch zu den
Mitbegriindern des Lützow’fchen Frei
torp8. Die Erziehung der Jugend
verlor er aber dabei nicht aus den
Augen. Als er eines Tages am
Brandenburger Thor voriiberging —
Napoleon hatte bekanntlich die «an
dem Thore befindliche Viktoria nach
Paris entführt — fragte er einen
Knaben, wo die Viktoria wäre, und
was er sich dabei dächte. Der Junge
antwortete: »Die Viktoria haben die
Franzosen nach Paris genommen,
und ich denke mir nichts da'bei.«
Schwapp, bekam der Junge eine kräf
tige Ohrfeige. »Nun denkst Du ein
ander Mal dabei,« herrschte er den
Jungen an, »daß Du helfen mußt,
daß sie von Paris zurücktomme und
wieder aufs Brandenburger Thor.«
Diese Episode sprach sich sofort in
der ganzen Stadt herum, und die Ber
liner erklärten Jahn fiir verrückt.
Jm Liitzower Freikorps komman
dirte er als Hauptmann das dritte
Bataillon. Da hat er sich aber recht
seltsam benommen. So berichtete
Fröbelx ,,Jahn lebt in seiner Konto
nirung wie ein kleiner Satrap oder
asiatischer Despot, er fährt immer mit
vier Pferden, einen Ulanen vor, einen
hinten, zwei neben dem Wagen.« Das
spielte während des Waffenstillstandes
im Juli 1813, wo er im Schlosse zu
Schönhausen, dem Geburtsort Bis
marcts, kantonirte. Hier wollte er auch
zwei Marketenderinnen, die er als
Versiihrerinnen seiner Leute ansah,
Gassen laufen lassen. Bismarrls
Mutter bat mit liebenswiirdiger Be
revtsarnkeit um Zurücknahme der
Maßregel, Jahn blieb aber unerbitt
lich. Bald darauf nahm er feinen Ab
schied, den er damit begründete, daß
unter den höheren Offizieren viele
seien, die ihn nicht zu begreifen wüß
ten.
Trotz all dieser Wunderlichkeiten
wußte man Jahns Verdienste zu
schätzen, ja er wurde im Jahre 1817
sogar hoch gefeiert durch die Verleih
ung der philosophischen Doktorwiirde,
die ihm die Universitäten zu Jena und
Kiel zu theil werden lief-Jen. und auch
der russische Kaiser zeichnete ihn
durch den Wl-adimir-Orden aus.
j-—
Später erhielt er nachträglich auch das
Eiserne Kreuz. Vorher hatte er aber
viel Ungemach zu ertragen. Dem Tur
nen erstanden mächtige Feinde, die
Turnplätze wurden gesperrt und Ahn
als »geheimer, hochverrätherischer r
bindungen verdächtig« verhaftet und
auf die Festung sSpandau gebracht.
Jnsbesondere wurde ihm die Grün
dung des ,,-Deutschen Bundes« zum
Vorwurf gemacht, den man fiir ein
hochverrätherisches geheimes Bündnis
hielt. Nachdem der Prozeß Jahre
lang geschwebt-hatte. wurde Jahn end
lich am 15. März 1825 freigesprochen.
Eine volle Freiheit wurde ihm aber
nicht gewährt. Es wurde ihm die Be
dingung auferlegt, dasz ihm der Auf
enthalt weder in Berlin und einem
Umkreise von zehn Meilen, noch in
einer Universitäts- oder Ghmnasial
Stadt erlaubt werde, und daß er da,
wo er seinen Wohnsitz kiinftig wähle,
unter polizeilicher Aufsicht verbleibe.
Eine Pension von tausend Thalern
wurde ihm belassen. Jsahn wählte
nun die Stadt Freiburg an der Un
strut zu seinem Aufenthalt, mußte
aber später, da er dennoch Verbindun
gen mit Gymnasiasten der Nachbar
städte unterhalten hatte, nach dem
Städtchen Kölleda übersiedeln, swo er
sieben Jahre lebte. Bei der Thron
besteigung Friedrich Wilhelms des
Vierten wurde endlich die über ihn
verhängte polizeiliche Einschränkung
aufgehoben, und in demselben Jahre
erhielt er erst das Eiserne Kreuz·
Jahn zog nun wieder nach Freiburg,
wo er am 15. Oktober 1852 nach lut
zem Krankenlager starb. Jm Jahre
1872 wurde in der Hasenhaide das
prächtige Denkmal enthüllt. Die
Stadt Berlin aber hat ihn dadurch
noch besonders geehrt, daß sie in den
Reliefdarstellungen an dem Monu
mentalbau des Rathhauses Jahnö
- iraftvolle Erscheinung den Gestalten
eines Scharnhorst, Gneifenau, Arndt,
seichte und Schleiermsacher zugefellen
iesz.
-.—·
Der wahre Erfinder der Steinfels
leugnet-Beleuchtung.
Allgemein wird angenommen, daß
der Schotte William Mutdoch Erfin
der der Gasbeleuchtung sei und diese
zu Redroth in Corn;vall., wo er wohn
te, zuerst im Jahre 1792 ausgeführt
habe. So meldet auch ein Geden! e n,
i
der später an dem Hause, wo er feine
erste Gasflamme enzündete, anz
bracht worden ist. Jn Wa rheit a c
gebührt der Ruhm, dieGas leuchtung
erfunden zu haben, dem niederländi
schen Chemiker Jan Pieter Mincke
las-, der am 2. Dezember 1748 zu
Mastricht geboren wurde. Im Jahre
17538s hatte Professor Charles eine
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»Hu-aus« ru« Unisvxsrussgup gksusu
und zum Steiegn gebracht, und dies
bewog den Herzog von Arenberg, eine
Kommission zusammenzubringen,
welche sich mit dem Studium der für
Füllung von Luftballons geeigneten
Luftarten beschäftigen sollte. Diese
Kommission bestand aus drei Profes
soren der Löwener Universität, unter
denen sich Minckelers befand. Dieser
entdeckte, daß aus der Steinkohle eine
entzündbare Luftart gewonnen wer
den könne, welche durch ihre Leichtig
leit einen Ballon zum Steigen bringe.
Versuche hiermit wurden zur vollsten
Befriedigung im Schloßwerk des Her
zogs von Arenberg ausgeführt. Aber
auch die Brennbarteit dieses Steintoh
lengafes oerswerthete Minckelers, in
osem er 1785 seinen Hörsaal mit dem
Gase beleuchtete An dieser That
sache ist gar nicht zu zweifeln, da sie
oon Schülern Des Löwener Professors
bezeugt ist, auch hat dieser in feiner
1784 erschienenen Schrift über die
brennbare Luft die Thatsache aus
drücklich betont und sogar die Reini
gung des Gases durch Kalt mitge
theilt. Um so merk-würdiger ist es,
daß die gerechten Ansprüche dieses
Naturforscher-Z an eine der wichtigsten
Erfindungen der Neuzeit so gänzlich
unbeachtet bleiben konnten, wie es der
Fall ist. Erst in den letzten Jahren
hat P. Bobsius in Hetogenbusch nach
driicklich auf die Verdienste seines
Landsmannes Minckelers hingewiesen,
und kürzlich ist in Mastricht auf An
regung des Bürgermeister-Z ein Comite
zusammengetreten, um an dem Ge
burtshause des wahren Erfinders der
Steinkohlengiastbeleuchtung eine Ge
denktafel anzubringen.
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Der richtige Berliner-.
Der Feldivebel instruirt in Gegen
wart des Oberleritnants. Feldwebel:
,,Fiisilker Plempie, Sie sind ja total
zerstreut, Ihre Antworten sind ja janz
abrupt!« ·
Leutnant: »Wenn Sie mit Leuten
Berlinisch sprechen, so reden Sie we
nigstens korrekt; es heißt nicht »ab
rupt«, es heißt »abjeruppt!«
Bedentlich.
Frau (Morgens): »Um zwölf Uhr
Fillst Du diese Nacht nach Haufe ge
ommen sein?!. . . Das glaube ich
nicht!«
Mann: »Eriundsige Dich nur . . .
das muß die ganze Nachbarschaft ge
hört haben!«
«- Dcr alte Bekannte.
Gast: ,,Hören Se eniol, Wirth,
das junge Hähnle, das ich mer das
b’ftellt hab, ischt e guter alter Be
tannter von mir.« -
Wirth: »Wiefo denn?«
Gast: »Ja, wisset Se, schon im
vorigen Jahr hab’ ich sein Entele bei
Jhne gesse."