Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 28, 1902, Sonntags-Blatt, Image 10

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- OIWWLTS IUMXPIO UYZLQUJL · s -
Yer Falk gsassikiem
Roman von Paul Oskat Höcker. -
G sodiosooooo -
(12. Fortsetzung.)
Der Staatsanwalt war in keiner
Hinsicht befriedigt vorn Verlauf dieser
Anklagesachr. Da er einmal erklärt
hatte, sie selbst benedeiten zu wollen,
verzichtete er darauf, die Dienste des
Untersuchungsrichters in Anspruch zu
nehmen. Er bat aber den Freiherrn,
seht alle anderen Arbeiten stehen und
liegen zu lassen nnd sofort nach Gens
zu reisen, um dort nach dem Rechten
zu sehen. War Brake auf der einen
Seite allzujchneidig so ließ er es an
dererseit, wie es schien, an der erfor
derlichen kriminalistischen Spitzfindig
keit fehlen.
»Dies» Brake kann keinen rothen
Heller msehr in der Tasche haben, wenn
er unterwegs nicht noch einen Ein
bruchsdiebstahsl oder Raubmord aus
geführt hat — und wir sollten seiner
nicht habhaft werden? Das sollte doch
mit dem Kuckuck zugehen. Liebster
Freiherr oon Eckhardt,nebmen Sie sich
der Sache nun mal energisch an. Man
verliert ja schließlich alles Vertrauen
in unsere Sicherheitsorgane.«
Eckhardt wollte, nachdem der Fall -
noch einmal ein Lanaes und Breites
besprochen war, das Amtszimmer sei
nes Vorgesetzten schon verlassen, als
der Nuntius eintrat und die Ankunft
der beiden Hospitalwiirter meldete« die
soeben in Karlsruhe eingetroffen und ·
don der Oberin, dem Ersuchen Dier
stätters entsprechend, aufs Landw
richt geschickt porden waren. Der Frei
herr wartete also das Ergebniß von
deren Ver-hör noch ab.
Die beiden Krankenträger waren
iiber den »Fall Wassiliew« bereits un
terrichtet. Auf der kleinen Urlaubs
reise, die sie, die paar dienstfreien Tage
und den generöfen Zuschuß des Fräu
lein Spener benutzen-A durch die
Schweiz angetreten, hatten sie die Be
kanntrnachung der KarlsruherStaats
anwaltfchast in einer Zeitung gelesen,
die ihnen zufällig in die Hände gesal
len war.
Beide bestätigten nun, was die An
klagebehörde aus allen bisherigen An
zeichen gesolgert hatte: daß Fräulein
Spener von dem plötzlichen Tode des
Aussen auf der Reise selbst noch keine
Ahnung gehabt, unb daß in der gan
en Zeit auch keine Verbindung zwi
schen ihr und Herrn Brake bestanden
hatte. Jm Gegentheil, die junge Dame
tvar bon ber Angst. daß Wassiliew
ihnen nach Gen-f folgen werde, bis zu
dein Tage noch nicht freigetommen, als
fie, die Bärten das Sanatorium ver
lassen hatten.
« »wir rarn oag nun," naom ver «
Staatsanwalt das Berhör auf, »daß
das Telegramm nach Basel so kurz
und unklar abgefaßt war?«
«Fräulein Spener hatte mich beauf-.
trag:,'· sagte der eine der beiden »die
Depesche aufzugeben Das war in der
Nähe von Lausanne, auf einer kleinen s
Station, kurz bevor der Zug wieder-:
weiterging. Den Kranken noch weiter
zuschlevpen, als bis nach Geni, hielten
wir Alle fiir gefährlich. In der Eile
dachten wir gar nicht daran, daß wir
in den Telegrammen doch siir alleFälle
eine Adresse hätten angeben müssen,
durch die Herr Brake Nähere-Z über
unsern Berbleib erfahren konnte. Ta
mals ahnte ja noch Keiner von uns-,
daß der Herr. .hm, ich muß ja sa
gen, ich hätte »selbst im Leben nicht ge
glaubt .....
Und Fräulein Spener hat nach die
ser Richtung hin gleichfalls keinen
Verdacht ihnen gegenüber geäußert?«
»Bewahre, Verr Staatsanwalt!
Auf einer solchen Reise wird man
leicht vertraut mit einander. Fräulein
Spener war durch den Abschied von
Herrn Brake — wir merkten ja gleich,
daß zwischen ihnen Etwas bestand —
seht weich gestimmt worden. Und da E
kam nun noch ihre Erregung über die -
Verschlimmerung des Kranken dazu. «
Sie sagte aus der Fahrt blos einmal
—- friiih um acht oder neun Uhr, als
wir in Genf einfuhren: »So, jetzt wird
Wassiliew wohl von Brakc erfahren
haben, daß wir Karlsruhe verlassen
haben; wenn Herr Wassiliew in sei- .
nem Zorn es nur nicht zu einer häß
lichen Scene kommen läßt!«
Auch iiber die letzten Stunden vor
Aufritt der Reise waren die beiden «
Krankentriiger so ziemlich orientirt
Fräulein Spener hatte ihnen gesagt,
daß sie das Küchenhoffsche Schlaf
stittel dem Thee beigemischt hatte, von
dem sowohl ihr Bruder als auch Was
Ikieto zu trinken bekommen hatte.
en Wirkung war 'die absolute
St im cause, nachdem Winters
innd die beiden Dienstboten fortgefah- i
Un waren, zuzuschreiben. i
- . ,Sie erzahlte mir." sagte der ältere l
du« pflegen »daß sie wohl über eine
Zwist in der Winterschen Wohnung ’
st- genster attf unt gewartet hatten
Zeit sei ihnen beiden zur Ewig
jmordexund doch hätten sie nicht .
Mder vielle zu rühren,
ofvasktksmnbeit Wassiliews !
OM sitt Minuten-suchte
- YMULM site »F
, If . h v
HWW
heit übe: die Stunde augpspipchem
in der der Tod eingetreten war.'«
»So viel weiß ich genau," sagte der
Psleger, »daß Herr Brate in jener
Stunde das Fräulein nicht der!as
sen hat, keinen Augenblick lang. Fräu
lein Spener erzählte mir, wie es ge
kommen, dafz Herr Brote nicht sogleich
mitgefahren war. Er hatte sein Ge
päck im Atelier stehen. Da der Wa
gen des Herrn Medizinalrath aber
draußen vorfuhr, vergaß er in der
Eile, es von dort zu holen . . .« ·
»Und bevor er dasHaus verließ, um
zu Küchenhoff in den Wagen zu stei
gen, kann er nicht noch oben geroc
sen sein — beim Kranken?«
»O. das ist ausgeschlossen, Herr
Staatsanwalt Wir sahen die beiden
Herrschaften ja selbst am Fenster
stehet-» Eine Seiunde später war
Brate schon in der Hausthür— Fräu
lein Spener erwartete uns auf der
Treppe«
»Und iit sie dann noch allein in der
Wohnung oben gewesen? Für alle
Fälle mus; nämlich auch ein Mit-ide
weis für die junae Dame herbeige
schafft werden«
»Fräulein Spener ist überhaupt
nicht mehr nach oben mitgetommen.
Sie schlüvste aus dem Treppenabsatz
von der Winterschen Wohnung in ihr
Jackett und eilte dann vors Haus-, um
sich nach Brote umzuseben, damit der
ihr beistand, falls Wassrliew herunter
tam und Lärm schlug. Und inzwi
schen traten wir Beide leise oben ein-«
»Sie machten tein Licht im Kran
tenzimmer?«
»Nein; wir kunnten die Situation
ja genau. Und es war besser so, um
den Schlafenden nicht aufzuwecken.«'
»Glauben Sie nun, daß Wasstliew
da schon auf derChaiselongue im Al
toben lag?«
»Ich bezweifle es, Herr Staatsan
walt. Da ich beim Transport des
Kranken rückwärts ging, stieß ich an
die Chaiselongue ziemlich heftig an.
Trotz des Schlaftrunts, den der Rutse
—- unwifsentlich — genommen, würde
er von der Erschiittetung doch wohl
aufgewacht sein, denn selbst HerrSpe
ner rührte sich, ohne freilich zur Be
sinnung zu tornmen.«
Ueber alles Andere war man aus
reichend aus den prototollarifchen
Auszeichnungen Beneckes, die dieser
nach dem Verbör des Fräulein Spe-.
ner selbst hergesandt hatte. und aus
Marthas naioem, noch gänzlich unbe
einflußtem Brief an die alte Frau
Brale unterrichtet
Eckhardt fuhr noch in derselben
Stunde ab.
Als er Abends in Gens eintraf,
fand sich der telegraphisch von seinem
Kommen verständigte Kriminaltom
missarius am Zuge ein. Eckhardt
theilte ihm mit, daß er Fräulein Spe
ner gleichfalls sein Hertommen ange
tiindiat habe, und er verhehlte dem
Beamten nicht, dasz er sowohl als Dr.
Dierstätter annehme: es sei der jungen
Dame durch die peinlichen ünd sie pei
nigenden Verhöre denn doch zu hart
zugesetzt worden.
Benecke war über diese Auffassung
nicht wenig erstaunt.
»Sie werden selbst sehen, Herr Re
serendar, daß mit schonungsvollem
Vorgehen bei der jungen Dame abso
lut Nichts zu erreichen ist. Statt we
nigstens zuzugeben, daß dieser Mensch
dieser Brate, indem er ein derartiges
seiges, hinterlistiges Verbrechen be
ging, sich jegliches Mitleid oerscheth
hat, bleibt sie dabei: sie schwöre, daß
er unschuldig sei, sie lege ihre hand
daraus ins Feuer, daß er die That
nicht begangen habe, und was der
Phrasen mehr sind. Gegenwärtig
habe ich die eine Ueberzeugung, daß
Fräulein Spener, wenn sie wirklich
um Brales Versteck wüßte, es uns
nicht verrathen, im Gegentheil eher
Alles ausbieten würde, um uns aus
eine falsche Fährte zu bringen.«
Eckbardt zuckte die Achsel. »Vom
juristischen Standpunkt aus ist das
unbedingt zu verwersen. Vom mensch
lichen dagegen Sie wissen, daß
die Beiden verloht mit einander wa
ren. Welche Kämpfe, welche seelischen
Qualen mag das unglückliche Weib
durchgemacht haben, von dem unser
eins keine Ahnung hat. Natürlich wer
de ich sofort zu ihr hinfahren, wie ich
ihr versprochen habe.«
·Wenn Sie’s nicht mit Ernst und
Strenge bei ihr versuchen«herr Re
serendar .. . .«
Der Freiherr-brach das Gespräch
kurz ab. Es drängte ihn, der Unglück
lichen endlich gegenüberzutretem Wäh
rend er zu einem der vor dem Bahn
äg haltenden Wagen schritt, ließ er
von dem Kommissariui Bericht
über die in der Stadt angestellten Re
cherchtn erstatten. «
Der neuerdings von Beneele einge
schlagene Weg schien ihm noch der
aussichtsvosstn der Krirninalkotnmib
lieh bei essen Dotzschnihetm
Sei Kunst
W
bar machen werde, um zu neuen Zehr
Aitteln zu gelangen.
Ist diese Nacht bereitete Benecke —
sqch Uebereintunft mit den verschiede
nen Gendarmeriepostsem ver-en Unter
stiisnng then behördticherseits bewillich
worden war — einen neuen Streifng
durch bie Arbeiterauartiere vor.
Eckhardt hatte, schon des beruflichen
Interesses halber. dem Kriminaltoms
missarius zugesagt, baß er ihn zu be
stimmter Abendstunde in dem hoteh
in dem er Wohnung zu nehmen beab
sichtigte, erwarten werde, um ihn aus
diesen Gängen zu begleiten. Als er
von seinem Besuch bei Fräulein Spe
ner zurücktehrte, war er aber derart
gequält, erschöpft unv newiis, vasz er
darauf verzichtetr.
Martha’s Verzweiflung hatte ihn
gewaltig erschüttert. Er hatte alleVer
nunstgriinve aufgeboten, um ihr dar
zuthun, baß ihr Glaube an Brate«’g
Schuldlostgteit unberechtigt sei -—— daß
allein schon seine raffinirt in Scene
gesetzte Flucht genügte, um fiir sein
schwer belastetes Gewissen zu sprechen.
Vergebens. Sie hatte nur slehentliche
Bitten, Betbeuerungen —- Thränen.
Andern Tages erhob er sich wie ge
riidert. Bis in die Träume hatte ihn
der Jammer der unglücklichen jungen
Dame verfolgt.
Er mußte an Lidvi denken unv an
die Vorstellung, Daß sie in ähnlicher
grausamer Lage ebenso selsensest in
Treue und Glauben ausharren und
von der Zchuldlosigteit ihres Verlob
ten überzeugt sein wiirde, auch wenn
ein ganzes Heer von juristischen Grün
den dagegen in’s Treffen geführt
ward, — viese Vorstellung hatte et
was ungemein Rührenves siir ihn
Er nahm sich vor. Martha heute
noch einmal aufzusuchen. Sie bedurfte
Des Trostes — und er fühlte sich trotz
seines trauriaen, harten Amtes berech
tigt, ishr in diesen schweren Tagen bei
zustehen. Wenn er sie nur davon über
zeugte, daß die Justiz nicht ihre Fein
vin, sondern im Gegentheil ihre Erlö
serin war, dann schien ihm schon viel
gewonnen.
Um zehn Uhr tam Benecke zu ihm,
um ihm den Bericht über die nächtliche
Streife abzustatten. Sie war ergeb
nißlos verlaufen.
Aus mehreren erneuken Wanderun
zen durchs Arbeiterviertel begleitete
Eckhardt den Commissär und die bei
Den Criminalbeamten der Muniziva
lität. Bei den Haussuchungen stiesz
m-- mic hist ich-h EIN-I- Ists-»kr
konnte ein gewisses Mitleid mii man
chem biassen, derkiimmerken Subjekt
nicht los werden« das bei den Mitta
tionen aufgegriffen ward —- wegen
kleiner Vergehen, die diesem oder je
nem zur Last geschoben wurden, und
für die die Ungliialichen nun ihrer Ab
strafung entgegengingen.
Unter der Arbeiterbevölkerung in
der Vorstadt Carouge befanden sich bes- »
sonders viel Auslönder, die in der Hei- f
math wegen allerlei Vergehen gesucht;
wurden, deren politischer Charakter sie ;
oor der Auslieferung hier in der ;
Schweiz schätzte. « H
»Es ist eine faubere Gesellschaft hier ;
beieinander," sagte der Genfer Beamte i
aus sranzösisch zu den beiden Deut-l
schen, »in dieses Quartier strömt fast
nichts als der Abhub der anderen Län
der zusammen. Wer bei Jhnen in
Deutschland ein militiirisches Berge
hen begangen hat« desertirt nach der
Schweiz; Rußland schickt uns seine
Nihiiisten, die sich vor der Verbannung
nach Sibirien retten wollen; aus Ita
lien bekommen wir die unheimlichen
Brüder der Kamorra —, und wer sich
nicht mehr nach Frankreich wagen
darf, weil er den Fremdenlegion ent- »
flohen ist, der sucht hier bei uns gleich
falls einen SchlupfwinkeL Den Bür
gern ist das schon lange nicht mehr
recht — uns Beamten nun gar bürdet
es eine ungeheure Last auf, diese ver
dächtigen Subjekte fortgesetzt zu über
wachen.«
Sie waren wieder in eines der elen
den fremden Hiiuser in einer engen,
winkeligen Gasse eingetreten. Jm
Hauöslur befand sich die Werkstatt ei
nes Drechslermeisters, in der ein jun
ger brünetter Mensch arbeitete.
Einen Deutschen Namens Johannes
Brake erklärte der unwirfch aus sei
ner Kammer herobkornmende Meister
nicht zu kennen. Er habe nur einen
Gehilfen, den Mailänder da, und der
sei erst seit wenigen Tagen bei ihm.
Gerade heute habe er ihn anmelden
wollen.
«Heda, mein Freund,« redete der
Genfer den jungen Jtaliener an, nach
dem er dessen schon halbzerfetzten hei
mathsschein eingesehen, »Sie gehören
wohl auch zu der beriichtigten Orgel
pseisendrehergesellschaft von Eorralli
aus Mailand, was? Jhe könnt von
Glück sagen, dasz man Euch hier dul
det. Die da drüben haben ihre sieben
und neun Jahre abzusitzen.«
Der- junge Ge ilfe des Maestro
Thema guckte glei müthi die Achsel.
Allzu groß schien sein Re pekt vor den
Vertretern des öffentlichen Sicher
itsdienftes nicht zu sein. Er ver
nde nur italienisch, erktäete der
eister kurz angebunden
Damit war auch hier die hauptsas
che der Bisitation beendigt. Ein Rund
gang durch alle Räutne des hauses —
und dann verfiigte man sich wieder aus
die Straße, ohne etwas Verdachtiges
entdeckt zu haben.
Venecke meinte nachher- bei ihnen in
Deutschland habe derlei anriichiges
Velkin anderem Jene zu antworten,
Fig km leich- dsusiustqua Ists
Entoaesoseukievirsinbiu
in der freien Sehn-ent« erwiderte der
Grasen
Bis zutn Abend währten diese Visi
ten —- eine Spur von Johannes Brote
sand sieh aber nicht.
Eckhardt trennte sieh endlirh von der
kleinen Commission und stte den Hit
gel hinan, auf dessen der roe zuge
kehrter Seite das Sanatorium Mon
repos lag.
Vor ihm her ging ein junger Bur
sche in Arbeitstleidnng, der an der
schiedenen Gartenthiiren im Zu
Billenstrasze stehen blieb, um die chit
der zu lesen. Bei der Van Monrepos
angekommen, bog er in den kleinen
Vor-zarten ein und klingelte an der
Loge des Coneierge. »
Ein Fens«er im Sooterrain ward
geöjsnet «
»Von« Maestro Thoma — die Rech
nun gsiie das Pult oon gestern und ob
es sest gemacht werden soll,'· meldete
der Arbeiter turz und bündig. «
Eckhardt trat dicht hinter ihm in die
sich öffnende hausthiir ein. Als der i
Bursche sich um ste, erkannte ders
Freiherr den eslergehülsen von
heute Mittag wieder, der den Beamten
angegeben hatte, nur italienisch zu
verstehen. hier hatte er nun ganz flie
ßend deutsch sprechen lönnen. Eckbardt
mußte nicht, sollte er sich amiisiren
oder sieh ärgern über die Unverschämt
heit des jungen Burschen.
Der Coneierge schickte den Arbeiter
zur ersten Etage hinaus. Dr. Ma
rhieu sei sehr unzufrieden, daß er nicht s
gleich heute früh gekommen sei, ums
das Pult an uschrauben, sagte er da- i
bei.
»Ihr Kollege sitzt gestern eine halbe «
Stunde da und hat-? wer weiß wiei
dringlich, die Arbeit noch zur Nachts
sertigzumnehen — und heute kann man i
den lieben langen Taa warten!« s
Eckhardt ward in das kleine Von-s
doir gewiesen, in dem er schon tags
zuvor mit Martha gesprochen hatte.
Dabei entsann er sich, daß auch gestern
gleichzeitig mit ihm ein Arbeiter hier
in’ä Bestibiil eingetreten war —- wohl
Derseni e, von dem der Coneierge so
eben gesprochew Schon an der Thür
zum Salon wandte er sich-plötzlich um,
gedankenvoll dem schwarzäugigen
Drechslergesrllen snachblickend.
Der Concierge war die Treppe hin
ausgegangen, um den Besuch beiffräus
I-; os- Statut-s- (- »Ist-»u- M-—-«-c·f II
»sp« ,.. »......» V.......«....
schritt der LIJtailänder, der aus seinem
Wertienatasten zuerst nach Bdlsren
Sei-rauben u. s. m. herausgefucht hat
te, hinter dem Alten drein.
Mit weniqen Schritten befand sich
Eckbardt neben dem jungen Burschen
auf der Treppe.
»Pfeiffer heißen Sie, nicht wahr?«
redete er ihn kurz und scharf an·
Der Arbeiter zudte zusammen. Jn!
Nu hatte er den Fremden Wiederer
tannt, der heute bei der Haussuchung
mit zugegen gewesen war.
»Was — soll’s?« fragte er trotzim
»Sie verstehen ja ganz leidlich
deutsch!« hub der Freiherr an, den
Burschen aufmerksam musternd.
»Wenn ich will, vielleichtt" lautete
die Antwort.
»Dann haben Sie, scheint’-5, die
Frage nach Jhrem Colleaen, die der
Commissiir an Sie vqerichtet hat, nicht
verstehen to o l l e n?«
»Lassen Sie mich doch in Ruhe!
licm — da ruft man mich zur Ar
beit!"
Eckhardt hielt den Drechslergebiil
sen an seiner Leinwandtutte fest. »Also
gestern gab es zwei Gehiilfen in
Jshrer Werkstatt, und heute nur ei
nen! Warum sagten Sie das nicht, als
man Sie fragte, he? Und wo ist Jhr
College hingekommen?«
Berdutzt war der Concierae auf dem
oberen Treppenabsatz, dicht vor der
Thur, an die er soeben gepocht hatte,
stehen geblieben. Dieser Deutsche, der
schon gestern einen solchen Svettatel
hier im Hansslur mit verursacht hatte,
schien sich heute gleichfalls wieder;
höchst aufdringlich benehmen zu wol
len.
Gerade hatte Martin-auf das An
klopfen hin. das Zimmer ihres Bru
ders verlassen. Sie ward aus diese
Weise Zeuge des kurzen Gesprächs
iztvischen Eckhardt, den sie an seiner
sStimrne sofort erkannte, und dem
; Fremden.
l »Was verstehe ich davon, was Sie
! da von mir trrollentm sagte der Arbei
ter noch immer trotzig. »Ich habe tei
ne Collegenz ich steh-e beim Maestro al
lein im Dienst.«
. »So? Und sagte der Coneierae nicht
soeben . . . .« Eckhardt erblickte den Al
ten iiber sich arn Treppengeliinder und
rief sein Zeugni an. »Das Pult,
sagten Sie, bra te gestern ein ande
rer Arbeiter hierher in's hausi«
»Ja doch, ja doch! Fan en Sie mir
aber nur ja keine solche seene wie-der
an wie gestern! Der Herr Dr. Mathieu
war außer sich, als er davon hörtes«
Martha verstand den . usainmens
hang nicht gleich; ihre Blcke waren
aber voll Groll aus denStaatsantvalt
stellvertreter gerichtet.
»Pfeiffer,« redeteEckhardt den stern
lich verwirrt gewordenen Burschen
no dringlicher an, »Sie kennen den
Jo annes state also nichts«
Pee Baechot Lassen Sie mich meiner
Wege gbehenk
In iefem Augenblick ließ si «von
dem unteren kleinen Solon die tim
tne des Anstaltsleiters gediimvft ver
nehmen: »he, Toaeierget Was gievt’s
da ebens«
Schar-di lie von denr Burschen ab
nnd wandte um.
Im angebu- voe, als er dass-ern
ten gewahrte.
»De. In t« keine- nap m nkzi
Der Freiherr liiftete den hat und
that ein paar Schritte auf ihn gu, um
gleichfalls seinen Namen zu nennen.
Diesen Moment benuste der Arbei
iet, um vollends hinauszn en. Der
coneierge wies ihn turser and an
räulein iSveney die in der blir des
immers stand, wie es schien. in größ
:ter Spannung. Dann begab er sich,
« denn Ruf des Chrss folgend, in’i Bor
3haus hinab. - .
Während Eckhardt den Anstaltsath
in höflicher Weise um Entschuldigung
wegen Je net-Vorgehens ersuchte und
ihm in kurzen Wörten den ganzen
ck feines Hierseins auseinander
eszie, entfpann sich droben zwischen
Martha und dem jungen Jtalirner ein
hastig und erregt geführter Dialog.
Martha hatte den Arbeiter durch
das Zimmer ihres Bruders in das be
nachbarte ibrige geführt. Justus lag
regungslos da. Als er die Schritte des
Fremden hörte, stöhnte er matt aus«
sagte aber iein Wort, schlug auch nicht
einmal die Augen auf. Hastig, aber
geräuschloö schloß Martha die Verbin
dungstchiir.
»Sie tennen Brate? Sie wissen, wo
er ist?«
Der Arbeiter preßte trotzig die Lip
pen zusammen.
Martha rang mit sich. Sie erhob
flehend die Hände. »Saaen Sie mir«s
—- ich bitte Sie, sagen Sie mir«s!«
»Ich — weiß nichts!«
»Man wird in Sie dringen
man verfolgt ihn Der Sie an
sprach, ist der Staatsanwalt.«
Es blitzte in den Augen des jungen
Burschen auf. Ah —- der Proturator!«
stieß er in einer Art leichten Grimmes
aus.
»Ja, der Staats:Anll«cigch Brake
wird verfolgt — aber er ist unschul
dig! Dich flehe Sie an, sagen Sie mir:
Sie iennen ihn, haben ihn gesehen!«
Pfeiffer fah sich ganz verwirrt um
Diese Begegnungen kamen ihm so un
vermuthet, daß er all’ seine Fassung
verloren hatte.
»Was geht mich der Vroiuraior da
an! Jch —- weisz nichts Nein, ich weiß
nichts!«
Schritte erilangen auf der Treppe.
Jn einer plötzlichen stürmischen
Aufwallung ergriff Martha die harte,
zerarbeitete Hand des jungen Men
schen
»Also —- verrathen Sie ihn nichts
Gegen Niemanden — von Denen da
draußen! Aber mir können Sie «
mit einem Wort einem einzigen
Wort ....«
Die Thiir in thsttis’ Zimmer ward
geöffnet Die Schritte näherten sich
der Nachbarstube.
»Verrathen —- Sie ihn — nicht!«
preszte Martha aus gequälier Brust
heraus-.
Da trat Mathieu ein. Er war bleich.
Was ihm der Staatsanwalt gesagt
hatte, schien ihn selbst nicht wenig er
schreckt zu haben.
»Fräulein Spener —- Sie wissen,
wer unten ist? Hat der Eoncierge . . . .
Oh, da ist ja der Arbeiter .. .
Martha hatte nil’ ihre Selbstbehetr- -
skhung zusammengerafsi, um sich in
dieser Setunde nicht zu verrathen: der
Arzt konnte nicht wissen, daß sie die
Unterredung zwischen Eckharot und
dem Fremden gehört hatte —- er sollte
es auch nicht ersahren, ebensowenig als
wie der Staatsanwaltitelloertreter.
»Der Mann ist endlich getommen,;
um das Pult sestzumachen Justus ist
aber recht ungnädig.« »
Den Dottor täuschte ihr anschei?
nend ungezwungener Ton. »Ach nun
—- wir werden sehen·« Zögernd setzte’
er hinzu: »Und unten wartet ein Herr -
aus Karlsruhe.«
Martha seufzte aut. »So. Ja» er
sagte gestern ..... das heißt ich woll- »
te ihn eigentlich nicht Nun, spä- .
ter — erst zu Justus.«
Sie trat in’s Krankenzimmer ein
und näherte sich dem Bruder, um ihn
um feine Einwilligung zu bitten, daß
die Arbeit vorgenommen werte.
Justus klagte iiber Kopsichmerz Es
sei so geräuschvoll im Hause. Warum
man ihn hierher geschleppt habe? Man
martere ihn mit all’ den Fragen. Und
jeder Schritt thue ihm weh —- im
Ohk, im Gehirn, in allen Nerven.
Der Arzt sprach ihm lange zu. Ver
geben-.
H »Wir wollen ihn nicht quälen. Es
Hist wieder so spät geworden. Er toll
s von sechs Uhr an unbedingte Ruhe ha
t ben. Wir gehen wieder, Spener. Seien
sSie nicht so ungemüthiich. Morgen
Jsrüh sangen wir wieder an zu elektri
isiren. Dann tönönen Sie Mittags
»ein Stündchen lesen oder Bilder an
sehen. Jst’s Ihnen so recht, wie?«
Keine Antwort.
’ Martha war an den Schreibtisch
getreten. Sie hatte ein Schubfach ge
zogen.
«Also kommen Sie mor en wieder
—- aber sriiher,« sagte zu dem
Fremden, »un! zehn oder els Uhr. hier
Ifegen »Sie eine Kleinigkeit sitr Ihre
athieu hatte schon wieder die Cor
ridothiir geöisnei. So hörte er das
leichte Knistern des Paäiers nicht, das
die junge Dame dem rbetter in die
band drückte.
»Sie stomrnenk fragte er Mutein
Spener.
»Gleich —- sogleich.«
Der Arzt schritt voran· Inzwischen
hatte man die elettrische Beleuchtung
n Ihiitiaieit eseht Bei deren Schein
musterte Pfeil-ice verstohlen, was hsn
da als «pourboir« egehen worden
war — eine hundert raneinotet a
sttg it ee das Papier in der Ja ehe
verich site-. Vor feinen Augen
tanzte et.
—
Unten wartete Eckhard Mathieu
wiette dem Conrierge und wies den
Burschen an, ihm in den tletnen Sa
lon zu solaen. Als iie alle Vier drin
Inen waren, schloß Eckhardt die Thilr
und stellte ein tutzes Berhiir an.
I »Dies: —- der Concierge ist Zeuge,
Ldaß Sie es nicht waren, der gestern
fdas Pult gebracht hat. heute, vor
sdem Commissar haben Sie aus esagt
I— und Jhr Meister auch — da Sie
der einzige Gebiilse im Geschäft sind.
Warum wollen Sie nicht die Wahr
heit sagen? Wer war das gestern?«
Pseisser drehte und wand sich. «Ein
Freund von mir.«
»Der Freund hatte Ursache, sich ver
borgen zu halten?« .
Der junge Mensch gab teine Ant
wart.
»Jhnen geschieht ja nichts. Jm Ge
aentheil, Sie sollen auf ver Stelle...
Jch gebe Jhnen eine gute Belohnung.«
Schier haßersiillt blickte der Mai
liinder den Staatsanwalt an. »Ich
bin tein —- Polizzioto!« sagte er grim
mig. Die Wuth aus die Polizeispione
war maszlos in ihm, seitdem man ihn
in seinem Vaterlande selbst verfolgt
hatte.
»Saaen Sie mir wenigstens das
Eine, Pseisser: war Jhr Freund ein
Deutscher, ein Tedesco —- oder ein
Landsmann von anen2«
Ein lurzes Besinnem dann sagte er
leichthin: ,,Einer aus Mailand —- von
Corelli, wenn Sie’s wissen wollen«
»Das ist die Wahrheit?«
»Glauben Sie’s oder glauben Sie’s
nicht«
»Da —- Sie sollen einen blanten
Louis halten«
Pseisfer’s schwarze Augen suntebs
ten. Aber er steckte die Hand rasch in
die Tasche. Dabei fühlte er die Note.
»Ich will Jbr Geld nicht«
Der Freiherr bat die beiden An
dern, ihn noch siir eine Minute allein
mit dem Burschen zu lassen·
tx
«Jch habe weder mit Jhrer italieni- ;
schen noch mit der Schweizer Justiz -
etwas zu thun,« sprach er ihn dann in
etwas milderem Tone an, »und wenn
Jhr Freund nicht gerade einen Mord
verübt hat, so brauche-r Sie nicht zu
fürchten, das; ich ihn verrathe. Also
— wie steht’s, Pseissers Soll ich erst
die Gendarmerie benachrichtigen und
Sie zwingen lassen, oder wollen Sie
freiinillia . , . . neaen eine mttk Beloh
nuna . . . .«
,.Lassen Sie mich mit Ihrem Geld
ausk«
»So nennen Sie den Namen.'«
»Nein.«
»Es iit Einer, den man versolgti«
Der Mailand-er hatte sich abge
wandt. Zögernd stieß er zwischen den
Zähnen heraus: »Ja. Aber tein Deut
scher, ein —- ein Landsmann« Er
rang nach Lust. »Um sie würden ihn
auf-weisen, wenn sie ihn hier betämen,
oder gar einsperren.«
»Ein Räuber, Mörder, Dieb,Falsch
münzer —- he, wags«
Listia blitzte es in Pseisser’s Miene
aus. »Nein, ein Anarchist.'«
»Stil« —- Gcthardt musierte den
Burschen noch eine Weile. »Sol! ich
Jhnen nun glauben, Pfeisfer?«
»Ist mir gleich.«
Eckhardt zog sein Portemonnaie.
»Nehmen Sie.«
»Ich will nicht. Lassen Sie mich
endlich fort.«
»Trotzkops!« murmelte der Freiherr.
Damit endete die Vernehmung· Die
Auskunft, die der Drechsler gegeben,
genügte ihm schließlich Der geheim
niszvolle Colleae des Burschen schien
der gesuchte Schwarzwälder thatsäch
lich nicht zu sein.
Jn der Auseinanderseizung, die er
hernach mit Martha hatte, erwähnte
er des Vorialls aar nicht erst. Martha
war erregt, neroös, ihr Ton tlan
grollend und vergrämt. Eckhardt sag
endlich selbst ein, daß er der Unglück
lichen teinen Trost spenden konnte —
daß im Gegentheil seine Anwesenheit
sie nur noch mehr erbittern und aus
reizen mußte.
Gent-bang folgt.) »Es .j.
DaD Alte stürzt, es ändert sich die
;Zeit. Heute ist’ö siir Millionärstiichter
Inicht mehr sein, mit Papcks Kutscher
Idurckxzubrennem heute muß es der
i Chausseur seinz
) Der Ksuser eines alten Gebiiudestl
im Osten hat im Keller unter Schutt
vergraben zwei Ton-ten Kohlen gesun
den. Das ist setzt ungefähr das
Gleiche, als wenn man beim Trödler
eine alte Weste ersteht und im Futter
ein Golosiitck sing-trittst sindet. ·
Segelschisse dürften bald wieder
modern werden, wenn’s nicht bald bil
ligetes heizmaterial siir die Dampf
schisse giebt. .
Abermals sind wir urn eine schöne
hossnuna ärmer. Wie ein Mann der
Wissenschaft nachaewiesen hat« wird ei
nie möglich sein, mit den Bewohnern
des Mars in Verkehr zu treten. Also
werden wir nicht einmal ersahren, wie
sie die Botschasten Nieola Teslas aus
genommen haben.
«- - s
Die neue »13 Centi« Worte wird
bei aberaläubischen Leuten schwerlich
viel Anklang finde-n .
Die Ohrfeiae des Schick als merkt «
man sieh leichter, als die itsse des
Glück-. . .
Dem einen lacht das Gliick dem
»Me- iachseu es. den-deinen its-he es
s