Ins dem Englischen des NichardStill man Powell von Maximis t i a n K. R o he. Un jenem Maiabenv, als der Zug wie gewöhnlich ein-en kurzen hatt machte, der den Fahrgästen gestatten sollte, einen kleinen Abendimbiß zu sich zu nehmen, enthielt er drei der übel elaunteften, gelangweiltesten und ver gertsten Passagiere, die wohl jetin Schlafwagen aus der Strecke Grand JunctionWenver mit sich führte. Während voller sechs Stunden waren wir mit der Geschwindigkeit einer Schnecke in entsetzlich hiigeligern Ter-, tatn bergauf und sab geklettert, und diese Art der Jortbewegung hatte uns nachgerade in cinde Raserei versehn Unser aanzers orrath an Anetdoten war schon erschöpft, die Zeitungen vom Anfang bis zum Ende vurchgelefen; wir hatten schon Cigarren ausge tauscht, turzuni, Alles war geschehen, was geschehen konnte, um die Lang weile todtzuschlagen. nur Whist hatten wir noch nicht gespielt. Zwar war ein Spielchen zu Dreien von uns versucht worden, aber so ging es nicht, um alle Weit nicht« und der Schafsner, den wir als vierten Mann beizuziehen versuch ten, wie's unser Anstnnen turzerhand mit dem Bernerten ab, daß er das Kartenspiel zu erlernen in seinem Le ben leider nie Gelegenheit gehabt habe Gift und Galle sammette sich ob un seres Mißgeschick-z in unseren Herzen an, und melancholisch starrten wir bald in die Lichter des Wagens, bald auch durch die Fenster hinaus in die dämmernde Landschaft. Bei jedem Halt schauten wir erwartungsvoll nach den Thüren des Waagons —- viel leicht würden neue Fabraäste ankam-: men. Aber es schien, als ob svir allein bleiben sollten, allein die ganze end lose Strecke Wer beschreibt aber unser Entzücken, als wir in Hiab Hat nach der Ein nahme eines miserablen ?lbendeffens, in den Wagen zurücttehrend aus einein der Polster einen Koffer mit darüberaseleatsem Uebcrzieher vorfan den. Wir hatten taum Zeit, uns ein --..—-..-..-.- »W ander zu diesem freudigen Glück zu begliickwiinschen, als auch schon der Besitzer der Gegenstände in der Thiir ersichen. Bei seinem Anblick schwan; i den allerdings unsere Hoffnungen wie- ; der dahin. Der Mann hatte sicher in seinem Leben noch teine Karte in der Hand gehabt. Das war ver echte Pra dinzler, groß, breitschulterig, mit wet t----t--2.»J--s Ehe-»Ist- ans-Es soan fchlecht gekleidet, aber mit langen wir ren haarem Der Neuangelornmene grüßte uns flüchtig und machte sichs in einer Ecke bequem. Ein Blick der Enttäufchung streifte, von dem reichen Mühlenbesitzer aus St. Paul ausgehend, den Hut händler aus Philadelphia, und dieser wiederum blickte allen Troste-s bar zu mir herüber. Lange Zeit herrschte Schweigen, dann aber unterbrach der Mühlen besiher plötzlich die Stille. »Wie ich hörte, hat man letzte Woche in Kansas wieder einmal einen Zug überfallen. Diesem Unfug dürfte doch endlich einmal ein Ende bereitet wer den, es ift höchste Zeit. Hier in dieser Gegend foll neulich auch ein ballt-eleg ter Zug ausgeraubt worden fein, den len Sie doch — ein vollbesetzter Zug! und meinen Sie, auch nur die geringste Spur hätte man von den Räubern ausfindig machen tönnen? Nicht ein einziger derPasfagiere hatt-. den Muth, auch nur einen Schuß auf die Ban diten abzugeben« Der Neuangelomrnene nahm feine Cigarre aus dem Mund. »Ich den-le balt," mischte er sich ein, »es wird im Zuge Niemand gewesen fein, der eine Waffe bei sich führte.« »J Gott bewahre. Jch wollte wet ten, daß mehr als die Hälfte der Pas fagiere mit Nevalvern versehen war.« «Jtch mächte die Wette halten,« er widerte der Fremde, »wenn nur irgend welche Möglichkeit vorhanden wäre, die Sache zu pritfen. Nehmen Sie doch ’mal an. Wie wir hier beieinander sihem ich darf sicher annehmen, alle mitgereifte Mute, glauben Sie, daß Eintesr von uns eine Schußivaffe bei sich a « Der Mann von high Hat blickte uns fragend an. Ich fchiittelte mein haupt, ebenso der Mühlenbesiher und desgleichen der Hutbändler. »Na alfo, sehen Sie,« fuhr der Andere fort, »so wie es uns geht, fo geht es Allen —- Alten« Er fehle feine Cigarre wieder in Brand. Dann traf fein Blick unseren imvro visirten Kartentifch einen aufgeftellten Koffer. « »Wie ich sehe-. haben die Herren ge spielt?« »Ja, wir machten den fchüchternen Versuch, eine Partie zu entrcren,« gab ich zur Antwort. »Und haben Sie keine Luft, weiter zufpielen?« Der Mühlenbesiher und der Dut hiindler fuhren hinter den zZeitungen hervor, hinter die sie sich na unserem kurzen Discours neuerdings vergra ben hatten ,,herr, spielen Sie Karten und welche Spiele können Stei« »Well, Sieben hoch, Kasinm Tem pel, Bank, Dorn Mora, Poler.« Der Mühlenbefihee verfchwandtvies der hinter feinem Blatt mit einem IIqu des Abfcheui im Gesichte. .Sa en Sie, können Sie Whtsi spielen « «Whist —- o ’a! Das heißt, ich habe es wenigstens iriiher ab und zu ge spielt.« ««Nun. dann könnten wir ja ein Sprelchen vrobiren.« Der Müh-lenbesitzer warf erregt seine Zeitung von sich. ·Wenige Minuten später waren schon die Karten gegeben. Der Mann von High Hat und der Mühlenbesißer waren Partner. Aus des Letzteren Gesicht konnte ich ersehen, daß er sich nicht- allzu viel von seinem Mitspieler versprach. Doch bald sollten wir Alle auf das Angenehmste ent tiiuscht werden. Schon am Ende des dritten Spieles wußten wir, daß wir in dein Neuangekommenen einen Spie ler vor uns hatten, dem Keiner von uns auch nur im Entferntesten das Wasser reichen konnte. Bald darauf ertönte der langgezo aene Pfisf der Lokomotive, und der Huthändler wollte wissen, welcher Station wir uns näherten. ,,Colfa,«t klärte ihn der Mann von High Hat Hauf, »der Zug hält hier fünf Minuten, um Wasser einzu nehmen.« Wir waren gerade daran, ein Spiel zu beenden, und als die letzte Karte auflag, stand die Partie vier zu vier. »Nun, meine Herren,« sagte der Fremde, »das entscheidet’s ja, Und wenn Niemand von Jhnen etwas ein zuwenden hat, möchte ich die Wagaon thiire etwas öffnen, um frische Luft einzulassen.« . Er stand auf, ging nach rückwärts und wir sahen ihn die bintere Thüre öffnen. Als er zurückkam, warf er seine Ciaarre von sich und hob siir den Huthändler ab« Die Karten wurden von Neuem ge geben. Dann fühlten wir, wie der Zug sein Tempo verlangsamte, um m die Station einzusahren. Wir hörten die Schritte des Schassners, der die Plattsorm verließ, um abzuspringen. Jch hob soeben, sehr befriedigt, vier hohe Trümpfe aus« Der Mühlenbe sitzer kam zum Aug-spielen- Nachdem ich meine Karten zusammengestecit hatte, schaute ich zu ihm hinüber, um ihn zu verständian, daß er beginnen könne. Dieser aber starrte unbeweg lichen Auan und mit zusammenge lnifienen Livven zu dein Manne von High Hat hinüber. Der Huthänoler war noch mit seinen Karten beschaf tiqt. Ich wandte mich um und folgte des Mühlenbesitzers Blick. Was ich sah, ließ mir das Blut er starren. Der Mann aus High Hat sasz weit rnriirhelebnt auf feinem Sitte Und hieli die Mündungen zweier Revoloer auf uns gerichtet· Den Hut hatte er : tief im Genick sitzen, so daß er einen wilden, verwegenen Eindruck machte. Der Outbänvler ließ seine Karten sin ken, auch er hatte die Situation erfaßt. an der Ferne vernahm manStimmen gewirr und das »Puff Pusf« der ra stenden Lotomotive. Der Huthändler machte eine nervöse Bewegung und sofort richtete sich einer der Revolver auf ihn Das brach die unheimliche Stille. »Meine Herren," begann der Mann von Higii Hat, »wie fEie sehen, befin den Sie sich in einer üiercus peinlichen Lage, aber ein gut Theil des Unange nehmen wird sofort schwinden, wenn Zie sich willig und geborsam meinen Befehlen fügen. Der Herr zu meiner Linien wird die Güte haben, den Jn halt seiner Taschen hier auf den Tisch zu legen, fein Nachbar wird ersucht, oies ebenfalls zu thun, und ebenso wird der here mir zur Rechten han deln. Alle zu gleicher Zeit!——Bitte!« Dieses »Bitte« war nicht mißzuver stehen und veranlaßte uns momentan, unsere Hände in unsere Taschen zu versenken. Als des Fremden Befehle ausgeführt waren, lagen auf«dem Kof fer vor uns drei Bieftaschen, ein Hau fen Kleingeld, drei goldene Uhren nnd zwei silberne Zündhvlzschachteln. Weitere Befehle fügten der Kollet tion noch zwei große wundervolle Dia mant-Brusttnöpfe aus des Mühlen besißers Hemd zu, während der Hut händler und ich noch drei Ringe und eine Diamant-Busennadel beizusteuern hatten. »Meine Herren, sollten sich irgend welche Papiere persönlichen Werthes in Ihren Brieftaschen befinden, so bitte ich Sie, sich dieselben anzueig nen·« ,,Ftönnte ich vielleicht etwa fünfzig von den blauen Scheinen in meiner Tasche, die für mich von großem per sönlichen Werth sind, zuriickerhalten?« sagte der Huthändler in einem Anflug von Galgenhumor. »Bedaure, nein,« war die höfliche Antwort, »und nun, nseine herren, bitte, verhalten Sie sich vollständig ruhig.« Der Mann aus High Hat legte einen der Revolver auf sein Knie und be nüßte die freigewordene Hand dazu, seine Taschen mit unseren Sachen zu füllen. Dabei blieb sein Blick starr auf uns gerichtet. Er ntochte mir wohl am Gesichte ab sehen, daß mir plötzlich der Gedante an den elektrischen Klingeltnopf, der sich neben meinem Ellenbogen befand, durch den Kopf fuhr. Sofort richtete sich seine Waffe gegen meine Brust. »Es ist völlig nutzlos, meinBerrI wendete er sich an mich. »Kein ensch befindet sich im Waggon außer uns. Und nun, meine Herren, nehmen Sie noch mein Bedauern entgegen über die unangenehnie Lage, in welche Sie zu versehen ich leider gezwungen war; ich ’ danke Ihnen vielmals für Ihre über aus liebenswürdige Unterhaltung und tfiir hre noch liebenswürdigeren Ge schen e. Einen Moment bitte ich Sie, sich noch zu gedulden.« « »Der Ton der Zugpseise unterbrach seine Worte und der Train setzte sich langam in Bewegung. « ehalten Sie Ihre Sitze, meine Herren, oder ich will nicht für die Folgen verantwortlich sein« Der Mann von High Hat näherte sich rückwärts gehend der rückwärtigen Thüre des Wagens, ließ den einen der Revolver in seine Tasche gleiten, setzte den Hut zurecht, knüpfte den Rock zu und wartete an der Thüre, uns scharf im Auge behaltend. Der Zug tam mehr und mehr in Lauf, schon hörten wir den Schasfner auffpringen und im nächsten Moment mußte er eintre ten -—— da öffnete der Räuber die Thür, wünschte uns nochmals höflichst gute Nacht und draußen war er. Jn eben diesem Moment trat der Schaffner ein und ich drückte aus den Knopf. «- sss si 1 Als der Zug sich wiederum in Be wegung setzte, nachdem wir 10 Minu ten lang fruchtlos uns abgemüht hat ten, dein Räuber auf die Spur zu som men, begannen wir die von ihm zurück gelassenen Gegenstände einer Muste rung zu unterziehen, den Handioffer und den Ueberziehen Jn ersterem be fand sich weiter nichts als ein großes Stück rothen Sanbsteines, und der Kaufpreis des lleberziehers mochte etwa drei Dollars betragen. Unsere Untersuchung ward durch die Ankunft des Portiers unterbrochen »Haben die Herren vielleicht den Herrn mit den arofzen Diamant Brustlnövfen bemerkt?« Jch sah mich um; erst jetzt entdeckte ich, daß der Mühlenbesitzer verschwun den war. Am Boden lag ein aus einem No tizbuch beransgerissenses Stück Papier, auf das mit Bleistift in Eile die Worte geiritzelt waren: »Der Mühlen besitzer empfiehlt sich mit dem Genue rnan ans High Hat.« « »Bei Gott, va sind wir also zwei Spitzbuben in die Hände aefallenss »Well,« sagte der Huthändler, »ich bin nicht —,« aber der Rest seiner Worte verlor sich im Geräusch des da hinrollenden Zuges. -« ----· --———— Romeo. Unverfängliche Baliongefchichte von Reinhoid Ortmann. Er hieß nicht Romeo, sondern Max. Und er war nicht dem stolzen Geschlecht der Montecchi entsprossen sondern der unberühmten Sippe der Gendelmeher, deren Familiengeschichts sich schon mit Maxen’g Großvater in undurchdringliches Dunkel verlor Auch pflegte er nicht im geschlitzten Wamms und mit tritotartigen Un aussprechlichen einher zu gehen, son dern im schlichten schwarzen Gewande« das sogar hier und da an den Nähten schon einig-e bedenklich glänzende Stel len aufzutveisen hatte. Jm Uebrigen fah er dem Bilde garnicht so uniihn lich, das sich schwärmerische Backfische von dem ritterlichen jungen Montecchi entwerfen mgen. Denn er war gross und schlank, hatte ausdruclsvolle dunlle Augen, ein winziges seidenwei ches Schnurrbärtchen und einen an Länge und Fülle weit über das Maaß des Alltäglichen hinausreichenden Haarschmuch um den ihn Veronas goldene Augen aus den Zeichen des Prinzen Escalus gar wohl hätten be neiden dürfen. Daß er ein Künstler war, bedarf nach dieser Personalbe schreibung laum noch der Erwähnung Er konnte sich mit Recht so nennen« denn er hatte die Reifepriifung an der Königlichen Hochschule für Musik mit Auszeichnung bestanden. Er hatte auch Schülerinnen, und zwar beneidenswerther Weise solche, die regelmäßig zahlten, so daß die Ge nugthuung nicht ganz unberechtigt war, mit der er im Freundeskreise von seiner »gesicherten Existenz« zu spre chen liebte. Den Umständen nach hätte er also mit dem Dasein im Allgemei nen wie im Besonderen recht wohl zu frieden sein können, wenn nicht der dicke Rentier Paul Haberlorn bestän dig wie eine schwarze Wetterwolle über diesem friedlichen Künstlerleben geschwebt hätte. Die Feindschaft der Eapuletti gegen die Montecchi war nämlich nur ein Kinderspiel im Vergleich zu dem Groll, mit welchem Paul Haberlorn den unglücklichen Meister verfolgte. Er hatte einige Ursache dazu, das läßt sich nicht leugnen. Denn sein Verhäng nifz hatte ihn vor einem Vierteljahr die Wohnung beziehen lassen, deren Borderzimmer unter dem bescheidenen Heim des lotbeergelrönten Pianisten lagen. Mit einem geharnifchten Protest briese gegen das »unertriigliche Ge tlimper« hatte die Fehde begonnen« um sie allgemach bis zu stürmischem Gegen-die-Decle-Klopfen und bis zur Anschaffung eines grauenhasten au tomatisch-en Musikinstrumentes zu ver frhiirfen, das die entsetzliche Fähigkeit besaß, eine droben gefpielte Beetho den sche Sonate fünfzigmal hinterein ander durch die in Töne gesehte An lündigung zu unterbrechen: »Im Grunewald, im Grunewald ist holzaultion!« Es wäre ein aufreibender Zustand Irr-sen auch ohne die dramatische erwicklung, die ein grausamer Zu fall in dem nämlichen Augenblick ge schaffen, wo Max Gendelmeher und Fräulein Emmy Haberkorn einander zum erften Mal von Angesicht zu An gesicht gesehen. Der reizenden Blon dine mit den Veilchenaugen, den schel mifchen Wangengrübchen und der rundlichen Taille war es beschieden, die Rolle der Julia in dieser Fehde des Philisterthums gegen die Genia lität zu spielen. Doch Max Gendelmeher hatte viele Stunden zu geben, und Fräulein Em rnh stand unter ziemlich strenger Auf sicht. Der holde Liebesfriihling der Beiden würde also nur recht spärliche Blüthen getrieben haben, wenn ihnen nicht ein glückliches Ungefähr die Möglichkeit gewährt hätte, gewisser maßen unter den Augen des haßer füllten Capuletti Haberkorni ganz un auffällig mit einander zu verkehren. Dies Ungefähr war der Balken der im zweiten Stockwerk gelegenen Habertorn’fchen Wohnung, ein schö ner, großer, offener Ballen, der mit seinem reichen Blumenschmuck fast ei nem seh-wehenden Garten glich. Auf keinem anderen Balton in der Nach barfchaft wurden die Blumen so sorg lich gehegt und gepflegt wie hier. Es war etwas geradezu Rührendes in dem liebevollen Eifer, mit welchem Fräulein Emmy ihre duftenden Schützlinge begoß und beschnitt, auf band und stützte. Und da das Haus glücklicherweise kein Gegenüber hatte, nahm kein sterblich-es Auge wahr, daß beinahe immer gleichzeitig mit ihr an dem darüber gelegenen Fenster im dritten Stock Herr Max Gendelmeyer erschien, einen leuchtenden Ab lanz be glückt-er Liebe auf dem edlen künstler antlitz. Auch den dünnen Bindfaden, an dessen Ende etwas viereckiges Wei ßs herab- und hinaufschtvebte, fah Niemand außer den Beiden, die es anging. Aber man spielt nicht auf die Dauer ungestraft mit der Gefahr, und ein ge ringfügiger Zufall wandelt oft das lieblichste dell in ein düsteres Natur spiel. An einem litt-den Herbstabend war es, um die Zeit, da die Nachtigallen sich eben reisefertig machen. Die Dämmerung brach eben erst herein, aber hinter den Fenstern der Haber lorn’fchen Wohnung brannten trotz dem schon die Gasglühlichtsflammem woraus auf irgend einen festlichen Anlaß zu schließen war. Es- war die Stunde da Fräulein Gmmn rum dritten Mal aus dem Ballon zu er scheinen pflegte, und mit jener Pünkt lichleit, die eines der Kennzeichen wah rer Liebe ist, hatte sich Max Gean nieher oben an seinem Fenster einge funden. Eilig tanzte die Schnur mit dem weißen Briefchen aus der Höhe des dritten Stockwerks herab, und Max Gendelmeyer sah, wie Emmys schlanke Finger den Liebesgruß von dem kleinen Haken lösten. Aber er sah auch, daß heute nicht alles war wie sonst, den-n das blonde Köpfchen da unten wandte sich nicht zu ihm empor« sondern es blieb tief gesenkt. Und auch, als see ihre Antwort an dem Ha ten befestigt hatte, wartet-e er verge bens auf den raschen zärtlichen Blick, der ihm sonst das Signal zum Hier aufziehen gegeben. Banger Ahnungen voll mtsaltete er das Blättchen, und es kostete ihn ei nige Mühe, bei dem unsicheren Lichte die offenbar in großer Hast geschrie benen Zeilen zu entziffern. Aber das Auge der Liebe ist scharf, und er las: »Ich bin sehr unglücklich. Der schreckliche Herr Lehmpfuhl ist heute bei uns zum Skat, und mein Papa hat mir auf sehr durchsichtige Weise zu verstehen gegeben, daß dies Scheu sal die Absicht hat, um mich anzuhal ten. Wenn ich Nein sage, wird es ge wiß eine gräßliche Scene geben. Jch möchte am liebsten sterben. Deine arme Emrnh.« War es ein Wunder, wenn dieser geschriebene Verzsweislungsschrei dem Pianisten wie ein Messerstich durch die Seele fuhr? Er wußte, dasz Herr Lehmpfuhl ein wohlhabender Mann und der Inhaber eines blühenden But tergeschästes im Groß-en war. Was hatte er nach der Meinung des Herrn Haberkorn solchen Vorzügen gegen über in die Wagschale zu werfen? Drinnen im Wohnzimmer kreischte der Musikautomat zur Belustigung des Herrn Lehmpfuhl eben in den schrillften Tönen sein lieblich-es: »Im Grunewald, im Grunewald ist Holz auttion!«· als ein herzzerschneidender Aufschrei die drei Skatgenossen in jä hem Schrecken auffahren mchte. Ohne den Grand mit Dreien, den er eben angefagt hatte, aus der Hand zu legen, rannte Capuletti Haberlorn den anderen voran aus dem Balton hinaus, um mit weit offenem Munde in Staunen zu erstarren beim Anblick des Schauspiels, das sich seinen Bli cken bot· Malerisch hingestreckt auf der Ko tosmatte, die den Fußboden deckte, lag da die schlanle Gestalt des Romeo aus dem dritten Stock. Sein-e Augen waren geschlossen und sein Gesicht be deckte eine bedenslliche Blässe. Aus ei ner Wunde seiner edlen Stirn aber rieselte in spärlichen Tropfen das Blut. Und neben ihm auf dem Boden kniete Fräuleins Emmh, in ihrem hel len Gewande einem lichten Engel der Barmherzigkeit gleichend. Mit ihrem Iaschentiichlein, das feucht war von den vorher dergossenerz Thriinen, be tupfte sie die Wunde des Geliebten, unsd verzweiflungsvoll klang es von ihren Lippen: »Er ist todt —- er ist todt -- um meinetwillen ist er gestorben.« Der erste unter den Zuschauer-m der die Sprache wiedergewann, war Herr August LehmpfuhL Und sein Herz schien bei Weitem nicht so weich zu sein wie seine Butter, da er mit allen Anzeichen seiner lebhaft-en sittlichen Entriistung sagte: ,,Donnerwetter —- eine hübsche Sache! Das ist ja gerade wie auf dem Theater. Der Kerl ist wohl vom him mel gefallen?« Das war mehr, als Fräulein Em my s tödtlich verwundetes Gemüth zu ertragen vermochte. Mit glühenden Wangen wandte sie sich um und rief: »Daß Du es weißt, Papa: dieser hier ist es, den ich liebe, und dem al lein ich angehbre im Leben wie im Tode Wenn er stirbt, so sterbe ich »auch « Herr Haberkorn war ein etwas reizbarer und eigensinniger Mann, aber durchaus kein grausamer Komö di-antenvater, und der Jammer seines einzigen Kindes schnitt ihm in die Seele. Noch war ihm der Zusammen hang der Dinge nicht völlig klar; aber ein beträchtlicher Theil seines alten Grolls gegen den Klavierklimperer schwand doch dahin, wie er ihn da blu tend und so rührend bleich vor sich lie gen sah. Er äußerte lein Wort des Unwillens, und seine Stimme zitterte sogar ein wenig, als er sagte: »Wir wollen ihn in die Stube tra gen. Und Elife soll den Doktor holen. Ganz todt scheint er ja glücklicherweise noch nicht zu fein.« Der zweite Staigenosfe griff denn auch bereitwilligst zu. Herr Lehmprhl aber machte ein bitterböses Gesicht. »Ich sage es ja, wie auf dem Thea ter,« brummte er noch einma dann zog er mit einem Ruck seine Wie te her unter wie irnmer, wenn er irgend ei nen großen Entschluß gefaßt hatte, und ging ohne Worte des Abschiede-Z durch das Wohnzimmer auf den Kor ridor und zur Wohnungsthiir hinaus. Nachdem Fräulein Eminh erklärt hatte, daß sie im Leben wie im Ster ben nie einem Andern angehöre, hatte er hier ja nichts mehr zu schaffen. Herr Habertorn aber hatte richtig vermuthet Mar Gendelmever Romeo war nicht nur noch lebendig, sondern er erholte sich sogar zur allgemeinen Befriedigung überraschend schnell, nachdem ihm der alte Capuletti ein Weinglas voll Eognac eingeflößt und ihm in dem instinktiven Gefühl, dasz dies ein geeignetes Wiedserbelebungs mittel für Ahaestijrzte sei, zwei bis drei Minuten lang sehr energischs den Rücken geklopft hatte. »Ich bitte tausendmal um Entschul digung, wenn ich gestört habe,« war das Erste, was er sagte· Und diese Höflichkeit wandelte die angstvolle Spannung, in der man sich befunden hatte, in eine harmonische und unge mein wohlthuende Heiterkeit. Es stellte sich heraus, daß der Künstler nichts verstaucht, verrenkt oder gebrochen hatte, daß die Wunde an der Stirn nur eine ganz unbedeutende Schram me war und daß ihn lediglich der Schreck vorübergehend des Bewußt seins beraubt hatte. Elise brauchte überhaupt nicht zum Arzt zu gehen, und Papa Habertorn erwies sich gastfreundlich wie ein Korse, indem er sagte: ,,Bleiben Sie nur in Gottes Namen hier, bis Sie sich ordentlich ver schnauft haben. Mit unserem Stat ist es nun ja ohnedies Essig, nachdem sich dieser Lehmpfuhl auf eine so unan ständige Manier aus dem Staube ge macht hat. Und gerade, wo ich einen Grand mit Dreien in der Hand hattet Schneider wäret Jhr geworden! Es ist gerader schädig.« »Wenn Sie mir gestatten wollten, Herr Habertorm statt des weggegange nen Herrn den dritten Mann zu ma Mn — —« Der alte Capulettsi sah den Musiker mit großen Augen an. »Was? Nachdem Sie eben erst aus dem Fenster gefallen sind? Ja, spielen Sie denn überhaupt Statt-« ,,Einigermsaßen, unsd wenn Sie nicht zu streng sein wollen ——« Herr Habertorn schlug ihn auf die Schulter, als wollte er die Wiederbe lebungsversuche noch einmal begin nen. »Hören Sie, Herr Gendelmeher, das gefällt mir! Das macht Jhnen nicht Jeder nach. Emmy — ein frisches Glas siir unseren Herrn Ra — Re — na, wie hieß doch der junge Mensch aus dem italienischen Stück mit dem Balton — Du weißt doch! Es war ’ne Nachtigall und kein-e Lerche.« ,,Nomeo, Papa!« »Richtig, Romeo! Wirklich großar tigse Aehnlichkeit! Bloß daß der mit seiner Strickleiter von unten herauf tomm·t, nicht von oben herunter! Und nun los! —- Also Grand mit Dreien, Schneider angesagt! Jch spiele selbst aus ——« Was ihm msit seinen Sonaten und Nocturnos nimmermehr gelungen wäre, das gelang Herrn Max Geadel meher mit seinem Statt Er spielte sich in das herz des alten Capuletti hin ein. Und als sie drei Stunden später von einander schieden, schieden sie skl gute Freunde — Heute spricht man in der habet lorn’schen Bekanntschaft allgem-it von der nahe bevorstehenden Berlos bung. Und es muß wohl etwas Wab res daran sein, denn man kann di beiden jungen Leute sehr oft in trauli chem Gespräch auf Fräulein Gan Ballon erblicken; nur daß Mich GendelmeyerMomeo jetzt dem weite ren Weg über die Treppe vor den kürzeren durch die Lust den Barth zu geben pflegt. Der Kobolden Humoresle von L. Detre. Greisbarer Nebel lag auf dem häu sermeere, als ein sorgfältig gekleidet-« junger Mann in einer der weniger fro quentirten Gassen der Residenzstad unruhig auf und ab ging. Er hats den Pelztragen seines Winterroclet aufgeschlagen, so daß nur das schmal Prosil des Gesichtes sichtbar war. El wollte nicht erkannt werden. Mit gespannter Neugierde lugte es durch den milchweißen Schleier des Ne« bels auf ein GeschäftslolaL das sitt auf der anderen Seite der Gasse bo sand. Aber es gingen noch immer Leut hinein. Endlich schien der Letzte dat Lokal verlassen zu haben. Mit hastigel Schritten eilte er dem Laden zu, ins dem er zugleich bestrebt war, den in des Brusttasche seines Rockes versteckten R volver sich hsandlich zu machen. Schon war er an der Thüre, als er durch dies sehend noch einen Kunden erblickt-e. Mit hochklopsendm Herzen stürzt er auf die andere Seite des Troittoirt zurück und verschwand im Meere del Nebels. Aber nach wenigen Minuten erschie ser wieder und begann von enuem di( unstäte Prata-made Es war ihm heis geworden, udn er wischte den perlen· den Schweiß von der heißen Stirne Wieder lugte er hinüber-, aber die hell läutende Klingel verrieth ihm, daß da! beobachtete Geschäftslokal noch imme n-icht leer war. Von dem nahen Dorne verkünde ten acht Schläge, daß der Abend her angebrochen sei. «Verdammt,« murmelte der jungs Mann, »das Geschäft wird bald ge schlossen, und ich kann noch immer nicht hinein, all-ein mit dem Alten sein llm ziehn Uhr muß ich das Geld er legen. Es ist ein-e Ehrenschuld. Die Summe ist zwar lleirk, aber ich kam sie mir nicht anders- beschasfen. Jä» muß oas weio haben, auch um ve Preis.« Der jttnae, elegante Mann ver langsamte seine Schritte, er versank it Nachdenken »Was würde mein gut-er Onkel sa gsem wen er erführ-e, was ich mit den oon ihm zum Geschenke erhaltenen Re volver gethan habe. Er brachte ihn mit von seiner Amerikareise mit. Mit welck lieben Worten erklrärte er mir die gro ßen Vortheile diieser kostbaren Verthei digungsswafsr. Und nun? Es ist schreck lich, wohin mich mein Leichtsinn treibt Was wiirde die Mutter, mein nobel denkender Vater, was würde Elbira sagen, wenn sie von meiner That Kun de erhielten. Von mir, dem reicher Sprößling der vornehmen Familie! Aber sie werden, sie dürfen es nicht er fahren. Niemand darf mich erkennen niemand auch sehen. Wenn ich mit dem Alten drinnen nur allein sein könnte. Einmal drinnen, ziehe icl schnell den Revolver heraus, in weni gen Momenten ist es geschehen, dans stütze ich zur Tbür hinaus, in den al les verdeckenden, dichten Nebel. Wenn es nur zu Ende wäret Wieder klingelt es an der Thüre. Je mand kam heraus. Der junge Mann näherte sich der Thüre und blickte in das Innere des Geschäftslokals. Des Alte war aallein. Nochmals blickte der junge Mann nach allen Seiten, ob nie mand sich nähere. So weit er sehen konnte, war die Gasse leer. » Mit hämmernden Schläsen stürzte er in das GeschäftslokaL und mit ge preßter Stimme fragt-e er den Pfand leiher: »Was geben Sie mit auf den Revolver?« - -«—-.-.-— Die höhere Tochter-. Herr: ,,Also die Stiefel des Geheim raths Günther waren die letzte Arbeit Jhres seligen Herrn Vaters?« Schusterstochter: »Ja, sie waren gewissermaßen sein Schwanengesang.« Gurts beraus» Junge Wittwe: »Ja, Herr Doktor, nun haeb ich alle die Bäder besucht, die Sie mir nannten, aber es hat mir noch immer keins geholfent« Arzt: »Hm, — dann versuchen Sie es doch mal mit einer Heiraths-An nonce.« Unterscheidungszetchem Zwei bayerische Fuhrtnechte streiten sich darüber, wo der Herr in Unisorm, der eben vorbeigeritten, ein Zahlmeis ster oder ein Thierarzt gewesen sei. Den Streit entscheidet ein hinzuge lommener dritter Berussgenosse mtt den Worten: »Wenn der Herr wieder zurücktimmt, Sevvl, nacha gehst hin und sagst, Du hätt’st Zahnweh. Gibt a Dir an Ohrfeig’n, »so is a Zahl meister, kurirt a Di, is a Thierarztl« Wir haben kein Mittel. um jun zu bleiben, leider auch keines, um at zu werden.