Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 07, 1902, Sonntags-Blatt, Image 11

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    « OurTr Saß.
Slizge von Paul Otlar Böcken
Eine Schönheit war der Rittnieister
watkrhaftig nicht. Zu Pserde und von
Weitem, da ging er allenfalls noch
an; aber in der Nähe wirkte seine
Nase gerade verbitt-send Spott
vdllige meinten, es sei wahrscheinlich
überhaupt leine Nase, sondern das
Modell einer überseeischen Ins-lim
frucht, oie die Schöpfungsgeschichte ei
gens- siir den Rittmeister Saß refer
viri hatte.
Heinrich Saß hatte von Kindheit
aus darunter zn leiden gehabt.
Die betrüblichste Folge seines allzu
charakteristischen Gesichtsichmuaes
war die: als er als Aoantageur in’s
Heer eintreten wollte, sträubte sich das
erste halbe Dutzend Regimentsloms
mandeure ganz energisch, ihn einzu
stellen.
Der iebente, der sich seiner et
barmte, atte die Wahl nicht zu be
reuen. enn der Junker Saß ward
ein schneidiger Reiter, ein kluger Os
fizier und ein dorziiglicher Kamerad.
Allmählich trug auch der erstaun
liche Haarwuchs seines Schnurrbartes
dazu bei, das Ungethiim von Nase zu
daralysirem
Dieser Schnurrbart war suchsroth,
mächtig, ein Witzbold meinte ,.iiberle
benscroß«.
Saß hatte unbedingt etwas Mar
tialisches durch seinen Schnurrbart
bekommen.
Nur seine Augen paßten nicht recht
dazu.
Es waren kleine, vergißmeinnichi
blaue, fast wimperlose, gutmiithige
Aeuglein. Eine ganze Seele lag
darin.
Ich saae: eine Seele. denn Saß
war, schlecht und recht gesagt, ein Ju
wel von einem Manne.
Seitdem er beim Regiment stand,
bewohnte er dasselbe kleine Quartier
in der Schulftraßr. Es war eine
stille Gegend, die Wohnung selbst,
zwei Zimmer und Zubehöe tm Erd
geschosi, recht altmodifch, aber aemiith:
lich. Und elend einsam fühlte er sich
doch manchmal in seiner stillen
Junggesellenbude.
eden Morgen kniete aber da seit
eintaer Zeit einer der kleinen weib
lichen A--B-C-Schiitzen vor ihm, die
seit Michaelis die höhere Töchter-schale
befuchten
Es war ein pausbackiges Mädel
von sieben Jahren in rothern Män
telchen und rothem Häkchen. Sie sah
von Weitem aus« wie ein kleiner
Fliegenei-ih.
Einmal kam sie in Begleitung einer
eleganten Dame vorbei. Da fuhr er
rasch in die Höhe und grüßte verbind
lich, denn er erkannte die Frau des
Landraths. Der Fliegenpilz war
ihre kleine Poldi. ·
Als Poldi von Druhsen das nächste
Mal knixte. bekam sie von Saß eine
kleine Tüte mit Bonbonz zugeworfen,
die sie in ihrem rothen Schätzchen
aussanaen mußte. Er war auf einem
Wohlthätigkeitshazar in den Besitz
einer unendlichen Menge von Süßig
keiten gelangt
Die Bonbons schienen übriqens
recht schmackhaft zu sein, denn Poldi
kam anderen Taas von zwei gleichge
kleideten, auffallend ähnlichen Mädels
slankirt vorbei. Alle Drei tnixten und
lächelten verschäml-erwartungsooll.
»Das sind wohl Deine Freundin
nen, PoldiWffragte er den Fliegen
ilz.
»Fa, das sind die Zwillinge.«
»b, die Zwillinge. — Kann euch
denn die Lehrerin voneinander unter
scheiden, ihr Zwillinqu
Sie lichertem
»Aber Onkel Saß,« saate Poldi
wichtia »das ist doch die Enimi und
das die Luise.«
Heute betanien sie alle drei Bon
bona
Natiirlich sprach sichs in der IXb
bald herum, welch’ generöse Bekannt
chast die Poldi oon Druhsen besaß.
nd auf dem Heimweg hatte sie fortan
stets Bealeitung.
Nachdem Saß aber eines Morgens
erklärt hatte, daß sein Bonbonoor
rath erschöpft sei, liesz die Schwär
nierei silr Poldi von Druhsen etwas
nach. Schließlich trippelte der Flie
genpilz wieder allein zur Schule.
Aber bei der hübschen Gewohnheit
war es geblieben, daß sie ileinen
Mädels ihn nun immer tnixend be
grüßten, wenn er sich am Fenster
ieiate. Er kannte sie bald alle bei
Namen. Dag aing so jahrelang. Und
als beinrich Saß den zweiten Stern
bekam, hieß er auch schon in den
Mittelllassen der Schulen »Onkel
Saß«. Natürlich erhielt er die
Freundschaft durch kleine Geschenke:
Bonbons, Vildchen, Murmeln, Brief
marten und Ebotoladencigarren. Die
Beschaffuna all’ dieser Kinderherrlich
seiten bildete nrit der Zeit einen se
sten Posten tn seinem Monatsetat
Bald hieß der Nittmeister im gan
zen Neaiment nur noch »Oui« Saß«,
auch bei den Wachtmeistern und den
Leuten. nur beiden Liebetmiihlern
wurde er aewaltia aeu t, aber er blieb
in der Schulstraße wo n.
III
Inzwischen war der Rittrneister
dem Schwabenalter nahegetommen.
Aus dem ersten Jahrgana der«tleinen
Mädels waren junge Damen expor
den, einer der wilden Benaels, ie ihn
seinerzeit hunderte von Bletsolbaten
gekostet hatten, diente in seinerSchwas
dron als Einiiilkriaeu Thedi von Loes
ben, der Iortassessor, ein« repr
Utchtsnut den er vorautiichtlich nicht
i
einmal befördern konnte wegen seiner
Bumrneleien Die Freundschaft mik
den Uebrigen hatte aber angehalten,
und so Tab sieb. Onkel Satz« als fast
achtunddreißigjrihriger Nittmeister in
eine Rolle gebrangt, die zu spielen er
sich als blutjunaer Leutnant (seiner
unseligen Nase halber) niemals ver
messen hätte: wo immer er in der Ge
sellschaft auftauch:e, war er der ,,mai
tre oe plaisir.«
Natiirlich hatte er auch seine erklär
ten Liebling-e.
Der kleine Flieaenpilz z. B. war
ein zu famoses Möbel geworden.
Saß bekam sie zufällig ein Paar
Mal hintereinander auf Gesellschaften
als Tiichdams:. Sie plauderte so herz
zig, so amijfant, Daß er jedesmal wie
neu auflebte· Man lam vom Hun
bertiten in’g Tausendste. Sie lachten
Beide manchmal Thränen bei solchen
Erinnerungen. Ueber die Zwillinge
-—l über Thedi. den großen Schlin
ge
Mitten drin überlam ihn aber ein
mal eine Verstimmung.
Er war geradezu erschrocken, als er
sich überlegte: wie alt er doch selbst in
zwischen geworden war —- und daß
Die tluae, frische junqe Dame, die da
so appetitlich neben ihm saß. wirllich
ver dkollige kleine Fliegenpilz sein
solltet
Was war nur in ihn gefahren?
Warum lranlie ihn mit einem Mal
der mächtige Alter-unterschied? War
er denn etwa verlieth Er, der On
kel Saß mit der schrecklichen Nase, in
are niedliche kleine Polois
Solana er iuna aeivefen war. hatte
er an’s Heirathen nicht einmal zu
denken aewagt, und jetzt, wo sich an
seine Schläsen bereits die ersten
Schneefloclen des Alters hervorstah
len, ietzt wollte er sein-e Augen gleich
so hoch erheben22
»He-inz, Heinz, altes Haus« warnte
er sich, »dent’ an Deine Nase, Deine
Jahre und — blamir’ Dich nicht!«
Aber leugnen ließ sich’s nicht mehr:
-:r war bis über beide Ohren in den
Fliegenpili verliebt. Und seltsam: sie
schien ihm gl: ichfalls ehrlich zugethan
Auch als er dann und wann ernster
mit ihr sprach. Ja es kam ihm
neuerdings so vor, als suche sie seine
Gesellschaft am meisten. «Das machte
ihn wieder irre an sich, an ihr — neue
Hoffnungen, neue Wünsche zogen in
seine Brust.
Auf einem Fest beim Landrath
war’s da einmal im Wintergarten.
Hier fand er's angenehm still und
tii"hl. Jm Ballsaal herrschte eine
enorme Hitze.
Poldi kam erhitit heraus. Jhre
Wanaen glühten. Sie tanzte im
mer so leidenschaftlich. Er hatte sie
schon öfters gewarnt.
»Was ist das mit Jhnen, Fräulein
Poldi? Sie sind ja wieder ’mal so
unberechenbar heute?"
Sie seufzte tief auf. »Ach, ich
banne mich sol«
»Sie, Fräulein Voll-is Wonach
denn?«
»Mir ist s so schrecklich einsam zu
muthe.«
Sie sagte das sehr traurig
»Liebster Herr Saß — ach, könnt’
ich Ihnen doch nur gestehen. . . . »
»Was denn Fräulein Poldi2«
Sie kämpfte mit sich. Jn ihren
Augen leuchtete es ganz seltsam. —
»Warum haben Sie sich eigentlich
nicht verheirathet, Onkel Saß?« fragte
sie plätilickk
Er lächelte verwirrt
Rennen Sie den Grund wirklich
nicht, Fräulein Poldi?« fragte er zö
gernd. »Oder wollen Sie ihn nicht
kennen?'«
Sie sah ihn mit großem, ehrlichem
Blick an und schüttelte den Kopf.
»Nun Fräulein Poldi, ein Mann
von meinem» barbarisch wüsten Aus
sehen. . . .
WAch Onkel Saß, das? Sie zuckte
leicht die Achsel. »Das vergißt man
doch. Vielleicht ist es gut so, lieber
Herr Saß. Da hab’i Sie jedt au
noch. Doch einen Menchen
iuhle mich oft so verlassen, Io rathlog,
TO schuizlss, daß ich laut aufweinen
möchte. . . .«
»Poldi!« rief er erschrocken.
Mit unsicherer Stimme sprach er
ihr gu.
»Liebe kleine Pokdii Glauben Sie,
daß ich’s aut mit Jhnen meine? Ja?
s— Jch — ich . . . ich hab’ Sie so lieb,
Poldi . . . .«
Schlucht-end preßte fie den Kon an
seine Schulter-.
Eine mächtige Rührung überkam
ihn. Es waren ein paar selige Augen
blicke für ihn.
Konnte er ihr noch mehr gestehen?
durfte er’s?
Das Glück sprengte ihm fast die
Brust.
Er nahm ihren braunen Kopf, strich
mit der ziiernden Hand über ihr
haar, dann beuate er sich nieder und
kiifzte sie leise auf die Stirn.
»Liebe kleine Poldi!« flüsterte er
noch einmal.
Sie fchrak zusammen, denn in der
Nähe hörte man Schritte. Ein Tän
zer kam, der sie nach dem Ballsaal
holte. -
III
In der folgenden Nacht schlief er
kaum. Jmmerzu mußte er an Poldi
denken.
Liebte sie ihn iviederi
Aber was würde ihr Vater sagen
—- was würde das Reaiment, was
würde die Stadt saaen?
Eine zitternde Unruhe beherrfchte
ihn den ganzen nächsten Tag über.
Morgen war Sonntag. Am besten
-
—
ivar's, er wart sich aleich um die
Kitchzeit herum in Gala und trat
beim alten Herrn von Druhsen an.
Während er so im Dämmer sinnend
durch seine stille Wohnung schritt,
hörte er plötzlich hastige Schritte im
nausflur — gleich daraus pochte es
an seine Thür.
S Er war wi-: dont Blitz qeriihrt, als
er die Eintretende erkannte.
Es war Poldi . . .
»Bfchi nicht böse sein — ach lie
ber, lieber guter Freund —- nein, hal
ten Sie mir keine Strafpredigt
Jch weiß ja, daß ich das nicht sollte,
nicht durste . . .
,,Poldi -— Mädel! Wie konnten
Sie nur! Wenn Sie Jemand gesehen
hätte!«
»Es ist mir alles eins. Jch mußte
zu Ihnen. Sie sollen mir helfen.
Und Sie werden’g. Jch weiß, daß
Sie mich lieb haben. Jch hab' Sie
ja auch so lieb Sie werden mich
nicht zu Grunde gehen lassen.'«
,,LieBe, dofe, wilde, tleine Poldit
Was sang’ ich nur mit Ihnen an
»Kommen Sie. Bitte, bitte. Setzen
sich sich daher. Und ich setze mich
hnen gegenüber. Und dann sag’ ich
hnen Alles «
Es geschah wie sie s wünschte.
»Papi: hat eine Partie für mich —
das ists,« sagte sie erschöpft »Ich
hat-Z ja schon lang gemerkt — ad er
nie merken wollen. . . .
»Herr don Laub —- der Divisions
Adjutant?« entfuhr es ihm sofort in
zitterndem Ton.
Sie nicke »Und ich — mag ihn
doch nicht . . . Ach, ich bin so un
glücklich, so unaltirklichi«
Sie preßte das Antlitz in dit
Hände und weinte. l
Miit-UT ihn ist-i mehr-mi- fie nn fis-b
zu reißen, sie zu küssen —- sie gegen alle
Welt zu vertheidigenl
Poldi. « sagte er leise und bittend,
,,wollen Sie denn, daß ich Jhnen
helfe?«
Sie weinte immer erschütternder.
»Sie sind doch der einzige, der mir
helfen kann. Und wenn Sie mit
Papa sprechen, dann — dann . . . «
Ein tiefer, tiefer, wohliger Seufzer
kam aus seiner Brust.
Sie erhob den Kopf, blickte ihn mit
ihren thränenoerschleierten Auan
verzweiflunasvoll bittend an. »Denn
Sie wissen doch . . . Oder Sie haben
doch aemertt. ?"
cheQ gemerkt hatte er schon so Man
,,Liebste Voldi," saate er, stam
melnd vor Erregung, »ich —- ich hab’
ja teinen sehnlicheren Wunsch, als Sie
glücklich zu machen.« »
Da sprang sie auf und flog ihm mit
einem schluchzenden oder jauchzend-en
Aufschrei an die Brust. Und els’ er
sichs versah, hatte er einen Kuß von
ihr, einen hastiaen, heißen, leiden
schaftlichen Kuß. Jn der nächsten Se
kunde war sie wieder draußen —
blitzschnell —- und da iisel auchD schon
die Hausthiir in’s Schloß.
Er blieb eine geraume Weile unbe
weglich stehen — wie ein Traum —
wagte kaum zu atbmen. Auf seinen
Lippen fühlte er noch die ihren . . .
Ist-f
Er war so ergriffen von diesem Er- ;
lebnisz das; er beinahe das Kriegsspiel «
versäumt hätte, das Abends im Ka
sind stattfinden sollte. Der Bursche
erinnerte ihn noch in letzter Minute.
Nach dem Dienst nahm ihn der
Oberstleutnant bei Seite
»Vorhin war Herr von Druhsen bei
mir der Landratb.
Dem Rittmeister suhr das so in die
Knochen, daß der Vorgesetzte lächelnd
die Hand auf seine Schulter leote.
»Bitte, bitte, lieber Saß, was halb
Außerdienstliches. Es handelt sich um
seine Tochter. Na, Distretion natür
lich vorausgesetzt, lieber Rittmeister.
Oder sind Sie bereits unterrichtet?«
»Theil«weise, Herr Oberstleutnant.«
Saß glaubte Poldi’s Besuch der
ratben.
»Also Fräulein von Druhsen hat
einem Kameraden — Name thut
nichts zur Sache — einen Korb er
theilt. Ziemlich schlankweg. Grund:
es schwebt da schon seit längerer Tit
'ne andere Geschichte. Von der r
Landrath aber neuerdings nichts mehr
wissen will.«
Dem Rittmeister bildeten sich
Kreise vor den Augen. Er konnte kein
Wort sagen. Jn fieberhafter Span
nung wartete, lauschte er.
»Sie haben den jungen Mann in
Jhrer Schwadron. Er ist der junge
von Loeben. Sie wissen: der hätte
Aussicht zu den Neitenden Feldjäaern
zu lommenz aber dazu wäre sedie
Qualitfitation zumReseroeoffizier un
umgiinalich nothwendig. Nun hat de
Landrath erfahren, daß Lorben niijt
befördert werden soll —— na, nno on
meint er denn, ihn gleichfalls fallen
lassen zu sollen. Er erbat von mir
aber zuvor eine definitive Auskunft.
Seiner Tochter wegen Und da mbcht’
ich Sie denn fragen. . . «
Noch ein paar Sätze halt-dienstlichen
und privaten Inhalts —- dann war
der Nittmeister entlassen Er verließ
das Kalino ungesäumt.
s s if
Die betten vom Reaiment hatten
sich sehr darüber gewundert, daß Saß
heute Abend an »der ofiisiellen lame
radschaftlichen Vereiniguna nicht theil
nahm. Als die Stimmung seh-In
ziemlich vorgeschritten war, stellte er
sich aber doch noch ein. Und da war
er der Ausgelassenlten einer . . . Wer
bis dahin noch geglaubt hatte, daß
man Saß beleidiate, wenn man auf
fein Monstrum von Riechorgan an
spielte, der ward heute eines Besseren
belehrt. Er ttua sein Mißgeschick mit
lachendem —- iiberwältigendem bu
mor!
O If s
Andern Tages beim Frühapvell
theilte der Wachtmeifter dem Einiäh
rig-Freiroilliaen von Loebien mit, daß
er um zwölf Uhr im Dienstanzug
beim Osrrn Schwadronschef anzutre
ien habe.
Klopfenden Herzens begab sich
,,Tl)edi« zur Wohnung des Rittmei
stets.
Er war ein hübscher, floiter, iunaer
Mensch —— im Augenblick aber ziem
lich blaß. .
»Na, treten Sie schon näher, von
Loeben. und lassen Sie die Armesiin
dermiene. Jch wette, daß Sie gestern
wieder was ausaefressen haben. Jn
Civil gewesen« he? Uebern Zapfen ge
strichen?«
Der Einjähriae schwieg.
,,Einmal haben Sie schon vier Wo
chen zur Strafe dafür in der Kaserne
quartirt —- ein andermal haben Sie
den Festurlaub entzogen bekommen —
das nächste Mal müßten Sie in Ar
rest. Und das wäre doch ein Jam
mer, wie?«
»Zu Befehl, Herr Riltmeister."
Saß blieb plötzlich hart vor dem
jungen Mann stehen und sah ihm
scharf ins Gesicht
,,Poyschwe-rebreti! Wollen Sie sich
denn Ihre ganze Carrierse verpsufchen?«
Und mehr als das-Ihr ganzes Le
lrnsgliick9——S-.tzen Sile sich mal da
ans Fenstern Lachen« Ja, ans den
Fauienil da. Und dann sehen Sie mir
mal ins Auge. So. — Wissen Sie,
Loerem wer gestern aus dem Fauteuu
nesessen hat? ——Fräulein von Druhi
Ien.«
Der junate Soldat zuckte zufam
msm. —
»Ja. Fräulein Poldi. Die kennen
Zie doch noch, wie? Von früher ber?
Wo Sie sie in den dummen Kinder
schtlachtten da draußen auf der Schul
straße vertheidigt haben, was-? Ja,
dasmals war der Thedi ein tapferer,
rittterlicher kleiner Bengel. He, ist das
nanz aus Ihre-m . Gedächtniß ver
schwanden?«
»Nein, Herr Nittmseistser.«
»Na also. Und ietzt kommt die kleine
Poldi siir ihn bitten. Wohl aus alter
Dankbarkeit. Aber der Thedi ver
dient’s gar nicht — denn es ist ein
langer, bummliger Ginjähriaer aus
dem Tbedi geworden, der keinen Re
spekt vor dem königlichen Dienst hat.«
»Ach, Herr Rittmeister . . .«
Und der Thedi zeigte nun aller
dings, wie wenig Soldatkischses in ihm
steckte. Jn ein-er lan»en, langen, ganz
unnrilitäriscken Rede legte er los: er
habe doch lesinse Ahnuina davon gehabt,
dhsz Fräulein Poldi ihm wirklich noch
aut sei, denn da habe es mai eine
Eifersucht zwischen ihnen gegeben —
« wegen Herrn von Laub —- und da
hätt-en sie sich oerzantt und er sei zu
dem ersten Winderball nicht eingeladen
werde-n. Aber es habe ihn daheim
nicht geduldet — er liebe Fräulein
Poldti doch so wahnsinnig — und da
sei er Hals iiber Kopf in Civil fort
gelauiem ins Landrathshaus, um sie
heimlich zu sprechen, wenn auch nur
siir eine Sekunde. ..
Sassens Pseise ging immer wieder
aus.
»Hm. Ja Und da sah Sie der
Waschtmeisten —- Und weil Sie die
erste Sttrafe nun mal weghatten,
glaubten Sie, es käme doch nicht mehr
drauf an?«
»Ja,« sagt-e Thedi trotzig, »es lag
niir an meiner ganzen Carrieve nichts
mehr. Denn Poldi— Poldi sollte sich
doch —- nIit Herrn von Laub ver
loben.«
Eine lange Pause.
»Nun will ich Ihnen mal was
sagen, Soeben Zu morgen wünscht
das Regiment die Beförderungsvor
schlage Da sollen Sie meinethalben
auch mit zum Gesteitsen ernannt wer
den« um«-i Si- s m Kind-»oer
rant werden« Worauf sich der Land
rlash nun mal saprsizirt Ruhe, sein
Wor«t. Und Sie werben künftiahin
Ihre Pflicht thun, hoff ich. Als jun
aer Bursch’ habe-n Sie siir die lleine
Poldi den Ritter gespielt. Nun denken
Sie dran, daß Sie als Mann dlas
Schicksal der aroßen Poldi an das
Jhre aeschmictdet haben. Und nun
mit Gott. Escadron kehrt schwenkt
Tr-ab!«
«- « ie
Der Rittsmdister irat daraus einen
längeren Urlaub an. Vom der Bahn
aus schickte er ein vaur Blumen an
den ,,"klie»a«enpilz ««mit eine-m kleinen
Billet.
Das Nisus-sie solaendermafzem
»Liebes Fräulein Poldi! Mit mei
nen Abschiedsariifxen sende ich Ihnen
im voraus meinen herzlichen Glück
wunsch. Wenn ich zurücks-hre, sind
Sie wohl schon »Thedis« Braut —
und ich will partout der allererste sein,
der Ihnen dazu arasulirL Behalten
Sie mich in freundlichem Andenken.
Ich werde Ihrer auch nicht so bald
vergessen, liebes Fräulein Voldi. Sie
sind nämlich, nanz im Vertrauen ne
saat,- das erste weibliche Lebewesen
seit meiner auten Mutter, das mir
trotz meiner barbarisch greulichen Nase
einen Kuß aeaeben hat. Es war ja
dunkel im Zimmer. Und es war ein
Kuß, der nicht dem Manne, sondern
ledialich dem alten Bertrauien. dem
väterlichen Freund aus der Schul
ssraske galt. Immerhin bat er un
bändia aliicklich gemacht
Ihren alten Onkel Saß.'«
Die verstorbene Königin.
Ein Charakterbilv der verstorbenen
Königin der Belgier entwirft der
»Gaulois«: Die Königin Marie Hen
riette war die Güte und Einfachheit
selbst. Die Regeln der hösischen Eif
lette miszsielen ihr, und daraus machte
sie gar keinen Hehl. »Ich bin eine
Bürgerin«, sagte sie eines Tages zu
Mar. Doutreloux, der damals Bischof
von Liittich war. ,,Erschrecken Sie
nicht, Herr Bischof: sagen wir: die erste
Bürgerin des Königreichs.« Die Köni
ain war in der That nur dann glück
lich, wenn sie sich in Briissel oder in
Spa, in Laeten oder in Ostende ihren
getreuen Belgiern als »erste Bürgerin«
zeigen konnte; sie war eine vornehme
Dame, aber niemals eine von den Her
ren und Damen ihres Hofstaates es
lortirte Königin. Sie liebte vor allem
allein oder mit ihrer Tochter, der Prin
zessin Clementine, in ihrem kleinen
Ponywagen spazieren zu fahren. Es
vassirten ihr dann nicht selten anni
sante Abenteuer. So machten einmal
vor fünf Jahren die Königin und die
Prinzessin Clementine bei einer ihrer
Spazierfahrien vor einem Bauern
hause in der Nähe von Spa Halt, um
eine Tasse Milch zu trinken. Die
Leute waren aber alle auf dem Felde
nnd in der nrofzen Stube des Hauses
befand sich nsur eine alte tranke Bäue
rin, die beim Eintritt der königlich-en
Besucherinnen sich nicht vom Stuhl er
heben konnte. Aus eine Frage der Kö
nigin antwortete dieGreisin halb fran
zösisch, halb wallonisch: ,,Jn den Krü
gen ist keine Milch und ich kann leider
nicht auf die Wiese gehen, um eine
Kuh zu mellen . . . Meine armen Beine
wollen mich nicht mehr tragen.«
»Wenn es nur das ist,« sagte die Kö
nigin, ,,werde ich selbst auf die Wiese
gehen; sagen Sie mir nur, wo Sie
Jhre Krüge haben.« —- Aber meine
liebe Dame, Sie sind doch aus der
Stadt! Wie wollen Sie dann eine
Kuh melkent« Die alte Bäuerin irrte
sich. Die Königin verstand das sehr
gut und kam bald darauf mit einer
mit frischer Milch gefüllten Kanne in
die Stube. Die Prinzessin Clemen
tine hate inzwischen den Schrank ge
öffnet und drei Milchschalen, ein gro
ßes Brod und Messer herausgenom
men. Das kleine »Diner« fand statt,
und die Bäuerin wurde dabei von der
Prinzessin Clementine bedient.
Eine große Liebe hegte die Königin
für die Thiere, und wer ein Thier miß
handelte, hatte es fiir immer mit ihr
verdorben. Eines Tages —- es war im
vorigen Jahre — fuhr die Königin
auf ihren kleinen Wagen, den sie selbst
lenkte, nach Juslenville, als sie zwei
Lumpensarnmler traf, die aus einem
von einem schwachen Hunde gezogenen
Karten hockten. Das arme Thier
lonnte laum noch weiter gehen, und
die rohen Lumpensammler peitschten
es, um es anzutreiben. Die Königin
liesz ihren Wagen halten und befahl
den Lumpensammlern, abzusteigen
und von der schlechten Behandlung
eines so braven Thieres abzulassen.
Aber die Worte der Königin wurden
schlecht ausgenommen. ,,Kümn1ern Sie
sich um Jhre Angelegenheiten; das
geht Sie gar nichts an!« antworteten
ihr diZ Lumpensginrnler. Die Königin
war so entrüstet, daß sie mit ihrem
Wagen im Galopp nach dem nahe ge
legenen Theur zurückfuhr, um die
Gendarmerie zu benachrichtigen, dsie
denn auch die Lumpensammler wegen
Thierquälerei zur Anzeige brachte. Die
Königin war sehr liebreich. Ihre Um
gebung konnte tausend Züge von ihrer
großen Güte erzählen. Eines Tages
fuhr die Königin in Laeken spazieren.
Plötzlich kam ein-Platzregen und durch
näßte eine arme alte Frau, die sich
unter einer Bürde Holz kaum weiter
k.r.i«...- t--..l- k-— K-kc M- -» k
fullkpp Us-« Its-unt L, UUI · IesV-. »s- ou
Füßen Die Königin ließ ihren Wa
aen halten und befahl ihrem Kam tier
diener, der alten Frau ihren eiqenen
Mantel zu geben, den sie von den
Schultern genommen hatte.
Jn Laeten hatte die Königin eine
telephonische Verbindung mit dem
Brüsseler Monnaie-Tbcater herstellen
lassen, um von ihrem Schlosse aus den
Ausführungen folgen zu können.
Eines Tages war etwas an der Lei
tung nicht in Ordnung. Jm Direk
tionsbureau des Monnaie befand sich
ein Anrufsiapparat, und dort war ein
Televlionarbeiter mit der Repamtur
der Leitung beschäftigt. Als er feine
Arbeit beendigt zu haben glaubte, rief
der brave Mann. der die Geheimnisse
der Elektrizität besser kannte als die
Feinkeiten der französischen Sprache,
die Könign mit folaenden Worten an:
»Allo! Allo! Hörst Du, Majestiit?«
Und die Königin antwortete sofort:
»Ich höre sehr aut, lieber Freundl«
Die Königin, die feit drei Jahren Spa
fast nie mehr verließ, war eine sehr
intelligente Frau. Sie beschäftigte
sich viel mit den Künsten, besonders
mit der Musik und der Malerei.
Früher wohnte sie fast allen Neuaus
fiibrunaen im Monnaie-Th«eater bei
und oft auch den Generalproben. Dem
Schauspiel und Lustspiel im Pate
und im Wollen-Theater blieb sie auch
nicht fern und ließ sich manchmal her
vorragende Künstler vorstellen. Noch
mehr aber als das Theater interessirte
sie der Zirtus· weil sie selbst eine Rei
terin ersten Ranges war. Der Schul
reiterin Elisa vom Zirkus Renz
schenkte sie einmal ein prächtigesistferd
Elisa tam in das Laetener Schloß,
wo sie zu ihrer großen Ueberraschung
sah, daß die Königin gleich-falls eine
vortreffliche Schulreiterin war. Vor
M—
einem besonders geladenen Publikum
führte die Köingin in früheren obern
ost ihre in Freiheit dussirten serde
vor, oder ritt auch die hohe S Itle.
Die Einladungen zu diesem tön li
chen Zirtusvorstellungen waren eht
slustchsriintt und natürlich auch seht Ie
u t.
Im Vertrauen.
Gast: »Dieses Schnitzel ist das
zäheste Stück, das ich in meinem Leben
gegessen habet«
Kellneu »O, mein Herr, da sollten
Sie mal bei uns junges Hahn essenl«
Seine Wiege.
Dame: ,,Di-eg ist wohl das Haus«
in dem Jhre Wiege gestanden?«
Alter Bauer: »Na, eigentlich net,
denn meine Mutter hat uns merschtens
in den Komodlasten g’legt.«
Auch ein Grund.
Richter: »Was bezwecken Sie da
mit, daß Sie in der Brauhausstraße
sämmtliche Laternen auslöschten?«
Student: »Wir wollten den Beweis
liefern, daß wir noch nicht so bezecht
waren, um Licht zum Heimsinoen zu
gebrauchen!«
Falsch verstanden.
Bewerber: »Ich erlaube mir also
nochmals die Frage —- kann ich Ihre
Tochter als Frau erhalten?«
Vater: »Ja, lieber Herr, das müs
sen Sie doch selbst am besten wissen,
ob Sie eine Frau erhalten können oder
nipßisp
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-».»n-Wus«:«."» «
Er kennt sich.
»Hu gehst heute schon heim, Kra
tzer.«
«Ia—«
»Warum so bald? Das ist man
» doch von Dir nicht gewöhnt. «
: »Weil ich einen neuen Ueberzieher
anhab’ und weil der lange Hausgang
frisch mit Oelsarbe g ’strichen ist. «
Unter-m Pantoffel.
»Es ist eine bekannte Thatsache, daß
in der Freiheit manche Thiere die
Farbe ihrer Umgebung annehmen, um
sich vor Entdeckung zu schützen«
,,,Oh das giebt s beim Menschen
auch; sobald Kiesewetters Eduard
seine Frau in die Schenke tritt um ihn
—- abzubolem wird oer so weiß, wie
die Wände ringsherum«
Daher-.
Trudchen l die gegen ihveMama seht
ungezogen gewesen, zur Tante):
»Tante Clara, bitte, bitte, geh’ noch
nicht sort!«
Tante (geschmeichelt): »Ich hätte
; gar nicht gedacht, daß Du mich so lieb
» hast, TrudchenK
I Truochem »Ach, Tante Clara, ’S
i ist nicht deswegen, aber Mama hat
sagt, wenn Du erst fort bist, krieg rek;
Schlage!«
Ideale Mitgift
Braut eines Schriftstellers: »Baare
Mitgift lann ich Dir nicht mitbringen,
Rudolf, aber acht herrliche Roman
Jdeen.«
Treffender Vergleich.
Unteroffizier: »Kerl, schießen Sie
miserabel! Dagegen ist ja ein Sonn
taggjäger noch der reinste Tellt«
Vom Kasmtenbos.
Unteroffizier: »Na, Meter, sind
Sie ein dummer Mensch! Jch glaube,
in Jhren dämlichen Augen ist eine
Schusterrechnsung ein —- ·Wißsbl«att!«
Merkwürdiae Schüchternheit.
,,-Bedaure, aber aus der Heirath
zwischen mir und Jhrem Fräulein
ITochter kann nichts werden. Vorher
? bat ich sie um einen Kuß, sie gab mir
teine Ohrfeige!«
! »Ach, verzeihen Sie ihr das! Das
Mädel ist so furchtbar schüchtern!«
i Widerspruch.
s Chef: »Ihr gesunder Menschenver
stanrxt müßte Jhnen ja das sagen, Sie
E el «
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Im Automobil.
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»Ach, Fräulein Paitline, könnte ich
immer so an Jhrer Seite durch’s Le
ben schnauferln!«
Im Eifer.
A. fim Gespräch): »Also schön, Sie
habeln recht und ich bin ein Schafs
t kopr «
B.: »Werk-» Sienicht persönliche
Ärmchen-ask
. . Js- WMM
i s- r-, W
»So! Jn diesem Aufzng verpflichte
ich mich, die hartgefotienfien Weiber
feinde zum Friedensfchluß zu zwin
gen.«