Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, November 07, 1902, Sonntags-Blatt, Image 10

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Hex-Ost Oall Zsasstkiem
Roman von Paul Oscat Höcker.
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(9. Fo tsetzung.)
Eckhardt warf, sichtlich selbst ge
quält, einen letzten Blick aus die ohn
rniichtig Zurückgesuntene. Er seufzte
—- dann wandte et sich turz ad und
verließ das Bestibiii. Gleich daraus
hörte man die Gitterthiir gehen, einen
Wagenschlag zutlappen — und ein
Gefährt die Straße hinabrollen.
Behutsani führte die Pslegerin, un
terstützt vorn Concierge, die Erschöpste,
die nur mühsam sich aufrecht hielt,
als sie die Besinnung wieder erlangte,
nnd die herzzetbrechend weinte, in den
anstoßenden Salon. Dabei fragten
sie Beide, die nichts von dieser aus
regenden Szene verstanden. verwirrt
durcheinander, was denn geschehen.
wie das gekommen sei.
Jn Johannes war eine seltsame
Unwandtung vor sich gegangen.
Noch bis zur lehten Selunde hatte
er gefürchtet, daß Martha sich verra
then werde. Ja. als Eckhardt ihr in
so harten erregten Sähen verrieth,
daß man dern Flüchtling auf der
Spur sei, daß rnan ihn verhaften, ein
kerkern und vor ein Gericht schleppen
werde —- ihn, von dein sie doch wußte,
daß er nicht der Schuldige war! —
da hatte er’s sogar erwartet gehabt,
daß die Angst um ihn ihr das Ge
-.«i den Lippen pressen
werde.
Aber ihr Grauen vor der furchtba
ren Strafe, deren Namen sie in solcher
Verzweiflung ausgestoszen hatte« war
doch größer gewesen — ihr Selbster
haltungstrieb war so mächtig, dasz sie
das entscheidende Wort doch noch nu
riickaehalten hatte, das mit einem ein
zigen Schlage Licht in das grauenvolle
Dunkel gebracht haben würde —- frei
lich, ein flammendes, blutigroth stam
mendeg Licht . . .
Die Erschiitterunaen, die er in die
ser letzten spannungsvollen Frist, wäh
rend deren er sich kaum von der Stelle
gerührt, durchtosiet hatte, machten ihn
nun fast stumpf und gefühllo9.
Er hörte Marthas hilfloseBSchluch
sen, das durch die Beschwichtigungä
reden des um sie bemühten Paares
klang Aber es erweckte kein Echo
mehr in seiner Brust.
Sie ließ den Staatsanwalt fortge
hen, ohne etwas Anderes als werth
lose Bitten siir den Verfolgten zu sin
den. Sie duldete es, daß man ihn
weiterhetzte —- ihn, der sich heimathlos
siir sie aemacht hatte!
Der Concierge kehrte nun ins Besti
bül zurück Er war höchst erstaunt,
den Boten von Meist-r Thema noch
immer hier zu finden: er hatte über
den aufregenden Vorfall des Mannes
ganz und gar vergessen.
»Mein Himmel, Sie find noch im
mer da? Aber jetzt isi’s doch Nacht,
Liebster!«
Johannes nicktr. Er konnte den
schlichten Ton, in dem er zuvor gere
det, nicht sogleich wiederfinden. »hm.
Ja. Es ist Macht«
Der Alte schloß die Thür zum Sa
lon und lauschte nach oben. Aus ei
nein der Zimmer erklang das Laute
tvert —- gleichzeitig erschien an dem
-s- ji«-Ex-- KI-·-: --«- so-- m two-«
Gebltbssusksu Ustovlvhs Itsow »so-.
»Und was ist denn da wieder los-?
Aha, der Neue. Eine Wirthfchaft ist
das heute . . . Also kommen Sie mor
gen wieder, Sie, hören Sie?«
Langscm war Johannes nach der
Thür geschritten. Unterwegs focht er
nun einen letzten entscheidenden Kampf
mit sich a"3.
Es stand in seiner Macht, den Al
ten, der ihm verdrießlich folgte, bei
seite zu schieben, in das Zimmer ein
zudringen, in dem er Martha wußte,
und ihr Aug’ in Auen gegenüberzu
tteten, um zu ihrem Gewissen, ihrem
Herzen zu sprechen.
Aber fein Stolz siegtr.
Sie nahm das Opfer von ihm an?
Ja, sie wollte es foaar, daß man ihn
statt ihrer verfolgte? Daßman ihn
von Stadt zu Stadt, von Land zsc
Land jagte? Sie wußte ihn im Elend
— mußte es wissen, wie jämmerlich
er sich durchzuschlaaen vermochte —
und sie wollte dieses lustige, stille hans
i Grünen, das lo warm und behag
l« syst, mit feinen Tepvichem seinem
x LU, feinem Comfort, all’ der bespra
. tm Pflege der Reichen, nicht verlassen?
meam öffnete er die Thiir. Einen
Festen Blick warf er nach dein Zimmer
M
Irr-, sie mochte bleiben. Sie sollte
· · tu feiner Stoßen-eile nicht getäuscht
M «selt war Groß. Its-umso
, . er Man einen fitllsn Winkel
» . — » ZU M It des OTHER-Un
» M Der Ists-lese- vers-seen
» II Use
M
W
Langsam schritt er die Straße stir
baß
Es war spät, als er heimiam. Er
hatte große Umwege gemacht, um erst
wieder Herr über seine Stimmung zu
werden.
Das haus war nicht verschlossen.
Den Schlüssel zur Wohnung fand er
wie immer unter der zersehten Stroh
matte, die var der Thiir zur Treppe
lag
Jn der Kammer war S bitter kalt.
Durch eine zerbrochene Scheibe blies
der kalte Nordost herein. Nicht ein
« mal Licht gab’s —- sre waren gewöhnt,
sich beim Schein der Straßenlaterne,
;der bis gegen els Uhr dukch’s niedrige
Fenster hereinsiel, zu Bett zu begeben.
jJeßt war die Laterne aber schon ge
IZschL
l Niemand weilte im hause. Der
Meister saß wohl noch in irgend einer
;politischen Versammlung —- der Ge
bitlse befand sich am Arm seines Lieb
schenö in einem TanzlolaL
Grenzenlose Verzweiflung packte ihn
an in dieser trostlosen Einsamkeit.
Er wars sich aus sein elenbeiStrob
lager und preßte sein Antlih mit
» sammt den schwielia aewordenen hän
l den in das harte Kissen.
! . Er wollte laut weinen. Thra
nen wären ihm fest eine Erlösung ge
wesen. Aber in seinen brennenden
Augen blieb s trocken.
Leer —- leer —— todt war es in ihm.
Er hatte ja nichts mebr im Leben zu
»in-sehn
Die Geliebte hatte ihn verrathen,
preisgegeben — urn sich eine letzte,
klägliche Frist des Wohlergehen-Z zu
sichern.
Würde sie diese Frist genießen, ihre
Freiheit ausloften2 Wie dachte sie sich
die Zukunft? Glauhte sie, daß nun
nichts mehr sie verrathen könnte, da er
über ihre Schuld schwieg — da er lie
ber den Verdacht auf sich geladen hatte
erst unwissentlich, dann mit der vollen
Absicht, sie zu retten?
Was nützte ihr diese Rettung! Es
ift Nichts so fein gefponnen, daß es
nicht täm’ ans Licht der Sonne! . . .
so sprach dersVoltsmund
Und blieb sie vor dern Spruch der
Richter bewahrt —- fo harrte ihrer ein
letztes, höheres Gericht im Jenseits.
Schaudernd raffte er sieh plöhlich
auf und starrte in die Finsternis, die
ihn umgab.
hatte Eckhardt nicht gesagt, daß
man auf seiner Spur sei? Und hatte
er nicht die Strafe genannt, die den
Schuldigen treffen sollte?
Mit kalter Ueberleaung, pianmiißi
gem Vorsatz sei das Verbrechen aus-J
geführt, fo nahm das Gericht an. Man »
hielt sie nicht für eine im höchsten Af- »
fett, in der Verzweiflung hegangenel
That —- man nannte es Mord —- und 7
auf Mord stand: der Tod·
Ja, wagte sie denn sich vorzustellen,
daß er im schlimmsten, gräßlichsten
Falle unschuldig den Tod für sie er
leiden würde?
Er mußte wieder an jene ruffifche
Geschichte denken —- an jene Märtyre
tin, die ihrem schuldigen Gatten in die
Verbannung, in die Steppen Sihi
riens gefolgt war, feine Sühne mit
ihm theilend, um ihn dem Bußgang
zu Gott zuzuführen. Würde jene un
glückliche eldin auch willig ihr haupt
auf den ichtblock gelegt haben?
Oh, die Liebe ift groß und unend
lich —- und unergriindljch des Men- (
schen herz. l
Johannes preßte wieder das Antlitz J
in die hände. Qualvolle Phantasien l
(
peinigten ihn.
Ob Martha denn eine einzige ruhige
Sekunde finden würde — je wieder?
War ,sie ihrer Sache so gewiß, daf;
man ihn schließlich nicht doch noch auf
L greifen werde?
- EIN I-. s. s» L-—
llllo WAS Ullllllk Wulst III en ucr.
großen Verhandlung vor den Geschwo
renen erscheinen —- ihm ins Gesicht
schen können. . . .
Nun fanden sich endlich die salzigen
Zähren in seine heißen Augen. Er fah
den düsteren, ieierlichen Saal vor sich.
Er sah Martha —- die Leute aus dem
Torf, aus feiner Heimatl-: —- er sah
feine Mutter — sein hilfloses, unter
der Last des Kummers zusammenba
chendes Mütterleinl
Lange, lange fchluchzte er. So, wie
er nur als Kind hatte weinen können.
Und endlich fühlte er sich befreiter.
Er fah nun: das grausame Schick
sal hatte ihm seinen Weg vorgeschrie
ben. Jlssn blieb nichts Anderes mehr
» thun übrig, als sich heimlich aus der
Welt weazuftchlm Er mußte für sie
alle verschwinden —- fiir die. die ihm
lieb-waren, und für die, die ihn nun
verfolgten. ’
Einen Auaenblict dachte er nun an
Zelbsivernichtuna. Der See war bald
erreicht. Er konnte hinausruderm
weit, weit, und das Boot lentern luf
sesn Of aab Stellen ocn unergrllnds
licher Tiefe isn Oenfer See. Auf def
ferr stund war man geborgen vor al
len Spät-erblicken —- nnd unerreichbar
fsr M Erde-anal.
- Iier tm kellte ers-er e, aller
i.
—
Seele nicht auch noch mit dieser Schuld
Oel-Dei seyen.
Iorlssn ig war er ja hier gesichert.
Er hatte zwar ans Alles verzichten
müssen, was ihm das Leben let-enc
toerth erscheinen lassen konnte — Hei
math und Beruf, Liedesgliia und Ach
tung der Mitglieder —- aber er war
doch frei« war Herr seiner Handlun
gen, und ttoh aller Noth der Verfol
gung: er hatte sein fchuldfreies, reines
Gewissen.
Er toar schuldlos oor sich —- nnd
vor Gott.
Erschöpft don all’ dem. was auf ihn
eingestürmt war, ermattet von feinen
Selbstauiilereien. ließ er sich endlich
auf das armselige Lager hinsinken, um
bis zum neuen Tag einige Stunden
ges Schlafes, des Vergessens zu genie
en.
Doch bald schreckte er wieder empor.
Die Hausthür war geöffnet wor
den. Trappend kam Jemand die
schmale Treppe zur Kammer empor.
An den Schritten erkannte Johannes
seinen Arbeits- und Schlafkameraden
Ader er kam lärmender und hastiger
als sonst.
Johannes hörte ihn laut athmen.
Jest stieß er die Thür auf und blieb
an der Schwelle stehen. «
«He, Du,« sagte er aufgeregt, »bift
Du da?«
Verwundert deiahte Johannes. Der
Andere hatte sich immer zu Bette bege
ben, ohne sich seiner Anwesenheit zu«
versichern.
»Was aiebt’s, Pfeiffer?« fragte er i
grömlich.
Eine kleine Pause· Der Jlaliener I
verließ die Stelle an der Thiir noch
immer nicht. Als ob er feinen Rücken
decken müsse —- als ob er Angst habe.
m—::---.s.-.. 54
»Hu-U — Du Uhu-truser "-- w
glaube es ist Etwas nicht richtigf
Johannes setzte sich aus und starrte
nach der Stelle hin von der die Worte
tamen »Was hast Du? Warum
lommst Du nicht derein?«
Abermals ein Zögern-. Endlich bob
der Bursche —- in einem merklich zit
ternden Ton, der in Widerspruch mir
seinen Worten stand -— an: »Ich
fürchte mich nicht vor Dir Brüderchen
Das mußt Du nicht glauben. Nicht
wahr, wir sind gut Freund mit einan l
der? Jch hab’ Dir die Stelle hier ver
schasst —- und Dir Alles von rnir ge
sagt. Das thut man nicht, wean
mans nicht gut mit einem Anderen
meint. Und sei sicher, ich werde Dich i
nicht verrathen. Also Du thust mir
nichts, he, Du?«
»Was —- willst Du nur?« stieß Jo
hannes mehr und mehr selbst deriing
stigt, hervor.
Der Jtaliener trat nun einenSchritt
vor. »Sieh, ich komme ganz ruhig
herein. Jch habe keine Angst, Du.
Mir wirst Du nichts thun. Jch bin
doch auch gleich hergekommen, um
Dir’s zu saaen. Das ist doch gut von
mir, Du, nichts«
»Was hast Dur Sprich endlich. «
Johannes war ausgestanden. Bei
dem Geräusch wich nun der Andere
doch wieder zur Treppe zurück.
»Du —- Du —- Du heißt nicht, wie
Du mir damals gesagt hast. Und auch
dem Meister. Du bist aus dem Ba
dischen. ;
«Was —- soll das -« —
»Bleib dort, Du. Jch hab Ber- j
trauen zu Dir. Aber Du darsst mich t
nicht anrührenf (
»Was soll ich Dir thun, Pseissersi
den wir nicht immer Frieden mit
einander gehalten? Geh, quäl’ mich
doch nicht sd Sag mir schon, wasj
los ist.« j
Es lag Etwas im Ton des Großen, .
was den jungen Burschen rnit neuem
Vertrauen erfüllte. Er sagte in ange
strengtem Flüstertom i
»Du bist der Brette —- der Lehrer, -
den sie suchen. Bscht Still. Mir »
brauchst Du nichts verreden. Und ich
verrathe Dich nicht. Aber fliehen mußt
Du. Sie werden Haussuchung hal-.
ten. Vielleicht noch diese Nacht. «
----- tat-c L-- g--- u: Akt-t
Juhuuucs unre- uks Ganz Ins-entqu
»Wober willst Du wissen . . .«
»Rube doch. Jeden Augenblick kann
der Meister beim kommen. Der wird
Gift spuien, wenn er’å hört. Sie wer
den ihm fest auch noch einen Prozeß
änachem weil et uns nicht angemeldet
at.«
»Sag’ mir doch, wober Du beißt,
Pieisfer. Jch fchwöre Dir aber zu . .«
»Ei, wozu wirst Du schwören. Sack
smie lieber garnichts, damit ich nichts
s weiß, wenn sie mich ausfragen. Einer
hilft dem Andern, so qui er kann. Din
fangs hab’ ich ja Grauen gehabt —
aber dann sagt' ich mir: ei, wer weiß,
wie das alles zusammenbringt . . . .
Unterm Tanz kam alfc Plötzlich der
Luiqi. der damals mit mir aus Mai
land fortgezogen ist, zu mir her, setzt
sich neben mich und sagt, daß sie bei
ihnen haussuchung gehalten haben
Bei allen Bildschnitern und Dachs
iern und Tischlern — auch bei den
Künstlern und Steinnietzer. Sie wur
den in den Werkstätten alle vorgerusen
«und mußten igre Papiere aufweisen.
,Lniqi sagt: er abe sich ganz ruhig ge
stellt. Und könnten sie nichts. We
gen unserer Stiche lie ert die Schweiz
nicht aus. Aber Dich bringen Sie ab,
wenn sie Dich kriegen, Du, moraen
werden sie Zettel an die häuser schla
gens hei t es, eine Bekannten-i ung,
in der e Dich suchen. Es sei icher,
das der state noch hier in Gent weile
—«denn Mittel habe er« nicht gehabt,
tssn weiter sit-innrem Ich wußt« is
Neid-. Ida fvie cis-e etchiaaen hat.
Deus lass ich her. n niesen ße
MQMWHMJI
—
hast Du Freundschaft gehalten. Also
Mk ich steDit Ins-R
Johannes vermochte sich noch immer
nicht Zu fassen.
«Fl ehent Ja — aber wohin seht?
Und wo Arbeit sinben i«
.Du lannft überall einstehen, wo’s
was zu thun giebt. Bloß in unserer
Branche riihr’ nichts mehr an. Sonst
ist gleich ber Verdacht da. Das haben
sie als besonderes Kennzeichen angege
ben: baß Du so geschickt seiest im Bild
schniken usw.«
Ei rrq schlüpste Johurnnes wieder in
seine Kleider. Pseisfer hatte sich ans
Fenster gesetzt, von Zeit zu Zeit steckte
er den Kopf hinaus, um bie Straße
entlang zu spähen.
»Wenn der Maestro kommt« sag« iclr
ihm, baß Du sort hist. Er wird Dich
nicht verrathen, wird sich wohl hüten.
Denn so ·was macht immer Schere
reien, verstehst Du."
Johannes tramte in der Dunkelheit
zusammen, was ihm gehörte. »Ach,
nun aeb’ ichs ja ooch bald aus« Eine
plötzliche Schwäche lam iiber ihn —- er
mußte sich setzen —, stöhneno barg er
sein Haupt in den banden.
Den jungen Burschen ergriss seine
Verzweiflung.
»Du, hör’ einmal, ich will Dir was
sagen· Du kannst meinen Paß haben.
Jch hab’ noch den heimathsscheim Den
geb ich dem Maestro. und wir sagen:
ich sei erst vorige Woche zugezogen
Ja, so ist’5 schon am besten. Jm Paß
bin ich bloß als Arbeiter bezeichnet
Arg ich das erire Mal von zu Pause
sortgina, wollt’ ich nämlich zu den As
dbaltleuten sehen. Aus der Chaussee
im Franiösischen drüben brauchen sie
auch immer Arbeiter. Aber dann bat
michs zu den Holzschnitzern gelockt.
Das ist Dir nun verschlossen, Brüder
chen. Nun, ein paar von uns Mai
ländern sind danils zum Tunnelbau
gegangen. Aber nicht aus die italie
niiche — aus die Brieaer Seite. Das
ist im Rhonethal, verstehst Du. Und
da bohren sie einen Tunnel durch den
Simplon, heißt es. Und der Lohn sei
aut. Wenn ich Dir schon rathen soll,
iag« ich: oersuch’s erst mal dort.«
Pseiser hatte aus seinem Glanzlein:
wandbiindel, in dem sich seine Hab
seligleiten befanden, seine Papiere her
ausgesuchL Er zündete jetzt ein
Streichholz an und oeraewisserte sich,
daß er das richtiaein Händen hielt.
»Ich weist nicht, wie ich’s Dir dan
ten soll, Pseisser. Jch bin ja so elend
—- ich hab« nichts, aarnichts . . .«
»Ecco —- der Maestro!« stieß der
Geselle plötzlich aus, nach der Thiir
hin lauschend.
Eine Weile lana blieben sie, den
Athem anhaltend, einander gegenüber
stehen
« Männerschritte erllangen im Haus
ur.
«Es ist bloß einer,« sagte Pseisser,
»das ist gut. Jch glaubte schon . . .
Aber seht eil’ Dich . . . .«
Plöhlich schnalzte er mit den Fin
gern.
»He, Du —- da sällt mir ein —
wenn Du mir schon was dalassen
willst, wie wiir’ö mit Deinem Rock?
Jch geb« Dir meinen braunen
Plüschlittei. Du machst teinen guten
Tausch; aber es ist sicherer siir Dich —
und ich hab dann ein besseres Stück
für die Feiertage.«
Gern war Johannes einverstanden
Der Tausch ward vollzogen. Endlich
stand Johannes wieder an der Thür.
Er hielt dem Gesellen die hand hin,
um ihm Lebewohl zu sogen. Pseisser,
dessen Auge sich an die Dunkelheit in
zwischen gewöhnt hatte, sah die Bewe
gung. Aber er schlug nicht ein.
»Lebwohl, Brüderchen. Laß Dir’s
gut gehen. Und daß sie Dich nicht er
wischen. Sie spaßen bei so Evas
nicht.«
Ein müdeä, trübes Lächeln stand
aus dem Antlitz des Flüchtling. atte
es einen Zweck, den gutmüthigen ur
schen über Alles aufzuklären? Würde
der ihn verstanden —- vor allem, wür
de er ihm geglaubt babenf
»Ich danke Dir siir Alle-, Pseisser.
Du bist ein wackerer Mensch. Komm
Jiakz Dir vie Haut- schiiuem . . . Oö
; wir-any noch etimnal sehen H .«"» ·
St »Im-g us, uu »I: »Hu-unsc
hastia zutiictgetoichen war.
»Was iit Dir, Pfeiifek?'«
»Geh schon, Brüdekchen.«
»Du willst mir nicht die Hand ge
« ben?«
»Ich —- ich...«. ich fürchte mich ja
nicht io leicht vor Etwas, ader....«
Johannes verstand: dem Burschen
graut-e oor ihm. Er wollte die Hand
nicht berühren, an oer Blut klebte.
Uno dieser Mann war selbst ein
Tiüchtlinw befiylos, heimathlos gleich
i m.
Johannes wütate Etwas in der
Kehle. Er itiirzte fort, hastig, ohne
sich noch einmal umzuwenden.
Erst auf der enaen Gasse mäßigte er
dann feine Gangatt —- um den Wäch
tetn, die da und dort das Viertel pa
ttouillirten, nicht aufzufnllem
Es war eine unwiethliche, trübselige
Nacht.
Trost-m fah et, als et zum Qnai
«elangte, auf den Bänken in oen An
lagen da und dort zufammengeouctte
Gestalten — Obdachlole in tiefem
Schlaf.
Diese Aetmsien ver Armen wurden
wohl noch im Laufe der Nacht von it
aer einer Ronde anfaeqtissen unt
tvenen Landitteichetei eingesperrt Aber
iie hatten doch Eines vor ihm ootaim
iie wurden wegen ieiner iolchen Fut
that vekio t, wie man sie ihm zur Last
Nod io wiirven iie sieh in ihrem
isan nicht so oifentnndin dem Auge
des seist-I mit-soeben wes-—
if Gebiickt, gesenkten Vom-m, müde
Hanf den Stock sich ftii end. schlich er
kam Quai weiter, bis d e letten Lilien
hatssirt waren, die gartenretchen Vor
or e.
l Ali er an’i«offene Becken des Sees
lam, pfiff die Brise über’s Wasser,
Htiichtiae Schaumiämme aufwiihlend.
: Die Lichter am jenseitigen Ufer waren
jerlofchen. Grau dämmerte der Mor
j nen herauf.
j Staub der Landstraße hüllte ihn
: ein — ein Sprühregen trieb ihm in’5
Gesicht.
f Er mußte weiter —- weiter. Viele,
’ viele Meilen mußte er zwischen sich und
kseine Verfolger legen. Bis seine mü
; den Füße ihn nicht mehr tragen konn
t ten.
Und was danu?.... , T
i
;
j 7. E a p i te l.
) An jenem Moraen, an dem die Lei
! che Gabriel Wassiliew’s von dem arg
los in die Spener’sche Wohnung hin
abiommenden Dienstmädchen entdeckt
worden war, hatte sich eine ungeheure
Aufregung der Bevölkerung der Rest
denz bemächtigt.
seit Jahren war kein derartiges
Verbrechen —- denn das; die Todesart
des Rassen teine natürliche ge-desen,
hatten die entsehien Schilderungen der
Köchin sofort verrathen —- in der
Stadt mehr voraeiommen. Es erregte
utn so größeres Aussehen, als es sich
um eine Blutthat handelte, durch die
eine der angesehensten Familien in
Mitleidenschaft gezoaen ward.
Den Dr. Wassiliew persönlich hat
ten nur wenige Freunde des Geschwi
sterpaares kennen gelernt. Martha
Spener aber und ihr Bruder erfreuten
sich der alkaemeinen Sympathie. Die
Erkrankung des iungrn Bitdhauers,
schon früher das grausige Ente seiner
Braut beim Eisenbahnunaliick vorige
Weihnachten, hatten in weiten Kreisen
aufrichtiges Beikeid erweckt. "
Dieser neue außerordentliche Fall
bildete nun allenthalben das ausgeregie
Tagesgespriich
Das von dem zitternden und
schreiend-en Dienstmädchen der Spe
ners zunächst ewerkte Ehepaar Winter
hatte alle Fa una verloren.
Es währte eine geraume Weile« bis
die beiden Alten endlich in den Klei
dern und im Stande waren, die nächst
ersorderlichen Schritte zu thun.
Keines rer Mädchen wagte in die
Wohnunsr zurückzukehren. Um zu
verhindern, daß iraend Jemand von
den neuaieriaen Gassern — denDienst
boten und Austrägern, die sich aus das
Geschrei hin sosort in dichter Gruppe
vor dein Hause zusammenfanden —
unhesugter Weise eindrang, schloß
i rau Winter die Entreethiir ab und
irberaad dem ersten der von der Straße
hereintretenden Polizeibeamten, die
den Auflaus von Weitem bemerkt har
ten, den Schlüssel.
Dann drang sie in ihren Gatten,
dem der Schreck ebenso lvie der gestern
Abend etwas zu reichlich genossene
Branntwein den Gebrauch seiner Glie
der merklich erschwerte, sosort zu
Herrn von Eckhardt zu sachrem der mit
Openers doch gut bekannt sei und zu
dem iuristische Erfahrung besitze, ihm
die Sache vorzutragen und ihn zu bit
ten, sosort herzukommen, damit man
nichts versehe.
Einer der Polizeibeamten holte eine
Droschke herbei, und herr Winter be
sand si zehnMinuten später vor dem
sclben ause, vor dem wenige Stun
den vorher auch Johannes gestanden
anwischen war die hausthiir ge
össnet worden, und der ehemaliae
Maurerpvlier eilte, sv schnell es· ihm
sein Alter und seine Erregung gestat
Oseus hd Wvowkm unvo
Erwarde erste Frage war natür
lich vie nach Herrn Brate.
»Ja —«— das ist eben das Seltsam
ste,« ftotterte der Haus«-mitth, »der
Herr ist verschwunden —— Niemand im
Hause weiß, wo er hingerathen sein
mag-"
Es ergab sich, das-, ter Freiherr in
dieser Stunde die thatfächlich berufene
Stelle war, bei der ein derartiges Vor
tommniß gemeldet werden mußte: sein
Vorgesetzter, der Staatsanwalt selbst,
war für acht Tage beurlaubt und be
fand sich seit vorrestern in Schottlanb,
wo er eine Erbschaftsangetegenheit sei
ner Gattin zu reauliren hatte.
Während sie aemeinfam nach der
Thatstelle zurückfuhren berichtete Win
ter über die turze Unterrednng, die er
und seine Frau in der vergangenen
Nacht gehabt hatten. Die plötzliche
Abreise der Geschwister Spener besaß T
fiir ihn natürlich gleichfalls etwas»
Räthselvolles.
Eckhardt sagte ihm jedoch, daß er
gerade über diesen Punkt schon orien
tirt sei. Er hatte ja in der Gesell
schaft des Medizinairaths den Freund
ver Geschwister — vielmehr den Ber
lobten Marthas —- selbst im Wagen
von der Bahn hierher vors haus be
gleitet.
Auf vern Bürgersteig und im haus
flur hatten sich inzwischen strenge Ab
spetrungsrnaßregen als nothwendig
erwiesen. Der Polizeireviervorstand,
der von Frau Winter gleich bei seiner
Ankunft davon in Kenntniß gesetzt
worden war, daß ihr Gatte sich unter
wegs befand, um Herrn von Eckharvt
herbeizuhvten, kam dem Staatsan
waltivertreter schon auf der Treppe
entgegen.
»Ist ein Arzt zur Stellet« erkun
digte sich Eckhardt zu allernächst
«Jch abe an drei Aerzte teiephoi
ntren la en., Es ist jetzt riihbesuchgs
zeit, da befinden Tich vie rren meist
unterwegs. Uebr aeni cheint mir d e
Letchenstarre schon seit stunden einge
treten-«
M
Niemand aus der Schaar der Mii
ßigen, die in der bekannten Gier des
Voll-B nach gruseliaen Bildern das
Hausthor umlagerten, ward eingelas
sen. Auch die Dienstboten und das
Ehepaar Winter wurden ersucht, un
ten in der Parterrewokznung zu blei
ben, bis die behördliche Aufnahme be
endigt sei.
lirlhardt besichtigte in Gemeinschaft
mit dem Revieroorstand die ganze
Etage, Zimmer für Zimmer.
Sämmtliche Fenster waren geschlos
sen, leine Scheibe war beschädigt, auch
das Thürfchloß der Vorsaallhiir be
sand sich in Ordnung. Gewaltsam
war also Niemand in die Wohnung
eingedrungen Auch ein Kampf, ein
Dandaemenge wir dein gewaltsamen
Tod, den der Russc erlitten, nicht vor
anaegangen. Der Schnitt war so rasch
und exalt ausgeführt, daß der Schlos
sende gar nicht erst erwacht sein
konnte.
Die Waffe, mit der das Verbrechen
geschehen, war nirgends aussindbar.
Die ganze Wohnung befand sich M
demselben adretten, wohlgeordneten
Zustand in dem die aus Reisen gegan
gene junae Dame ihre Wirthschaft im
mer gehalten und wohl auch verlassen
hatte Die Schrank die Truhen wa
ren derschlotsem Nicht-«- war gewalt
sam erhaschen
Nur Justus’ Bett befand sich in
llnordniinq. Tieser Umstand ließ
aber auch nur erkennen, daß dieTrans
porteure nach der Aufnahme des Lah
men leiue eZit mehr gehabt hatten, um
noch einmal zurijckzulehrem Und in
dem kleinen Zalnn oon Martha be
mies das Uinlierlieaen der Decke und
der Kissen auf dem Eosa, dass liier
Jemand aeruht hatte: verniuthlich
Johannes Brate.
Nach Besichiiauna der Wohnung be
aab sich Eckhardt mit seiner kleinen
Kr-iiiinission, zu der nun auch Winter
zugezogen ward, in die Mansarde hin
aus, die Wassiliexo bisher innegeljabt
hatte.
Es herrschte hier pag übliche Durchs
einader einer Gelehrtenstubr. Aus dein
Schreibtisch laaeii tiaiis aeschriedene
Manustriite, dicke Broschüren und
Bücher. Die Titel wiegen aus Arbei
ten philoiaptiischeii, medizinischen und
naturwissenschaftlichen Charatters
hin. Ein Theil der V anustridte war
in französischer Sprache gehalten; die
liebeischrifien einzelner Kapitel verrie
tlien rein Freiherrn, daß es sich um
das Etuxienioert Wassiiiews handelte,
von deanustug Zinnen der es entste
hen gesehen, so des Lade-ji voll war.
Zuletzt schien der Tttusse aber mit ei
ner anderen Athen beschäftigt gewesen
zu sein, denn die Blätter, die ausge
schlaaen aus der Lederinappe lagen,
waren in der Muttersprache Wassis
lietvs geschrieben. Eckhaidt wußte
nicht einmal die freniren Buchstaben zu
entziserm vermochte die Art des Jn
halts also nicht festzustellen. Da et
den aanzen persönlichen Besitz deg Er
mordeten init Beschlaq belegen mußte,
so hielt er es eben für ersorderlich, auch
diese Papiere init sortichassen zu las
sen.
Auf dein tieinen Tisch am Sosa,
das an der etivas adaeschriigten Wand
der Mansarde stand, befand sich der
Samomar. Man ssih auch das Glas,
aus dein der Russe seinen letzten Trunk
genommen.
Gerade war Ettlinidi iait seinen lo
talen Erhebunaeii fertig, als ihm das
Eintressen dei- Mediiinalraths geinels
det wurde.
(Fortsetziina solaU
--«—-—-·-.s-—
Ein essen-frischer Memoseär.
Jii Japan lebt ein amerikanischer
Millionär, der nicht wie seine Stan
desgenossen ein lururiöses und beque
mes Leben führt, sondern es dorzieht,
unter den Ausgeitoszenen iin fernen
Osten zu weilen. Vor Jahren, so er
-;ible DI- Nmsk sin in non Rai-einsa
ten Staaten bekannter Specialist für
Geistestrantheiten, war er einer der
ariiseten Specialärzte Americas. Sein
Ruf und infolge dessen auch fein Er
fola war so groß. van er ein Vermögen
von 10 Millionen Dotlarg anhäuftr.
Dann wurde er ein Verschwender, so
daß er balv völlin herabtamx obaleich
er noch reich war und bis dahin im
mer bewiesen hatte, daß e«r einen ver
feinerten ästhetischen Geschmack besaß,
wanderte er aus den VereiniqtenStaa
ten aus und führte ein Leben voller
Ausschweifungen unter ven »Hanins«
oder Todtenaräbern und den von der
Gesellschaft Ausaestoszenen in Japan.
Er Ließ sich auch so vollständig täto
wiren, da tein Zoll seiner baut un
beveett blieb: und nach einisser Zeit
tedrte er nach America zuriiet und
zeigte Jedem, ver es leben wrllte, das
Wert ver orienialischen Tätowirer.
Ein großer Drache. ver bis inzzeleinste
vollendet abschattirt war« schmückte
seinen Rücken» während vie übriaen
jKiirvertbeile cnct anaeren Zeichnung-en
lbedeckt waren. Er wurde jedoch von
den alten Freunden sen-jedem und aus
allen Clubs augaeschlosfem so daß er
nach Japan zurückkehrte unv in der
Tracht eines ver verachteten »Dani:ts«
weiter isn Lande umh:r;oanverte, mit
einem Bären, der KunststliFe machte,
unv mit einem Heere-In. Sein nächster
Einfall war, eine Abtheilung japani
scher Knaben zu mietbem vie er unmit
telbar von ihren Eltein tauftr. Er
tteidete sie militiirilch und itelle ihnen
eine gleiche Anzahl drestirter Affen in
chinesischer Unifvrrn entae,ien. Mit
diesen wurde en s--ins:r »Unterhaltung«
ver «chinesifch-ii«vanische hin-« stän
dia erneuert. Die Kanne waren blu
tfa und rka und -ie Knaben lies,en sich
nur durch sehr h-.,e Teichnungen hat«
en. .