Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 31, 1902, Sonntags-Blatt, Image 9

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    —
Ver Junggesellenklub.
Heimreise von Bernard Lehrl
Anton Vogerl war eine stadtbe
kannte Persönlichkeit Man nannte
ihn iiberall den »schönen Toni«. Und .
nich-i mit Unrecht. Wenn er in sei
nem eleganten schwarzen Leibroet ein- :
herstolzirte, machte er mit seinem
gliyernden Zylinder und seinen ieinen
Glacehandschuhen einen sehr stattlichen
Eindruck. Er wiirde allerdings noch
viel mehr imponirt haben, wenn seine
Gestalt etwas größer gewesen wäre.
Alles an ihm war zierlich und tlein
—- tlein der Kopf, tlein die Hände
und klein die Füße. Dies verhinderte
ihn aber teinestvegö, große Sprünge
zu machen. Denn er lebte stott, wie
ein Kavalier von echtem Schrot und
Korn, obwohl Niemand wußte, wovon
er eigentlich lebte. Zwar niuntelte
man, daß er einst an der Börse große
Gewinne eingesteckt hätte, doch wollten
die besser Eingeweihten wissen, daß er
alle diese Gewinne, und noch mehr,
an einem einzigen Tage wieder einge
biiszt hatte. Es war um so wunder
licher, daß er so großen Aufwand trei
ben konnte. Die Einen hielten ihn fiir
ein großes Finanzgenie, die Andern
fiir einen noch größeren Schwindler.
Sicher ist, daß er etwas von diesen
beiden Talent-en in sich hatte.
Es iatn auch häufig vor, daß ihn
der eine oder der andere seiner Be
kannten —- er hatte deren eine Un
menge —- in scherzendeni Tone fragte:
»Meinolieber Voaerl, was treiben
Sie denn eigentlich?«
Dann konnte man sehen, wie Vo
gerl, ohne jede Spur von Verlegenheit,
sich auf den Fußspinen in die Höhe
reckte, seine Brust vorstreckte und stol
zen Tootes die bedeutungsvollenWorte
hinausschleuderie:
»Ich lebe nur von Ideen, von Rom-·
binationen!«
Dabei verfehlte er niemals die
Theorie zu entwickeln, die ihm beson
ders am Herzen lag, und die stets in
folgenden Schlußiötzen gipfelte: »Se
ben Sie, mein Lieber, die Jdee iii
Alles! Das iit mehr als Talent,
Reichtbum, Macht und Proteltion.
Geben Sie mir nur eine Jdee —- es
braucht nicht einmal eine gute Idee zu
k-;- nun- Cs nen- hsv ers-ASka Mcnlle
,...., ..,..... ,.- ..-- ». » »
einleuchtet —- und ich mache Sie im
handumdrehen zum Millionär!«
Vogerl war von dieser Wahrheit so
sehr überzeugt, daß er auch nichts An
deres that, als allen möglichen und
unmöglichen Jdeen nachzujagen, von
denen er annahm, daß sie «in Form
von Aktiengesellschaften von den Leu
ten, »die nicht alle werden«, beisällin
ausgenommen werden könnten. So
arbeitete er, zur Zeit als die Minen
attien sich großer Beliebtheit ersten
ten, und die Kupferbergtverte sehr be
gehrt waren, an dem grandiosen Pro
feite die Kapsernasen der Alloholiter
industriell auszudeuten, unsd als spä
ter Zucker start im Preise stieg, be
lästigte er die Aerzte mit dem Pro
blem, ob sich aus der Zuckertrantheit
tein Kapital schlagen ließe.
Selbstverständlich konnte Vogerl
mit diesen darocken Ideen tein Gliiet
haben. Ueberhaupt wollte ihm in der
leßten Zeit nichts Gescheidtes mehr
einsallen, und obwohl er sich die grösste
Mühe gab, immer noch elegant und
nobel auszutretem sah man doch deut
lich, daß sein schwarzer Rock nicht
mehr den neuesten Schnitt aufwies,
daß sein Ztslinderhut nicht mehr in
gewohnten: Glanze strahlte und daß
seine Glacehandschuhe durch mehr als
einen Specksleci geziert waren. Mit
einem Worte, es mußte in die Augen
springen, daß es mit dem schönen
Toni abwärts ging.
Wer malt aber das Erstaunen sei
ner zahlreichen Freunde, als sie eines
schönen Tages ein Zirtukar erhielten,
worin Vogerl sie drinaend einlud, am
nächsten Donnerstag sich im aroszen
Saale der »Tai Raben« einzusindem
um einen » unggesellentlub zu sonsti
tuiren. Er ügte mahnend hinzu, daß
es sich um die Lösun eines der wich
tiasten sozialen Prol- eme der Gegen
wart handle.
Dieses Hiriular übte eine verblüf
sende Wir ung, die sich bei Vielen in
dem Ausruf äußerte: »Der kleine
Vogerl hat entschieden einen großen
Vogel!« Namentlich war es der As
sefsor Werner, der dies nicht recht fas
sen konnte.
»Wie, Vogerl?« sagte er beim näch
sten Zusammentreffen mit seinem
Freunde, »Sie ein Eheseind? Sie ha
ben mir doch so oft von Jhrer Ju
gendliebe, von Ihrer angebetenen No
satinde, geschtoärmt. Sie erklärten
mir doch, sie vom Fleck weg heirathen
zu wollen, owie Sie nur einen Hau
sen Geld beisammen haben! Und jetzt
mit einem Male entpuppen Sie sich
gar als ein Apostel des Junggesellen
tdumc?«
»Das wundert Sie, Afsefsorchen?«
erwiderte Bogerl mit etnetn til-erwe
nen Schtnunzeln »Ich bin eben auf
andere Ideen gekommen. inden Sie
sich nur am Donnersta re t pünktlich
ein, und Sie werden csehen, daß ich
Recht habet Es handelt sich um eine
Lebensfrage fiir die ganke Mensch
heit.«
Am nächsten Donnerstag zet te sich
der große Saal in den »Drei aben«
fast zu klein, um die Schaar oer Geiste
u fassen. Die meisten waren herbeige
Ztritmt weniger aus Begierde, einen
Junggesellentlub zu künden, als Vo
serl in feiner neuen olle als Sozial
polititer und Weltverbesserer auftreten
ZEnntagS Blatt
Beilage des ..Ukbragtka Staats-Än;eiger und Bewth
J P. Wiudolph, Herausgehen Grund Island, Nebr» den Zi. Oktober 1902. Jahrgang 23 No. 9. I
zu sehen. Es war aber auch kein all
täglicher Anblick. Der kleine Vogerl
stand auf dem Podium in der Hal
tung eines Reformator-T bereit, nöthi
gensalls den Kampf mit der ganzen
Welt aufzunehmen. Jn den Händen
hielt er Aktenbiindel, die er wie Keulen
über den Häuptern der Bersammelten
schwang. Und so sprach er eine Vier
telstunde, eine halbe Stunde, eine
ganze Stunde, so daß es schier kein
Ende nahm. Alles dies, um zu be
weisen, daß »das Weib der Urquell al,
les Uebelö sei!
»Das Weib hat uns einst das Para
dies gekostet, sagt die Bibel. Die trifft
auch heutzutage zu. Denn ohneWeiber
würden wir auch jeßt wie im Para
diese leben!«
Nach dieser mit großem Jubel aus
genommenen Behauptung eröffnete
Vogerl einen Feldng gegen die Ehe,
welche er in allen Fällen als einen
»Unsmn« bezeichnete.
,,Heirathen wir ein reiches Mädchen,
so verschachern wir unser Herz; heira
then wir ein armes Mädchen, so la
den wir nur Sorgen auf unser
Haupt!«
Er schloß seine lange, von allerhand
Weisheiten und Paradoxen triefende
Rede mit folgenden Worten:
»Nur ein Thor lonnte behaupten:
Wer nicht liebt Wein, Weio und Ge
sang. der bleibt ein Narr sein Leben
lang. Wein und Gesang lasse ich gel
ten, aber —- ohne Weib! Darum las
sen auch die Ehemänner, wenn sie dem
Wein und Gesang stöhnen wollen,
ihre Weiber zu Hause. Gibt es einen
schlagenderen Beweis für meine Be
bauutuna? Und nun, meine Herren,
wollt Jhr einen Junggesellenklub
griindenZ Wollt Jhr schwören, Euch »
niemals in das Joch der Ehe zu span- ;
nen?«
Bei dieser Aufforderung erhob sich
auch richtig eine größere Anzahl jun
» ger Männer und streckte die Hände wie
zum Schwure empor-, wohl weniger
aus Ueberzeugung, als um dem teu
chenden nnd fchwiyenden Vogerl eine
kleine Freude zu machen.
Nach einer kurzen Pause ertliirte
Vogerl den Junggefellenllub für ge
Igriindet und schlug sich selber zum
Präsidenten vor, was auch mit Ein
stimmigkeit genehmigt wurde. Darauf
schritt er ohne Verzug zur Verlefung
der Statuten:
Paragraph 1. Jede-I Mitglied ver
pflichtet sich, sein Lebenlang Jungge
« selle zu bleiben.
Paragraph 2. Jedes Mitglied,
welches direkt oder indirekt Schritte
. macht, um das Joch ka Ehe CUf sich
sich zu laden, verpflichtet sich ehren- J
wörtlich, eine Strafsumme von zwei- ;
tausend Mart zu bezahlen.
Paragraph Z. Diese Straffummen (
von zweitausend Mart kommen deni
anderen Mitgliedern zu gute, die4
treu ihren Junggesellenpfiichten nach- «
kommen und sich keine Uebertretungl
dieser Statuten zu Schulden kommen (
lassen. i
Pswkaph 4. Die Auflösung des i
Junggesellenklubs kann nur erfolgen, ]
wenn einstimmig der Wunsch danach
geäußert wird. (
»Wer damit einverstanden ist,« er- (
klärte Bogerl mit ernster Miene, ,,wird ;
aebeten, seine Unterschrift auf das ;
Protokoll zu setzen. Jch mache denl
»Anfang!«
sz Dabei Hieß er mit feierlicher Gedär- z
-l--s.
Dc DIE sfcscl Uscc UUI pas-Its Neun-»
nnd Assessor Werner und noch fünf
undzwanzig andere junge Leute stürz
iten sich auf den Präsidententisch und
betriiftigten mit ihren Unterschriften
daf; sie dem neugegriindeten Jungge
sellenllub angehören wollten. Dann
ließ nxan die Gläser füllen, und man
trank auf das Gedeihen des neuen
Vereins. Man bewunderte allseitig.
Vogerl, der von Geist und Humor.1
(
förmlich sprühte. Er erklärte den
heutigen Abend als einen Wendepuntt .
in der Geschichte der Menschheit.
»Unser Verein ist nicht nur ein gro
ßer Fortschritt, er ist auch eine abso- i
lute Nothwendigteit, falls die Gesell: (
schaft nicht zu Grunde gehen sollt« .
rief Vogerl mit dem Brustton der;
Ueberzeugung »Das Ehesieber hat ;
uns sast schon an den Rand des Ah- ’
grundes gebracht! Jch übertreibe (
nicht. Sehen Sie sich zum Beispiel(
das heutige Tagehlatt ant« —- Da-i
bei brachte er eine Zeitung aus seiner ;
Rocktasche zu mVorschein — »Ziihlen
Sie selber nacht Nicht mehr und nicht
weniger als drei volle Spalten Hei
rath-annonren. Und so geht es je
den Tag! Jst das nicht entwiirdigend !
sitt die ganze Menschheit? Wenn
man diese Annoncen liest, könnte man
denken, das nur Engel auf unseremi
Erdball herumwandeln. Aber selbst- ;
verständlich ist Alles nur Schwindel. !
plumper Schwindel hahahat Jst es
nicht kam Todtlachentt hörgen Slei
etnnta diese Annonee an: Eine Waise, i
hung, hübsch, gebildet, ohne jeden An- j
hang, mit zwei Millionen Mark Ber
mögen, wünscht auf diesem nicht mehr
ungewöhnlichen Wege einen Lebensge
fährten zu finden. Es wird weniger
auf Vermögen, als auf Vorzüge des
Geistes und des Herzens gesehen. Of
serten sind zu richten unt-er »Wirtli
ches Glück« an die Expedition dieses
Blattes. Jst das nicht die reinste
Bauernsiingerei, meine herren? Jung,
hübsch, keine Schwiegermutter. zwei
Millionen Mart —- so was gibt es ja
gar nicht! Solch’ eine Vor-spie elung
falscher Thatsachen müßte geetzlich
bestraft werden. Nicht wahr, meine
Herren?
Und alle sechsundzwanzig Mitglie
der des neugegriindeten Klubs ergossen
die Lange ihres Spottes iiber die
»Zweimillionenjungfer«. Und dabei
trank man Eins und noch Eins, bis
man sich endlich entschloß, die Sitzung
aufzuheben, um sich noch schleunigst
in Morpheus’ Armen siir die Arbeiten
des kommendenl THE-ges- zu stärken.
Die Sonne stand schon hoch am
Himmel, als Vogerl aus dem Bette
schlüpste. Er machte schleunigst Ini
lette und richtete eiligst seine Schritte
nach der Expedition des Tageblattes.
»Sind Osterten fiir die Annonce
»Wirkliches Glück« eingelausen?« stag
te er einen Schalterbeamten, indem er
ihm einsen Jnseratenschein reichte.
»Eine ganze Menge. Jch habe sie
schon sortirt. 2863 Stück!«
»Zweitausend achthundert dreiund
sechzig,« stammelte Vogerl in freudi
ger Erregung. »Soviel kann ich doch
unmöglich mit mir tragen. Da muß
ich mir schon einen Dienstmann ho
rent
Bald darauf verließ Vogerl die Ex
pedition, hinter sich einen Dienstmann,
der, keuchend unter der Last der einge- »
lausenen Briefe, nur mühsam Schritt
halten konnte.
Wieder zu Hause angelangt, warf
sich Vogerl mit sieberhastem Eiser aus
die Durchsicht der Briefe.
»Es ist unglaublich, wie die Leute
mach »wirtlichem Glücke« schmachten!«
murmelte er vor sich hin.
Hausenweise wars er die geöffneten
Briese bei Seite, doch mit einem Male
stutzte er:
»Was seh’ ich, Assessor Werner?
Du möchtest auch die »3weimillionen
jungser« tat-ernst Dieses Haschen nach
verbotenen Früchten soll Dir 2000
Märschen stosten, mein Junge! Jch
werde Dich schon lehren, den Para
graph 2 unserer Statuten mit Füßen !
zu treten!« j
Und er steckte sorgfältig diesenBrief
in seine Tasche.
Kaum eine Viertelstunde daran
entschlüpste wieder ein Freudenschrei
seinen Lippen:
Frische zweitausend Mart! Dasi
macht uns viertausend Marl!« !
Bevor noch der Tag zu Ende ging, .
jubelte Vogerl aus vollem Halse: ]
»Eure brillante Jdeet Zweiundsiins- i
tigtausend Mart verdient! Sämmt- !
l
i
liche ,,g-eschtvorene« Junggesellen ---- I
die sechsundzwanzig Mitglieder des
Klubs « sind dem »wirtlichen Glück«
in die Falle geanaen!«
Doch bald daraus legte sich ein ern
ster Zug um seine MundwinteL War i
es nicht beschämend fük die Mensch- s
heit, daß es Leute gibt, die so leicht- i
sinniq ihr Wort brgechen. Oh, diese :
Elendent
Vogerl lam sich vor wie ein Stras
..:.t.««. ....h -.. --r..i.t- KI. »J« h:«s--. i
IIU,II-l, IUOIU IS Ists-Its- IIW, lsssl Usdsbst Z
Wortbrüchigen und Meineidigen sehr !
strenge in’s Gericht zu gehen.
Schon am nächsten Tage suchte er;
den Assessor Werner in seiner Woh- ;
nung auf· Dessen freundliche Begrü- I
ßung nicht achtend, begann er mä!
eisiger Kälte aus den Zweck seines Be: E
suches loszusteuem s
»Sie haben geschworen, niemals
einen Schritt zu machen, uin das Joch
der Ehe aus sich zu laden. Sie haben s
den Paragraph unserer Statuten
gröhlich verletzt· Sie haben unseren
ganzen Verein verrathen. Haben Sie
diesen Brief geschrieben, ja oder nein?«
Tain hielt er ihm den Bries an die
junge Waise unter die Nase·
»Das war nur ein Scherzt« stotterte
der Assessor verlegen.
»Ein vier Seiten langer Scherz, der
mir blutig ernst vorkommt. Ich werde
Jhre Ausstofzung aus dein Klub be
antragen; mit der Zahlung der zwei
tausend Marl, wozu Sie ehren-wörtlich
verpflichtet sind, werden Sie den Ver
rath kaum gutmachen können, den Sie
an unserem Verein, noch mehr an der
ganzen Menschheit begangen haben!«
Das tvagisehe Mienenspiel Vorgers
swirlte aus den Assessor geradezu nie
derschmetternd; er sah sich lächerlich
gemacht, entehrt, moralisch vernichtet.
Er bat Bogerl, die Sache nicht an die
große Glocke zu hängen, er opfere ja
gerne die zweitausend Muth er sei
überhaupt nicht würdig, dem Jungge
sellenllub anzugehören er solle ihn
I
I
I
I
i
I
I
i
I
i
I
ncheur streichen ohne Aussehen zu ma
n.
Vogerl steckte, mit einem- schweren
Seusfen die Strassumme von 2000
Mar ein und versprach, diesmal
Gnade siir Recht ergehen zu lassen.
Nach Verkauf von zwei Tagen hatte
Vogerl bei sämmtlichen Mitgliedern
die Strafsumme von je 2000 Mart er
hoben; die meisten drängten ihm die
selbe aus, nur um dem Fluche der
Lächeklichkeit zu entgehen.
-:- If It
Einige Zeit daraus konnte man in
allen Zeitungen lesen:
Rosalinde Spannagel
Anton Bogerl
empfehlen sich als Vermählte.
Am meisten aufgebracht durch diese
Nachricht war Assessor Werner:
»Wie? Der Präsident des Jung
gesellentlubg hat sich vermählt-!
Warte, Vogerl, Du sollst das Darmk
lesschwert des Pargraph 2 der Sta
tuten zu fühlen betommenl"
Eines Tages erwischte er wirklich
den kleinen Voaerl, wie er an derSeiie
sein-er langen, spindeldiirrenRosalinde
sich des Lebens freute. Er war wieder
nobel und elegant mit seinem schwar
zen Gehrock, seinem glitzernden Zylin
derhut und seinen seinen Glacehand
schuhen.
»Was seh’ ich, Vogerl?« rief der
Llssessor ihm unerwartet entgegen, in
der geheimen Hoffnung, ihn aus der
Fassung zu bringen.
Doch Vogerl wies, ohne jede Spur
von Verlegenhet, auf seine schön-e Ehe
hälste hin:
»Gestatten Sie mir, Ihn-en meine
Gattin vorzustellen!«
Da vergaß der Assessor die Rück
sicht, die er einer Dame schuldig war,
..-L —:4 e-- -i--sA-..-- M- Jlk kf-LÄ- «
UIIU ssIlI Ubbcjblslslslsls WUIV FIIVOI st
hervor:
»Sie haben aeheirathet, Sie, der
Präsident des Junggesellenklubsl
Pagen Sie den Paragraph 2 verges
en « .
»Ach so! Der Paragraph 2,« ent
nganete Vogerl naserümpfend. »Der
nglt schon längst nicht mehr. Am Tage
- meiner Vermiihlung habe ich den Pa
ragraph 4 angewendet und den Klub
einstimmig ausgelöst. Sagen Sie
selbst, Assessorchen, war das nicht eine
gute Jdee?« .
—-«-—-·...-————
Schuld und Sühne
Slizze von Julius Keller.
»Doltor! Das Kind wird sterben?l
. . . Jch lese es in Ihren Mienen.«
Der Arzt neigte das Haupt und er
ariss die Hand des Vaters-. Dann aber
lam die gute alte Phrase: »Hofsen wir
das Beste.« «
Damit empfahl sich der Arzt. Der
lummeroolle Vater aber eilte den lan
«en Corridor entlang zum Zimmer
seiner Gattin.
»Erna! Erna!« ries er in erregtem
Tone und trat in’s Gemach. Die
schlanke Gestalt der Frau ruhte aus
dem Divan. Sie richtete sich hastig auf
und strich das wirre Haar zurecht. Ein
sliichtiger Blick streifte den Spiegel.
Dann trat sie ihm entgegen. Nuliig,
gemessen, mit stiller Freundlichkeit
»Du hast den Besuch des Doktors
wieder einmal verschlossen Erna,«
sagte er mit starkem Vorwurf.
Sie sah ihn fragend an.
»Und was meint der Doltor? Gab
er Dir Hoffnung?«
»Jb» er uns Hoffnung gab? Nein·«
»Mein-.
Sie stieß das rasch, fast heftig her
vor.
»Wir müssen das Schlimmste fürch
ten,« sagte er. »Ich wußte es. Mein
armes Rind!«
»Die Aetzte übertreiben gern,
Karl.«
,,Laß doch das,« fuhr er nervös auf.
»Wollen wir uns anlügen? Du weißt
ebensogut wie ich, dasz es zu Ende
geht«
Sie zuckte zusammen.
»Kat« Es ist meine feste lieber
zeugung. . . . Der Doktor übertreibt,
und Du siehst zu schwarz. Ich habe
die starke Hoffnung, daß Du . . . dasz
tsir unsere Alice nicht verlieren wer
den.«
Nun sah er auf und ihr in die Au
gen. Ganz anders als vorher. Liebe
voll, fast zärtlich.
Er ergirff ihre Hand und küßte sie.
Dann stand er hastig auf.
»Kommst Du jetzt mit hinüber zu
Alice?«
Sie fuhr leicht zurück. Seine Zärt
lichkeit war im Augenblick wieder ver
flogen.
»Entschuldige mich, bitte, noch ei
nige Minuten, Karl. Jch fühle mich
so leidend, so angegriffen . . .«
»Schon gut, schon gut . . . Komm,
wann’s Dir beliebt.«
Damit schlug er die Thiir hinter
sich zu
Erstarrt sah sie ihm nach. Jhre
Züge verzerrten sich zu sinsterem
Groll. Ihre Finger zuckten nervös.
Sie war eine andere geworden. .
Ein zornefiilltes, dämonisches Weib.
»Wie ich sie hasse, wie ich sie hasse!«
murmelte sie vor sich hin. »Ach, wenn
der Doktor recht behielte . . .« Und
wie zu einem stillen Gebet faliete sie
gie weißen Hände und sah ins
eere.
Osts
Vor Sen i Jahren war sie das Weib
dieses annes geworden, dem sie lei
denschaftliches Empfinven entgegen
brachte. Damals hatte sie geglaubt,
gehofft, ihre Abneigung gegen das
Kind des Wittwers besiegen, es aus
dem ersten Plan in seinem rzen ver
dränaen zu können... it diesem
Wunsch, mit diesemBorsah war sie die
Seine geworden Aber von Tajq zu
Tag, von Monat zu Monat war jene
Hoffnuna ihr weiter entschwunden»
Wenn jemand in Gefahr schwebte, aus
seinem Herzen verdrängt zu werden,
so war sie es. Sie... die schöne,
stolze, leidenschaftliche Fran, von dem
blechen, siechen Kinde mit den einge
fallenen Wangen. . .
Ein-en über alles aeliebien Mann,
der ihr und ihrer Schönheit huldigen
sollte, hatte sie in ihni — eine auf
opfernde Mutter für sein verwaistes
Kind hatte er in ihr aefucht — so
waren sie Mann und Frau geworden.
Das häßliche Kind stand Lw ischen
ihnen und hinter Alice der Schatten
jener bleichen Frau, die ihre glückli
chere Vorgänaerin gewesen . . . So
wuchs der Haß in ihr empor . . . der
Haß und die dämonifche Hoffnung.
Alice war schwächlich . .. Wenn sie der
Mutter folgte?..
Erna litt mehr als das siebernde
Kind Sie verwünschte fde Heilkraft
oer Tropfen, währends ie diese mit
freundlichem Zufpruch der Kleinen
--;··c«0- qsqsa you-» Ok-- kÄs.-I4 a--k
.....,.., .».» .»..... .·,.. sp, ...... . ..,,...
liehkosend üher die heiß-e Stirn des
Kindes strich, dann maß sie mit inne
rem Frohlocken die steigende Tempe
ratur . . .
Wenn der Himmel ihr Flehen er
hörtet Wenn ihr Wunsch in Erfül
lung ainat Dann mußte sie endlich
das ersehnte Glück finden! Dann war
sie dem Gatten das Einzige in der
Welt, dann mußte er von ihr Trost
und neues Glück erhoffen...
Ach, wenn nur endlich die ersehnte
Stunde käme, die ihr die Botschaft
des Doktors brachte:
»Es ist vorüber...«
P Il· It
Die Stunde karn.
Es war am frühen Morgen.
Sie hatte nicht lange zu warten . . .
Als die ersten Schritte auf dem lan
gen Corridor ertönten, fuhr sie zusam
men... Das klang hastig... erregt.
Sollte wirklich ——? Es flimmerte
ihr vor den Augen, ihre Hände began
nen zu zittern.
Da wurde die Thür ausgerissen und
ihr Gatte stürzte herein.
Sie sah ihm ink- Gesicht und hatte
Gewißheit
Sie sprang auf und griff hastig
nach seinem Arm. Fieuchend tani es
über ihre Lippen:
»Alice — ist todt?«
Und wider ihren Willen durchzuckte
dabei ein Ausdruck dämonischer
Freude ihr Gezichi . . . .
Die Antwort verstummte auf seinen
Linden, und verblüfft sah er sie an.
Dann dämmerte es: in ihm aus,
dann erkannte er die Wahrheit
,,Weib!« stieß er plötzlich hervor. . .
»Weih! . . . . Du triumphirst über
den Tod meines Kindes . . . Du -—
YU haktest es . . .sp. Du wünschtest
« —7:2
H- U-« OUL ····· III-H —— III ÄIUL D
klar. . .Elende! . . «
Knirschend dor Zorn hob er die ge
ballte Faust wider sie
Wortlos, ohnmächtiq zu jeder Ver
theidiguna, wich sie vor ihm zurück und
sank auf den Didan nieder.
sie si- si
DaH war die Stunde ihres Glijckg
geweien!. . . . Gott hatte ihr Flenhen
erhört, ihr Wunsch war in Erfüllung
«eqangen, aber — aber alles, was sie
davon erwartet und erhofft, war ver
nichtet· Sie hatte in der Stunde, die
»das Glück« brinaen sollte, ihren
Mann fiir immer verloren. . .
Ein Jahr nach dem Tode des Kin
des wurden sie geschieden Nicht nur
der wilde Schmerz um den Verlust des
Gatten. auch bittere Reue peinigken
das unaliickliche Weib. Das Bewußt
sein, daß Karl ihrer mit Haß und
Verachtung gedachte, verstärkte dies-e
Empfindungen zu unfäalicher Qual.
Wenn sie weniastens seine Achtung
wiedererlanaen wenn sie iraend etwas
thun könnte, um ihm ihre Reue zu zei
gen .
Monatelana arübelte sie darüber
nach.
Da kam ihr endlich ein rettender
Gedanke An einem Kinde hatte sie
actiindigt — den Kindern wollte sie
Gutes thun. Das sollte ihre Sühne
sein . . . Sie verwandte ihr beträcht
liches Vermögen zu einem Fonds für
«sp— W
die Erbauung eines Kinder-Waisen
hauses, und mit Unterstlisung ande
rer, eifrig angeworbener Wohlthater
gelang es ihr. den Plan rascher auszu
fiihren, als sie geglaubt.
Nach einigen Jahren kam der Tag,
an welchem der stattliche Bau einge
weiht wurde. und als die ersten blas
sen, schwachen, frechen Kinder sich auf
dem grünen Rasen tummelten und
unter liebevoller Pflege frischer und
kräftiger wurden, da begann auch ihr-e
Seele langsam zu genesen. Nur der
eine Gedanke peinigt-e und quälte sie
noch — weiß er, was Du thust . . . .
wie Du sühnst?! . . . .
Ja, er wußt-e es. Wenige Monate
nach der Eröffnung des Hauses ging
ihr als Beitrag zur Unterhaltung der
Stiftung eine größere Summe zu und
dabei ein turzes Schreiben —- von
seiner Hand.
»Ich verstehe Sie und —- ich ver
zeihe Jhnen,« schrieb er. «Mögen Sie
in Ihren edlen Bestrebungen den Lohn
finden, den Sie ersehnen und wün
schen. Jch werde versuchen, Jhrer
iiinftig ohne Bitterkeit zu gedenken,
als einer ungliicklichen Frau, die
schließlich doch noch den rechten Weg
gefunden. Leben Sie wohl.«
Sie preßte den Brief an ihre Lip
Pen, und heiße Thränen fielen darauf
nieder . . .
—--——---k.—s-——-—-—
Eine Schttdiungfrnu der Wittw
zeit.
Jm ,,Globug« berichtet A. Laun
zen: Pferdereste kommen in den Grab
sunden aus der norwegischen Wiling
zeit fast regelmäßig vor, sowohl in sol
chen aus Gräbern mit männlichen als
mit weiblichen Leichen. Mit dem Wi
tinaboot von Goistad wurden Reste
von zwölf Individuen gefunden. Lei
der reichen die bisherigen Funde zur
Feststellung der Pferderasse nicht aus-.
Ateuerdings sind Pferdeknochen, ver
hältnißmäßia aut erhalten und annä
hernd ein vollständiges Sielett bildend,
auf dem Hofe Nordre Kjölen im Amte
Hedemarien neben Reiten eines
menschlichen Steletts gefunden, das
wahrscheinlich einer weiblichen Person
im Alter von 20 bis 30 Jahren ange
hörte. Das Menschenskelett ruhte auf
einer Schicht von Birkenrinde auf ei
nem aus etwa 5 Centimeter dicken
Planken hergestellten Brette, unter dem
wieder eine Birkenrindenschicht lag.
Neben dem Stelett und zwischen den
Knochen fand man: ein Schwert, eine
erh einige Pfeilspitzen, eine Speer
niösg --.P L « »
»«9-, un» kenn-e »Hu du«-sc WV Vic
letts laa ein Schildbuckei. Alle Waf
fen waren aus Eisen und von der
Form der jüngeren Wikinazeit (etwa
950 n. Chr.). Das Pferdestelett lag
dem menschlichen zu Füßen, und neben
dem Pferdeschädel laaen die Eisen
tbeile eines Kopfgeschirrs. Professor
Gustav Guldbera erblickt in der weib
lichen Leiche, die mit Pferd und Waf
fen bestattet wurde, die Ueberreste ei
ner Schildfunafrau (Sjkoldmö) der
Saaas. Nach den Saaas haben
Frauen an den Kämpfen theilgenom
rnen und wie die Männer Waffen ge
tragen, so daß auch die Annahme
naheliegt, daß den Schildjungfrauen
eine ihren Bräuchen entsprechende Be
stattungsweise zutheil geworden ist.
Ein Schlaf-näml
das sich freilich nicht Jeder gestatten
kann, hat Königin Jsabella die Zweite
von Spanien mit ausgezeichnetem
Erfolae zur Anwendung gebracht.
Jhr Taa begann, der spanischen Sitte
sentsprechend erft am Nachmitag, im
’iibri·aen aber war ihre Lebensweise
strena geordnet. Um drei Uhr Mach
mittagg), nachdem die Frühstücksscho
tolade eingenommen, Toilette; dann
Spazie.sahrt in einem von der Kö
niain gelentten Wagen, anfangs mit
und später ohne Gemahl; um fünf
Uhr das »Diner: dann der Reihe nach
Fechten, Pistolenfchießen, Spazier
ritt; endlich bis ein U r— Nach-ts- Ge
sellschaft — Spiel, « Musik,
Theater. Um ein Uhr aber wurde
das Schlafmittel aenommen —- es
» begann der Minister-rath, dem die Kö
niain so lange präsidirte, bis die Au
-gen die erforderliche Schwere hatten
Hund das Gähnen fast in Permaneng
Jwar. Dann zog sie sich zurück un
Hing zu Jocck
-—-----s·-O..-——s -
Der sisimfte Kiebitz.
Drei Herren ans der Stadt mach
ten meist an den Sonntagen einen
Spaziergang in ein nahes Dorf nnd
spielten dort fast jedesmal einen TI
roct. Sofort stellte sich immer ein
’Baner hinter die Spieler und sprach
in das Spiel der Herren h.nein. Seine
nnaelketenen Bemerkungen wurden
denselben lästiq und sie beschlossen, ihn
en strafen. Er fragte eines Tages:
»Meine Herren, um was spielen Sie
denn da?" —- ,,Wir? Wir spielen eine
Gans aus« sagte ein Spieler. —
»Fi·-ann man da auch mitthun?« —
Spieler: ,,Ei freilich, sehr angenehm
soc-art« Als das Geld bezahlt war,
srug der Bauer, wann denn die Gans
gegessen werden solle. »Ja,« entgeg
neten die Spieler, »wir haben die
Gans blos ausgespielt —- gegessen
! haben wir sie schon.«
» Oh
Splitter.
Das Gute bricht sich Bahn, wenn es
geh nicht vorher das Genieck gebrochen
at.
Wiener Nachlleiem
lålzicki lim Kassehaus gähnt): Abi
ge .
Mucki: J geh a!
Vicki (beistimmend): Geh i a!