Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 10, 1902, Sonntags-Blatt, Image 10

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WMWHDU hM
ssqu v-’v-v-s-v--s
(5. Fortschritts-)
«Jch werde ja so erlöst aufathmen,
Denn wir endlich von hier fort sindl«
Rai-the fragte dann unruhig weiter:
»Und wenn nun Wafsiliew in der
nächsten Nacht wieder hier unten er
scheints«
»Dann werde ich ihm kein Hehl da
ran- machen, wie ich über das missi
Iche Daniel, mit dem er sich zu um
geben beliebt, denke«
Sie erhob bittend die Hände zu
then. »Du wirft es zu leiner häßli
chen Seen-e kommen lassen.«
»Ich werde hein Wort mehr sagen,
als toas meine innerste Empfindung
mir auf die Lippen drängen wird:
daß er mit der Gesundheit, ja, mit
dem Leben dieses unglücklichen Mens
schen ein freventliches Spiel treibt.
und daß ich ihn für einen gefährlichen
Chorlatan halte.«
Mannes verließ sie bald daran
wie , um auf der Bahn das Coupe
für den nächsten Tag zu bestellen. Als
er zurückkam, besprach er sich mit den
Martern, die sich — da ihre Ablö
fnngssiunde gerade war — beide ur
Stelle befanden. Es waren einfa
che, ruhn-ge aber ganz intelligente
C--4- -.— Mus- c- Js
-- U
Sahst Alls IIUHSII III-Obst ils IIIII
nicht sonderlich gewogen, wegen des
n menschenscheuer, finsterer Ari.
n mit dem Hospital Alles verab
redet sei, würden sie den Transport
und die Begleitung des Kranken nach
dem Siiden gern übernehmen. Und
aus ihre Diskretion könnte man sich
verlassen. Martha versprach den Leu
ten, dafiir zu sorgen, daß sie einige
Tage Urlaub bekamen, urn sich auf
der heimreise noch ein wenig um
schauen zu können, und sicherte ihnen
ein Geldgeschent zu. Die Kosten der
Uebersiedelung spielten ja keine Rolle
"-- sie War ja so glücklich, wenn sie den
ranken nur endlich aus der Stadt»
» i hatte3»
; Mchdetn Alles verabredet war, be-;
gab sich Johannes zum Kranken, oh
ne si bei ihm anmelden zu lassen-,
i M us musterte ihn erstaunt. Sei
ne berraschung wuchs, als er den
.Schwarzwiilder, der bisher immer so
herzlich und bescheiden eweklen war,
in grollendem, vorwursssoo em, ja
empörtem Tone zu ihm reden hörte.
Sind Sie ein Kind, herr Spener,
das Sie Ihm umgehukkg sur Nichts
nnd wieder Nichts soiche Ungele en
heiien schaffen?« schloß er seine ede.
»Sie verweigern es, Nahrung zu sich
zu nehmen. Was bezwecken Sie da
rniii Sie wollen Sich noch kräuter,
noch schwächer machen?. Haben Sie
nicht so viel Erbarmen mit Jhrer un
glücklichen Schwester, das-, Sie ihr
wenigstens diese neue Sorge ersparen?
Denn was sollte aus Ihnen werden?
Bisher hatten Sie noch durch eine
leidlich ausreichende Ernährung
Kriisir. Geslissentlich sich zu Grunde
richten wollen — das ist doch eines
Mannes oon Geist und Bildung nicht
würdi Und bedenken - ie: Sie ha
ben die heilige Pflicht, J re Schwe
ster vor der Verzweiflung zu schühem
in die sie Jhr Zustand so wie so schon
zu treiben droht!«
Martha war bestürzt hinzugekom
men. Denn so energisch hatte selbst
der Medizinalraih noch nichi zu dem
Kranken gesprochen. Wie wiirde es
Jusius ausnehmen?
Es hatte Johannes sichtliche Ueber
windung gekostet, dem hilflosen, mat
ten Kranken egeniiber so schroff aus
znireien A r da alle Bitten ver
geblich gewesen waren, versuchte er es
nun einmal mit Strenge.
Usiuö rang nach Fassung. Er
so zuerst ettzrum Worte, um ihm zu
mcxsm h-- du«
—--Lh
IDUUIUISIIO UU JIUWIII ts- II- Uhs s
auch das-, er Marthe bitterliche Vor
würfe machte, den ihm verhaßtcn
Fremden eingelassen zu haben
»Ich dulde es nicht dasz er zu mir
spricht-— ich will ihn nicht hören,
nicht sehen»
Entschlossen trat Johannes vor
den Kranken hin. »Gut, herr Spe
ner, ich nehme Jhre Abneigung vor
läusig willig auf mich Später wer
den Sie schon einsehen, daß ich s gut
hnen meine —- besser sogar als
miwie andere Freunde. Sie wer
das essen und trinken, was Ihnen
Ihre Schwester versetzt. «
»Ich will nicht —- nein, ich will
nicht —- und ich dulde nicht· .Mak
tha, hils mir doch»
Ein bedeutsamer Blick von Johan
nes hielt Mattba, die ängstlich diesem
Ansnnandertressen lauschte, zurück,
sich einzumischen.
»Meine Nähe ist Ihnen lasiig, Herr
Sider fuhr Johannes änßerli
Æiig —- innierlich aber do
iejktgcistmdes träg-äu von der Verzweif
sen Kranken —- fort.
»An gri, ich tiindige bnen aber
bietdnrgst an, da Sie nicht
eher m ist werden, als bis
TM Unsere Berschrisien befolgt ha
iktbusb —- — machet-i
III D sucht
»Das wollen wir abwarten. Ich
bleibe auch über Nacht biet bei Ihnen.
Eriiillen Sie unsere Bitte, Rats-uns
zu sich zu net-me n —- gut. io ollen
Sie dann so ort don meiner Gegen
wart erlbit werden. Bleiben Sie
aber trodig, so sind wir s auch. «
Der Kranke sah seineObnmacht ein,
gab sich aber nicht iiir besiegt. Er
kehrte sein Antlis der Wand zu und
rührte sich nicht mehr. Sein Ausdruck
war trotzig und finster. Auf keine
noch so ernste oder zärtliche Vorstel
lung der Schwester gab er Antwort.
Er stellte sich schlafend, hatte aber,
wie Johannes im Spiegel wahrnahm,
die ugen offen. Näherte man sich
seinem Lager-, so ientte er rasch die
Liber.
So brach die Nacht herein, ohne
daß es zu einer Aenaerung gekommen
wäre.
Martha’ö Stimmun war trank
gaft erreat. Sie tou te nicht, ob
obannes den richtigen Ton ihrem
Bruder geaeniiber anschlag, ob seine
Strenge die Lage nicht noch der
fchlimmertr. Dazu tam die Aufre
ung oor der Reife, der nächtlichen
· lucht, die man fiir morgen vorberei
tete, —- und zu alledem noch die un
heimliche Erinnerung an die verfins
kene Nacht, das Grauen vor Wahr
ten-.
Wie verabredet hatte sie sich bei
au Winter einauartirt Einer der
Wärter weilte mit Johannes in der
Wohnung über ier beim Kranken.
Von diesen Veränderungen konnte
.Wafsiliew der sein Zimmer heute
nur einmal um die Mitiagszeit der
ilassen und mit Riemandem ein Wort
zgezgechselt hatte, nichts wissen.
WUTII II IVITUCI Ytlllllllcl IUUUIICZIF
Fluch Johannes harrte gespannt der
weiteren Entwtckkung.
« Eis-war sein fester Entschluß, dem
Kranken fortan einen unbeugsamen
Willen entgegenzusetzem So nur war
seine Ueberfiihrung nach dem Süden
und seine endliche Heilung möglich —
seiner Ueber eugung nach.
« Wie ein tngerzeig oek Himmels
erschien es ihm setzt, daß ehrn zu so
kauter Stunde die traurige Geschichte
ides Postrneisters aus seiner heimath
eingefallen war. Dessen ungückliches
Weib hatte mit aller Milde,-.-chdnung
und Nachgiebialeit auch nichts er
rei t: sie hatte sich umsonst geopfert,
um onst dieses unsagbare Marth
riuni langjähriger Krankenpfleae aus
sich enommen, bis der Wahnsinn sie
übereieh der sie der Nähe des Energie
losen entriß.
Martha sollte es nicht ebenso er
aeheru Er liebte sie — und er wollte
sie schon davor bewahren, das willen
lrse Opfer dieses Lebensrnüden zu
werden.
Zunächst schien sich seiner Methode
aber kein Erfolg zuwenden zu wollen.
Justus lag stundenlang unbeweg
lich da, ohne auf irgend eine Frage zu
reaairen. Dabei sah er Hammer-na
iverth elend aus. foenbar litt er
schon körperlich unter den Folgen
feiner ftiirrifchen Hunaertur.
»Dosten Sie Sich doch nicht,Herr
Spener,« sagte Johannes-, ganz er
griffen von dem trauriaen Bild, das
der Kranke darbot, als die Mitter
nachtssiunde heranrückte, »und qua
len Sie Ihre Umgebuna nicht«
Abermals leine Antwort. Nur
ein furchtbarer, schier haßerfiillter
Blick aus den sonst so matten Augen
des Bettlägerigen.
Johannes hatte bis jetzt gezeichneix
seine Augen begannen ihm zu bren
nen, da er die Beleuchtuna, aus Rück
sicht auf den Kranlein im ganzen
stritt-kindisng hatte- -Et. leg-e
oen Zeichenstift fort uno nrente sich
aus der Chaiselonqne im Allooen
aus-.
»Ich schlase nicht, Herr Spener,«
sagte er nach unaefähr einer halben
Stunde, als er den Kranken, der
gleichfalls keine Ruhe zu finden schien,
leise aufstöhnen hörte, »wenn Sie
meiner oder des Wärters bedürfen, so
sagen Sie’s.«
Sosott schwiea Justus wieder.
Nichts regte sich im ganzen haus.
Es ward ein Uhr, es ward zwei «—
drei Uhr.
Endlich ein matter Laut vorn Bezt
des Kranken her.
Jnr Nu befand sich Johannes bei
ihm. Er sah, wie es in den Gesichts
neroen des jungen Menschen zucktez
offenbar rang er innerlich mit sich: er
wollte sich nicht feinem neuen Gebie
ter unterwerfen!
Johannes wartete lange geduldig.
»Ich — —- flehe Sie an,« latn es
erschöpft von den blossen Lippen des
Kranken, Lassen Sie mich alleini«
»Sie kennen meine Bedingung,
here Spener. Ich weiche nicht åher
von Ihrem Lan-er, als bis Sie Tch
derselben ge ügt haben. Und ich bin
stärkt als ie — und werde es län
ger aushalten. Also — wie W«
Wieder eine Pause —- ein ester,
veriweifelter Ringman
i Fo, schicken Sie mir, was ich essen
o
J- nnes weckte let-Meter. Der
Its- e nahm dann die Mahlzeit, die
esse seit fes vierzig stunden wieder,
saß ein- e n ci,« etwas Idee,
ein te- sebsch Idee ZW
dsek suee onst-u das-i iu keinen nu
ges. hannes wartete, bis Jst-tut
III herrliche Mahl W —- M
sisfh er dem Bärten und se verfie
Ien Beide des Zimmer.
Der Kranke, für org n sich ge
schloschten Magen die - ågteit tach
so langer Fastenzeit eine ungewohnte
«toar, wälzte sich noch bis gegen fünf
sUhr in der Frühe unruhig hin und
her. Dann sont er in einen tiefe-,
erschbpsten Schlos, der geradezu einer
Ohnmacht glich.
Er erwachte erst am hellen Morgen.
Martha hörte mit großer Bewe
ung. daß der Eigensinnige sich dem
achtoort seines neuen Gebieter
schlieszlich doch hegen hatte. Nun
schöpfte sie neuen oth. Mit all sei
nen hochtrabenden Theorien hatte
Wassiliew kein einzian solches Resul
tat erreicht. Johannes hatte durch
die bloße Muth seines Willens einene
bedeutsamen Triumph über denKrans
ten —- oder vielmehr über die Krank
heit des Unglücklichen —- davonge
tragen. Sie sprach mit Johannes aus
führlich darüber.
»Du siehst also, Mrtba,« sagte er,
selbst nicht wenia erleichtert, »daß
mein Gefühl mich richtig geleitet hat.
Nun laß uns nur ein paar Wochen
lang mit Strenge all seinem Eigen
smn entgegentreten —, und ich hege
die volle Zuversicht, daß er dann ge
Ieilt sein wird!«
Von Wassiliew verlautete den gan
zen Tag über nichsL Er sihe droben
am Schreibtisch und arbeitete, sogte
das Stubenmiidchen, das in der Frühe
bei ihm aufgreiiumt hatte. Nicht ein
mal, während sie hin- und hergegan
gen sei, habe er ausgebliett, sondern
emsig geschrieben. Er sehe übrigens so
bleich und übermächtig aus« als hssbe
er kaum eine Stunde geruht, sondern
sei fast unausqesetzt am Schxeibtisch
thätig gewesen
Mattha hatte die Mädchen so viel
alt möglich sortgeschickt zu weiten
Kommissionem um ungestört packen zu
tönnen. Sie litt an einem Reisesieber,
das sie derart erschöpste. daß sie über
Tags kaum geordnet aus die einsachste
Frage zu antworten vermochte. Im
mer war es ihre grauscme Angst vor
Wassilietv. ihre Furcht, er werde sit
plötzlich überraschen und ihren Plan
" stören. Auch itrchtete sie, daß Justus
sich weigere, ärnr schlagen und da
durch Aufsehen erregen werde.
»Justuö ist nach seiner freiwilligen
hungerlur so matt nnd gefügigc
widerte Johannes dem gegenüber, »daß
er uns keinerlei Schwierigkeiten berei
ten wird. Uebrigens meine ich, es
wäre gut. wenn Du ihn möglichst lange
wachzuhalten versuchtest. Sein erster
Schlaf wird dann so fest sein daß er
vermuthlich erst im Eisenbahnwae
erwachen wird. «
Alles schien nach Wunsch gehen zu
wollen.
Wenig nach sechs Uhr larn Frau
Winter heraus, um zu fragen ob die
Mädchen bald fertig seien; der Wagen
sei sogleich zu erwarten.
Es war siir das Gesinde nichts mehr
zu thun, soviel Martha, die immer-ca
zerstreut, dabei ängstlich und schreck
hast war. wußte. Aber das Stuben
mödchen erinnerte sich, daß der Sam
war, den Herr Wassiliew auf seinem
Zimmer stehen hatte, und der fast fort
gesetzt in Thätigteit war. noch fiir den
Abend und die Nacht hergerichtet wer
den mußte.
Sie eilte also hinauf und trat bei
dem Rossen ein. Er gal- taum Ant
wort auf ihre Frage, so vertieft schien
er in seine Schreibarbeit. Sie nahm
den Kessel mit in die Küche.
Martha, die gerade anwesend war.
erinnerte sich plöhlich daß noch eine
Kleinigkeit vorn Kaufmann zu besor
gen war. Während die Köchin also
schon in ihrem Sonntaasstaat die«
Treppe hinabstolper1e, mußte das Stu
benmiidchen noch rasch einen Gang in
die Nachbarschaft thun·
Johannes glaubte die Mädchen schon
fort und wollte Marthe in die Küche
aufsuchen. Er rief ihren Namen ge
dämpft über den Flur herüber. Mar
tha fuhr jäh zusammen -—— vermuth
lich weil gleichzeitig das Stubenniäds
chen von seiner Besorgung zurückkehrte.
»Was ist Dir?« fragte Johannes he
unruhigt, während der Dienstbote den
Samotvar wieder hinauftrug. Er be
merkte, daß sich Martha kaum mehr
auf den Füßen zu halten vermochte
Er fürchtete doch sehr für die Geliebte:
wenn schon das Reifefieber fie der
maßen mitnahm, wie möchte sie dann
erst unter den Anftrengungen der wei
ten Reise, Seite an Seite mit dem
Kranken, leiden?
Sie konnte nicht antworten. Sie
brach in Thränen aus und warf sich
Johannes an die Brust. Der ahnte,
daß es hauptsächlich die Furcht vor
Wassiliew war, was ihre Nerven so er
schütterte· Mit leisem herzlichen Wor
ten fuchte er sie zu beruhigen.
Er mußte aber kurz abbrechen, da
der-Dienstmädchen soeben wieder leicht
fiißig von oben herunter karn.
bsie jest gehen könne —- frt
sie; Vdie Ungeduld stand ihr dabei
Gestcht geschrieben
»Du hast«-—- —den Samotoar — hin
aufgebrochtk fragte Martha stockend
DCI Mädchen befahte
»Und her-r Bassiliev —- isi wohl
noch im mit seiner Irbett beschäf
Mk its-ist« FOUND
»Nein, er hat die Feder hingelegt
und sich aufs Sof- geseit II sagte
ihm, Ian wir Mgang Ists-. und
wenn er noch Cis-r wünsche . . .«
»Was erwiderte eri«
»Er fragte nur. wer denn beim
Kranken die Wache gestern- gehalten
habe. Jch sagte ihm: der here Brate.
Und der würde wohl aueh heute wie
der . . .« Sie guckte die Achsel. »Ich
wußt’ es ia nicht genau·'«
Johannes wehrte ab: »Es ifi ja auch
gleichgültig. Gehen Sie fest nur;
Winters warten schon unten mit dem
Wagen.«
Endlich waren sie allein. Die beiden
Marter sollten erst Punkt ein Viertel
vor zehn Uhr eintreffen. Jhre Sachen
fehlen sie bereits vorher auf der Bahn
ab —- der RollstuhL mittels dessen der
Krante zum Bahnhof geschafft werden
sollte, befand sich noch seit dem verun
glückten Ausflugsplan von neulich im
Hause. Johannes schlug vor, die Kof
fer, die jeßt im Flur standen. in die
Parterretoohnung zu fpediren. Denn
wenn der Rufse sie, an der Glasthiir
vorbeitommend, sehe, so könnte er viel
leicht Verdacht schöpfen. Nachdem sie
sich gemeinsam davon überzeugt hat
ten, daß- Juftus still im Bett lag —
wohl im Begriff einzuschlummern, be
lud sich Johannes selbst mit dem Ge
fäck Matthias und ihres Bruders und
stellte es unten ab. Martha folgte
ihm dahin. Sie graute sieh, allein in
der Wohnung zu bleiben. Und Justus
hatte ja die KlingeL Bei der sucht-of
thliehen Stille im ganzen Haufe hörte
man ein Glockenzeichen auch hier dicht
unter feinem Zimmer.
Langsam verstrich Viertel- auf Vier
telstunde, während sie, eng aneinander
gepreßt, am Fenster des Parterrezims
mers neben der Hausthür verharrten,
Ulls VII Olcllsc YIUIIUVIPUIIIPU Ill El
martung der Träger.
«Ging nicht oben eine Thüri« fragte
Martha, plöhlich zusammensahrend.
Johannes fühlte den erregten herz
Lchlag der Geliebten, die er zärtlich um
schiun en hielt. Jhre Nervositöt war
Hrant ait Er beschwichtigte sie, so
gut er konnte.
»Es ist Alles still. Der Wasstlietv
weiß, daß ich unten wache, so wird
er’s wohl kaum wagen . . .« Er un
Terbrach sich, aus die Straße eigend:
»Ist das nicht der Wagen des edizi
nalraths, der da vor dem hause hält?«
Allerdings hatte soeben ein Dottor
oagen dieFensterreihe passirt und hielt
mit kurzem Ruck
Martha drohten dieKnie vor Schreck
einzubrechen. Sie hatte von Johannes
abgelassen und llammerte sich nun
,ans Fensterlreuz.
«Ja, eö ist Küchenhoss«, slitsterte sie.
»O. nun ist Alles verloren!«
»Verloren? Aber wieso denn?«
»Justug scheint endlich eingeschlafen
— die laute Art des Medizinalraths
wird ihn aber sicher aufwecken· Jch
hatte schon gehosst . . .««
Blitzschnell stand Johannes Ent
schluß sest. Barhäuptig wie er war.
verließ er hastig das Hauz. Draußen
begegnete er nicht nur dem alten Dot
tor» sondern auch den beiden hospitai
?-ienern. Gieichzeitig llangen drei
Schläge vom nächsten Thurm herüber;
es war also genau dreiviertel zehn Uhr
»Treten Sie leise ein« ,raunte er den
beiden Männern zu, »das gnädige
Fräulein erwartet Sie schon drinnen
auf der Trepr
Dann nahm er ohne Umstande den
Arm des Medizinalraths und zog ihn,
einen hastigen Blick zur haussront em
porwerfend, nrit sich, dem Wagen zu
Was Teusels ist hier losi« grollte
der Alte, der vor Staunen über die
Uigcllmacyllglcll okp jungen zumutet-.
taum Worte fand.
Johannes rief dem Kutscher zu:
»Geradeaus fahren!« Dann drängte er
sich hinter den alten herrn her in das
Coupe.
Die Pferde zogen an, und das Ge
fährt rollte weiter. Es hatte kaum
zwei Minuten vor dem hause gehal
ten.
»Was fällt Ihnen ein, Menschens
tind?« rief der Medizinalrath »Ich
habe da zufällig mit der Oberin zu
thun, höre, daß Sie die beiden Träger
fiir eine große Reife enaagiren — kein
Wort weiß man oaoon und schimpft
fich hauöarzt —- und nun ich hier an
riicke, überfallen Sie mich....« Er
streckte die band nach dem Gurncniball
aus, um die kleine Signalpfeife in
Thiitigleit zu sehen. »Aber ich lasse
halten und wenden. Schwerenoth
noch einsi«
Aufgeregt fiel ihm Johannes in den
Arm. Er wußte in der Eile nicht die
Worte zu finden, die nöthigen Sätze
zu bilden, um den getränkten Arzt
über Alles aufzuklären Er stam
melie so zusamnienhanglos, daß Kit
chenhoff laut aufstöhnte:
. , stimmt das nun oder stimmt
das nicht, daß Sie den Kranken fort
bringen wellenf« .
Der Schwarzwälder beiahie.
»Und nach dem Siident Wohin?«
»Un« immels willen —- sprechen
Sie nicht arttber!« -
»Warum denn nichts Ihr herr
Rasse da hat's wohl oerbotenk
«Uasfilteio soei «tiberhaupt nichts
davon. Und er to auch nicht« davon
Mien. Es ist ein sen-anstreich. ..
fis m saifilietpl«
scsdl schien KWPff ds- Ver
sksndnis fiir die Sachlage auszu-(
III-tu
.I«ser. selig-. m ix III is ass
rax u M der Sitte sprachen.
J t so, stack-I Sie dein windet
ein Ende. Der Zwang, der Zwang
ist das Ewige was dem jungen
Derrn fehlt.«
Jn aller Eile vermochte Johannes
nun endlich dem Medizinaltath aus
einander-zusehen weswegen er ihn so
sormios auf der Straße angehalten
hatte. Mittendrin unterbrach er sich.
Er sah nach der Uhr. »Es ist bald
zehn,« sagte er erregt, «lafsen Sie,
bitte,« wenden, ich komme sonst zu
pat.
Dem Befehl Küchenhoffs folgend,
hielt der Kutscher, nachdem er gewen
det, in einiger Entfernung von dem
use.
Rasch verabschiedete man sich. « ch
komme noch selbst nach dem Bahnho t«
riexh der alte Herr dem Davoneilenden
na .
Die Gegend war spärlich beleuchtet.
Bot dem Hauseiugang befand geh
war eine Laterne, aber deren Li
fchein reichte nicht weit. So sah Jo
hannes denn die Gruppe nicht, die,
schon ungefähr hundert Meter vom
Haus entfernt, dem Bahnhos zustrebtr.
Er wollte gerade in’s Haus eintre
ten, als er aus dieser Richtung seinen
Namen rasen hörte.
Es war die zitternde Stimme Mar
tba’s.
Sosort hielt er still und spähte die
Allee entlang.
Er sah zunächst das Blitzen der
Stahlspeichen von den Rädern des
Fahrsluhls, dann unterschied er Mar
tha’s Gestalt und die Figuren der in
inäszigem Tempo das Gefährt schieben
cen Hospitalwärten
Also besano sich der Kranke schon
aus dem Weg zum Bahnhost
bastia eilte er aus Martda zu, die
O
«
ihm entgeqentam Sie befand sich in
einem wahren Fieber.
»Es nqu Alles nach Wunsch? Ju
stus hat sich nicht gesträubt?« fragte er.
.Er schlief — ist noch nicht er
wacht."
»Und Wassilietv hat sich nicht blicken
lassen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»So ist ja Alles gut. Jn zehn Mi
nuten ist der Zug obgeiahren Aber
laß mich zurück — meine Sachen ste
ihen noch im Atelier —- ich bin sogar
»ohne Hut, ohne Paletot....«
j »Nein, nein, aeh’ nicht zurück, Jo
;hannes, jetzt nicht,« slehte Marthe-,
»ich bitte Dich.... Wassiliew....«
Sie konnte taum sprechen vor Angst;
sie stammerte sich an ihn.
»Aber Liebste, es ist ja keine Ge«
sahe mehr. Komm· zu Dirl' Er
stiihte sie im Vorwärtsschreitem Man
tam jetzt aus dem Duntel der Allee
sn den hellen Lichttreis beim Bahn
iibergang, zu dem eine breite, mit ele
qanten Hotels besetite und strahlend
erleuchtete Straße hinsiihrte.
Die Transporteure hatten die Er
laubniß erwirlt mit dem Fahrstuhl
gleich vorn Bahniibergong aus aus der
Perronoerlängerung zum Zuge her
anzusahren Soeben verschwanden sie
hinter dem mannshohen Gitter.
Ein eisiaer Windstoß segte über den
Plan Martha schauerte zusammen.
Bei einem Blick nach ihrem Begleiter
hin entiuhr es ihr: »Wie könnte ich zu
aeben, das; Du so wie Du gehst und
stehst die weite Reise antrittst. Du
wirst uns folgen, Johannes, mit einem
anderen Zuge. Morgen! —- Jch bitte
Dich drinaeno.« »
Man hörte den schrillen Psisf einer ;
in die breite Halle einsahrenden Loeoq
motioe. Unwilltiirlich stürmten sie
noch schneller vorwärts.
»Ich soll Dich allein lassen, Mar
tha? Das ist doch nicht Dein Ernst i«
.Dvch —- doch« Nobannex Auch
des Kranten wegen. Er dars Dich
Jnotle nicht« sehen. Sein Groll gegen
" Oliv seine ort«i.oeintltiq. . .. uns,
ich fürchte mich ia so....«
So vorioiirtgitiirmend, in kurzen,
abgerissenen Saiten sprechend, stiegen
den Atherns, waren sie durch das
Bahnhofsgebauoe aus den Perron ge
lanat.
Der Zug stand schon da. Er hatte
nur wenige Minuten Aufenthalt.
Vor dem langgestreckten Schlamm
nen stand der Medizinalrath bei dem
von seiner Bürde bereits befreiten
Rollstuhl.
Sie stürzten herzu.
«Ruhe, Ruhe, Kinderl« beschwich
tiate Küchenhoss die Aufgeregten »Er
schläft —- meckt Ihr ihn nicht auft«
Martha ward noch verwirrter, als
sie den Medizinalrath bemerkte. Es
larn dazu, dass der Schaxfney der
Zugsiihrer« der Bahnhpssa sistent, die
von dern Transport eines Kranken
veiftiindiat worden waren, her-zutra
ten, um die Einschisfuna rasch in Ord
nung zu bringen, ohne Aushaltung
des Kindes. -
Sie wußte aus die durcheinander
schtvirrenden Fraaen nicht zu ant
worten. Wieder umtlainmerte sie vie
band des Geliebten.
»Bleib’ — bleib’ hier« Johannes.
Fol e uns lieber erst morgen. Da
— gdie Schlüsselt Winters müssen
doch noch verständigt werden, auch die
Mädchen.... sie ablohnen..»«
»Bitte einzusteigenk drängte der
Schassner. «
Einer der hospitalmärter erschien
am gesssneten Fenster des Ganges,
der an den Schlegeoupes entlang
fiihrte. Alles in rdnung —- der
Pan-ist liegt und ist nicht umschn
meldete er rasch.
uAnsel, dss nenne ich einen geseg
neten Schlus.
Marthe faßte sich nach dein hals»
des ihr M- ssssttht Mem Ets
habe ihm dan Ihrem Pulver gegeben
— dem Schlaftnittel, derr Mein-unal
rat .«
Stil-n mischte sich der Angfiihrer ein:
müssen einiteiaen, man hat-e bereits
etc-sinng. Johannes half ihr alis
hasiia in den Wagen. «Mbslb W
ich nicht gleich mit, Marthai . . . »Wir
können ja von dort aus erledigen,
was noch zu erledinen isi . . .·.« ·
Da entiann er sich das ihr Ani
enthaltsort damit do verrathen wer
den wiirde —- unter nistiinden auch
für Wafsiliew. »Gut. ich fplge Dir
also morgen. Aber gieb» nur Rach
richt — eine Daniel-, wie die Fahrt
war . . . . nicht- hierher . . . . Rade Ba
ieL ja. willst Du? —- Nach Ba el —
bahnlagernd!« ,
»Sie fahren nicht mit, mein Derri
Dann verlassen Sie rasch den Wagen·
Der Zua fährt ab!" rief der Schaff
net.
»Gut, Johannes, nach Basel!« stitk
Martha aus«
Ein Ruf des Bahnhofvorstandes.
ein kurzer fiii —- »Fertig!« -— schrie
der Zugsii rer.
Johannes sprang vorn Trittbrett
rab. Ein Ruck aina durch die ganze
aenreibe. »Auf Wiedersehen!«
ries Johannes. Martha war am AC
iifineten k ensier erschienen. Sie hielt
Fch am ahmen. Wie es schier-, wollte
te ihm nach einmal zuwinlem Doch
erschöpft wankte sie —- und fiel zurück.
Die beiden auf dem Perron geblie
benen Männer sahen qerade nach, daß
der Warten der im Gana stand, dar
Jufius’ Coupe, sie auffing —- dann
war der Wagen schon an ihnen"vor
über-.
Johannes machte Miene, auf den
iahrenden Zug noch auszuspringen
Küchenhoff packte ihn entsetzt am Arm."
»Sind Sie toll, Besieri« rief er.
Da hatte der Zug bereits die Halle
verlassen
»Ich werde wahnsinnig vor Angst
um sie!« stöhnte Johannes.
» »Mit-Uti- WIH ieiv Jhx jzmakis
Bote sur eine autgeregte wesen-main
An alledem träat der insame Rasse die
Schuld. Und wie Sie aussehen. Wo
haben Sie denn Whren Hut, Men
schenstind? Bei sechs, sieben Grad «
turz vor Mitternacht — barhiiuptig
und ohne Paletot? Na, das nehme
mit Niemand übel. Kommen Sie rasch
in meinen Wagen, ich bringe Sie nach
hause.«
»Ich muß zunächst noch nach der
Kriegsstrasze s-- in Spener’s Woh
nung. Es ist ja Alles so hastig ge
gangen —- und man konnte auch
Nichts recht vorbereiten, weil Wassi
iiew sonst vielleicht gemerkt hätte...
»Und es ist also Alles ohne Stö
rung gegangen? Wassiliew ahnt gar
nicht« das man sich aus dem Staube
t
.
gemacht at, wies«
«Mart a — Martha Spener —
hat nicht wenig unter der Angst ge
litten, daß er zu allerledt doch noch
dazwischen tommen könnte! —- ES ist
mir ja so bange um sie. Als der
Zug abfuhr — die Ohnmacht —- denn
das war ein Ohnmachtsaniall....«
«Gros3e Sache. Der Wärter war
ia dabei. Die Frauenzimmerchen ha
ben nun einmal so schwache Nerven«
Der Alte sah den Bildschnider ver
schmin von der Seite an. «Sie scher
nen mir übriaens ein brennendes Jn
teresse siir das Wohlbesinden des gnä
diaen Fräuleins zu nehmen.- Ra, na,
na, ich will nicht indistret sein."
Inzwischen waren sie zum Wagen
aelangt. Johannes besand sich nach
den mannigfachen Erregunaen dieses
Tages im Zustand tiefster Depression.
Er tonnte das Bild der unglücklichen
Geliebten nicht los werden. wie sie io
ohnmiichtia niederbrach, überwöltigt
von den Stürmen, die über sie dahinz
sebraust waren.
Gerade wollte Küchenhvss den jun
aen Mann in den Wagen einsteigen
lassen, als man eine fremde Stimme
ausrufen hörte:
»Als-) sind Sie’5 doch! Ich erkannte
gleich Jbr Coupe —- tonnte mir aber
nicht erklären, was es zu so mitters
nächtlicher Stunde hier solltet«
(Iortsehung sdlgt.)
W
Schwimmen-er sit-erweich.
Londoner Maler, die daran ver
.,1weifeln, ihre Bilder in der landläu
’ figen Weise zu verkaufen, sind aus ei
nen sonderbaren Gedanken gekommen,
um sie zu Geld zu machen. Sie ba
ben eine fchmimmende Aucstelluna in
.Schiffen auf der Ibemfe ein erichtet,
sund es wird versichert, daß d Sache
»sich rentirt. Nun tann die Eisenbahn
iKunstausstellung auch nicht lange
imebr auf sich warten lassen. Anftati
feinander den Fahrplan zu ertliirers,
.oder Wunder von Dotelpreifen zu er
iziihlem könnten da die Fahraäfte —
"ettoa in der Vorhalle des Speise-va
gens oder in einem besonderen Wa
lgen — die Bilder bei wechselnder Be
i leuchtung betrachten und, sofern sie sich
»auf der Heimreise befinden, bei einem
Kauf auch noch die Frachtgebiibren
fiir ein Bild aus der Ferne ersparen.
Den Eindruck schöner Ruhe wiirde
man da freilich nicht gewinnen; aber
in der Zeit der Pointillisten, deren
Bilder obnedieö baufig vor den Augen
zittern, als ob man sie im Eisen
babnwagen besichtigte, toiire man ber
mutblich auch mit diesem Mangel Zu
frieden.
.- .——-s- -—.---— --
Jn Maryland haben die Zarbi en
einen besonderen Tandidaten flir gen
Congreß aufgestellt. Der candidat
se ein Tatbigee Namens Ren-man,
also in eder Beziehung ein bosno
now-.