Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 26, 1902, Sonntags-Blatt, Image 9

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    Sonntags cBlatt
Beilage des .,Ueb1aslka Staats-. Xmeign need ;)erold« .
J P LVUIDOIPII, He mitsaehen Grund XIIan Nebe» Den Z; : ptemliei mit-z Xahkguug 23 No· I·
Die Vurchbrennerin.
Roselette von Il. Latr-Frlsberg.
Absabrti Absabrtl«
Der Expreßzug wollte sich eben in
Bewegung jenen.
Jn letter Stunde stürzte eine junge,
sebr elegante Dame ans den Bahnsteia,
hinter ihr ein Gepackträger mit einem
kleinen, sebr schweren Jnchtenkosser.
«Erste Klasse!« stöhnte sie athemlos.
«Gottlob!« slitsterte sie, mit Erleich
terung ansatbmend.
»Das wäre uns gelungen«, dachte sie
weiter· —
Ein glückliches, balb trotziges, halb
schelmischeö Lächeln zuckte um ihren
jungen, rothen Mund.
Unruhig blickte sie sich um.
»Wo war er?'«
Sie schritt jetzt den ganzen Zug ab·
Die großen, strahlenden Augen
blickten forschend in jedes Wintelchen
und wurden immer größer, ängstli
cher.
bre junge, schlanke, biegsame Ge
siat in dem tnappen, aranen Reise
lleid, den keckem kleinen Filzhut auf
dem Blondtops ties in die Stirn gezo
gen, fiel sie allen Reisenden aus.
Reiter wirbelten die Schnurrbärte
ver jungen Eleaants sich in die höhe.
»Ein seiner, kleiner Kerl!«
»Donnerweter! Wen sucht sie?«
Jn ihrem feinen, kleinen Krps wir
belte es.
h. Unheimlich schnell flog der Zug da
in.
Wo war er? Warum war er nicht
pünktlich wie sie? War es ibm leid
geworden? Unmöglich!
Sie athmete unregelmäßig. Jhre
Glieder zuckten neroös. Angstvoll
blickten ihre Auaen ins Leere.
Es war alles so gut verabredet, und
nun kam er nicht.
Jhre Gedanken wälzten sich von ei
ner Frage znr anderen. ,
»Was nun?« fragte sie sich unaus
bötlich.
»Remdcmdem, Rembenidew raste
der Znn vorwärts.
Sie hörte eine andere Melodie ber
aus.
Durchgangerl Durchganger? Durch
.«-J-;--'vsns.« .- qknmhfhfls. Inn sie
Zen UL«51n:hi’enth-ifer an sich.
Er barg ihr Vermögen —-- ihr eigen
ftes Vermögen.
Diamanten, Schmuck von höchstem
Werth, wundervolle Perlen, von der
Mutter Ererbtes.
Mit kecker hand gab sie ihrem
Schicksaler einen Stoß.
Nun flog sie dahin. »Wohin?«
klang es fragend durch ihr erregtes
Dirn.
«Potsdain! Potsdam!«
Rathlos stand sie da am Fenster.
Jett tönte ihr Name, laut gerufen
an ihr Ohr.
«Eine Depesche!«
Sie meldete sich, riß das Blättechn
auseinander.
«Abreife verhindert, erwarte mich
Potsdam irn bewußten Hotel.«
Ein Griff nach dein Koffer, ein
Aussicigen in fliegender Hast.
Weiter raste der Zug.
Eine Droschte brachte sie ins HoteL
Sie nannte ihren Namen. Ein
herr iviirde nach ihr fragen.
Stunden vergingen. Stunden des
Gartens, die unendlich dünken.
Endlich klopfte es an die Thür.
»Herein!«
»Papa! Du —- DIE-«
Ein Herr, kaum Ende Vierzig,
wohlconservirt, elegant, modern, wie
si , seine Tochter.
Ein unnachahniliches, malitiösesz
Lächeln auf die Lippen, trat er zu
ihr
»Nun, wie geht eg uns-? Zeit wann
führt die Reife zu Deiner Freundin
über Potsoant?«
.-Papo, nicht diesen Hohn! Ich
sehe, Du weißt —
»Alles, mein Kind. Die Depesche
larn von mir.«
»Ah!«
»Jawohl. Auch er hat seine De
pesche erhalten mit dern Befehl nicht
abzureifen.«
»O --— wer hat uns verrathen?«
»Das lornrnt später. Also Du
wolltest nach London?«
»Jawohl. Dort wollten wir uns
trauen lassen.«
Muthig sprach sie es und blickte dein
Vater keck in sdie Augen.
»Und dann? Weiter!«
»Oh wir würden glücklich fein-—
so wie —- wie Dut«
»Ah » Du weißt?«
«Jawol)l. Jch weiß, daß Du eine
zweite Gattin Dir erwählt. Jch will
leine Stiefmutter.«
Er lächelte überlegen.
»Als-) Du ver-sagst rnir Deine Ein
willigungisp
»Jowohl. hast Du mir nicht auch
die Deine versagt?«
»Aus Princip, mein Kind. Mein
Schwiegetsohn muß Großtaufmann
sein. Dein Doktor medtcinae genügt
mir nicht«
»Aber mir genügt er. Für mich
ist er mein Schicksal mein Alle-ist«
»Dein Schicksal. So? —- ja —- das
glaube ich.«
«Papa«, tönte es bittend, »Sieh ihn
mir.«
»Du wolltest mich zwingen. Du
staubsb ich würde Dir vergeben?«
»Ist Its-Mc es Wsichtlkch««
»Und wenn nicht«-»
»Dann, o dann, ich wäre nicht so
vollkommen glücklich geworden."
»So? Du hast Deinen Schmuck
mit. Davon wolltet Jhr leben?«
»Ja — bis er sich Praxis erworben
in London.«
»Wenn er keine Praxis erhält bis
dahin?«
»Dann -— dann sterben wir ge
meinsam —«
Mißbilligend schüttelte er den Kopf.
»Und mich wolltest Du so bei Seite
schieben?«
»Du sagt-est, ich sollte wählen. Jch
habe gewählt. Jch konnte nicht an
ders —- so — so wie Du.«
Nun zuckte es um den seingeschnit
tenen, rothen Mund.
»Wir wollen uns also gar nichts
mehr sein. Du gehst nach London,
heirathest gegen meinen Wunsch einen
hoffnungsvollen Arzt, wirst glücklich
mit ihm, im schlimmsten Falle stirbst
Du mit ihm, —- und ich — ich -——
isiihre in mein einsames Haus ein
Weib, edel und rein. bas- Dir ein
Vorbild werden sollte, das Dich schon
liebt, weil Du mein Kind bist, vor
idem Du aber sliehst, ohne es zu ten
nen.«
»Bist-all
»Klein» Kinbslops!«
»Ich habe ihn so lieb, so über
sqss «
»Wenn er jetzt noch Kaufmann
werden wollte.«
»Er liebt seinen Beruf ebenso sehr,
wie Du den Deinen.«
Er zog die Uhr.
» »Der nächste Zug geht in zwanzig
i Minuten nach Berlin ab. Bitte!'«
s Er bot ihr den Arm.
Sie weigerte sich. Thränen traten
lin ihre Augen.
Mit fester, sanfter Gewalt zog er
ihren Arm sdurch den seinen und griff
nach dem Koffer.
»O —- das ist mein Eigenthum —«
. wehrte sie ihm.
) »Ich will Dir nur die Last abneh
men —« lächelte er. .«
Mit gebeugtem Köpfchen folgte sie
ihm.
« III sc
,,Eine Depesche, mein Junge!«
Die alte Dame saate es mit einem
ganz kleinen, feinen Lächeln.
Er riß das Blatt aus.
»Nicht abeeisen. Watte auf Weile
res.«
Keine Unterschrift.
»Natürlich von ihr!" dachte er be
treffen
»Ich reife nicht, Man1a.«
»So? Ah —— Sie hat sich eines An
deren besonnen?«
»Ein Aufschub, ein unvorhergesehe
neg Hiitaerniß.
Erregi schritt er umher.
Er sah Das tleine feine Gesichtrhen
vor sich mit den großen Augen. Zeine
Pulse flogen, fein Herzschlag ging wie
ein Hammerwert.
Er hörte ihre fliisternde, lofenoe
Stimme. Er fühlte ihre zarten Glie
der in feinen Armen sich wiegen·
Es ioar die erwachte Gluth, oer Les
bengdurit eines Aste-ten in oer Liebe.
» Sein dleiches, edle-H, schmaleg Ge
i sicht, don Dunliem Haar beschattet, mit
ktiesen, dunklen, hhvnoiisirenden Au
sgen, wandte sich forschend seiner Mut
zter zu, die ruhig am Tisch saß unter
der rothverschleierten Lampe nnd einen
ioesetten Strumpf niigbesserte.
Welches ruhige Behagen von ihr
ausging! Ihr Anblick besänftigie ihn.
»Wie ist es denn geioinmen!« forsch
te sie jetzt, ohne zu ihm hinüber zu
sehen.
Er erzählte ——- lange, lange.
»ian dann?«
»Wir suchten uns. Die Sehnsucht
trieb uns einander zu. Wir —- wir
können nicht mehr ohne einander
sein.«
»Daher Dein Fieberzustand?« lä
chelte sie. ' »Du Verächter der Liebe.«
»Sie hat steh aerächi, Mutter, Du
hast Recht, je später sie kommt, desto
mächtiger ist sie. Jetzt verstehe ich,
was mir sonst unbegreiflich war, wie
Fürsten ans Throne verzichten, wie
Menschen ihr Leben hinwersen können
aus«Liebe!«
Es tlang so weich, beinahe klagend.
Die alte Dame nielte dazu verständ
nißinnig.
·- «
»Wohin bringst Du mich, Papa?«
»An Deiner neuen Mutters«
»O — nicht doch!« wehrte sie ab.
»Bitte, steige aug.«
Nur ganz zögernd verließ sie den
Wagen. -
»Ich will nicht« Papa, o, erlaß es
mir —- ieh hasse stei«
»Du solltest sie kennen lernen.«
»Sieh mir ihn.«
»Das wollen wir erst sehe-if
Wieder zog er ihre canb durch sel
Lf
; .
! nen Arm und schritt DieMarmortreppe
hinauf
Fürsten Des Geldes, zu ihnen zählte
ihr Vater, zu ihnen zählie auch Die
Frau, Die feine-i zxveite Gott in wuroe,
zu il;-nen sollte auch sein Schwieger
fohn zählen.
Der kleine eigensinniae Blondiopi
wollte es anders.
Er suchte ihr Glück auf feine Art,
kie auf vie ihre.
·h Die Kraft ihrer Liebe imponirte
1 m
Eine große, schöne, elegante Frau
trat ihnen entgegen: mit gewinnendet
Freundlichkeit zog sie die Widerstre
bede an sich
»Dir wollen Freundinnen sein« recht
gute «
»Ich lasse Dich hier. Jn einer
Stunde komme ich vielleicht mit —-!«
esPapa!«
Ein Jubellaut. Sie flog :n seinen
Arm, an seine Brust
»Du lieber lieberPapa!"
Sie lachte und weinte in derEksiase.
»Wenn er Deiner werth ist, wird er
ihn Dir schon get-ein« sprach die große,
seh-ins Trin
»Du hast siir mich gesprochen?«
»Wir Frauen müssen in allem lzu
sammenhalten.«
»O — Dul«
Nun kiiszte sie die weiße Hand mit
den kostbaren Diamanten.
Sie trua nicht den kleinsten-Schmach
sie wollte alles opsern sür ihn
Nun sasi sie und beichtete.
Die Aeltere hörte lächelnd zu, bei
nahe neidvoll.
Wie kühl, wie verständig ging sie
ihre neue Ehe ein.
Dankt kam er mit dem Vater.
»Hier die Vermittlerin« seine Mut
ter!« stellte er die alte Dame vor mit
dem seinen, aeriihrten Lächeln ans dem
auten Gesicht.
,,Seine Mutter!«
Sie liißte inbrünstia die Hände,
wieder und wieder, die Hände, die ihn
gepfleat, die ihn gerettet, die ihn ihr
zugeführt.
»O Du Mutterl« i
Nun standen sie zusammen, bleichJ
strahlend, befangen. «
»O Glück der Jugend!« sliisterte die
arosze, schöne Frau und blickte in di
Atmen ihres ziiliinstiaen Gatten.
Die kleine Dttrchaiinaerin lächelte
schelmisch zu ihnen hinüber.
Mit dein Erpreß-Zua hatte sie nun
Doch ihr Glück erreicht.
i- —-—·-.-——— s«
Das war ihr Gliickl
Miliiiirsdntnoroste von Ednard Zchmidt
Der Einjähriae Wachtel von«der 10·
Kompagnie lag sozusagen noch in den
Windeln seines militärischen Lebens-;
er befand sich noch in einer Phase der
strategischen Ausbildung, in der man
auch den ultigsten Sachen eine tragi
sche Seite abzugewinnen versteht. Von
Hause aus keine Siegsriedsnatur, hat
te er das ständiae Anastaesiihl, das
den Ellöilitärnovizen auszeichnet, bei
nahe zum Virtuosenthuin aus-gebildet
Wie immer schritt er deshalb auch
heute Morgen init erheblichen Herzass
settionen zum Dienste.
»Na, Wachtel, tommen Se blos-,
man ’rin in sdie Bude, da können Se
wat Jediegenes besehen«« rief ihm rich
tia schon ans dem Kasernenhdse sein
Konipaanielamerad, der Fiiselier Au:
gust Hidetier zu. Und dabei grinste er
auf das Jmpertinenteste mit dem gan
zen instinktiven Haß des Ungebildeten
gegen den Gebildeten
»Wachtel, thenrer Freund und Bun
degaenosse, was hast Du denn ange
stellt?« redete ihn im Kasernenportal
auch sein Freund, der Einjähriae
Stoppeltops an, »der Olle hat ja schon
einen Mordstrach iiber Dich geschla
gen!« Mit dieser respettttoidrigen Ve
zeichnuna meinte er keinen Geringeren,
als den Kompagnieseldtvebel Ronimei
selbst.
Dem armen Wachtel sträubte sich,
obschon dies durchaus dienstwidrig ist,
das eben erst sorgfältig srisirte Haupt
haar. Krampfhast suchte er in seinem
Kommiszaewissen nach dunklen Punk
ten herum. Aber ohne Erfolg.
»Na, Einjähriger Wachtei, Sie Un
glückswurn:, wollen Sie sich auch ein
mal das Arrestlotal von innen be
gucken?« Dies war die dritte freundli
che Begriißung, als er, bereits in ei
nem Stadium hochgradiger nerviiser
Spannung, die Stube seiner Korpo
ralschast betrat. Aber noch immer
tramte er vergebens sämmtliche
Schubladen seines militärischen Ge
wissens von unten nach oben. Da
stürzte sich, wie der Stier aus das
rothe Tuch, sein Korporalschastösühss
ret. der Unterossizter Schmalzbrot
ans ihn. -
—I
»Ja, Wachtel,« brüllte er ihn an,
,,mit so ’m Prachteniplnr von Ein
jährigen, mie"Sie, muß einen nur der
Himmel fegneni Da is es schon besser,
man fährt gleich in die Grube! So ’ne
Zucht, fo ’ne Asfenschande!«
»Aber, Herr Unteroffizier,« stam
ntelte Wachtel, von diesem offensichtli
chen Unwillen feines Vorgesetzten be
reits halb aufgelöst, »ich weiß
nicht —«
»Rese, Sie wissen natürlich nifcht!
Sie hab-en natürlich nischt verbrochen,
Sie Unfchuldslamm! Holen Sie mal
Jbr Gewehr her, aber ’n bischen plötz
lich!«
Der Einjiihrige gehorchte zitternd,
ohne zu begreifen. Glücklicherweise ift
dies zum Gehorchen auch nicht unbe-«
d .nqt erforderlich —- fonft wäre es um
die Disziplin im Heere trauria bestellt
»Gncien Sie mal durch den Laqu«
lommandirte Schmalzbrot weiter.
E« Jachtel beqriff wieder nicht, aber er
aehorchte abermals. Er nahm behut
sam den Mündunasoeckel vom Ge
wehr, zog fein fiiuoserlich die Kammer
herausk, wie er es aelernt hatte, und
smckte so eifrig durch den Lauf, wie ein
alter Ballethaoitue durch das Opern
nikrä Nin-r » frmnip nihbtä Ansstel
lenkes entdecken. Das Lausinnere war
nach seiner Ueberzeugung, wie immer,
tadellos aereinigt.
»Na, ist nun so ’ne Sauerei schon
mal dagewesen?« fuhr der Unterofsi
iier in beinahe triumphirendem Tone
fort, »in Arrest flieaen Sie oder ich
will Hans heißen!" Das letztere hielt
Schmalzbrot, da er wirklich den Vor
namen Hans siihrte. stets siir einen
seiner gelungensten Witze
Jn diesem Augenblick betrat der
Seraeant Lange, im Gegensatz zu sei
nem Namen ein kleines tuaelrundess
Männchen, das die wichtige Funktion
des Schiefiunterossiziers der Kompag
nie versah. die Stube.
»Na, Sie samose Spinatwachtel!«
rief er mit wuthrollenden Augen. aber
mit einer stets fett und urgeiniitblich
tlingenden Stimme, »machen Sie sich
nur aus acht Tage Kasten gesaßtt So
’ne Wirthschait ist mir in meiner
Praxis noch nicht voraetommen. Gu
cken Sie ma! durch den Lauf!«
Der Einjähriae beariss nicht« aber
er gehorchte. Er guckte durch den Lauf·
auckte so anaestrenat, daß er sörmlich
sch;vit3te, aber er konnte nichts Beson
viere-J entdecken.
»Das hat mir blos aesehli,« fuhr
Lanae fort; »ich aebe Ihnen das beste
Gewehr in der Kompagnie, und Sie
lass-In mir’s aanz einfach verschwem
zen. Kommen Sie mal mit zum Feld
wehrl, Sie Zierde und Stolz der Bri
gade. Marsch!«
Bei der Erwähnuna der gefürchte
ten Kompagniemutter« die wegen ihres
Menschenstesseraussebens nicht nur
Den Unteraebenen sondern soaar den
Vorasesetzten ein unbearenzteg Unbeha
aen verursachte, schlotterten dem un
aliicklichen Einiiihriaen dermaßen die
Kniee, daß er sie allen Ernstes beim
Paradeinarsch nie meur ordentlich
durchzriieten Zu können fürchtete. Wie
ein beaossener Pudel folgte er seinem
Unterossizier und seinem Korporal
schastssiiliser auf das Bureau, in dem
Feldwebel Rommel hauste. Dieser
hohe Vorgesetzte hatte die Anaewohns
heit, im Zustande der höchsten Wuth
die zartestcn Ausdrücke zu aebrauchen.
Das ijt ja wirklich niedlich!« schrie
er Wachtel mit einer Stimme an, die
von der eines Elepbanien weder in der
Tonstärte noch in der Klangfarbe sehr
verschieden war. »Das ist ja, hol mich
der Deibel aanz allerliebst! Das ist
. x.- f 2.(..-.1 f« .--k... L-- CI- ch
UlIJ — UV l".s.slllllll«.f !,..1’LIll.l-ll U Abs-U «s..-«
in dem das Oberdiichfenmacherrben bei
der qestriaen Waffenrevision lltnstflerte
tonsfstirt hat! Gluten Sie mal durchka
Läuse-leben, Sie zuckersiifzeg Macht«
chenps
Wachtel begriff nicht. aber er ne
horchte. ltir qnctte durch den Lauf, das-,
ihm fast die Augen aus« dem Gesicht
qnollen. Aber er fah nichts Auf-erge
wöhnliches.
»Na, Wachtelchen, sehen Sie nichts,
mein Engelchen?« brüllte ihn Der Feld
webel an.
»Nein, Herr Feldwebel.«
»Nicht? Schmalzbrötchem queten
Sie mal durch und sagen Sie dieser
Perle von Einiährigent, wo sich die
Flecke besinden.«
Der Korporaltchastsfiihrer machte
ein Gesicht, als sollte er ein römisches
Dampfbad nehmen, und sah aufmerk
sam in den Lauf. Dann setzte er ein
paar-mal zum Sprechen an, aber es
wurde nichts vernommen.
»Auch blind,« knurrte der Feldwe
bel: »Lange, gucken Sie mal durch,
mein Häschen.«
Der Schießunteroffuier machte ein
Gesicht, als hätte er sich aug Verseben
auf einen Jgel qesetzt und blickte sei
nerseits aufmerksam in den Laus.
»Nun-oben dicht an der Mündung
zwei Ventliche Roftflecken,« sagte er
Dann nach einem tiefen Athemzuge.
Der Felotoebel nickte befriedigt und
hielt oag Gewehr selbst vor das Ange.
»Entziiokend, himmlisch!« sagte er in
dem Tone, mit Dem eine späte Jung
frau die Aussicht auf dem Rigi bewun
oert, ,,wirklich bildschön! Wie haben
Sieg nur fertig gebracht, mein zucker
siiszes Wachtelchen, das Dingelchen
Dermaßen . . .«
Hier fuhr die ganze illustre Gesell
schaft zusammen und stand stramin,
ivie die Siegesallee. Der Hauptmann
und Kompagniechef von Brozlotvski
hatte das Zimmer in höchst eigener
Person betreten.
Wie gewöhnlich begann er, um ja
keine Zeit zu verlieren, sofort zu rä
sonniren.
»Was ist das fiir eine unglaubliche
Geschichte, FeldtvebelCZ Soeben theilt
mir der Herr Majo: mit, daß eines
meiner Gewehre beim Bataillon als
total verrostet gemeldet wird; das ist
ja absolut unerhört, ganz total abso
lut un-er-bört!«
Sein Blick fiel aus Die angstvekzerc
ten Züge Wachtels, uno mit dem ihm
eiaenen feinen Instinkt hatte er die
Situation sofort durchschaut.
»Natürlich ein Einjähriger,« sagte
er in einem Tone, der diesem seoen
sie-sit hnn Opbonämnib benahm eine-km
I Sie mal durch den Lauf!« I
Wachiel begriff nicht, aber er ge
horchte. Er guckte durch den Lauf,
guckte, daß er ganz braunroth im Ge
sicht wurde.
Aber ervermochte nichts Bemerkens- »
werthes zu entdecken.
»Na, sehen Sie nichts?" herrschte
ibn der Hauptmann unter Verzicht
auf alle Höflichkeitsphrasen an.
»An Befehl, nein, Herr Haupt
mann.«
»Nein? Glauben Sie, der Ober
büchfenmacher stellt nur zu feinem
Prioatveraniigen Roftflecke fest? Feld
mebel, zeigen Sie dem Jüngling die
Dinger mal!«
Der Feldtvebel machte ein Gesicht,
als ob er mit einem stampfen Messer
rasirt würde und guckte aufmerksam
in den Lauf.
»Unien rechts am Patronenlagcr
zwei deutlicheRoftflecke,« sagte er dann
nach einem tiefem Athemzuge.
Der Hauptmann von Brozlowsli
nickie befriedigt und hielt selbst dar
Gewebr vor das Auge.
,,Absolut verrostet, ganz total abso
lut verroftet! Jch werde mir eine
eremplarifrbc Strafe fiir Sie ausdens
ken. Jetzt stellen Sie mir das Gewehr
in fünf Bierminuten ohne Roftfleete
wieder Vorl«
Wachtel machte im Innersten aebroi
eben linlsum lehrt uno begab sich auf
seine Korporalftube, um ·--— gxrr nichis
zu thun. Wie hätte er Rostflectc ent
fernen sollen, von denen er tveoer was-.
te, wie er sie herausbrinaen sollte, nrcb
rvo sie waren. lHätte er die geschulten
JAngen des Oberbiichsenmacherg unI
feiner Voraesetzten gehabt, dann hätte
er sie freilich auf den ersten Blick ent
decken müssen! Aber so —
Viintttich nach fünf Minuten stand
er, das Gewehr ftramm beis Fuß, wie
der vor seinem Hauptmann ’
,,Vorzeiaen!« befahl dieser law- !
nisch. I
Wachtel wünschte sich in den Mittel
pnnlt der Erd-e. Er wartete noch einen
Moment, ob dieser Wunsch nicht er
füllt werden würde, und hielt dann
dem Koinpaanieches das derrosteie Gr
tuehr hin. Aber der Hauptmann sah
plötzlich sehr interessirt ans den Raser
nenhos hinaus und wies auf den Felds
webt-L
Wachtel wollte dem Feld-Uebel das-« -
Gewehr hinhalt-3n. Der aber wandte
sich zum Schreibtisch und deuåete dis
tret ans Lanae.
Der Schießiinterosfizier machte ein
Gesicht, alg hätte er statt Kirschwasser
Schwefelsäure getrunken und wandte
sich nach dem Unterossizier Schmalz
brot um. Aber Schmalzbrot war spur
los verschwunden. So nahm denn
Lanae die ruinirte Waise in die linke
Hand und sah mit dem rechten Aug-:
aespannt durch den Lauf. Der Feld-—
ivebel sab aespannt aus Lange und der
Einiähriae noch acspannter aus Beide.
,,Na,« sagte der Schießunterofsizier
endlich, »das war Jhr Glück!« Er
reichte die Wasse etwas unsicher dem
FelowebeL
Der Feldwebel nickte befriedigt nnd
sah selbst gespannt durch den Laus.
Der Hautmann sah aespannt aus den
FeldwebeL Lange noch acspannter aus
Beide und Wachtel am aespanniesten
auf alle Drei.
»Na, « saate der Feldwebel endlich,
. »das war Ihr Gliick!«
Nun nickte der Hauptmann befrie
diat nnd sah selbst aespannt in den
Laus während alle Anderen in höch
l itet Spannung auf den Hauptmann
blickten.
»Gucken Sie mal durchi« befahl er
dem Einjäbrigen. Wachtet begriss
"uicht. aber ergeht-echte er sw. sie- -
ein Astronom, der unter asen EW
den einen neuen Fixstern entdecesj
will. Aber er konnte nichts besonders
entdecken.
»Na, sehen Sie noch wass« fragt-r
der Hauptmann etwas wohlwollender.
»Nein, Herr Hauptmann.«
»Das war Jhr Glück, daß Seiss
’raushetommen haben! Feldwebel,
schreiben Sie für den Einjähtigen nur
eine Stunde Strasexerziren auf.« —
Alg am anderen Morgen der Haupt
mann und Kompagniechef von Bros
lowsti das Bureau betritt, fängt er,
um ja keine Zeit zu verlieren, sofort
zu räsonniren an:
Absolut unerhört, ganz total ab
solut unerhört das-! Drei Tage Arrest
für den Unterossizier, der bei der vor
gestriaen Waffenrevision das Protokoll
geführt hatt Dieser absolut tota! un
fahiae Mensch notirt mir beim Gewehr
52 Rostilecte, und wie mir der Ober
bijchsenmacher soeben mittheilt, ist das
Gewehr 53 das verrostete! Uner
hört!. . . .
Mittags beim Appell ruft der
Hauptmann und Kompagniechef den
Einjäbriqen Wachket vor. Dieser sucht
schon wieder in seinem Gewissen
krampfhast nach dunklen Punkten,
aber der Gestrenge redet derhältniß
mäßia zahm: ·
»Ihr ParademgFJQ war heute aus
nahm-come ein soc-wen ansianoiger,
als gewöhnlich, Wachtel. Mit Rück
sicht darauf werde ich Jhnen das
Strafexerziren noch einmal schenken.
Aber machen Sie mir noch einmal so
total absolut unerhörte Geschichten,
wie mit dem Gewehr 52, dann sind
wir geschiedene Leute! Berstanden?«
—- ,,Geschiedene Leute?« denkt Wach
tel, »wenn’s doch bloß so wäret«
Hop- »i-—
Geld Und Blut
LDlls Graf Chamboid den Versuch
machte, sich auf ben französischen
Thron zu schwingen, bemühten sich
seine Anhänger, zwanzig Millionen
auf dem Wege der Substription aus
zubringen, die zu- propagandistischen
Zwecken benutzt werden sollten. Unter
Den Anhängern des- Grafen befand sich
auch ein sehr reicher aber auch sehr
geizig-e r Edelmann, der stets seine
tiefste Ergebenheit betheuerte Als der
Abgesandte des Grafen erschien und
seine Bitte, eine größere Summe bei
zusteuerm aussprach erklärte der
Edelmann pathetisch: »Mein Blut
steht Seiner Majestät stets zu Dien
sten!«
»Sehr schön,« versetzte der Abge
sandte, »aber wir haben nicht die Ab
sicht, eine Wurstfabrit zu errichten.«
» ——-.--.-———
Uebersetzung-sinnst.
Vor einiger Zeit erregte edie Fahrt
eines junan Dänen als sogenannter
,,blinder Passagier« auf dem Orient
Erpreßzua von stonstantinopel nach
Berlin berechtigteg Aussehen. Der Be
treffende hatte die ganze Reise unter
einem der Eisenbahnwagen hockend
mitgemacht und wurde völlig erschövst
und nahezu verhunaert aus dank-Fried
richstrasicn : Bahnhof in Berlin ent
deckt· Diese Geschichte brachte nun
auch die englische Zeitschrift ,,Tits
Bitg«, und zwar theilte Dieses Blatt
seinen Lesern mit, daß ein total
blinder junaer Mann der
Held dec« Vorsallg sei. Der Uebersetzer
hatte nämlich die deutsche Redensart
,,blinaer Passagier« wörtlich genom
n:en.
CO— --
Fäulniss-: Schiddclreime.
Hir r),rjel wag schmeckt de Gase scheen,
erschch ’H nich, laß de Schose gehn.
Er Enchscns armen sin Freien-weiß,
Manch Jüngling goinnit daher wie’n
Greis.
Es plagt doch nichts so sehr wie
Dorfcht,
Fir’n Hunger half noch schtets die
W.orscht
Hi sZ ichs c bussierde, dnn nannde ich se
Nil-Z immer de ländliche Scheue,
Gaum wolld ich se gissen, Ida shodd ich
eens weg ——
War dass nich ne schändliche Lene?!
Hort-endet Betrug.
Dinrnist: »Ich bitte, Herr Direktor,
nm einen Vorschuß von siinf Mari.«
Finnzleicbcst »Fünf Mark! Gewiß
wollen Sie i)eirnthen!?«
Naschlälzchcm
Lehrerin: »Versiel)st Du den Unter
schied zwischen lieben und lieb haben,
Hiingchen2«
»Ja, Fräulein Maina und Papa
lniben sich lieb, und Apfelmus lieb ich!«
Gut abgerichtet
1. Köchin: »Mein Korpora( erzählte
mir, die blonde Leni heirathe dem
nächst.«
2. Köchin: »So, was ist denn ihr
Verlobier?««
1. Köchin: »Nichts, ein Civilisi.«
Protest.
Künstler feinen Wechsel unterschrei
bend): »So, da haben Sie von mir ein
Aniogramrn «
GeldVerleiher: »Ne, ne, ich will, daß
Sie den Wechsel einlösen.«
Feiner Unterschied
Mutter (in’s Zimmer iretend, wo
ihr Söhnchen Fritz und ihr Pavaaei
einen ohrenbeiäubenden Lärm vollfüh
ren): Willst Du Deinen Mund,
Lorai Unddu Fris, halte gesät
ligst Deinen Schnabell«