Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 19, 1902, Sonntags-Blatt, Image 10

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Yes Falk gsamliem
Da: - s - vw
(2. FortsehungJ
, Max-by der den Arzt von dessen
Zommeraufenthalt in Baden - Baden
her kannte, bat, noch so lange bleiben
zs därfem bis Küchenhoff seine Dia
znose geäußert. Da Martha das
tantenzitnmer nicht mit betrat, so
beißen der junge Jurist ihr in Der
Isiichenzeit Gesellschaft, so gut er’s
vermochte, versuchen-, sie zu trösten·
Die Confultation dauerte lange,
Wafsiliew tarn einig-e Male zu den
seiden herüber; wenn die Thür auf
ging, hörte man dann stets den vol
ttigen Ton des Mediztnalraths oder
die matte, gequälte Stimme des Lei
denderh Der Russe berichtete, daß
Küchenhoff durchaus nicht zart mit
Bein Kranken verfahre. Er bezw-ei
felte, daß feine derbe, etwas brutale
Art ten passiven Widerstand beseitiqu
werde, den Justus allen Versuchen,
ihn zu helfen, entgegenzubringen ge
wohnt sei.
Ziemlich aufgeregt und zualseich ab
gesponnt verließ der alte Arzt schlief-,
lich den Kranken, in Marthlss kleines
Wohnzimmer sich begebend. um den
dort Verfammelten zu erklären, was
et von dem Fall hielt.
»So was ist mir mein Lebtag noch
nicht vorgekommen!«·hob er, an, sich
den Schweiß von der Stirn wijchend.
»Ein Mensch —- ketnaesund wie der
— und macht Einem solche Fissema
tenten!«
»Gesund?« fragte Martba muster
nitt. »Und«bie Lähmung?«
«Et ist nicht gelähmt!« tief der Me
bizinalratb. »Ich verstehe roch auch
noch was davon, zum Henker! Jch
habe die Glieder, die Gelenke, di
Mnstelpactien genau untersucht. Es
suntiionirt Alles tadellos. Das Erste
wäre nämlich. baß z. B. die Knie nicht
teagitten, wenn man oberhalb des Ge
lents einen leichten Schlag gegen die
Mustelpattie auf-führt. Aber es ist
Alles in Ordnung wie bei einem Gre
natiier, den man zun: Dienst ans
hebt."
»Und Herz, Lunge —- vie inneren
Organe,« — wars Herr von Ectbatdt
ein, ·sind ebensowenig assettioni!t?«
«Ein bißchen schwach mag et sich
fühlen, das gebe ich zu. Legen Sie
eiwen gesunden Menschen siir ein paar
Woche-n in’s Bett und geb-en Sie acht,
in welchem Zustand er sich befinden
wird, wenn et dann plötzlich aufstehen
soll. Ein otganisches Leib-en liegt ab
solut nicht vor.«
»Aber was ist es denn, um Gottes
Ioillen ?« rief Martha. »Es tann Doch
nicht nur seine Absicht sein, uns zu
ängstigen?«
»Seit-e Absicht — nein. Seine
Krankheit ist einzig und allein die,
Ider-iß ihm der Wille fehlt, gesund zu
m.«
»Wie soll man das verstehen?«
.Ei, et ist hysterisch. Das ist sonst;
eine Krankheit von Frauen, die nichts «
«- s«- Ins-II s» Jst-· us Ins-Is- Msssss DE «’
»·.. »W. » ..,.... »...».., -.... » »
zu gut geht.'« :
»Und Sie meinen, Herr Medizinab »
rath, wenn er den festen Willen hätte,
gesund zu werden, würde er sich aus
diesem Iustand Der Schwäche losrei:
fzen tönnen?« " · -
»Nicht mit einem Schlage. Dert
Körper ist geschmächi — so gesund die
Organe sind.«
»Und die Nerven?«
»Ja, das ist es eben: diese Art von
Menschen scheinen überhaupt nur aus
Nerven zu bestehen. Dabei ist es durch
aus ausgeschlossen, daß etwa eine Er
krankung des Gehirns mitfaielte. Ein
Mensch, der so tlar und logisch Rede
zu stehen vermag, wie Jhr Bruder, ist
geiftia durchaus ndkmal Es war
ja ein wahrer Ringtampf, den ich mit
ihm aufführte —- ein Ringtampf mit
Worten, mit Vernunftgründenf
»Hm-en Sie ihn wenigstens dazu
gebracht, daß er sich einmal erhob,
Herr Medizinalrath?« fragte Both-)
von Eckhardi.
»Schtver genug hielt«L-!« seufzte der
Arzt. »Wafsiliew hat wenigstens noch
etwas Einfluß auf ihn. So setzten
wiss also nach langem Hin und Her
durch. daß er mit unserer Unter
stüjung sich aufrichtetr. Er zitterte
aber am ganzen Leib wie Espenlauh.
Und als wir ihn losließem brach er
haltlos zufammen. Hatten wir ihn
nicht aufgefangem er würde sieh ein
Lockbin den Kon geschlagen haben.«
, em hie-einem klagte Marthe-.
E , ,Zbek wie soll das nur wert-ent« Es
Mai-os- einen Weg geben, um ihn
, zu straften zn bringen?«
»Warst-en Sie mir: ei liegt lediglich
its thut W Der Arzt man-g da
Mskchtt Wfiliew sagte Init, was
tt MW habe. Elektrizität
ist Ist-W ageebenfowei
. H U :
g -- Miit- »e- in
’ darin bereitet sich
W, «« ba- sie-nimm
-
’sein Körper nicht so erstaunlich wider
standsfähig wäre. Aber gerade das
birat eine doppelte Gefahr in sich:
diese Kräfte ver-brauchten sich nur lang
sam. und wenn der Unglück-mensc
-dauerndern Suchtlgmn verfällt, dann
stönnen ihn seine zwanzig, dreiseia
TJahre an’s Bett-fesseln Weinen Sie
nicht so herzzerdrechend, Fräulein
Spuren gar so schlimm wird’S ja weht
Znicht werden« Sie müssen eden selbst
dazu beitragen dasz der Patient wie
der Lust acn Leben sindet.«
:,.Lust am Leben!« sagte Martln
;ditter. »Sie wissen doch, was er
s durchaemacht hat-«
« »Freilich, freilich. Die ganze Stadt
war ja damals voll von dem schauer
lichen Fall. Jch hab’ ihm doch noch
selbst gerathen, aus Reisen zu gehen.
jZersiveuuna, Anregung zu suchen ·
IStatt dessen bringen sie ihn nun in
leinem solchen Zustand heim. Es ist
kein Jammer. Ader unthötia dürfen
tSie nicht bleiben. Denn das tann ich.
,Jhnen, so räthselhast der Fall mir
fsonst ist« versichern — verharrt der
Unglückliche in seiner Lethargie, dann
lschrdinden seine Kräfte zusehends.
ksakm wird es schließlich nicht mer
Einbildung, iranthaster, thörichter
Wahn sein, daß er sich nicht mehr er
heben kann, sondern arausame Wirt
lichteit. Und wenn er später einmal
endlich den Willen, wieder gesund zu
werden, wieder atn Leben Strudel zu
nehmen, fände — dann ist er i wi
I schen «thatsåcpliess · un·si»jl;ig. 'gen«)»drden,
""------sv-s---—
chk Iemc Deuslcuh uorl Irmsr Acri-u
zu gebieten-— dann ift er, mit einem
Wort, wirklich gelähmt!«
i Die beiden Herren nahmen an Der
Verzweiflung der jungen Dame inni
gen AntheiL Herr von Eckhardt b-:
ltheuerte ihr, daß er zu jedem Opfer
bereit fei, welches sie von ihm verlange,
daß sie, um dem Unaliictlichen zu hel
fen, iiber feine Zeit, wie immer sie
wolle, verfügen sollte. Auch der Me
dizinalratb erklärte, daß er trotz der
barfchen Aufnahme, die ihm der
Kranke zunächst bereitet, jederzeit ge
neigt fei, ihr mit Rath und That bei
feite zu stehen· Leider aber lönne ein
Fremder — wie die Verhältnisse au
genblicklich lägen —- feiner Ansicht
nach gar nichts ausrichten. Sie felbft
müsse, in Gemeinschaft mit Wafsi
lieu-. auf dessen Wart der Patient noch
am eheften zu hören scheine, dem Mith
fel auf die Spur zu kommen suchen
Stunden währte es nach dieser
Confultation, bis Martha wieder ei
nigermaßen ihre Fassung fand.
Sie zermarterte ihr Hirn mit der
Frage, wie sie auf den Bruder Einfluß
aewinnsen könnte. Er war apathifch,
hörte kaum zu, wenn sie irgend ein
Thema anschlag, von dem sie ange
nommen, daß es ihn interefsiren
müßte.
Ein inneres Leben verrieth fein
Auge nur« wenn Sauf-II Name in ir
gend einer Verbindung genannt wur
de. Dann fah man feinen qequiilten
Zügen an wie er sich in feine Erinne
rungen vertiefte, bis ihn ein trampf
artiger Anfall erfaßte und ihn in
fchmerzliches Weinen ausbrechen ließ
-S1e vermied eg don- nun an ak—
stissentiich ten Kranken auch nur rnit
einer Silbe an Sonja zu erinnern.
Was sie aber nicht verhindern kannte,
war dies, daß Wassiliew mit ihm über
die Todte sprach.
Lange kämpfte sie mit sich. Sollte
sie vor den Freund ihres Brucerg hin
treten und ihn darum bitten, die Ver
aanaenheit nicht mehr zu berühren?
Hatte sie ein Recht dazu? Und war eg
nicht grausam?
Jnnig hatte Gabriel Wafsiliew
seine Schwester geliebt. Sei n Schmerz
um ihren jähen Tod war-Zaum gerin
ger gewesen als der des Bräutigams,
wenn er auch in feiner verschlossenen,
in sich getehrten Art es nicht so nach
außen zu erkennen gegeben hatte, wie
der damals so exaltirte Justus
Zwei Seelen wohnten in ihrer
Brust Sie hatte Mitleid mit dem
Russen, und Etwas wie daß erfüllte
sie trotzdem mehr und mehr gegen ihn.
Er hatte aus der aanzen Welt Nie
manden besessen als die Schwester,
von der er sich geliebt wußte. Und die
Erinnerung an dies unglückliche We
sen wollte sie ihm rauben? War sie
nicht so schon seine Schuldnerini Mit
wie aufopferungsvoller Treue nahm er
sich ustuk an! Und noch nie hatte
siei m ein wirklich herzliches Wort
gesagt — all seine stummen, stehenden
Werk-ringen hatte sie taro-riet.
Aber gerade die Macht, die er mit
der Zeit til-er den Kranken gewonnen,
war ei, die ihr Furcht einiagth und
die sie Um Widerspruch herausspr
derte.
Eines Tages, als sie Justuj wieder
in Thränen ausgelöst antraf, saßte sie
sich ein ez nnd siihrte eine Aus
sprache m dem Nu en herbei.
Sie erinnerte i an die ernsten
Worte-, die deris dizinalrath gesagt
hatte- MM mit dem Leidenden zu
Gleichgewicht wie
Tie- its-m legte sie
schtivrnrer und
Ists-W WITH-M
anßiiew hörte fie unenhig nn.
»Seit-en Sie wirtlich nicht die Em
piindnng«« begann et, nachdem sie in
Ende gesprechen in sichtlicher Vernim
mnngx »daß es mein einzi i Sinnen
nnd Trachten ist, Iehrenä ruhet dem
Leben wiederzuichentenf Bei ist mir
denn geblieben als feine Freundschaft?
Was ich geliebt hatte, ist vom gean
figen Tod hinweggerafft worden. Und
was ich sieben möchte. hleiht talt und
unerbittlich."
Gequält wich Marthe vor ihm zu
riiet. Sie konnte den flackernden Blick
fein-er Augen« hie von einer inner
lichen thth Zeugnis gaben, nicht er
tragen.
Fräulein Marthn,« fuhr er leiser,
dringlich und in behendem Tone fort,
»Sie hassen michs«
Sie machte eine unbestimmte Be
wegung. Er that ihr in dieser Mi
nute wieder unsaghar leih. und doch
brachte sie’s nicht iiber sich. das Wort,
das er da, in ihrer Seele lesend. aus
gesprochen· zuciickzuweiiern
»Ich hin der festen Ueberzeugung.
Wafsiliewf tagte sie, noch immer mit
sich ringend indem sie ihm auswich,
«"d-nß Sie es gut mit meinem Bruder
meinen —- nun ja denn, und auch mit
mir -—, oder ich habe das quälende
Gefühl, das-, Sie Dsem Kranken gegen
iiber nicht die rechte Akt haben. Er
mag selbst glauben daß es ihm Lin
Perung und Trost bringt, mit Jhnen
äher die arme Sonja zu sprechen, sich
in tausend- Erinnerungen zu vertiefen,
um ihr Bild immer von Neuem wies
Pu- nsrs III- okccshsn »- inssss END-«
hat der Kranke denn eine klar-e Vot
stelluna von dem. was ihm gut ist?
Sie sind Arzt — Sie sind mit K« then
hofi derselben Ansicht, hasz ein seeli
schea. tein körperlich-es Leid-en bei ihm
vorliegt — also seien Sie auch Seelen
arzt. Dulden Sie nicht, daß Justus
immer und immer roter-er jener Epoche
nachhiingt. Diese fortgesetzten seeli
schen Aufregungen sind Gift siir ihn
Ich fühle es — ich weiß es. Darum
beschwöre ich Sie. bieten Sie Ihren
ganzen Einfluß aus, im Justug mit
Gewalt davon loszureißeu.«
Sie hatte sich in große Erreauna
gesprochen Wassiliew senkte seine
Blicke, selbst mehr unt- mehr bewegt,
in die ihren.
»Als-) sprechen Sie es ruhig aus,«
sagte er ties ausathmenh, »Sie haben
tein Vertrauen zu mir.«
- Sie antwortete nicht. Sein Blick.
der aus slammendem Antliß tam
zwang sie, die Lider niederzuschlagen
»Martha,« hob er, die Stimme sen
lenh, wieder an, »ich will Sie in Alles
einweihen, will Jhnen darlegen, wie
und mit welchen Hülssmitteln ich Ih
ren armen Bruder dem Leben, der vol
len Gesundheit wiederzugeben hoffe.
hören Sie mich an. Dann werden
Sie erst verstehen-» Und ich ver
traae Jhr Mißtrauen nicht. Es liihmt
mich, macht mich selbst traul. Denn
ich —- lassen Sie’s mich doch endlich.
endlich Ihnen gestehen . .. ich liebe . .«
Es was ihr heiß und kalt ist-ergehn
lausen. Ihr erregtes, trohiges Verbot
hatte ihn gezwungen, abzubrechen. Sie
streckte ahwehrenh die hände nach ihm
aus. »Nicht, nicht —- ich oulde es
nicht, daß Sie so zu mir reden! hö
ren Sie, Wassiliew?«
Mitten im Zimmer war er stehen ge
blihem .Matt liess er die Arme herab
sinken. Nun schien er sich zu schämen.
daß er sich von der Leidenschaft der
art hatte hinreiszen lassen.
Draußen näherten sich Schritte.
Das Stubenmädchen pochte an; es
hatte ein-e Meldung für hie junge her- s
rin. . .
Ei Mit-»- in- smssswu »r-« mer
ab -— kenn der Gedanke. sich nach dein
Vorgefallenen obre weitere Ans
sprache von Martha trennen zu sollen,
war ibrn veinvoll und deinkjthigend —,
und dann tani er bittend wieder aus
sie zu·
»Sie haben recht, Martha, ich ver
gaß mich. Und ich will Sie doch nicht
beänastigen. Sie sollen das unbe
dingteste Vertrauen zu rnir haben. Jch
gelobe Ihnen, Martha, daß ich Ihren
Bruder heilen werde. Aber geben Sie »
mir Zeit. Jch habe seit vielen Mo
naten mich mit Studien beschäftigt,
vdn denen Küchenhoss und die Anderen
nichts ahnen. Jn den letzten Tagen
tst es mir nun ganz tlar geworden,
welchen Weg ich einzuschlagen habe.
Justus bat seineWillenstrast verloren.
Lassen wir ihn so weitervegetiren, so
ist er unrettbar verloren. Deshalb »
muß er unter den Willen eines Andern »
gezwungen werden — er muß gehor- i
chen lernen. Und ich werde ihm beseh- !
len, das zu thun, was zu seiner Gene
sung beitragen wird.« ·
Wieder war es der sinnende, mnsti- .
sche Ausdruck seiner blauen Schwär- J
meraugetn der sie in einen seltsamen’
Bann hielt. Sie verstand nicht recht.
was er da sagte, wie er das meinte, es i
erschien ihr zuerst wirr —- siewollte;
lächeln, aber das Lächeln erstarb sofort i
wieder aus ihren Lippen, als sie den ?
diisteren, irn Augenblick sast sanati-,
schen Zug seines Angesichts sah. s
»Wie —- soll ich das —- verstean«
fragte sie betreten, sast stammelnd. (
Er wies nach der Krantenstubr. t
.Sie wissen, daß ich seit Jahr und
Tag an einein grossen Wert arbeite.
Wenn Justuö meiner nicht bedurfte,
war ich immer mit Studien sehr ern- s
ne- erki bescheinigt Ich sieh- nkkz pp: t
der Lösung eines tat-lernt mit dein »
sich seraDe in den ehten Jahkeu schon s
Mache Herste, manche Philpsppäeens
equölt haben, ohne hinter die - .
, nMe en Ismene-n die die gewaltiae i
- - r» m are-Mars Menschenmist
dern bisher auf effort hat. Wissen
Sie, mai Mut- e
Sie Eiserhdlte des Wort zögernd
»Gewiß. Eine Art titnftlich erzeugten
Schlaer
rsusiand dieer Schlafe-s ist
nur die nuhere Form fiir ein nni fd
intensiveres Jnnenleben«« fuhr der
Rasse fort. .Ueber das Befen der
Hypndfe ist ichdn diel hin- und her
geftritten worden. Blei in dem einen
Punkte sind Alle einig, die überhaupt
unter dWiäuhigen zählen: daß in der
thndse der Wille des Meikrs auf
das in deå Schlaf verfentte Medium
til-ergeht dafi dieses gewissermaßen
das Instrument des Wisens feines
Meisters wird. "
Wieder hefchlich Martha jenes un
heimliche Grauen ddr dem Rassen.
Schritt fiir Schritt wich fee ddr ihm
zurück.
»Und Sie wollen sich alsd.« begann
fie stockend, »zum Herrn des Willens
meines Bruders machen —- oder die l
inehr ihn durch die Hydnofe zwingen
Ihrem Willen zu folgen»
FestenAuaes blickteWafsiliew sie un.
»Ja. Marthe-, ich will ihm den Wil
len zu leben übertragen, will ihn
durch die Suggeftion zwingen, Alles
zu thun, was zu feiner Genesung bei
trägt.«
«Durch die Suageftidn —- in der
Hypnofe?« fragte Martha atbemlo5.
Dir Rasse bejahte kurz und ernst.
Eine Pause entstand. Martha fühlte
ihre Kniee zittern. Es fröftelte fie.
Sie ftreclte die Hand nach einem Sei
fel auf-.
»Was ift Jhnen ?« fragte Wale jem.
»Ich —- -- fürchte mich!'« gestand
Martha ein.
»Daß ich die Macht« die ich über
Juftus gewonnen, anwenden werde,
um feine Heilung herbeizuführen, -——
das könnte Sie fürchten machen?« Ein
schmerzliches. bitteres Lächeln zeiate
sich aus seinem bleichen Antlin. »Alio
genieße ich Jhr Vertrauen doch nicht!«
setzte er leise, fast nur flüsternd hinzu.
Martha tömpste mit sich. »Sie sind
ein Mann der-Wissenschaft —, ich habe
nur das instinktive Bangen des Laien
oor geheimen Naturkrästen, die Ihnen
vielleicht keine Geheimnitse mehr sind.
Jch kann mich Jhnen nicht so recht er
klären. Vielleicht ist es thöricht, lä
cherlich von mir. Aber ich siible talte
Schauer iiber mich tommen, wenn ich
Imir vorstelle, daß Justus so das wil
lenlose Werkzeug eines fremden Wil
lens —- wie Sie vorhin sagten —
werden soll. .Und wenn Küchen
hoss davon hörte «
»Er da rf es nicht erfahren!« rief
Gabriel Waisilieto sast heftig. »Auch
Justus selbst soll es nicht wissen. Jch
will nichts weiter als Jhr Vertrauen
Marthen «
»Mein Gott,« sagte sie beunrubint,
»wie diirste ich allein eine solche Ber
antwortung iiber mich nehmen!«
»Es ist keine Verantwortung da
bei. Aüchenhoss hat Ihnen eingestan
den, er sei unfähig, Ihren Bruder zu
retten. Nun woh, aber ich sichere
thnen zu, daß ich ihn rette. Zu ver
klieren ist also Nichts —- blos zu ge
.winnen. Willigen Sie eini«
« Sie preßte die hände in einander,
blickte sich angstvoll um. »Ich — weiß
nicht«
«Jch setze mehr ein als wissenschaft
liche Ehre,« sagte Waslilieto, seinen
Ton dämvsend, »ich setze Alles ein,
was mir überhaupt noch zu verlieren
und zu gewinnen bleibt in meinem Le
ben: die Freundschaft Jhres Bruders
und. «
Wieder entwand sie sich seiner Wer
bung. »Sie sollen nicht so zu mir
sprechen!« ries sie voller Verzweif
lang. »Schonen Sie mich, ich stehe
Sie an."
»Aber« Sie glauben an michm
Er stand zitternd vor ihr. Sie
fürchtete sich vor der Leidentcheft, die
in ihm tobte.
»An Jhren ehrlichen Willen — nun
ja, ich will es versuchen . . . ."
Abermals qab’s eine Störung. Das
Mävchen kam fragen, ob der Besuch
denn nicht empfangen werden sollte.
Sie hatte ihn in das Wohnzimmer der
jungen Dame geführt.
Mißmuthig nahm der Nusse die
Karte auf, die er vorhin ’oem Mädchen
abgenommen und achtlos auf einen
Tisch geworfen hatte, und reichte sie
Martha hin
Jnt selben Augenblick, in vem Mar
stlja den Namen gelesen, entrang sich
ihr-en Lippen ein freudiger Ausruf·
st,,::zalpanne"v — Johannes Brate
i 'B.«
Sie eilte nach der Thür, frohbe
wegt, mit einem Schlage wie ver
jüngt.
Wassiliew sah sie ganz verstört an.
»Was ist’s mit dem Fremden?« fragte
er, vieAugenbrauen zusammenzichenv.
Ali sie sich nmwandte und in sein
vergriimtei, oiiteres Antlitz sah, wich
ihr Frohmuth vfort wieder, und ein
leichtes Frösteln überlief sie
«Der Bildhauer —- der junge Leh
rer —- aus Reßlingem dem Schwarz
walvdorf — von dem ich Ihnen voch
schon sprach«
Sie brachte das sehr verwirrt vor
und rollte sich selbst, daß sie sich nicht
zu an en vermochte.
,, O,l) Ihr — — Freunv!« sagte
der Ru sie.
Ei lag kein Spott in feinem Ton,
ali er dieses Wort vorbrachte —- eher
Ver toeiflung.
artha hatte bereits die Thür ge
fonet. Sie hörte Zog-eines mit feiner
. treu txan Stimme
en WRamen anirusem S sie sich im
RI- Mxåtnitbet ohne sich wei
ter nach Besitle ums-sehen, nnd
hielt dein wnrzroiilder ihre beiden
dönde hin. er herzhaft brüste.
Also hohen Sie doch Dort gehal
ten, schon-reit« sagte sie Stahle-M he
wegt —- und dabei traten ihr bit hellen
Thrsrsen in die Augen.
Die Thiir hinter ihr war in's
Schloß gesellen.
Mitten irn Zimmer, das sie verlas
sen, stand Gabriel Wassiliew und
starrte die Thiir an, durch die sie ent
schwunden, —- als ob er das Gesche
hene nicht fassen könne.
3. K a p i t e l.
Während der herzlichen Begriißung.
des fröhlichen Plaudernz, der hundert
Fragen, die Marthe dem hinsank-Einst
ler stellte —- iiber sein Schwarzwald
dors, seine Mutter-, seine Arbeiten —
vergag sie beinahe ihretltngebung. Wie
ein Sonnenstrahl trübe Nebel ver
scheucht, so brachte ihr die Antunst des
Munde-h glückstrahlenben, warrnhers
zigen Menschen eine Art innerer har
monie, die sie so lange, so lange schon
schmerzlich vermißt hatte.
«Aber rnie Frage des Bei-cis nach
« ustus zerriß dann schnell die rosigen
Schleier, Durch die sie in den paar Au
genblicken des Vergessens Die Welt ge
sehen hatte. Erschrocken entfann sie
sich, Daß es in diesem Hause du«-Trauer
tein fröhliches Antlitz geben durfte.
Sie sant wieder ganz in sich zusam-:
men. Bekümmert offenbarte sie dem
Freunde, wag- sie fjtr grausaan Zeiten
durchgemacht hatte, seitdem sie sich an
jenem wundervollen Sommermorgen
getrennt hatten.
Staunen-, voll Schreck und Theil
nahme, in wachsender Erregung
c-.-k-c.e- I-L«--«H .
« , —————
·U"IW D FI· «W »
Ein Luftschlofz das er in seinen
tühnften Phantasien erbaut, brach da
in sich zufammen! Er brauchte
lange, bis er seine Fassung einigerma
ßen wiederfand. Dann aber sagte er
traurig:
»Und Sie haben mich die ganze
Zeit über in oetwegener Hfonung ge
lassen, ohne mir mit einem einzigen
Wort zu verrathen, wie die Sachen
hier standen! Wollten Sie mich nicht
in’s Vertrauen ziehen —- oder hatten
Sie mich ganz vergesseni·'
Sie konnte ihn nicht so gedrückt
sprechen hören. Rasch gab sie ihm ihre
band und sagte herzlich, wieder einen
Aufschwung nehmend aus ihrer eige
nen Niedergeschlagenheit: »Sie sollen
mich nicht mißberstehen. Ich habe oft
an Sie gedacht und in alter Herz
lichkeit. Manchmal wollt’ ich Ihnen
auch schon schreiben. Aber-, ehrlich ge
sagt, ich fand den Muth nicht« Die
grausamen Prüfungen, die ich hier zu
bestehen hatte, entfernten mich so weit
von der wundervollen thlle, die der
Sommer mir geschenkt hat, daß es mir
wie ein Frevel vorkam, all’ mein Leid
mit iiber aie Menschen zu bringen, an
deren sonniger Stimmung ich mich
selbst so erwärmt, so erhoben hatte.
»Berstehen Sie mich? Die Erinnerung
«an Jht liebes Schmarzwalddorf war
fiir mich eine Oase in der Wüste-«
Das waren offene, herzliche Worte,
die den einfachen Menschen rühren und
zu Dank bewegen mußten.
»Aber nun ich da bin," sagte er
dann herzlich und in bittendem Ton,
..werden Sie mir doch auch wieder
Antheil an der Gegenwart geben —
nicht nur an der Vergangenheit?«
Sie lächelke trübe. »Wenn die Ge
genwart nur nicht fo unfagbar trau
rig wär-e.« Eine Weile blickte sie fin
nend vor sich nieder· »Aber es ist mir
doch wie eine Fügung des himmels,
daß Sie gerade jetzt gekommen sind —
gerade heute.«
Es beunruhigte ihn Etwas in ihrem
Ausdruck. »Sie haben noch andere
Sorgen als die um den Kranken?«
fragte er zögernd.
Eine Weile blieb es still. Sie seufzte
nur leife auf und erhob die Hände zu
den Schläfen.
Johannes war ausgestanden. Er
deutete nach der Thür. «Wassiliew ist
mitgelommeni —- Um ihn handelt
sich-si« »
Es kam zu keiner weiteren Ausspra
che, denn der Russe stellte sich, nachdem
er das Mädchen mit einer höflichen
Anfrage hereingeschickt hatte, selbst ein.
Nichts verrieth die gewaltige Aufre
gang, die in ihm tobte, als er »seinem
Nebenbuhler geaeniibertrat, sichJ
freundlich vernergenb, wankend Mar
tha die Vorstellung besorgte.
»Justus empfängt sonst keinen Be
such,« sagte sie dabei zu dem jungen
Künstler, »aber mit Ihnen wird er
eine Ausnahme machen. Laffen Sie
mich nur zuerst bei ihm ansragen. Er
ist ein bischen eigensinnig, wie ich
Ihnen schon fagte.«
Während sie beim Kranken weilte,
gab es zwischen ben beiden Zurückge
biiebenon nur eine ftoctende, froftige
Unterhaltung. Der Russe war dem
jungen Schmarzwäiber sofort unsym
pathisch. Johannes sagte sich fa. baß
es blos bie Eifersucht war, die ihn den
Anbeter Marthcks so kritisch betrach
ten machte, aber die kühle, böslich
glatte Art des Andern mißsiel ihm
durchaus-.
Inzwischen hatteMaeiha keine leich
te Aufgabe dem einensinnigen Bruder
gegenüber durchzuführen Sie mußte
ihn daran erinnern, das; Johannes
Brate ihr das Leben gerettet, daß sie
ohne-dessen Aufopferung elendiglich im
brennenden Schulbaus zu Mßlingen
umgekommen, im Rauch erstickt wäre.
Jusius willigte endlich ein, denbars
renden zu empfangen. Aber Martha
merkte Mi, wie schwer et ihm ward,
seine Abneigung gegen neue Bege nun
gen in überwinden Aengftlich arrie
iki
er nach der Thin — der Mk
perlte auf feinersrusi. Oerubiat schien
er erst, als er hinter dem Sckttvartwsls
der feinen Freund Gabriel eintreten
sah. -
Der junge Kitnstler war der ethi
chen Bewunderung sttr das Tatent M
so rasch berühmt gewordenen Justvs
Spener voll, sin ein Talent. das nun
brach lag, nachdem es so Schönes gie
ichaiiea. - »
Es waren also keine Durchschnitte
pbrasen, die er oern Kranken ilber setz
ne, von ihm oft bewunderte Gruppe
im Schloßgarten sagte. Wie er dorti
ber sprach, was er hervorheb, bewies,
hager ein zielsicheres Urtheil besass.
ustus tbat die warme»Ilnerten
nuna, die ihn an längst, Wulst Mk
aanaene Zeiten erinnert-, wohl —
gteichzeitig schien sie etwas BUNTER
des, Aufreizendes für ibn zu haben.
»Meine Schwester sagte nur« daß
Sie zu Schwartzlopfs wollen« brachte
er nervös und ungeduldig hervor. »Da
werden Sie böse Dinge über mich »du
hören bekommen. Der Professor schrieb
mir einmal — baha —- es war schM
eine Lust, sich vorzustellen« wie er
dabei wittbete, außer sich war, mir
nicht sein Bossirbolz an den Kopf wer
sen zu können. Er ist inaleos erbittert
gegen mich — arn liebsten brächte er
mich um. Er tann es nicht überwin
den, daß ich sein Atelier verlassen ba
be. Und wie ungerecht er sriiber meine
Arbeiten beurtheitt hat!«
»O nein, Herr Spener,« wider
sprach Johannes, »der Professor sagte
mir noch heute sriib, Sie seien sein ta
lentoollster Schüler. Er war nur
außer sich. baß Sie sich garnicht wie
der bei ibm blicken ließen. Das-, Sie
tranl seien, wußte er aiso wohl gar
nicht.«
»Ich wollte nicht, Daß er’s erfährt.
Jch wollte ihn mit Absicht traute-n
Weil ich die Kunst hasse —- ja basset"
Er regte sich derart auf, daß Was
siliew zu ihm treten mußte, ibn zu be
set-wichtigenn
Martba war überrascht, zu hören,
daß Johannes bereits beim Professor
aeiveten war. Um das Gespräch von
Juftus abzulentem fragte sie ihn nun
gleich, wie er dort aufgenommen wor
den fei, und wie sich Schwartztopff fei
nen weiteren Lehrgang denke.
Frei-nöthig fchilderte der junge
Künstler feine Erlebnisse. Eine ar
beitsreiche Zeit lag hinter ihm. Sein
Münstermodell war fertig. Das wa
ren aber Feierstunden für ihn gewesen,
während deren er an diefem schwieri
gen Wert gearbeitet hatte. Seine
hauptbefchäftigung war gröberer Na
tur gewesen. Er hatte nur mit Zu
hiilfenahme vieler Nachtstunden die
Schnißereien fiir die Möbeliabrit noch
zum gefordertenTermin abliefern tön
nen.
»Aber jetzt aihme ich frei auf,'« sagte
erzu den Gefchwiftern, während es
fröhlich in seinem Antlitz ausleuchtete,
»ich bin für ein paar Monate sicher
geftellt, braishe vorläufig nicht wieder
zum handwert zu greifen, um mich
durchzufchlagem lann mich oEillia der
Kunft widmen, und der Professor will
sogar feinen Einfluß aufbieten, dafz
das Kunstgewserbemufeum mein Mün
stermodell antriqu Dann wäre ich
auch der letzten Sorge für die Zutunft
ledig.«
Es lag eine folche Frifche in feiner
ganzen Erscheinung« eine folche Le
benstraft in feinen Anschauungen, daß
ein größerer Gegenfafz als der zwi
fchen ihm und den beiden Männern,
die das Zimmer mit ihm in dieser
Minute theilten, nicht wohl denkbar
war. Seltsamerweise fand Juftus
mehr und mehr Gefallen an ihm, nach
dem die erfte Fremdheit aewichen.
So energifch er immer erklärte, daß
er jedes Interesse fiir die Kunst ver
loren habe, insgeheim befchiiftigte ihn
doch noch manchmal diefe und iene
Frage, die er in früheren Zeiten mit
dem originellen Professor erörtert hat
te, und über die es zwischen ihnen zum
Streit gekommen war. Und fo brachte
die Anregung, die Johannes dem
Kranken gab, es denn dahin, daß Ju
stus -—-— zu Marthckg nicht geringer
Verwunderung aber heimlicher Freu
de sich alsbald in ein fachmänni
fcheg Gespräch mit dem Besuch ver
senkt-:
Als Johannes dann endlich aus
brach, begleitete ihn Martha selbst bis
in’s Treppenharrs. Dantersiillt preßle
sie beim Abschied immer wieder seine
hand.
»Oh. ich ahnte es ja,« sagte sie, wie
erlöst ausathrnend, »daß Ihr Einfluß
von Segen sein würde siir den Un
glücklichen. So lebhast habe ich ihn
überhaupt noch nicht gesehen, seitdem
er von der Reise zurück ist. Sie kom
men bald bald wieder, nicht wahr?
Und das nächste Mal wiro Justus mit
Ihnen übers Atelier sprechen. Dann
werden wir Sie immer in der Nähe
baben.... Ach, ich bin ja so glück
lich
Auch Johannes siihlte sich erhoben.
Er war in ziemlich gedrückter Stim
mung hergekommen. So überraschenb
Æniidig die Ausnahme von Seiten des
rofessorz gewesen war —- die lange
Trennung von Martha hatte eine ge
wisse Bangigkeit in ihm gezeitigt Viel
leicht war er mitlornrnt den glückseli
gen SommersPlauderftunden längst
oergessent
Von neuen hossnungen belebt, ging
er nun heim. Er hatte sich in der
Bahnhosvorttadt eingemiethei. Es war
ein sauberes aber sast Widriges-Quar
tier bei einer armen Bahnbeaintens
tMv .
w . Gortsesnug solgtj - «