Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 05, 1902, Sonntags-Blatt, Image 13

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    Erzählung von H. Th. N.
Rechtsanwalt Wilms tiingelte und?
der junge Müller öffnete die Entree-;
thiir. I
»Na«, sagte Wilms, ,,ist der hohe
Iarnilienrath versammelii Wandelt
der Oerr Geheiniraih aus dem Kriegs
pfade oder raucht er die Friedens
pfeife?«
»Na fa«, sagte Ernst Müller, nach
dem Wohnzimrner schielend. »Der
gnädige Onkel ist vornehm wie immer.
Er ist bei dem Grafen Jrenstein zu
Mittag eingeladen und hat es so eilig,
daß er nicht einmal Hut und Stock
sortgelegt hat. Die theure Tanie,
Der kleine yankeeiff , (
Frau Oberregierungsräthin, füllt drei
Viertel ds Wohnzimmersk mit ihrem
Korpus und das Ganze mit ihrer Her
ablafsung Vater ist ganz platt ge
drückt von so viel Größe und bat sich
in die Ochsenecke verkrochen. Sind dac
die Papiere?« fragte er, auf eine Mark
pe zeigend, die der Rechtsanivali unter
dem Arm hatte.
»Ja, das ist sozusagen die Fatura
des tleinen Ainerilanerg. Was macht
denn der Junge?«
»Er hängt feiner Großmutter den
ganzen Tag am Schürzenbandr. Ach,
Herr Rchteanwali," sagte Ernst bit
tend, »Sie müssen es so machen, daß
Mutter ihn behält.«
»So machen,« wiederholte der
Rechtsanwalt, eine Grimasse schnei
dend. »Glauben Sie, das-, man es
anders machen kann, als die Eltern es
bestimmt haben?«
»Hören Sie,« sagte Ernst, den
Rechtsanwalt wieder auf den Flur
hinaus-ziehend, wobei et die Thür hin
ter«stch schloß, denn er war zu eifrig,
um leise zu sprechen, »Mutter tann
nicht ohne den Jungen leben. Sie
versteht tein Wort Englisch und er
kein Wort Deutsch, aber Sie glauben
nicht« wie sich Beide lieben. Sie sagte
heute zu mir: Es war schon schwer
siir mich, Emma herzugeben, aber es
wird mir ebenso schwer werden, wenn
sie mir nun ihren Jungen wegnehmen.
O, wir müssen versuchen, es so zu
machen, das-, sie ihn behält.«
Der Rechtsanwalt trommelte mit
den Finaern auf der Mavvc
,,Er ist nun einmal weatestamentirt,
der Junge —- nach der anderen Seite.
Scineseee
Seines Vaters Familie soll ihn haben,
entweder der Herr Geheirnrath oder die
Frau Oberregierungsriithin. Jhr
guter Schwager legte großen Werth
aus seine vornehmen Vertvandten.«
e Ernst Müller schüttelte seuszend
den Kopf und sah ganz unglücklich
aus.
Plötzlich schnitt der Nechtganmalt
eine Grimasse, pusste ihn in die Seite,
daß er vor Schrecken einen Lustsprung
mmachte. und sliisterte:
»Es ist möglich, das-, ich ihnen den
kleinen Yantee doch noch entreiße.«
Taran setzte er wieder ein würde
volles Gesicht aus und ging its
Wohnziminer. «
«Guten Tag, Herr Get)ei-nratt)« »
ist mir eine Ehre guten Tag, mitt
dige Frau —- srent mich. « Nun,
wie geht’s, herr Müller, behalten Sie
nur den Kopf oben. Na, Meister
Johnnyt how do you do, my boyl«
Der tleine Ameritaner, der sich hin
ter den Rücken seiner Großmutter ver
schanzt hatte, nickte ihm ernst-hast zu.
»Ich —- schlage vor, — daß --- das;
«——daß —- tvir gleich asfsangen«,
k--«. k» ruhen«-»An ihm-km Dip
,-,,.. .-.. »..,...·....., . .......... ,,.
ses Stottern war jedoch tein Naturieh
ler, sondern geschah aus Pietiit gegen
einen stotternden Prinzen, in dessen
Familie der Geheiiiiratl)« spare-arti
war. »Ich muß zu Mittaa zu Mit
tag bei -—- beim Grafen « Jr —
Jxenstein·«
»Ach ja liebr Wüng seufzte der
alte Müller aus seiner Oseneete, ,,san
gen Sie an, damit wir die Geschichte
endlich überstanden triegen.«
»Sol! geschehen,« sagte der Rechts
anwalt.
Er stellte sich an den Tisch, legte
seine Papiere oor sich hin nnd sah sie
durch. Bevor er anfing, zu sprechen,
überstog sein Blick die Zuhörer. Ernst
stand mit einem ruhigen, aufmerksa
men Gesicht da. Sein Vater sasz zu:
sammengesunten da, in der ergebenen
Erwartung, welcher Schlag ihrn nun
wohl beschieden sein möge. Die Trauer
über den Tod der Tochter hatte den
ohnehin nicht starten Mann vollstän
dig gebrochen. Frau Müller blickte
gedankenvoll und wehmüthig den tla
ren Foühlingjbimmel an. Sie hatte
Thränen in den Augen und es war
nicht schwer zu errathen, wo ibre Ge
danken weiltenf Der Geheimrath war
die Ausinertsamteit selbst und die
Oberregierungsräthin betrachtete
durch ihr Lorgnette Johann, der ihren
Blick nicht gemüthlich fand und sich
hinter seiner Großmutter versteckte,
die liebtosend sein Haar streichelte·
»Es ist ja,« begann der Rechtsan
walt, »in diesem Kreise lau-n nöthig,
die traurige Veranlassung zu brühren,
welche uns in erster Linie heute Zu
sammensührt. Als wir vor taum ei
nein Jahre die Tochter unserer lieben
Freunde zuleht hier sahen, glaubte
wohl Niemand von uns, das; sie den
ihrigen schon so bald durch den Tod
-.-.-- -,—---—.—.-—...-. - «» --—— --«.-- «
entrissen werden und daß ihr Mannk
so schnell folgen würde.«
Er nahm seine Brille ab und puhte
die Gläser
»Was ich hier habe,·« fuhr er in ge
schäftsmäßigem Tone fort, «ist teine
eigentliche testamentarische Bestim
mung, — wenigstens in dem Sinn des
Gesetzes. Jch glaube jedoch, daß alle
Betreffenden den in diesem Dolument
enthaltenen leßten Willen der Verstor
benen respektiren werden. Es wird
darin der Wunsch ausgesprochen, daß
das einzige Kind des verstorbenen
Herrn Friedrich Ristow und seiner
Gattin, — Johnny, entweder von sei
nern Onkel, Herrn Geheimrath Ristow,
oder von seiner Tante, Frau Oberte
gierungsräthin Bergen aufgenommen
und erzogen werden möge oder aber,
falls diese sich nicht dazu verstehen
sollten, von feinen Verwandten mitt
terlicherfeits, also den Großeltern.
Bitte, wollen Sie es durchlesen, Herr
Geheimrath.«
Der Geheimrath nahm das Belu
ment und las es, wobei sein Gesicht
etwas lang wurde.
Die Oberregierungsräthin saß ganz
still und wurde immer röther Zuletzt
kochte sie über.
»Ich finde es im höchsten Grade
riicksichtslos von Friedrich, daß er teine
feste Bestimmung getroffen hat. Es
tann doch gar tein Zweifel darüber
herrschen, wen er gemeint hat. sonn
ny, mein tleiner Freund, komm mal
her zu mir«, unterbrach sie sich, mit
einem Versuche, durch persönliche Lie
benswiirdigieit zu wirken.
Aber Johnny, der das allen kleinen
Knaben angeborene Entsetzen vor star
- ten Damen theilte, versant noch tiefer
hinter seinem Wac.
»Ist das -«— das —— das alles?«
fragte der Geheiinrath etwas unsicher
und schlug das Papier zusammen.
»Wie meinen Sie das, Herr Geheim
rath?« fragte der Rechtsamvalt etwas
ischelmisch
»Nun ---- hin — ich — ich meine,
fes miissen doch noch — noch neidete Be
» stiinmungen ex —-- exist --e1istiren«.
" »Jn welcher Richtung verehrter
tHerr Geheimtath Die Bestimmung
; ist ja klar. Zwei Personen »s— entschul
digen Sie den technischen Ausdruck-—
; zwei Personen werden gefragt, ob sie
’den Knaben ausnehmen wollen. Sie
lönnen »ja« antworten oder sie können
»nein« antworten.«
»Ich m —- meine, wie der Kn —
Knabe geluniiir ge -— nestellt — ist,
welche Mit -— Mittel zu feiner Erz s-—
Erziehung s-» hm —-— vorhanden sind.
Es ist » - ja d —- doch nothw —— noth
endig, daß — —
»Ja, das ist allerdings sehr noth
wendig«, fiel hier die Dberregierungs
räthin ein, »es hieß ja doch, daß Fried
rich toohlhabend wäre. Wer also den
Knaben nimmt, miiszte doch vorher mit
seinen petuniären Angelegenheiten Be:
scheid wissen.«
Jetzt lonnte Frau Miiller sich nicht
länger halten. Mit Thränen käm
psend, drückte sie Jonhny fest an sich
und ries:
»Ach, lassen Sie ihn mir doch! Mir
ist es ganz gleich, ob er Geld hat oder
nicht. Lassen Sie mich doch mein En
tektind bet;alten,« «
»Mutter!« sagte Ernst beruhigend
Die Oberregierungsriithin wurde
verlegen und sagte etwas davon, daß
man sie mißverstande.
i Der Geheimrgth war aber nicht ver
ilegen. Er sagte:
»Es ist sehr —-- sehr schön, aber
i man lommt nicht w —-— weit mit der
S -—- S —- Sentimentalität Der
i Ev» smAMkmnmlt h » tann uns ne
miß niiber Besch --—— Bescheid geben.
T — « der ist vielleicht in d —- diesem
r Pack Pilckki«·
« Damit griff er nach den Papieren
auf dein Tische. Wilmcs legte aber
seine Hand darauf und sagte ernst
haft: .
L »Es giebt einen Umstand, der mich
lverpflichtet; alles übrige, diese Sache
jBetrefsende zu verschweigen, bis der
I Punkt erledigt ist, wer den Knaben an
nehmen wills
Ein schlimmer Verdacht durchsuhr
das Gehirn des Mireimraths. Sollte
die Sache den thaten haben, dasr der
Junge kein Geld hatte und das-, die
cnnstische Geheimniszkrämerei des
Rechtsanwaltg darauf ausging, ihn
in die Falle zu locken? Allerdings
hatte sein Bruder für reich gegolten,
aber man konnte nicht wissen, wie es
ibrn zuletzt ergangen war. Allerdings
hätte ein kleiner, reicher, amerikani
scher Nefse sein Saus hübsch aufge
putzt, aber ein armer, kleiner Jahnnn
taugte nicht in eine Familie mit drei
erwachsenen Töchtern und zwei Söh
nen, die Leutnants waren und immer
Geld haben wollten.
Dersesbe Verdacht erwachte gleich
zeiti bei der Frau Oberregierungs
räthin und rief dieselben Erwägungen
hervor. Das Ende pom Lied war
also, daß der Geheimratb schon viel zu
alt war, urn sich mit der Erziehung
eines solchen Knaben zu besassen, —
so gut der Kleine ihm auch sonst ge
fiel, und daf die Oberregiernnagrä
ihin mit ihren schwachen Nerven gar
nicht dazu taugte, einen solchen kleinen
Burschen um sich zu haben, der übri
gen vollständig ihr Herz gewonnen
hatte-. Seine Großeltern waren na
türlich die nächsten dazu, ihn zu haben,
besonders da Dnlel Ernst im Hause
war-kund sich seiner Erziehung an
nehmen tann. Schließlich drückte also
die Großmutter ihren kleinen Ameri
lnner an die Brust mit unbestrittenem,
einstimmig anerkannten Eigenthums
recht. -
II It Its
Jetzt hätte Rechtsanwalt Wilms ei
gentlich mit gutem Gewissen seine
Mappe wieder schließen können, aber
er kannte es sich doch nicht versagen,
noch den Haupttrumpf auszuspielen.
»Ich habe noch eine Mittheilung
hinzuzufügen, die ich erst jetzt folgen
lasse, nachdem die Bedingungen für
ihre Belanntmachung vorliegen«.
Er nahm ein anderes Papier auf.
»Der Wortlaut der Bestimmung des
Testaments ist folgender: »Es wird
Rechtsanwalt Wilms übertragen, der
jenigen Persönlichkeit, welche sich ent
schließt, meinen Sohn aufzunehmen,
die Mittheilung zu machen, daß sie
für Unterricht, Erziehung-und liebe
volle Aufnahme des Kind-es die Zinsen
des Kapitals erhalten soll, wleches ihm
als Erbtheil zufällt, big er bei eintre
tender Mündigkeit freie Verfügung
darüber erlangt. Dieses aus fünf
malhunderttausend Dollars —-- zwei
Millionen Mart — bestehende Kapital
wird bei der Veröffentlichung dieser
Mittheilung schon auf der Reichgbanl
deponirt sein.«
Rechtsanwalt Will-us schwieg und
blickte seine Zuhörer der Reihe nach an.
Die Oberregierungsräthin platzte
beinahe vor itnterdriiclter Wirth.
Der Geheimrath wurde blaß, hielt
sich aber ganz tapfer.
»Sie werden mir-Recht darin ge
ben", fuhr Wilms freundlich fort,
»das-, ich verpflichtet war, bis jetzt zu
schweigen. Jch sollte nur der Person
die Mittheilung machen, die den Kna
ben Ybrnahm und wer das war, konn
k--c. -:-t.a --..t.... »Ur-.- Lin-.
I ru, »Ur-» sen-He Uns-»ev- sUsHkus Jan-u
muß in solchenSachen ja immer streng
lorrett handeln«.
Johnny hatte nicht nöthig, feine
dicke Tante zum Abschied zu küssen. i
Sie befand sich nicht wohl und tiirzte s
die Vlbsehi edsceremonie so viel wie
möglich ab Der Geheimrath faßte
draußen auf dem Flur den Rechtsan
walt in's Knopfloeh und sagte:
»Sie — — Sie —— Sie waren doch
wohl nicht ganz ehrlich ——- es waren
For For For —«
,,Darf ich Ihnen helfen, Herr Ge
heimrath? - -— Ganz richtig, es waren
Formalitöten Aber ja, aber sehen
Sie, Formalitiiten helfen uns über
manche Schwierigkeiten hinweg. Darf
ich Jhnen Jhren Ueberzieber anziehen
helfen, Herr Geheimrath?«
Jn der Wohnstube aber tanzte
Johann, Großmutter und lkrnst einen
lustigen Rundtanz und zum ersten
Male seit drei Monaten lächelte der
alte Müller.
. .. ....· - y» -
«
Gottlicifs ,,Untipazi .
Rooellette von Felicitag Rose.
Ontel Gottlieb war eingefteischter
Junggeselle Er hätte gut uno gern
heirathen tönnen, oenn er war Ren
tier, aber er wollte nicht.
»Der liebe Gott hat Iuir als Jung
geselle auf die Welt tommen lassen, —
bleib ich halt einer. «
Oder: »Es ist mich zu schuniertich,
ewig son Frauen-geziefer um mir zu
haben
Höflich war Onkel Gottlieb nicht
Er war auch tein Onkel von Ge
bitr:, sondern »W.1hloci".V-1nanschan
oon mir.
Seine Wohnung war ooll ron sel:
samen, ausgestopsten Thieren, ds
alle ein mehr oder weniger schrielhnf
tes Auf-sehen hatten; an-. schrecthif
testen sah freilich feine lebenden
Wirtbfchafterin ang. Er hielt sich ei
nen Stiefelbnrschen uno einen Gär:
net und hätte sich wohl auch einen
Koch gehalten, wenn dng in Schwarz
hausen nicht so sehr anfgeiallen wäre-.
So nannte er denn seinen Hauc
drachen wenigstens »Einil«, obwohl er
,,Emilie« hieß. Dieser Hangdrache
tnechtete Oniel Gottlieb buchstiiblieh
und oerstärtte dadurch seinen Hast
gegen die »Frauen«zimnier«. Noch ein
weiblich-es Wesen toar in seinesn
Hause, ein zartes Mädchen, das Rino
seiner einzigen Schwester. Er hatte
die Wittwe und ihr Iöchterchen in sein
heim aufgenommen und in rührenoer
Weise für sie gesorgt, aber die junge
Frau folgte dem Gatten bald nach.
und ihr Tod war für Onkel Gottlied
ein neuer Beweis für die »Undanl·
barteit« der Frauenzimmer. Mit dein
Dasein der zarten, kleinen Eritn
konnte er sich erst aar nicht befreun
den, er steckte sie, um einen besseren
Anblick von ihr zu haben, in einen
Knabenanzug und war erbittert, baß
sie so »unniiinnlich« darin aussah und
ewig ihre häßliche Puove auf beni
Schoß hatte, anstatt die Meisolbatem
die er ihr geschenkt. Er toiinschte sie
nur so lange zu behalten, bis Eriia
groß sein würdesz
«Sob·ald du konsirmirt bist, Erich,
führst du mich die Wirthschast, und
Emil sliegt,« sagte er zu Ersten »Las3
dich man bloß nicht einsacken, nach die
Mannsleute zu gucken, heirathen ist
meine größte »Antipazie«, die’s nur
giebt, und stürzt jeden ins Ungliick.«
Onkel Gottlieb vereinigte nun seine
sämmtlichen »Antipazien« in ein-e ein
zige riesenhafte, und widmete diese
seinem »Gegeniiber«, von ihm «Fissa
fiß« genannt: »Fräulein Erdmute
Frisch«
Die etwa vierzig Jahre alte Dame
trug ihren Namen mit Recht. Sie
hatte rothe Backen, helle Augen, taucn
ein oereinzeltes, graues Haar in ihren
blonden Flechten und schaute so fröh
lich in die Welt, wie ein ganz junges
Mädchen. Das Pusaefchiist, welches
sie trieb, ernährte sie gut, denn
sämmtliche Honoratiorenfrauen der
Stadt waren ihre Kunbinnen, und um
pünktlich sein zu können, Zeit zu spa
ren und immer das Neueste auf Lager
zu haben, fuhr sieo ofters auf dem Rad
nach ver nicht allzu weit entfernten
Kreis-staat Es war das erste und
einzige Damenrad in Schwarzhausen.
Erita und ich hatten uns auf eigene
Art kennen gelernt. Die Eltern such
ten nach einem ordentlichen Umgang
für mich, und Ontel Gottlieb suchte
auch eine Spielgefährtin fiir Erita,
uno zwar sollte diese Gefährtin nur
wenig Eigenschaften von einem
,,75rauenzimmer« besitzen. So wurde.
tfrita meine »beste Freundin« , zwari
alter als ich, aber sehr gut zu mir pas
sen-I. -
Eines Tages kam Onkel Gottlieb
sehr aufgeregt von seinem Spazier
aana zurück.
»Na, nu is der Kram fertig, nu
hat se sogar ’ne Katze,« sagte-er voller
Verachtung. ’
Wir wußten sofort, wer »se« war.
»Die Katze hat Fräulein Frisch
schon lange,« berichtete ich, »sie hat sie
oon ihrer verstorbenen Mutter geerbt,
es ist eine werthvolle Angoratatze, und
sie hält sie immer im Haufe, weil ich
ilir sagte, du schießeft alle Katz n
todt.«
»Das war sehr naseweis von dich,«
erwiderte Ontel Gottlieb, »und du
tannst mir dadurch in Deubels Küche
bringen« Aber vie Polizei soll Unfug
nich dulden, und en Frauenzimmer
cmt'n skelozepett und mit «ner Katze,
das is en Unfug.«
»Sieh, da kommt sie," rief ich und
zeigte mit dem Finaer auf Onkels
,,’tlntipazie«, die im schlichten grauen
Lodentleid, einen Strohhut qu den
blonden Flechten, aus dein-Hause trat.
Sie führte ihr Rad an der Hand,
svrang dann schnell und sicher auf und
mar bald um die Straßenecke der
schwanden
»3ie kann es sarno5,« sagten Erila
und ich bewundernd. Onkel Gottlieb
lächelte verächtlich.
,,Dafiir tvird se auch sonst nicht
oiel können,« saate er, ,,se Qcht sich
auch nie selber, sondern iß im Speise
hause, das thut auch kein »honores"
Frauenzimmer, sondern nur die
«Etnanzirten'·.
»Sie kocht sehr gut, sagt meine
Mama,« rief ich, ,,sie hat ung- neulich
das Rezept zu Thüringer Speckturkkn
3gegeben, aber Mama sagt, wie Fräu
lein Frisch ihn hackt, so bringt ihn
niemand zn Weae.«
,,Spectkuchens« fragte Onkel Gott
lieb, nnd seine kleinen Aeugelchen
wurden ganz blank vor Wonne.
»Specituchen? ten hab’ ich seit dreißig
Jahren nicht mehr aeaessen, den hat
auch meine Mutter gebacken —- oh —
oh —- ich glaub’ das nicht von die
Person da drüben.«
Fräulein Frisch hatte Onkel eines
schönen Tages ,,aestellt«. Es handelte
sich utn Ema- Sie hatte von »Ver
anttoortuna« gesprochen, von bemit
leidengroerthen Geschöpfen, von
Funggesellenwirthschaft«, und als
Onkel ihr wüthend zugerusen, sie solle
sich um sich und ihr Raiervieh und dag
Felozepett betiimmern, hatte sie »alter
Herr« gesagt und tvar ins Haus zu
rückgekehrt. Nun war Onkel gänz
lich fertia mit »der da driiben«.
Eineg Tages holte mich Erika ganz
verstort »in sich. piirei womit-o ivar
bös aefallen una hatte den Arm ge’
brochen. Er lag geschient uno verbun
den in seinem ur:gemiithlichen, fin
steren Lchlaszimmer una Erila
wußte nicht aus noch« ein mit ihrer
schwach-en Kraft, oenn ,,Emil« hatte
sich gleichfalls in ihre liemenate zu
riickgezoaen lag zu Bett, fieberte und
phantasirte in oer schönsten Jtifluenza
herum. Onkel titottlieb ahnte oaoon
nichts, aer Arzt hatte jede Aufregung
für ihn veritotem und so quälte sich
Klein-Erim mit Ver Hausarbeit und
dem stachen ab, wobei ich i r nicht ein
mal helfen ourfte, denn Jukel Gott
lieb erklärte einfach: »Du liest mich
vor, Felix; zwei Frauenzimmer fino
genug in oer Küche.« Jch las so
leierig uno langsam wie nur möglich.
und aus Diesem Grunde schlief Onkel
Gottlieb bald ein.
Als ich leise sein Zimmer verließ
und ins Wohnstubele kam, bot sich
mir ein eigener Anblick.
Erika saß auf dem Sosa uno hatte
ihr zartes Köpfchen an Fräulein
Frisch’s Schulter aeschtniegL
- Dann folgte eine lange Berathung
’zwisck)en uns dreien, tiefes Still-—
schweigen tvupde gelobt, und un be
aann eine köstliche Zeit für Er a, fiir
,,Emil" und für Onkel Gottlieb.
»Halt nicht gedacht, was in dein
Cmil steckt,« sagte Gottlieb jeden Tag,
»so wunderschön hat sie nie «gelocht
und immer meine Leibessen. Jch werg’
fuhr sehr bedenken, ob ich sie gehen
la e.«
Als aber eines Tages gar ein bus
tneder Specktuchen zu ihm heraufge
traaen wurde, da liefen Onkel Gott
lieb die hellen Thränen über die
Backen, und er schickte »Emil« einen
Th ler. »Emil« war immer noch sehr
traut, und als noch eine Lungenent
zündung hinzukom, schafften wir sie
troß ihres Sträuben-Z ins Kranken
haus. Schließlich tam aber der Tag,
an dem Onkel und »Emil« wieder ge
fund auf der Bildfliiche erfchienen.
«Emil« hatte sich ern zum Schwei
gen verpflichten sla en und ruhte sich
nun auf Fräulein Frifchs Lorbeeren
aus. Als Onkel Gottlieb zum ersten
mal wieder feine »"Antipazie« am Fen
fter fah, fagte er ingrimmig: »Das
war mal ne rechte Er’holung, dies
Frauenzimmer fünf Wochen lang
nicht zu fehen!«· ———————
Um zu prüfen, ob fein Arm die
ganze alte Kraft wiederbekommen
hatte, nahm Onkel Gottlieb nach ein
paar Tagen die Flinte zur Hand,
ftellte sich an fein Schlafstubenfenfte:,
um odn dort aus den überhand neh
menden Spatzen in feinem Obftgarten
den Garaus zu machen. Da — ein
Schuß, ein Klagelaut, und ein weißes
Körperchen lag todt auf dem grün-en
Rasen, — — —- Friiulein Ermutes
Angorakatze. Erika fing laut an zu
weinen, als fie das Unglück fah, ich
felbft war ganz furchtbar empört iider
Onkel Gottlieb, denn ich tonnte mir'i;
nicht denken, daß es unabsichtlich ge
schehen fein follte. Als ich aber fein
blasses Gesicht fah, in dem die kleinen,
gutmiithigen Augen bald auf die todte
Katze, bald uns furchtsam anstarrten,
und er immer wieder rief: »Das
wollte ich wirklich nicht, das nicht,« da
wurde ich von Mitleid erfiillt und
versprach ihm, das Thier zu Fräulein
Frisch zu bringen und ihr die Wahr
heit zu sagen. Aber das Fräulein
glaubte mir nicht. Mit einem Wehe
ruf warf fie sich über den todten Lieb
ling und erging fich in bitteren An
tlagen gegen den harten, böfen Mann,
der ihr das lehte Liebe geraubt.
Als ich zu Onkel zurückkam, fand
sich ihn in fchrecklichfter Verfassung.
! Er hatte dur Erika erfahren, wag
ZFriiulein Frifch an ihm und ihr in
f den Taten der Krankheit gethan
I hatte, un war nun wie verwandelt.
Er suchte, wo es nur ging, Frautern
Fris sch zu begegnen, er grüßte sie schon
von weitem, aber sie sal) an ihm vor
bei, als ob er Luft wäre Im Hause
zwar er voll rührender Fürsorge fiir
:Erika, und unnachsichtig streng nur
,,Emil«. Er erstand für theures Geld
eine weiße Angoratatze, die er Fräu
lein Frisch bei dem ersten versöhn
lichen Augenblick schenken wokrte
Eines Tages winkte er mir geheim
nißooll zu.
,,Felir,« sagte er, »du bist von allen
Frauenzimmern noch der vernünf
tigste Kerl, ich muß oir was anver
trauen. Es wurrnt mich, daß ich der
Anti- —-, ich meine Fräulein Frisch,
nich danken kann for allens, und mir
nicht »trankschiren« kann mit die
Katze, aber das Fräulein hält nich
Stand. Und deshalb mußt du mich
helfen, daß ich ,,felozipetten« lerne.«
»Onkel Gottlieb —- du???«
Onkel Gottliebs Entschluß stand
eisern fest; er ließ sich ein Rad konis
men, Papas Bursche untertoieg ihn kn
oer Radsahrlunst. Und siehe da, es
wurde! Langsam, aber sicher! Arg
Fräulein Frisch das nächste Mal zur
Försierei fuhr, folgte ibr Onkel Gott
lieb in einig-er Entfernung. Freilich
kam er hintend wieder beim. Aber
schon nach wenigen Tagen folgte On
tel wieder dem grauen Looentleid,
und diesmal zeigte er bei der Rückkehr
fast triumphirend seinen verbundenen
Kon und sagte: »Das hat Fräulein
Frisch gethan, se is sehr nett und ver
nünftig, es is mich unbegreiflich, wie
se dabei ’n Frauenzimmer sein lanu.«
Jn den Rasseeschlachten unseres
Städtchens wurde viel iiber die ge
meinsamen Radfabrten der beiden
Todfeinde verhandelt Aber auilxsiritas
zartem Gefichtchen lag jetzt ein strah
lendcg Lächeln; »Emil hatte die
dctlllolslllllq tll Dck LAIUIEL
Nun wollte ich auch einmal wieder
Fräulein ffrisch »guten Tag« sagen,
von der man muntelte, sie wolle das
Putzaeschäft verkaufen, um sich zu
,,verändern«. Leise klintte ich die
Thiir zu ihrem Zimmer auf, vor mir
sprang noch die Angoratatze hin-ein
nnd mit einein mächtigen Satze aus
oad Sofa Mit einem Schrei fuhr
ich zuriiit und schlug die Thiir wieder
zu.
»Was- hast du ."««fraate tfrika, die
mir nachgetomnien mar.
»Ach du liebe Zeit --— da drinnen Est
Onkel Gottlieb, und sietzt mit seinen
sämmtlichen ,,Antipazien« aus einein
Hümple zusammen, und ich glaub’ —
— er küßt sie.« —«— —- - —— —- — —
—- NOP «
Ein chinesisches Mittel gegen Tiph
mertttd
lernen-wir aus dein »Ostas. Lloyd«
kennen. Er schreibt: Auch in Rina
po suchen die Behörden dag Umsichgrei
sen von Krankheiten, die in Folge des
milden Winters überall austreten,
nach Möglichkeit zu verhiiten. Es ist
dort an Straßenecken ein Anschlag an
gebracht, der ein Mittel gegen die
Diphtheritis angiebt und solaender
maßen lautet: Diese Krankheit bes
ginnt mit Halstveh und Hitze iin Kopf.
Man soll so rasch wie möglich sich ei
nen Regentvurm und eine schwarze,
entfernte Pslauine verschaffen Der
Wurm wir-d lebend zwischen die
Pslaume gesteckt und das Ganze in
den Mund genommen. Verachtet die
se Vorschrift nicht, verbreitet sie über
all! Ein Regenwurm tann unter dein
Wassersang qesunden werden, und eine
schwarze Pslaume kann man in jeder
Apotheke tausen. Rohr Rüben, Oli
ven und Seegras sind gute Mittel, um
dieser Krankheit-vorzubeugen.
Inn-nee.
Die gegen die Frau Meyer ausge
ftoßene Beleidigung, daß sie» noch des
selben Hut trage wie voriges»JaIt,
nehme ich hierdurch reuevoll zuma
Frau Hulden
sen Inn- dannen.
Feldwebel: »Mir fcheini, Kupfer
mofel, Du hofcht heut’ die Schuh’ m
Deiner Alten anl« —- Gardist: »Nun-h
wasch Fall ich denn mache, meine Sire
fel fein in Reporotur.«
Destseirt
»Wie, Fräulein Klara, sind Sie
wirklich dieselbe, die ich als kleines
Mädel herumgetragen hab’?«—,,Frei
lich bin ich’s, Herr Maier.« —- »Wie
Sie gron und fefch geworden sind, In,
ja, mag der Zahn der Zeit Alles ver
ma·q.«
Der praktische Arzt.
Rennen »Hier, lieber Schwieger
fohn, haben Sie die Mitgift meiner
Tochter —- — 150,000 Mark-« —
Schmiegersohm »Dann bestens, aber
fiir ärztliche Bemühungen um Ihr
Fräulein Tochter während unserer
Brautzeii muß ich Jhnen noch 7 Mark
50 Pfennig liquidren!«
Musikalisch ausgedrückt
Jmpresario iwelcher gsetornmen ist,
einen Geigenmtuofen zum Conceri
einzuholen zu dessen Dienser): ,,Hat
Jhr Herr feine Toilette noch nicht be
endet?« — Diener: »Nein, er ift noch
beim Piccicato!«——Jmprefariv: »Was
heißt dar-P — Diener: »Er zupft
noch immer an sich herum!«
Im Eifer-.
Ein Gelehrter hat eine sehr Pressante
Arbeit zu vollenden und empfängt da
her teinen Besuch. s— Plötzlich wir·dek
durch anhaltendes Lauten gestört. D
daffelbe kein Ende nimmt, öffnet et
endlich selbst die Thiirr. »Aber, mein
Herr,« sagt er äraerlich, ,,merken Sie
denn noch nicht, daß ich nicht zu Haufe
Ulll J ;
Nxtc Aussichten.
Neffe: ,,Lieber Onkel, ich habe mich
entschlossen urnzusntteln und die juri
stischen Studien auszugeben.« — On
kel: »Und weichen Beruf hast Du Dir
gewäl)lt?« — Neffe: »Ich will Musik
studiren.« — Qntel: »Na, in Gottes
Namen! Aber eines sage ich Dir gleich.
Franz, nus meinen Hof kommst Dis
mir nicht!«
Ein Unverwiistlicher.
,,Nn, hast Du meine Komödie ge
lesen? Wie findest Du sie?« —- »Zum
Erbarmen —- einfach jammervoll!« —
.,,So? —— Dann will ich sie lieber III
) Tragitomijdie bezeichnen.«
f Eigenartine Medizin.
Arzt: ,,;)11so mit Ihrem Jungen ist
keine Gefahr. Ihm ist blos Seise uns
warmes Wasser nöthia.« -— Mutter:
»Und nmnn muß er ei- einnehmen —
; oor orer nach rein Ess8113«
! » -«.- -—,
M fo!
j Arzt: »Ich möchte Ihnen rathen,
stete Vor dem Frühstück einen Spazier
nnnn In nmcken —--- das würde Ihnen
sehr aut betommen.« —- DcimeI »Ach,
das nein nicht, irh stehe ja iinnker erst
nach nein Frtiisstiict nuf.«
Aus dem Schriftsteller Balle-.
»Wer ist denn die junge Dame
oott mit kein stereotypen Lächeln eng
Dem holden Antlitzkm — »Weiß au
nicht gerinn. Jeoenfnlls aber wohl
Tochter einei- reichen Buch-akademi
Viesitzserg!«
Umfchrikbcn.
Dichter: »Nun, wie gefällt Ihnen
mein ne neg- Lustspiel?« — Direktor
I,,Ja missen Sie, ich muß dabei immer
Jan menen alten Ofen denken« —
Dchiert ,,Wieso?« —-· Direktor: »Der
szieiyt nämlich nucb nichi.«
Billet-.
Tame lim HutaesckiäfUt »H0bcu
Sie mir auch alles gezeigt?« — Bek
läusserin: »Ne n, alles nicht, es steht
noch ein unbezalln r Posten von Ihnen
in meinem Haurlbuche. Wenn Sie
wünschen werde ill) Ihnen den auch
noch zeigen«
Vervlnpycrt
Onkel: »Hast Tit dag- non mir er
haltene Geld aber Auch nicht vernun
len, sondern Dir nsirllicli ein wissen
schaftlich-IS Mel-l ncfiir gelaule —
Stitriosiii. »Gewiß, wenn Du mit
Nicht glaub-in in frage nnt meinen
Schneitez, em ist das Buch schon
mehrere N »l» an e-: innfo aeflogen.«
lsscnciiieiliq.
Gattin: ,Ea,1e mal isanl soll ich
mir fiir diesen herlisl esincn schwarzen
Hut nnd eii dunlelbrauneg Kleid ma
chen lassen?«' — Gatte: »Was meinst
Du, soll icii in ein-ern schwatzen Hut
und in eine-ei braunen Rock, oder in
einein braun-In Hut nnd in einem
schwarzen Roct meine Pleiie anmel
den?«
lslküitdlichcs Mißverständniss.
Der Provinzialschulrath besucht die
Teriia Man übersetzt gerade die
Odyssee. Der wegen seiner Zerstam
lzeit bekannte Oberlelsrers überreichi dem
Revisor sein Exemplar. — Schulrath
linit Bezug aus die Odyssee): .,Wp
stehen Sie Herr Oberlehrer?« -— Pto
fsessor lEonsnsimatlnsius laanz zer
streut): ,,Geivöhnlich flehe ich hier am
Ofen, manchmal jedoch stehe ich nach
am Fenster. Zank-eilen allerdings sine
ich auf dem Kathedet.«