Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 05, 1902, Sonntags-Blatt, Image 11
EineReise in den Thüringer wald. Humor-esse von FelicitaSNofe. Am allerschönsten war es doch, wenn Onkel Professor zu uns lam. So deut lich sehe ich noch das haaere Männchen vor mir, mit dem faltigen Gesicht, den gätigen Augen und des lieben, zer streuten Lächeln. Er wohnte draußen -oor dem Thor in einem kleinen. reden umrantten Hause, aber jeder-Jahr kam er auf vier Wochen zu uns und jedes Jahr oerwechselte er uns alle mitein ander. Mit Johann si er an, dem er die Hand beinahe a schüttelte in der Meinung, meinen Vater vor sich zu haben; mich fragte er reaelmäfzia: »Warst Du nicht ein Knabe?« und Dorette begrüßte er mit oäterlichem Kusse auf der Stirn und redete sie mit: »Liebe Paula'« an, worauf sich ihm Dorette erröthend entwand und sagte: »J Herr Professor, wo wer«o’ ich mir unterstehen, die Frau Oberst zu feint« Nach dem Mittagessen nnd dem Mittaafchläfchen aina dann das Er Zählen los, und wie erzählte Onkel Professor! Die halbe Welt hatte er durchstreift und von jedem Lande ein großes, dickes Buch geschrieben; lein Wunder-, daß es fiir mich um nichts Schöneres gab, als still neben i m zu sitzen und seinen anschaulichen Schil derungen zu lauschen. Waren die Eltern einmal ausaebctem dann setzte er sich wohl auch des Abends mit mir in die Diener-stude, in der ein Mannes-, uraltes Sofa stand: »mit versteinertm Kalbhaaren qepflastert«, wie Bruder Erich sich ausdrückte. Es saß sich aber sehr aemitthlich darauf, und jeder durfte sich von Ontel Professor eine Geschichte augditten, -- Johann ver langte »Was von die Zchwarzen«, Dort-tin »Um-: Einwian und ich: »Was recht Blittiaes.« Und dann ainas los. Jm Nu deiandskn wir uns im schwarzen Erdttkeil, Johann suchtelte trieaerijch mit den Armen in der Luft —- dei, wie herrlich Onkel erzählte! Er war ja »mittenorin« gewesen« so und so oft stalpiert worden-, wovon er ar wiß ferne ».3ckltreutdeii"" hast-, — kurz, »wir sperrten Mund und Nase auf. Dann tam das »Zinniae" fiir Dorette; Onkel sprach über das »Lie besleben und Werden« der anderen Völker nnd jedesmal war Dorette fest entschlossen, nach ,,Driiben« zu gehen: »Da krieg’ ich auch noch Einen ad« meinte fie si-eaesaetvif3, und dann bet telte ich: »Bitte, nun wag Blattan und sofort hielten wir ein Mittagessen mit den Kannihalen, bis es Dorette sterbensiibel wurde und ich mich nicht mehr getraute auch nur in die nächste dunkle Ecke zu gucken. Jedenfalls wa ren wir fiir Onkel das dankbarste Publikum, denn Vater schmunzseltes bloß, wenn Onkel von seinen Reisen erzählte, auch Muttchen hatte immer so ein leifes, eigenthiimliches Lächeln um den Mund, ja Erich, mein ums sechs Jahre älterer Bruder lachte On kel direkt ins Gesicht und das empörte ; mich. »Du Frechdachs!« sagte ich mehr aufrichtig als höflich. »Du Dummerjahn!« war die freundliche Erwiederung. «Merlft Du denn nicht, wie Onkel Professor Dich anschlt?« »Anfohlt?« fragte ich, ganz starr vor Ueberraschung »Na freilich Kerlchen —- Onlel ist ja nie über seine Stube hinausgetom men —- Ontel reift blon theoretisch, all die schönen Schilderungen hat er aus Bächern —- der würde weit tum men mit seiner entsetzlichen Zerstam heit. Einmal,«ganz früherzda ist er eines schönen Tages loäaereiitz — hurrseh, das is ’ne tolle Geschichte ge wesen. Bis aus die Haut hat man ihn ausgepliindert und schließlich noch als Vaaabunden in Arrest gefleckt Seitdem hat er’s Reisen derfchworen, hockt iider feinen Büchern und ist fest davon überzeugt, alles qensau wie in Wirklichkeit zu erleden.« hi. PGJJJ inan mit «M«ifvnffefif« Jch war wiithend, ganz außer mir. Und als Onkel an demselben Abend wieder eine anfchauliche Schilderung von Schottland entwarf, vom herrli chen Hochland, da verzog ich keine Miene, saß wie ein Stock da, un«o schoß grimmige Blicke hinüber zum la chenden Vater, zur liebenswürdiq lä chelnden Mutter und zum laut jubeln den Bruder. »Bist Du nicht wohl, Kerlchen?« fragte mich Ont:l. »Mir fehlt nichts-'s gab ich unwirsch zur Antwort. »Na, freut Dich denn die schöne Welt nicht?« »Nein!« «Gefällt Dir Schottland nicht« das herrliche Schottlano?« ,,Nein!" »Warum denn nicht?« »Weil Du garnicht dort warftt« Eine verlegsene Pause entstand. ,Kerlch:n, geh’ ins Bett!« rieth mein Vater. Onkel zoa mich liebevoll an sich. »Unser Kerlchen liebt gewiß die hei tnath mehr, als fremde Länder« iaate er, ,,wurte nur, morgen erzähle ich Dir vom lieben, schönen Thüringen, von den rauschend-n Tonnen, von den klar-en Waldbächen, von den Felsen mit ihren Burgen, und im Thale die Saale ——- vom stillen Schwarzathab D sie ruhts sich va io traut neben der lauft murmelnden Schivarza —- wie rsllmti lich da so schön, bis —- bei mein Kerlchen bis die Wildlchrveine Dich onst-strecken vie schwarzen, vor Eigen, die durch das Unterholz bre chen — unaufhaltsam — wild —" »Warst Du dort?« sragte ich athem los —- er sprach so voll Feuer und Be geåsterunz daß er mich ganz mit fort rc . — — »Natürlich war ich dort —- —— das heißt -— — (er rieb sich verlegen lä chelnd das Kinn) — das heißt H- siehst Du Kerlchen — so ganz in Wirklichkeit nicht —- aber ich durchlebe alles genau so, als wenn ich —- bm -— ja ——- « »Dann will ich nichts hören, nichts!« schrie ich aufgebracht. Jch riß mich von ihm los, rannte zur Thiir hinaus und schmetterte sie ins Schloß. Oben in meinem Zim merchen wars ich mich auf mein Feld brtt so energisch, daß es auf seinen leichten Rollen gleich ein gutes Stiicl in die Stube hinein lies. Da laa ich nun, arollend mit aller Welt. am mei sten aber mit dem guten Onkel Pro fessor, Der mir doch so sehr lieb war.. Nun saß er unten und ließ sich zum Narren halten, —- denn ich hörte ja Erichs schallendes Lachen bis hier her auf. O wie konnte der Onkel nur so sein! Warum reiste er nicht in die Welt hinein, es gab ja so viele nette Schaff ner, die ihn zurechtweisen konnten, war doch selbst ich — das kleine Kerl chen —- fchon ganz weit allein arreisi, und war ich auch mit verschundenem Knie, ausgerenkter Schulter und einer tlassenden Wunde am Hinterlovi heimgekommen, edle Theile waren nicht verletzt worden« Jetzt sagte man sich unten »gute Nacht«, dann aina Onkel lanasamen Schrittes die Treppe hinauf und betrat sein Zimmer, das neben dem meiniaen lag. Mit einem Satz war ich vom Feldbett herunter, und zur Thiir hin aus, dann klopfte ich energifch an On leis-»Einhe. »Wer va »Kerlchen!« ,,Ei vier Tausend!« Die Tbiir wurde schnell geöffnet und so recht verlegen stand das gute alte Onlelchen vor mir. »Willst Du mir gute Nacht sagen, mein liebes Kerlchen? Bist Du mir nicht mebr böse, kleine WildkatzeZ Sieh, wir haben da unten noch so viel Schönes erlebt: ich durfte die lieben Deinen nach Italien führen » wo ich vor zwei Jahren so viel schönes sah —- —« ,,Onkelchen,« sagte ich bittend, und saßte seine Hand, »ich sollte Dir noch ’n großen Herzenswunsch von mir sa gen — Du wolltest mir doch ’ne mäch tige Puppe schenken -—- aber sieh’ vier unszoanzia Bahn-s hab’ ich schon und das ist am Eno’ genug --— aber nun hab’ ich einen’Niesen1vunsch!« »Hi, hi. das«tväre — nur zu, lieb’ Kerlchen!« »Onlelchen —- Du mußt mit mir verreisen, — Du mußt» Onkel suhr bestürzt zurück. »Wer — reisen?« ,,Ja,« —- sagte ich sebr energisch — »zuerst mal in den Thüringer Wald — bitte —- bitte, liebes Onlelchen —- und dann nach Schottland, nnd dann so Iveiter.« »Kerrrlchen!« »Onlelchen, hab’ keine Angst, ich be schiitze Dicht« »Mein Kerlchen, Du denkst Dir das so leicht — ach Gott —- die vielen Züge, das Hin und Her, die aroben Schassner --s— nichts Ordentliches zu essen -—« »Ja mir sind Schassner immer sehr nett, ich bin schon erster Klasse gefah ren mit ’n Billett zweiter —-— und das Essen packt uns Muttchen ein und wenn’S alle ist, geh’n wir im Hotel ,,Taseltodt« essen«. Onkel hatte noch viele Gegengriinde, aber ich übertrumpste alle siegreich. lAm andern Morgen wurde der Plan den Eltern vorgelegt. Muttchen jam merte auch noch etwas-, aber Vater ent schied zuletzt: »Las3 sie reisen, Kerlchen ist nicht so dumm, wie sie aussieht, sie strieat den Onkel schon zurecht — na, i---.L Und« n« Hei-J Ennanssnh Ists-J III-, iriick, lassen wir sie ausllinaeln.« «Phl)ts,k)!« sagte ich blos. Donnerstag war’s, ein strahlend fon- " niger Tan, ziemlich heis-» doch im Tini ringerwald wiirde es ja schon kühl werden. Mit Ermahnunaen »bis oben hin« vollgepfropft, stand ich adschied nehmend vor den Eltern. Der echt thüringifche ,,;’5res2,tober«, oon Mutt chens liebevoller Hand gepackt, stand neben mir und lächelte mich an. ,,.5terlchen, daß Du immer bei On kel bleibst«, schärfte Vater mir noch ein, »zu Zweien trägt sich alles leich ter.« -—— »Ja, Papa!« — »Und streck nie die Zunge raus; wenn der Zug ’n Ruck gibt, beißt Du sie Dir ab·« — ,,tlnd tomin nicht unter die Wild schiveine!« ermahnte Erich. Endlich, endlich —- waren swir aus demBahnnos. Begleitung hatte ich mir strengstens verbeten, wir wollten von Anfang an alles allein machen. Onkel nahm die Fadrkarten. »Warum dast Du dritter genommen?« fragte ich naseriiinpfend, »ich fahre nie dritter«. »Weil ich das Stehen in der Vierten nicht lanae aushalten tann,« entgeg nete Onkel, und ich schwieg etwas ver blitsft. »Na, macht nichts«, sagte ich und wandte inich freundlich an den nächsten Schaffner: »Wollen Sie, bitte, meinen Onkel und mich in die erste Klasse seyen?« »Gewiß, gewsz.«·sagte er diensteif rig, und riß ein Kupee auf, dessen rotde Oammetpolstet uns freundlich einlu den. Wir machtenes uns bequem. »Kerlchen, mit Dir reist es sich prachtvoll,« sagte Onkel Professor an ertennend. Langsam sthe sich der Zug in Bewegung und dann erschien der Schassner wieder am Fenster und ver langte unsere Fahrtarten. · Hub, wie veränderte sich plötzlich sein freundliches Gesicht! »Sie haben ja »Dritter«!« schrie er Onkel an. Weiter raste der Zug. Onlels Entschuldigun gen verschlang das Gerassel des Wa gens, der Schafsner schimpste, ich auch; tm zuletzt hörte ich nur noch: »Rose weise Kröte, —- niichste Haltestelle — raus — nachbezahlen.« Und richtig — als der Zug hielt, umstand uns gassendes, neugieriges Publilnm, Onkel mußte tief in seine Börse greifen, und dann wurden wir in die dritte Klasse gestopft, wo schon sechs Menschen drin war-en. sich trat sofort einer Bauerfrau auf den Fuß, was sie mit einem ärgerlichen: »Dum me Schniegan5« quittirte, und als ich mich nicht weiter entschuldigte, rief sie den Mitreisenren zu: ,,Een eenziges Hihnerauge hab ich man, un uss dies eenzige muß sich das Knettelchen ben bratsche«. Oh, wie sie alle lachten, die entsetzlichen Menschen! Onkel Profes sor schien schon ganz hinfällig zu sein, seine Nachbarin führte einen Steintops Thüringer Käse mit sich. »Wenn Sie’s nich paßt, stecken Sie’n Kopp zum Fen ster nauå,« jagte sie zu Onkel, »nur nich so de Nase gerimpst, als ob Sie der Ferscht von Rudolstaot wären.« Jch streichelte liebevoll Onlelchens Rockiirn:el. »Es wird schon noch besser werden. in Weimar steige-n wir um,« tröstete ich ihn leise, und er lächelte mir dankbar zu. »Siation Weimar!« Oh, das Ge dränge auf demBabnhosel »Halte Dich nur an meinem Kleide fest,« ries ich Ontel zu, was die Umstehenden wieder zu lautem Lachen veranlaßte. Wir steuerten nun der anderen Seite des Bahnhoses zu, wo der Zug nachGösch witz stehen sollte. Aus einmal riß sich Onkel von mir los und lief auf einen großen Herrn zu, der mit einem Dienstmann verhandelte »Himmsel, da ist ja mein Freund Miiller!« rief er. ,,Miiller, Mücken altes Hans-S« Er umarmte den groszen Herren, der dar über sehr unwirsch schiene. ,,.Kerlchen, laus einstweilen nach dem Znae und beleae «;Blät3e,« rief mir On kel zu, »ich komme gleich, wir haben 20 Minuten Zeit.« So ging ich denn mit der großen Menge und kam mir sehr wichtig vor. Jch stiea in ein Kupee das die Auf fchrift »Frauen« trug; eH erhöhte mein Selbstbewußtsein, hUte mal als »Frau« zu gelten. Zwei alte Damen saßen drin, die Eine half mir sehr lieb reich, während mich die Andere miß trauisch ansah. »Wo willst Du sdenn hin?« fragte ste, »Nati) dem Thüringer « Wald. « — »Auf wie lange?« — »Drei Tage « —- »Jst das alles-, was Du bei Dir haft?« fragte sie und zeigte aus das »Futterkörbchen« »Mir noch n anel«, gab ich zur Antwort, »ich muß auf ihn auspassen, aber er spricht noch mit Dem alten Müller.« —- Die eine Dame lächelte, die andere schrie aber’ gleich: »Ein Mann? ins Damenkupeei«— wird Jhnen schon gefallen«, tröstete ich, »der ist so sanft uno erzählt schöne Räubergeschichten « —- »Nichts oa!« rief mein Gegenüber-, ,,gl-eich steiast Du . Jch wollte i in einen andern Wagenc schon die Zunge herausstrecken, behielt sie aber, Vaters Ermahnunan einge denk, lieber im Munde und dann kam der Schafsner und schloß die Thiir »Hier kommt aber noch n Onkel rein« rief ich ihm zu.-— »Dann mufz er sich beeilen, der Zug geht gleich ab « — »Jch will ihn lieber holen«, saate ich, und kletterte mit Hilfe ver netten Da me ans dem Kutten Ein Mann hier « —».lch, Onkel - Weit und breit tein Onkel zu sehen; ich lief denselben Weg, den ich vorhin gegangen, wieder zurück — hui, da pfiff mein Zug, auch schon und fuhr schnöde davon. »Mein Kober, mein Kober!« schrie ich und ftiirite dem Zug nach, aber er entschwand schnell aenuki meinen Blicken. Jch staindfte mit nein Fuß auf und rief abwechselnd nach Onkel und dem ,,Fiober«, dann lief ich nach dem Bahnhofsgehiiude und stiirm in den Wartesaal· Da --— saf; mein Onkel so recht behaglich, sein Notiz« buch vor sich, in das er Einieichnnnaen machte, und mit seinem zerstreutesten Läkheln blickte er aus, als ich ihn an rie . »Sieh, sieh, das Kerlchen,« sagte er ruhig, »ja wo kommst Du denn der's« »anel — aber Onkel —- der Zug Lst weg — unser Zug und der »Ro er«.« »Was sprichst Du da?« sagte Onkel, — er war augenblicklich mit seinen Gedanken weit, weit weg, »sieh mal Kerlchen, ich muß mir da noch schnell ein paar Notizen machen, —- behauptet da dieser Mensch, der Professor Mül ler: Thüringen sei, nachdem es im 5. Jahrhundert Königreich gewesen, im mer von Herzögen verwaltet worden, während es doch feststeht, dafz es seit Pipins Zeiten unter Grafen stand und erst 849 wieder-J »Ach laß doch die dummen Herzöge und Grafen«, rief ich, »der Zug ist weg und all unser schönes Essen sitzt drin!" Onkel faßte nach seiner Stirn »Ach so —- hm, fa —« sagte er, und steckte seufzend sein Notizbuch ein —, »ja was machen wir denn da?" »Gebt noch ein Zug ganz schnell nach Rudolstadt?« fragte ich eine freund liche dicke Frau, die am Biiffet stand. »denn Abend um halb 6,« war die niederschmetternde Antwort, »aber die herrschaften können sich ia Weimar ansehene Schillern und Gethen un de Ferschtengrust«. Damit verschwand sie. ,,Ontel, ich habe furchtbaren Hun «er«, sagte ich. »Ei, ei, lieb Kerlchen, i nur, iß«, sagte Ontel und zeigte auf das Büsfet, das mit einladenden winzig kleinen Brödchen bestellt war; und ich ließ mir’s nicht zweimal sagen, ich nahm eines nach dem anderen her unter und wurde immer hungriger, je mehr ich beriilgte. Onkel Professvk nahm wieder sein Rotizbuch vor Und cergasz mich vollständig Die feinen Cadiar- und Mich-sera chen machten mich aber auch tüchtig Durstig, und da halfen die biibfchen Flaschen aus, die neben zierlichen, kleinen Gläschen standen; ich probirte eine nach der anderen, o wie stark und iiiß war der Wein, mancher brannte aber wie Feuer. Mir wurde plötzlich sonderbar zu Muthe. Eine ungeheure Lustigkeit erfaßte mich, ich sprang in dem leeren Wartesaal über Tische und Stühle, bis die freundliche Frau Wir tbin erschien und sich sebr unfreundlich den »Schkandal« berbat. Onkel Pro fessor schrieb und schrieb . Mit einem Mal schrie die Wirtbin laut auf. »Was ist denn das?« Sie zeigte auf das bedenklich leere Biiffet und auf die angebrochenen Flaschen. »D——D-—Das—ha——ba—— habe —- i i ich —- ge — gessen«, stot terte ich, denn mir war die Zunge plötzlich soschwerunddieWirthin konnte ich gar nicht genau erkennen, die schwankte so und sal) aus wie zwei Wirthinnen. »Herr Du meine Gitel« brach sie nun los und stellte sich vor meinen Onk tel hin, ,,wie kann mer änn nur so a Kind ohne Aufsicht lasse? Alle die Bredchen hat's neingeleiert; fufzehn war’ns mindestens, und en Schwips hats auch von die vielen Schniipse; gleich gehste har Du Unglückswurm!« zub mehrte mich unter ihren derben Händen. »Ich will nach Hause,« rief ich, »oh, ich will nach Hause! Onkel, ich muß gewiß sterben, oh, wie schlecht ist mir!« . Onkel sah mich ganz kläglich an. »Werde rnir blos nicht krank, lieb Kerlchen«, sagte er zärtlich und strei chelte mein blasses, kaltes Gesicht; dann bezahlte er in Bausch und Bogen 15 Butterbrote und sieben Liguöre und brachte mich an die frische Luft. Hier wurde es mir aber nicht besser; glü hend heiß brannte die Julisonne auf uns- nieder, die Häuser tanzten aus und ab; ich klammerte mich an Onkel. ,,Ftomm, wir gehen wieder auf den Bsahnsteig«, sagte er liebreich, »da weht eine schöne Zuglust, da wird Dir schon besser werden« Nun wanderten wir auf dem men schenleeren Gange aus und ab und ge nossen abwechselnd Juligluth und Zugliift. »Sieh mal Kerlchen«, sagte Onkel plötzlich, »da steht ja unser Zug » nach Göschwitz schon; geht er auch erst heute Abend -ab, so könnten wir uns doch geiniithlich hineinsetzem eine Lo komotive ist auch noch nicht davor, passiren lann uns also nichts.« Jchz ließ mich willig nach dem Zuge schlep- . pen, ich fiihlte mich so krank, so müde und zerschlagen. »Das giebt sich al les,« sagte Onkel Professor, »las; uns nur erst in Rudolstaot sein —- ob das schöne, schöne Schloß, die Heidens burg, die wird dem Kerlchen gefallen — und Volkstedt mit seinen Porzellan- : fabriten und oem Haufe, wo unser i i Schiller so viel Schönes schuf-s« Ach ja, ich freute mich schon recht auf die Weiterreise, mir wurde schon woh ler zu Muthe als ich im Kupee saß, mit den Gedanken an die kühlen Tan nenwälder. Hier war ja die Hitze schier erdriickend —- Ontel zog sorglich die dunklen Vorhänge vor das Fenster, nun war es so oämmerig im stillen kleinen-Raum. Onkels sanfte Stimme erzählte so schön —- Gott sei Dant, nun wurde ja auch die Lolornotioe vor ; den Zug gespannt und tein böser Schassner störte unsere herrliche Fahrt. ——--—--...»..--—.—-—.—-.—...— Hei, wie der Zug durch Thüringens liebliche Gefilde jagte, toir waren ja wie der Blitz in Göschivitz und die Wartezeit dort verging wie im Ftuge beim Anschauen der uralten Lobesa burg. Das Umsteigen in den Rudol städter Zug ging so glatt von statten, der freundliche, liebe Echassner setzte uns obne weiteres in die erste Klasse, und ich muscbelte mich so recht being lich in die weichen SaurmeipolsteL Ach und wie schön war dann später Rudol stadt mit seinem Anger nnd dem grü ;nen «Dainrn«, wie prachtooll schmeck ; ten die Rostbratioiirste, und wie staun t te ich die Heideclgbnrg an. Meine Be lwunderung gesiel auch dem Fürsten Günther so gut, sonst hätte er doch dem lOnkel und mir nicht seine herrliche Equipage zur Verfügung gestellt, mit den reich gekleideten Dienern darauf, und den vier toblschxvarzen Rappen. die irr Silbergeschirr gingen. Und mit diesen Rappen fuhren wir nach Schwarzburg und im sausenden Ga lopp den Trippstein hinauf, daß wir beinahe aus dem Wagen gepurzelt wä ren. Nun erst hielten die feurigen Rosse, und da lag es vor uns im Som mersonnenschein, Schwarzburg, die Perle Thüringens. Ganz im An schauen versunken standen wir da, aber —- bui, da brach es hervor aus dem Unterbolz, unaufhaltsam, ein Rudel Wildschweine, borstig und schrecklich, sauste an uns vorüber, und huit hatte sich das alte Onkelchen aus das größte geschwungen und galan pirte mit ihm davon. Jch ertvischte gerade non-· das letzte, aber cis jagte wie der B««.e mit mir durch den Wald und stieß'entsetzliche Töne aus, hui, wie es grunzte und schnarchte. »Ou kel«, schrie ich, ,,Onke"l!« Bums, rann ten wir gegen einen mächtigen Baum W stamm, ich war ganz betäubt, rieb mir dgslugem —- was war das? Wo war l e Jn einem dämmerigen, fast dunklen Raume lag ich auf dem Boden und neben mir saß Onkel Professor und schlief und schnarchte. »Oui« wach aufs-, rief is; ängstlich· »Onkel, wir sind aar nicht im Thürin ger Wald — oh, lieber Onkel, wo sind wir?« : Erst murmelt-e er etwas tlnverständ- , lich«:s, reckte sich, dehnte ficht »Kerrrrl- z chen, was schreist Du?« fragte er gäh nend. i »Lnkelchen, es ist Alles so sonder bar, -—— wo find wir nur?« Onkel erhob sich fchwerfällia und ta stete nach dein Fenster, ressen Vor hänge er zurückfchob. Etwas heller wurde es in dem Raum, aber dämme rig blieb es trotzdem. «Merkwiirdig, merktviirdig", sagte Onkel kopfschüttelnd Und ich kletterte auf die Bank und schaute über feine Schulter durch das Fenster. Da war ein mächtiger Raum, durch den lauter Schienen liefen und viele Eisenbahn tvagen standen darin. »Ach, Onkelchen, liebes Onkelchen, wo sind wir?« Onkel fah nach feiner Uhr und schüt telte wieder den Kopf. Dann öffnete er mit Mühe die Thitr —- unseres Ku pees —- und wir kletterten hinaus. Wir befanden uns in einem großen Eisenbahnschuppen. durch hohe Glas fenstier fiel mattes Licht in den Raum. ,,Onkelchsen, ach Onkelchen!« Wir faßten Uns wie zwei bange Kinder an den Händen und stolperten über die Schienen nach der hohen Pforte. Sie war verschlossen. Und nun erhoben wir gemeinsam unser-e Stimme: »Leute, Leute, kommt! Helft Unst« Gan-i Apis-n- nnnm mir fifmn im Ya — men Schritte und ein rasselnder Schlüsselbund kündete Erlösung. »Alle guten Geister loben Got den Herrn«, ries das kleine Männchen, welch-es uns öffnete; »ne, da hört doch alles usi, machen Se geene Sachen, da gann eener ja de »Grebibse« kriegen, wo gommen Se än här?« Fragen und Antworten flogen hin und her-die Thatsache blieb bestehen. Wir waren in einen Rangirzug gestie gen und gestern Mittag einfach in den Schuppen geschoben worden« worin wir bis jetzt geschlafen hatten, —- drei Uhr Morgen war es! Onkel nahm plötzlich sehr energisch seine Börse aus der Tasche und drückte dann dem Manne einen blanken Tha ler in die Hand. »Reden Sie nicht weiter drüber, lieber Mann, —- schon gut, schon gut, —- man muß auch so was durchgemacht haben — Studien halber —- adieu!« »Kerlchen!« »Onkelchen ?»« ,,Ker1chen, wär’ es nicht besser-, — wir — wir führen wieder nach Hauses Mir ist —- gar nicht wohl —«. »Wie Du meinst. Onkelchen!« »Und nicht wahr. Kerlchen — wozu da unniitz driiber schwatzen —« »Ontelchen, ich sage keiner Katze -« Was-. Um die Friihstiickszeit kamen wir zu Hause an. Papa, Muttchen und Erich fielen beinahe auf den Rücken. »Warum seid Ihr nicht länger ge blieben?« »Es —, es, —- es war zu heiß, Papa!« ,,«a, lieber Schlieoen, es war zu heiß!« »Na, habt Jhr Euch denn veraniiat gemacht?« , .. Riosin N.1ha!« «Riesig, lieber Zchlieben!« »Wie weit seid Ihr Denn gekom rrien?« ,,Bis ——— ob —- bis —- bis —— —« »Seid Ihr komischc Leute! So sprecht doch! Hast Du dsenn werth stens Will-schwebte gesehen, Fierlcl)en3« »’ne Masse, Papa, ’ne Llltasse.« Papa lachte laut und anbaltenb. »Nu, Kinder, etwas- ist faul im Staate Dänemark, die Tblirinqerwalopartie hat Euch sehr artqeqriffVM Dorette machen Eie mal schnell »ein warmes Frühstück zurecht, für unsere ,,k)ohen Reiscnbcn!« ——---——--·-.-————· Aunkxionsswclüsth Ef« « »Dürfie ich wohl Jhr Schirmhcrr werden?« ,,,,Aber Sie sehen doch, daß ich schon unter fremdem Protectorate stehe — das wäre ja dreifache Controlle!«« Ein Stoiken Fräulein: »So, Sie wollen gar nicht heirathen?« — Herr: »Nein, Fräulein, ich schwärme für den ewigen Frieden!« —h Eine Wundertat Allen an Lähmungserscheinnns gen Leidenden empfehle ich meine neue suggestive Heilmethode, sdurä die bereits Hunderte den Gebrau ihrer Gliedmaßen wiedererlangten. G. Tripp t e, Naturarzt und Hypnotiseur. Auf dieses vielversprechende, in ’ Berliner Blättern erscheinende Inse rat meldete sich eines Tages bei dem Wunderdottor Trippte ein baumlan ger Mensch von herkulis m Körper bau. Der Patient erzähte, er habe vor einigen Tagen in einem Restau rant der Hasenheide dem Tanzvergnii gen gehuldidt und sei mit einigen— Gästen, die ihm die Gunst einer hüb schen Köchin mißgönnten, in eine Schlägerei gerathen. Bei dem sich nun entspinnenden Eifersuchts - Diama, das mit Bierseideln und Stühlen zu Ende gespielt wurde, habe er endlich das Seinige gethan, müsse sich wohl aber etwas übernommen haben, denn seitdem könne er den rechten Arm nicht mehr in die Höhe heben. Der Wunderdoltor erklärte sofort, das sei gar nicht schlimm. Er habe durch seine berüht te Suggestions methode schon in vie schwerer-en Fäl len sofortige Heilung erzielt. Und in der That war die Wirkung seiner Kur diesmal eine so schlagende, daß die Angelegenheit sogar noch ein Nachspiel vor Gericht hatte. Der damalige Patient des Wunder doltors erscheint in der Person des· Biertutschers Karl Mantel unter der Anklage der Bedrohung und Miß handlung vor dem Schöffengericht. Vors.: Es wird Ihnen zur Last gelegt, am 7. April d. J. den Natur arzt Trippte unter der Androhung, ihn niederzuschlagen, durch einen hef tigen Schlag in’s Gesicht körperlich mißhandelt zu haben, so daß Trippke etwa eine Woche lang mit einer ent Ilcucllukll Geschwulst uryuslcr »du-» Was haben Sie auf die Anklage zu erwidern? Der Angeklagte erzählt nun, wie er auf das Juserat des Trippke diesen ronsultirt habe, und schildert den Ver lauf der Heilsitzung, deren schlagend-er Erfolg selbst die Erwartungen des Wundermannes übertraf, wie folgt: »Sie können also den rechten Arm nich bewejen," sagte Herr Trippke. ..Det kurir icl Ihnen aus-m Handje lenk; blos missen Sie Vertrauen zu mir haben. Nehmen Sie mal in die sem Sessel Platz, verhalten Sie sich janz ruhig und kieken Sie mir dabei fortwährend in’t Ooje.« Natierlirh war ick mächtig neijierig und setzte mir janz mäuschenftill hin, indem ick den Kurpfuscher scharf an tieke. Nachdem er mir durch Blicke und allerhand Jeberden in den jewinschten Zustand versetzt hat, fängt er dann los mit de Willenssujeftion. »Sind Sie Soldat jewesen?« »Jawoll, bei die Maikäfer. Det is aber schon fimf Jahr her.« »Und Sie waren einer von die Stärtsten in die Compajnie?« »Stimmt. Jck jlobe jar, Sie ken nen mir?« ·,,Na, icl war doch Jhr Unteroffi zier!« »Wat Sie fajen? Js et denn men schenmöjlich. Ja, nu kommen Sie mir ooch bekannt dor.« Jck jlodte näm lich wirklich, er wäre et, wat wohl von die Sujeftion herkam. »Sehen Sie, ick habe Ihnen doch die ersten Jriffe und Bewejungen bet jebrath Von mir haben Sie sojar det Jehen jelernt; die Mutter hat et Ihnen falsch jelernt. So wat verjifzt man nich so leicht. ,W.ir wollen jleich . . mal fehen.« Dadruff brillt er mit Donnerstimme: »Rechtet Bein hebt! So schön! — Linket Bein hebt! Jut! « Linken Arm hebt! Bravo! — Rech ten Arm hebt! — Aber Sie heben ja wieder det rechte Bein?«-—»Stimmt,« saje ick, »den rechten Arm kann ick doch nich heb-Ink« -— »Rechten Arm heb:!« schreit er mir wieder an. — x——- .-:.c-I« «(1LU«UI lu- Illus. Nu brillt er mir so fimf bis sieb zrhnmale janz laut in De Ohren: »sttechten Arm hebt!«, et jing aber heim besten Willen nich. »Dann kann ick Ihnen freilich im Oojenblick nich helfen,« bemerkt er znjuterietzt. »Die jnte Wirkung kommt hoffentlich nach. For meine amtlichen Bemühungen be komme ick ZU Mark. Darf ict bit ten?« »Wat, Sie nnoerfchämter Kerl, 20 Mark? Warten Sie mal. Sie ollet jämmerliche-; Jestelle von -Quacksalber. Jck schmier Ihnen jleich Erne, bat Sie lang hinschlajen!« Weis-, der Henker, wie et zujing, ick konnte wirklich meinen rechten Arm wieder heben nno habe ihm damit Gene verionnken, die Otto Vellmann hiesi. Obwohl der als Zeuge oernommene Wunderboktor versichert, der Ange klagte abe ihn todtschlagen wollen, nimmt as Gericht nur die Mißhand lnng siir erwiesen an und erkennt gegen Mankel auf 20 Mark Geld strafe. - WH— Das genügt. » A.: »Ich wüßte gar nicht, daß Sie » meine Frau kennen.« — B.: »O doch, sehr genau!« — A.: Woher denn? Ha ben Sie sie vorher gesehen?« — B.: »Das nicht, aber wir haben ein Dienst mädchen, das früher bei Jhnen war.«« Glosse. Wenn Wohlthuri wirklich Zinsen trägt, wie wenig Zinsen hat dann ein ——Zakfnarzt zu erhoffen.