Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 05, 1902, Sonntags-Blatt, Image 10
itsxü » THE-ZWEI- g s s. p- Slqlglgsgsjls Yer »Fall« Zsassikiem 1" sMngts Roman von Paul Lskat Höcker zhlsxssskotzs · wo Ists-Essigle cis s Its OsOYJI Otpissssssststpss F-. IUPZEIHILLIYikaEHU »Im-s III-ZE- I-· i Hifgjfs s s sit-usw- stxcks o s o «qu uqu 010132 f. c. stossws s Its - -W-vs»v»vv Jus Ersteskavitei vvvvvvv Der blonbe Obertellner des Hotels Stsgli in Neßlingen trug die Nase heute womöglich noch höher als sonst; denn vie proyig und meitauslaaend auf der Paßhöhe ves walvreichen Scharfenbergs stehende mächtige Frem denlaferne war bis auf das letzte Hin tersiiibchen unterm Dache mit einem eleganten Pasiantenpuvlirum besetzt. Die Schulferien hatten erst vor we nigen Tagen begonnen. Dem recht kühlen Mai und regenreichen Juni war eine drückend heiße Sommerperiodse ge folgt. Der Auszug der Städter aus der plötzlich ganz unerträglich gewor denen Häufetenge in vie freie Natur glich nun einer wahren Flucht. Für Neßlingen versprach die anbrechenv Saifon die beste zu werden, die das ehevem fo stille, fast vergessene, erst durch den vornehmen Hotelbau in mei teren Kreisen bekannt gewordene ;Schwar walddorf in ven sechs Jahren seines Festean überhaupt zu verzeich nen ehöbt hatte. ’ Die oft von der Bahnftativn Gön gingen war heute zweimal mit je vier Beiwagen eingetroffen — und noch fortgesetzt langten neue Passagiere an. Der Portier des Hotels Stäin und die Hausknechte fchrvitzten von der An strengung des Kofferfchleppen5, die Kellner. Viert-los und Stubenmädchen flogen treppauf, trevpaln Bloß George der Oberkellner. verlor feine blasirte Ruhe nicht, legte den Aufnahmefuchen den gegenüber vielmehr eine laws rniiißge Eleganz und Würde an den Jag. Er holte immer« wieder «ven Zimmerpian vor, ver mit unzahiigen Bleistiftnotizen ovllgekritzelt war, und berauerre achselzucken«d, auch nicht ein mal mehr die kleinste Babetabine frei zu haben, in der man fiir diese sacht noch ein Bett ausstellen könnte; sogar der Nauchsalon und einige Gesinde zimmer seien schon für Fremde einge räumt. : Eine semmelblonde, nicht allzu schmucke und bereits ziemlich »mittel alterliche« Misz —- daß sie eine Eng länderin war, oerrieth außer der brei ten Art ihres gebrochenen Deutsch auch sofort der entschieden zu kurz gerathene Touristenrock —- hatte trotz des lebhaf ten Protestes von seiten Georges ihr sämmtliches Gepäck aus dem Breat herausladen lassen, in dem sie mit einer jüngeren Dame eingetroffen war. Sie setzte sich mitten im Vestibiil aus einen ihrer mächtigen Leterkoffer und er klärte. sie weiche nicht von der Stelle »Aber liebste Eveline,« suchte ihre ldeutsche Reisegefähriin, ein-e zarte, seingliedrige svmvathische Erscheinung die aufgeregte Misz zu beschwichtigen »wenn der Mann hier doch versichert daß kein Platz mehr vorhanden ist und man uns nicht mehr unterbringen kann . . « »Ich haben telegraphirt —- ich uill sein gebracht unter,« radebrechte die Englänverin, »sonst ich schreiben an Bödecker und machen ein Beschwerde!« Der Oberkellner tramte in einem Stoß Depefchen, Briese und Positur ten. »Bedaure unendlich, meine Gus dige, wenn Ihnen ein abschliigiger Be scheid nicht mehr rechtzeitig zugegangen ist — aber Sie hatten gewiß keine ge naue Adresse angegeben-« Er zog eines der Formulare hervor. »Miß Eveline Holstom Fräulein Martha Spener, Karlsruhe, zwei Zimmer erste Etage, vorn heraus-« — das war wohl Ihre Depesche. Ja, meine Damen, als die einging, war sogar schon die Mehrzahl der Hinterstiibchen vergeben.« Der Hoteliere kam ein Ausweg. Niollsikbs .«-i-H’ä im Gifte-Maus nmä Platz. Die alte Frau Brate wird ei nem gewiß einmal einen Gefallen thun.« Fräulein Martha Spener war die Tochter eines höheren badischenStaats mannes, der vor einigen Jahren seiner frühoerstorbenen Gattin, der Trägerin eines alten Adelsnamens, im Tode ge folgt war. Seitdem führte die junge Dame einen stillen hausftand mit ihrem nur um wenige Jahre älteren Bruder. Justus Spener war künst lerifch äußerst talentirt; er war Bild hauer geworden; eine Löwengruppe im Schloßgarien zu Karlsruhe hatte fei nen jungen Ruhm begründet. Ein schwerer Schicksalsschlag —- Juftuö hatte vorige Weihnachten auf tragische Weise fein-: Braut verloren —- hatte den junaen Künstler dann veranlaßt feinem Atelier den Rücken zu tehren und Zerstreuung auf Reisen zu suchen. Während er sich mit seinem Schwager zusammen auf einer Studienfahrt be fand, hatte feine Schwester, um sieh nicht ganz verwaist zu fühlen, die Ena Muderin als Gesellschafterin und Leh rerin n sich ins Haus genommen it das ein wunderliches hausi« tief Fraulein Speer-er überrascht, als sie seit der Dotelrvitthin zu der am Eingang der Dorfftraße gelegenen scheue gelangten deren hölzerner ich-Im in einer Unmenge hols fånisereien verziert war. die Messen-er Schule ist fast eine Sehen-DIE it geworden Der von- etim weiser hat di «» ist Bis sei-Mut "· die m sdn da e Alles noch oiel besser expliziren!" sagte sie, auf den Hauseingang sit-schreitend Ein bescheiden getleidetes Mütter chen, etwas verwachsen, aber nrit klu gen, gütigen Augen und freundlichem Antlitz, war un Hausslur erschienen. Die Hotelwirthin brachte ihr An liegen vor, aus die beiden Damen wei send, die noch immer vor dem Hause aus der Dorfstrasze hielten. »Besten bade ich selbst noch,« wars die Hotelwirtbin ein, ,.bloß der Platz mangelt. Und wenn Sie mir nur ein Zimmerchen abgeben könnten . . .« , »Ei gewiß, wird gemacht, wird ge macht. Wir nehmen die zweite Gie belstube —- das Zimmer vorn Johan nes, sein Atelier. Mein Sohn schläft dann im ersten Stock, bei seinem Kol legen auf dem Kanaper. Freilich, meine Damen. hübsch heiß wird's da oben sein. Wenn die Sonne so den lieben langen Tag auf den Holzgiebel heruntergebrannt bat, dann ists bis weilen noch urn Mitternacht wie in einem Backosen. sagt mein Junge. Na. aber ein Schelm, der mehr giebt, als er hat« , Sie setzte sich sofort in Bewegung, unt die beiden Gäste auf der tnarrens den Holztreppe zum zweiten Stockwerk emvorzutiibren. ·Martha Spener sand den ganzen Zuschnitt dieses Hauses überaus ort ginell. »Und was für einen Wandschmucl wir hier haben!« sagte sie, in dem »Atelier« angekommen, sich mit leb bastern Interesse umschauend. »Das ist ja ganz außerordentlich. All« das bat Jer Herr Sohn gearbeitet? Und auf der Gewerbeschule?« Die Lehrerswittwe seufzte. »Aus der Schule nicht, nein. Das ist eine Be stellung siir eine Kunstrnijdeltabrit Da —- die Aussatzstiicke zum Beispiel .- Imd di- Erlebnisses tin-d Dis Bands-retten Er hat’å in seiner freien Zeit aearbeitet. Das Gela dazu soll’s ihm ermöglichen, daß er jetzt noch Fu einem Künstler in die Lehre geht, um so noch den letzten Schliff zu betont men. Ja, wenn ich’s so hätte. wie ich’s möchte... Nun, der Mensch soll nie unzufrieden fein!« Martha hielt vor dem Tisch am Fenster inne, auf dem ein in der Arbeit begriffenes Wert stand: ein mächtiges Uhraehöuse, den Straßburger Mün ster darstellend. »Nein, das dürfen Sie wahrhaftig nicht. Jch weiß nicht soll ich mehr die Erfindungsgabe das Kompositionstalent Ihre-J Sohnes be wundern,. over den unerhörten Fleis-» von dem seine Arbeiten da zeugen. Das fasse ich ja gar nicht, daß ein einzel »ner Mensch in einem« jungen Leben mit seiner Hände Arbeit aus dem sprö den Material eine solche Summe von ftaunenswerthen Künstlerwerken schaf fen tann.« Johannes Brote war in Allem so ziemlich das Gegentheil seiner Mutter —- nUr deren dunkle, große, kluge Au gen besaß er. Er trug ein tutzes, modisches Wörtchen, sein kaftanien braunes volles haar war leicht ge wellt, eine etwas widerspänstige Locke hing ihm in die Stirn, die er —viel leicht eine Verlegenheitsbewegung — immer wieder zurückstrich, während er sprach. »Ich stehe ja erst am Anfang mei ner Laufbahn, gnädiges Fräulein,« sagte er, gerade in das Zimmer eintre tend, aäs das so offen gespendete Lob von M tba’s Linden fiel. Jlnd je mehr ich uelernt halt-» desto mehr hat-« ich eingesehen, dan ich noch herzlich wenia kann und noch viel, ach, sehr diei zu lernen und zu erringen habe.« Tie offene, bescheidene Art dies jun-— aen Künstlers gefiel Martha beim ersten Blick und wie eine Ahnung über larn es sie, daß ihr Lebensweg einst den seinigen treu-ten würde ..... Das Leben und Treiben in dein start frequentirten Neßlingen war äußerst munter. Die jungen Leute trieben viel Sport, spielten Lawnten nis, machten Ausfahrten, Fußmiirsche, und Mariha betheiligte sich an vielen solchen Unternehmungen Ebensoviel Zeit verlebte sie aber im Hause des Ortöschulzen Bräntsch, viel mehr in dessen Garten, in dem sieh bei gutem Wetter die Lehrergwitiwe uno ihr Sohn aufzuhalten pflegten, Frau Brake mit wirthschastlichen Dingen, Johannes mit einem Modell beschäf tigt, an dessen Fertigstellung er mit fröhlich-»in Eifer arbeitete. Aber seltsam —- berichtete sie in ihren Brieer an den Bruder harmlos und getreulich, wie in einein Tages-ach über Alles, was sie sonst trieb, mit wem sie zusammentraf, was für Un-. terhaitungen man vernahm, — über« die Person dieses jungen Künstlers und die wahrhaft innige Freundschaft, die sich zwischen ihnen mit der Zeit anbahnte. verlor sie kaum ein Wort Dabei war den Meisten, namentlich den im hotet wohnenden Damen — Fraven haben sär solche Wahrneh ieum einen besonders gessen Blick —- igxswachsendei Interesse sie den Fesseln Mann natürlich Jst-Jst Hasse q e · «- s . Und je weiter der Saat-er vor M M feste Ists-Das IM schattsbsnrsnisz zwischen den beiden jungen Menschen zu werden. Wenn Johannes nicht arbeitete. iso saßen ße vlaudernd in der Seiiblatks laube kilarnmern die sich un Griechen des Ortsschulzen befand. Seht oft blieben sie allein. Und in solchen Stunden erzählte Martha dem Freunde manchmal auch Näheres über ihre Kindheit, ihr El ternhaus, über das herzliche geschwi sterliche Verhältnisz, dsas zwischen ihr und ihrem Bruder Justus bestand Eine aualvolle Bangigkeit beschlich sie. Sie mußte an die Braut ihres Bruders denken. Sonia Wassiliew war auf der Fahrt von Genf nach Karlsruhe, wo der aus Nußlanv ein getroffene Dr. Gabriel Wassiliew sie bereits erwartete, um die Eintiiuse fiir die Aussteuer zu kegeln, bei einem schrecklichen Eisenbahnungliick in der Nähe von Bein elend um’s Leben ge kommen. Jn fröhlicher Stimmung hatte man ihrer Ankunft geharrt, da traf die Depesche grausigen Inhalts ern. Wenn sie dieser traurigen Epoche Erwähnung that, dann gerieth ihre Stimme immer ins Schwanken —- und ven Namen von Sonjas Bruder thes selben, der gegenwärtig Justus Bru der auf seiner großen Reise begleitete) oermochte sie nicht zu nennen. ohne daß nicht ein gewisses Zittern ihre Gestalt überlief. Johannes fragte sie einmal frei miithig, was es damit fiir eine Be wandtnis habe. Es kostete Martha sichtliche Ueber windung, darüber zu sprechen. Aber sie schwang sich schließlich doch zu einer ebenso ogfenen Erklärung Sie atte Gabriel Waisiliew, sden Bruder Sonias. erst vierzehn Taae vor dem qrausigen Ende seiner Schwe ster kennen gelernt. Er war ein ernster, oiisterer, grüblerischer Mensch wie die schöne Sonfa, und ehrgeizig wie diese. Sonja hatte den Bruder, ver die Urst liche Praxis seines Vaters in Moslau mich helf-n Inn niifaenomrnen hatte. verlassen, um als eine der ersten Schü lerinnen das Mädchengymnasium in Karlsruhe zu besuchen. Trotzdem sie sich während dieser Zeit mit dem schwärmerisch sie lieben:en jungen Bildhauer verlobte, bestand sie darauf. noch einige Semester studiren zu dür fen. Juftus war ja selbst noch seh-. jung und eigentlich zu uns·elbstständia. um schon einen hausstand zu münden So gab er denn schließlich nach. und Sonja bezog die Genser Universität Auf der Herreise zur Hochzeit war sie dann das Opfer der Eisenbahnlata ftrophe geworden. Justus hatte sich oon dem Schlag nicht wieder erholt. Es kam hinzu, daß der düster veran lagte Gabriel Wassiliew von Stunb an einen machtiaen Einfluß aus den jungen Bildhauer ausübte, ihn mehr und mehr seinem lünstlerischen Beruf entzog und ihn fiir seine vom russi schien Pessimismus beeinflußten Phit o sodhie n zu interessiren wußte. »Justu5 hat seit dem Tage, an dem das Unglück geschehen ist sein Atelier n: cht wieder betret«:n,'« faate Martha seufzend. »Sein schönes Talent liest brach. Und ich fürchte, daß das mo natelange Beisammensein mit Gabriel auf seinen zerriitteten Gemüthszustand nicht heilend einwirlen wird. Was-fil jetv ist selbst so ein unbestimmter, da bei sensibler Mensch. Seine schöngehenve Praxis in Mos kau hat er aanz ausgegeben. Er ist sehr klug, strebt großen Zielen nach, arbeitet an einem medizinisch- philoso phischen Werk, von dem Justus be hauptet, baß es noch einmal Epoche machen werd-. Dennoch kann ich das Gefühl nicht los werden: seine unglück liche, selbstauiilerische Veranlagung wird weder ihm noch seinem Freunde, meinem Bruder, Segen bringen. Da bei ist er im Grunde auch ein so wirt lich empfindender Mensch. Wie Son jas Tod ihn traf, das war geradezu erschütternb mit anzusehen. Er war kein-n wobei-» Ina- nen- Isnninä Ab sahrt don Genf trankhast errent geme- I sen. Immer sagte er, er wolle selbsti hin, sie abholen. Mein Bruder meint ; er habe den schrecklichen Fall geahnrl und habe schon vorher Darunter gelit ten. Aber so leid er mir auch that-— ich fand ihm gegenüber den rechten Ton nicht, um ihn en trösten· Und es verlangte ihn dabei so nach Herz lichleit — nach einem herzlichen Wort von mir . . « Mariha brach ab und erhob sich. Sie faßte sich nach der Kehle, als ob sie da einen quälenden Schmerz em pfände. Eine Zeitlang blieb es nur zwischen den Beiden still. Johannes hatte mit voller Antheilnahrne der schlichten Erzählung gelauscht. Die letzten Andeutungen versetzten ihn abe in eine nur schlecht verhehlie Erreguna. «Gabriel Wassilierv,« sagte er nach einer aeraumen Weile langsam und zaghaft, »hat Sie geliebt, Fräulein Marihak Es war das erste Mal, daß er’s wagte, sie bei ihrem Vornamen zu nen nen. Es berührte sie so tveich wie eine Liebkosunax denn in seiner melodi schen. sympathischen Stimme lag so viel Wärme und Zärtlichkeit Sie nickte nur stumm. »Er liebt Sie noch? Er hat tin-. Jhre band angehaltenW forschte er weiter Matiha senszte leise ans. Daan schiitielte sie den Kopf. »Er hat sich nur mit seinem Wort offenbart Er i eine stille. verschw- is W M ockie Netto-. Eber seine Augen s a cheu nnd partie-. Es sind sun- it sssne III-. sahe-e aussen sie schö Enden, interessant, diese blauen Qchwärineraugem die einen so lebt-as ten Kontrast bilden zu der bleichen Stirn, den schwarzes Wimpern, dein schwarzen Haar. Sie iiben eine mag netische Gewalt aus, sagt Justus von ihnen. Aber ich wei nicht: mir graute immer vor seinem litt, vor dem gan zen Menschen überhaupt. Und so tie fes Erbarmen ich mit seinem Unglück hatte — ich konnte mich nicht dazu überwinden, so gut und freundlich gegen ihn zu sein, wie er es sicher ver vient.« Johannes hatte das Haupt aufge stühtj alt' die sonnige Zuversicht, die ihn während dieser letzten emsigen Ar beitszeit beseelt hatte, schien mit einem Male von ihni gewichen. Er hatte sich ja offen niemals einaestehen wollen welch’ kühne, thöricht kühne Zukunfts vläne im tiessien Grunde seines Her zens schlummerten: die in ihm anf flamniende Eifersucht war es nur, die ihn vors selbst verriethnnd die ihm zugleich schämend tlar machte, wie unerreichbar, nnerfiillbar seine gehei men Hoffnungen waren. »Wassiliew ——— wiro er wiederkom men?« sragte er die jung-e Dame nach einer Pause halblaut und unsicher. » »Sie sind bereits aus der Heini reise,« erwiderte Martha, nicht direk. aus seine Frage antwortend. »Jt1re letzte Nachricht war aus Stambnl. Sie können in vierzehn Tagen in Karls ruhe eintreffen-« »Und Sie selbst —- werden uns dann auch verlassen?« fragte er weiter »Ich werde den hausstand natürlich schon vorher wieder in Gang bringen.« »Und Wassiliew?« Sie seufzte bloß leise auf. »Er wird nach wie vor um Sie toerhen?« »Ich fürchte eö.« Sie fah ihn groß und ernft an. »Aber er wird jetzt noch weniger Macht über mich haben. als dorher.« Als oh darin ein Zugeständnis läge, das sie ihm machte, griff er nach ihrer Hand, die er feft und voll Dani harleit drückte. »Und Jhr Bruder — wie steht er Mqu fragte er dann erregt weiter. »Der arme, arme Juftusk —- Ach, es ift ja so erklärlich, daß er sich in einer Art ohnmöchiiger Verzweiflung an den einzelnen Menschen festklam mert, der ihn in irgend etwas, und sei’g nur tm Namen, in Farbe und Ausdruck der Augen, an feine jäh da hingeraffte Braut erinnert. Er hat einen Theil feiner Zuneigung für die Todte auf Gabriel übertragen. Er safzt es daher ftets wie eine fchwere Kränkung auf, wenn man nur den lei leften Einwand dagegen erhebt, daß er sich von feinem Freunde, dem Rassen, gar fo sehr beherrschen läßt. Von dessen ftillen Werbungen um mich weifz Juftus nichts. Eine seltfame Scheu, eine Art Furcht hielt mich ab, mich ihm anzuvertrauem Aber mir ahnt, - dafz ich in dem heoorstehenden Winter geehwere Kämpfe werde zu heftehen ha: nlss Johannes hatte ihre Hand nicht wieder freigeaeben. Er wußte felbft nicht« woher er jetzt den Muth nahm, ihr zu fagen: »Wenn ich doch in Jhrer Nähe fein tönnte!« Ein mattes Lächeln huschte iiher ihre Züge. »Ich möchte es auch — fo gern!« erwiderte sie leise. . Es war ftill und tiaulich hier im Gärtchen. Eine vertraute Stimmung lag über der Landschaft. Sie gaben sich Beide dem süßen Ahendfrieden hin. Dabei fühlten fie, wie diefe Aussprache sie innerlich mehr und mehr mit einander verhand. Endlich entzog Martha dem jungen Mann ihre Rechte. Sie setzte sich nie der, spielte zerstreut mit feinem hands —--l---..- h-- --- Im WEIMIZIJIFA smcr.szxukk Wi-· u-« »k-» «----.-.-»»-, iaa, und begann nach einer Weile mit etwas gediimpster Stimme wie:er: »Es ist nicht nur Ewig-much der mich das wünschen läßt, Johannes Jch meine vielmehr: Sie lönnten auch meinem Bruder einen großen, unschäd haren Dienst erweisen, wenn Sie in Unsere Nähe kämen« Wie sie das- meine, fragte er stockend »Es liegt eine solche Schaffens sreude, solch’ ein sröhlicher, gesunder Ehrgeiz in Jhnen,'« sagte sie. »Sie sind eine echte Künstler-natur, die schasst und ringt, nur der Kunst hal ber, die sich nur in der emsigsten Thä: tigteit auszuleben vermag. Justus das gegen ist trotz seines schönen Talentes schloss, ja, sast energielos geworden· iJch meine nun, Jhr Einsluß könnte ihm da wirklich zum Segen gereichen. Wenn er Sie bei der Arbeit sähe, Er solge erringen, von Stufe zu Stufe höher schreiten sähe, dann würde viel leicht eine gewisse Beschötnung über ihn kommen, und er würde sich dazu zwingen, Ihnen nachzueisern Ja, das ist’s: ich hin überzeugt, daß es Jhs nen gelingen würde, den gesährlichen Einfluß Gabriels. der ihn ganz seiner Kunst entsrerndet hat, von ihm abzu wenden.« Die ossene Anerkennung, das unge schminite Lob, das siir ihn in den Worten lag, beschämte ihn ein wenig. Marthe ließ aber keinen Widerspruch gelten. »Sie wer-den mir’i nicht anders auile en, als es gemeint ist —- denn wir nd doch gute Freunde geworden nicht wahr-i« « .Jch hon- ee.« fiel ek bewegten dek zens ein, .nein, ich weiß est« » »Und so lassen Sie mich Jhnen also i Pilderry wie ich mir’i siir die . u nnst am liebsten deuten möchte. le kommen tin September, wenn Profes ssk Schwester-M der cis dahin ve« einer gewöhnlichen Sammeneise auch vieder zutiick sein wird, nach Karls :ssr. Ihre Arbeit wird ihn —- dessen bin ich gewiß —- zurn Staunen, zur sewunderung hinreiszen. Und es ist keine Frage, dasz er Sie unter seine Schüler aufnimmt Dann aber sin Ien in unserem Hause ein Aktien in )em Sie sich dem Schaffen neuer Gerte hingeben können. Justug wird II zunächst eine Art Erleichterung sein, daß er seinen Arbeitsraum nicht ver vaist weiß. Dann aber wird er Jn :eresse fiir Sie und Jbr Schaffen ge vinnen —- allmiihlich wird Jhr Bei 7piel ihn anregen, und ich bin über keugt, schließlich wird der alte Arbeits eifer ganz van selbst iiber ihn kommen. Wollen Sie also meinen Vorschlag an iehnien, Johannes?« Der junge Künstler befand sich wie n einem Taumel. Er dachte im Au tenbiiki nur daran, daß er sich also Don Martha nicht zu trennen brauchte —- daß er unter ihren Augen weiter-· chafsen durfte! »Ich wäre — glückselig, wenn das Wahrheit, wenn das Wirtlichteit wer Ien tönntei« sagte er. Sie hielt ihm ihre Hand hin. »Sie virauchen blaß einzuschlagem Johan ies.« Er nahm ihre Hand und tiißte sie. ,Martha!« fliisterte er in beseligtem Tone. Da sich Schritte auf dem Garten Iies hören ließen, so mußten sie das Bespräch abbrechen. Sie schieden fiir heute, aber innerlich schon ganz ge billigt. Jn den niichsten Tagen beschäftigte sie Beide ausschließlich dieses Thema. Aus Martha’s Augen leuchtete helle Freude, als sie endlich seine feste Zu Tags-hatte. --- s- k. a - - . u gque norene Irano nor-( orouh Längere Briefe hatte sie von ihrem Bruder schon seit Wochen nicht mehr erhalten, nur immer flüchtige Positur tengrüßr. Die letzte Nachricht stammte ins Budavest, und zwar von Gabriels band. Bestimmte Kunde über die Abreise von dort aab sie noch nicht. Martha wußte aber, daß die Beiden lich noch in Wien und München auf halten wollten, um von beiden Städten Jus noch einiae Ausslüge in die schöne Umgebuna zu unternehmen. Da erhielt sie endlich ein Tele rramin aus der Donaustadt, das sie Inachrichtigte, die Herren würden di celt durchschrem ohne noch in Bayern Etation zu machen. Martha sah sich also veranlaßt, sich rleichsallg schleuniqst zur Abreise zu rüsten. Nach einem etwas schwermiithig ver brachten Abend dachte Martha noch lange über sich und den Freund nach. Sie wußte nicht, ob das nun die Liebe war, die viel besunqene, die sie be seelt. So recht freuen ihres Glücks lonnte sie sich nicht. erner störte sie Ein Schatten, der im Gedanken an den Russrn die rosige Stimmung trübte. So warm ihr herz dem Wiedersehen mit dem Bruder entgegenschlug, so grausam bannte ihr davor, seinem Freunde wieder geneniibertreten zu sol len. Jhr graute vor seinem so fle hentlich werbenden, seinem melancho lischen, ergreifend düsteren Blick! Ein strahlendheller Tag brach an. Die Mehrzahl der Gäste des Stäglk Hotels benutzte den wundervollen Au gustrnorgen, urn sich im Wald zu er gehen. Auch die Bekanntschaft ihrer Damen hatte sich nach herzlichem Ab schied von Fräulein Spener einer Gruppe anqeschlossem die eine größere Partie unternahm. Das war Martha sehr nach Wunsch. So konnte sie, ohne den im mer unangenehmer werdenden Spöt tereien über Johannes ausgesetzt zu sein, noch aus ein Viertelstündchen ins Dorf haschen, um Johannes noch ein mal Lebewohl zu sagen. » , Ihr Gepack desand Iich schon aus dem Postwagen. Sie hatte alles Ge: schäftliche abgemacht, auch dem blon den Gevrge durch ihr stattliches Trink geld eine letzte respektvolle Verbeugung abgezwungem Nun wollte sie vom Dorf aus den Fußweg durch den Wald nehmen, um die Post dann unten aus der Chaussee zu erreichen. Johannes begleitete sie. Jrn Vertrauen aus dass baldigeWie: dersehen hatten sie Beide ihre alte fröhliche Stimmung wierergesunden Sie sprachen nicht viel, lauschten viel mehr verträurnt im binschreiten unter den mächtigen Tannen, deren weitaus ladende unterste Zweige hoch über ih ren Köpfen ein dichtschattendert Dach bildeten, den tausend leisem verwor renen Stimmen des Walde-. Arn Kreuzweg trennten sie sich dann. Ein letzter Blick, ein letzter händedruck, nur ein paar Worte, die keinem Anderen etwas gesagt hätten,: der nicht die innere harmonie kannte, in der sie sich Beide vereint fühlten. Dann winkte Martha vern Post kutscher; der hielt das vorsintfluthlis che Fuhrwerk an, sie stieg ein, und bald waren es nur noch ilatternve Ili cher, die die Grüße tauschten —- die Augen vermochten die liebgewordenen Züge des Anderen nicht mehr her aus uerkennen. ZU Martha, vvn der langen Fahrt et as abgespannh aus der Station eintras, suhr gerade ein Zu ein· Aber ei war noch nicht der ihre, vndern der der entgegen esesten Richtung Wie lebha t war ihreUeberraschung, als sie in dem einzigen aus einem Cur « e erster Classe aucsteigenden Pa agier den jurwn herrn von Eck hardt erkannte. Aber er schien sie nicht gleich wie derzuerkennem Denn als sie in ihrer uugeuikieuaki sitt ihn zuschnei, kniete er ne ein paar Seien-den lang wie ver stört an. »Ich hörte schon aus Albmiinsach bei drein Herrn Onkel. daß Sie er wartet werden,« redete sie den jungen Mann frisch an, »und daß Sie Nach richt aus Wien bringen!· Er hatte seinen hat gezogen, den er in seltsamer Zerstreung in der Hand behielt, trotzdem die Sonne mit ihren sast senkrechte-i Strahlen ihm mörde risch aufs Haupt brennen mußte. »Sie hörten schon? Sie kommen so eben vom Gute, gnädian Fräuleins« »Nein, ich verabschiedete mich s on gestern. Aber wag ist Jhneni Sie machen einen ja ganz ängstlich. Sie haben meinen Bruder tennen gelernt — Ein aesptocheni Es geht ihm doch gut " Sie hatte die letzten Sätze in wach sender Angst hervorgestoßen. Der Referendar athmete schwer auf. Os senbar suchte er nach passenden Wor ten. »So haben Sie also den Brief, den ich geschrieben, nachdem ich Jhren Bruder besucht hatte, noch nicht ge lesen?« »Man gab mir auch den ersten nicht tu lesen. Man saate ntir nur...· Mein Gott. aber Sie spannen-inich wahrhaftig aus die Folter. Was ist nur geschehen? Was ist mit meinem Bruder? Er ist doch nicht —- verun aliickt? Oder erkrankt? Sprechen Sie doch nnr! Jch beschwöre Sie!« »Nun ich habe also, wie gesagt, Donnerstaa sriih Iehren Herrn Bru der aus seinem Hotelzimmet ausge sucht. Er ist, seitdem er sich in Wien besindet,’noch nicht auggervesen —- hat sein Zimmer noch nicht verlassen . . . .« »Aoso ist etwas geschehen? Er lei det?« - - »s »Zum-hours nicht, durchaus nich-, gnädigeä Fräulein. Er hat seine ge sunden Glieder, er ißt und trintt mit Appetit, raucht, spielt Schach mit sei nem Freunde Wassiliew, der ihm den ganzen Taa Gesellschaft leistet —- es fehlt ihm absolut Nichts,«bloß eine ge wisse Abspannung, eine seltsame Ner veniibermiidung ist über ihn gekom men. Jch weiß nicht, bildet er siizs bloß ein, oder ist es Thatsache: er - hauptet, nicht hundert Schritt meit aehen zu können, ohne oom Schwindel erfaßt zu werden, seine Füße seien zu schwach, ihn u tragen, sagt er.« Martha saßte das nicht. Der Schreck war ihr selbst in die Glieder gefahren. »Und Wassilierv, —-— was sagte er über diesen Zustand? hat er sich Ihnen gegenüber darüber ausge sprochen? Oder hat er einen Spe zialarzt lonsultirt?« »Er hält es nur siir eine vorüber gehende Nervenasseltion. Der Pa tient sträubte sich übrigens ganz ener gisch dagegen, daß Wassrliew einen fremden Arzt hnizuzog. Er habe zu Niemandem größeres Vertrauen als zu seinem Freunde, versichert er.'· »Und sagten sie etwas Bestimmtes über ihre Heimreise?« fragte Martha in größtes Erregung. , »Sie sind noch nicht schliissig. Was silietv —- der sich übrigens ausopsert sitr Jhren Bruder, man muß es ge stehen — möchte den Patienten noch gern dazu bringen, daß er sich wenig stens die schöne Donaustadt ansieht. Aber Spener ist eigensinnig. Nicht einmal die Fahrt nach dein Semme ring wollte er unternehmen. Das strenge ihn zu sehr an —- das ist seine stete Redensart. Und dabei hätte er ja im Ganzen tanm hundert Schritt zu laufen. Vom hoteltorridor bringt ihn der List ins Bestibiil, ohne daß er- die Treppe zu betreten braucht, vom Portal sührt ihn · der Iialer zum Bahnhos. Wir haben ihm Beide Al les gründlich voraestell’t —- vergeblich Cr ist das reine Kind mit dieser sixen Idee. Und im Uebriaen staunte ich über seinen scharfen Mich-seine glän M—-k1-7I»..--2-—l-- — II---2 JIUUI UICIISUUUHIZUUH syst-. thust-, loaisches Urtheil. Wir haben viel über die große Reise aesprochen, die hinter ihnen liegt. Jhr berr Bruder hat seine Augen aufgesperrt, dag muß man sagen. Er hat dabei ein vssenes Herz siir die Natur. Von dem Theil Sibirien5, den er gesehen, ist er ganz entzückt. Man vergißt ost, daß Sibirien sich iiber alle Zonen er streckt, denkt gewöhnlich nur anschnee und Eig, wenn von Sibirien die Rede ist. Ta war mir’o nun sehr interes sandt, ihn über den Baitalsee reden zu hören. Die Natur dort, sagte er, ver einige die landschaftlichen Schönheiten des sjordreichen, starren Norweg-n mit dem alpenaetrönten Tirol und dessen blurniaen Almen. Und auch seine Schilderunaen von Land und Leuten und Bauten u. s. w. waren höchst ans schier-lich. Er hat ja auch in Masti lierv einen vortüalichen Führer ges babt. Der Nrsse ist allerdinssg sehr, sehr ernst —- sast zu schmerrniithig siir einess Reisebealeiter, rvie er sein soll —- dennoch hat er aus mich den denk bar besten Eindruck gemacht. Und ich glaube, es wird ihm schon gelingen, seinen Freund wieder zur Raison zu bringen« » Da der Reserendar die tiefe Bewe ;guna sah, in die seine tritbe Botschatt die iunge Dame versent hatte, wid ’ mete er sich ihr bis zum Abgang ihres Zuges. Martha ahnte gar nicht, wie groß dies Opfer toar —- versäumte er dadurch doch die Post nach Alb münzach Gortsehung solat.) —.s.---— Shates are hatte unrecht! König Ihn-arti chlejst iett ruhiger, seitdem sein Dauvt eine Krone trägt.