Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 15, 1902, Sonntags-Blatt, Image 10

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(18. FortiehungJ
- »Seit ich mit sei-enden Augen dich
irr-s Verderben laufen lassecm —- Dot
hr Eitelin ist ein Adendeurer —
Denn er nicht Schlimmeres ist."
. T Ast-ich ich hoffe —«
« « ! «a! ich habe Beweise. Zu
meiner al bin ich nicht blind wie
M anderen. Jch will nichi die kleinen
e gegen ihn aufführen, rie mir im
chäftjleben auffielen, nicht den ab
wesend-en Blick der Augen« die nie mit-«
lächeln in dein jovialen Gesicht —
Thtsachen nur! Thaisachenk —- Man
ist bei ihm eingebrochen, hat ihn be
Iabtern schwer, um ihm kostbare Din
ge bestehlen. Ich und noch ein Herr
waren gen. Er ersiattete keine An
Ieige. ne einzige Sorge war, sich
unserer Diskretion zu versichern·«
·Und aus diesem Zug don Groß-—
rnnib schließen Sie ——·? !"
»Er gehört zu den anderen. Hör’
weiter! Jch wurde gefchäfilich zu die
sem Mann gesandt. Jn seiner Woh
nung sollt« ich ein wichtiges Papier
ihm eigenhändig überbringen. Der
Diener schickte mich hinauf. Er war
nicht in feinem Arbeitszimmer. Ich
lldpfe an sein Laboratorium Jch
drücke Mlinir. Die Thiir giebt nach.
Ich habe ein-en Blick in dies Labora
torium geworfen« dies Heiligtburn,
das er vor allen ver-schließt Jch der
pelf ein bischen von Chemie. Und ich
age dir, es war ein sehr sonderbar-es
Laboratorium Neues wird dort
schwerlich erfunden werden«
«Wie können Sie das wissen?«
»Was zum Erfinden hätte taugen
ksnnen in dein Raum, war unt-mußt
lehr benutzt dagegen die lleine
Daumen-e m ver leeres
«Wissen Sie vielleicht noch etwas?«
»Das Gravirendstr. Bot einigen
Tagen verlor er im Bureau aus seiner
Rocktasche ein Stück von einer Damen
drosche, aus der die Steine gebrochen
waren.«
,Es wird einErbstück gewesen sein.«
» a, das sagte er. Nur log er. Die
sro che war nicht alt. Sie war nie ge
iragen.«
-Abet —- was schließen Sie aus
dem allen?«
»Was schließen S ie daraus-, Fräu
lein Wällen-kann wenn ein Gentleman
Stücke zerbrochenen Frauenschinuckå
in den Taschen herumkring in einem
behüteten Winkel seines Hauses 4
Schmelzofen und Schmiede besitzH
verblüffenden Aufwand treibt und mit «
schweren Opfern jede Berührung mit ;
den Organen der Polizei vermeidet?«"
Lisbeth’ö Augen weiteten, rundeten;
· sich. Als sie endlich die Meinung ihres i
Jugendgespielen voll erfaßte, packte sie
ein maßloser Zorn. Den Mann, derI
gerichtet, geehrt vor den Augen die-.
ganzen Welt stand — den Mann, den »
itdeth Püllsemann’s ehrgeiziges herz«
sich ausersehen hatte als den glänzend
sien ihrer Bewerber — den wagte die
fer herr Garnieniand, dieser geschei-«
terte Kaufrnannsgehilfe in seiner un
der-schämten Eifersucht einen Betrüger,
einen Spitzbuben zu schelten!
Sie fand für ihre Entriistung lein
Wart. Sie hob die Hand, schlug dem»
Anllager in’3 Gesicht.
Jin Grund war das nur eine Wie
Verhalten aus Kindheitstagem Da
pflegte e auch dem Spielgefiihrten
« mit ihren scharfen Nägeln über die
band zu fahren, wenn er sie erdrückte
mit seiner knadenhasten Ueberlegew
heit.
Er aber war kein Knabe mehr un:
dieser Schlag als Krönung von ach:
um dieses Mädchens willen durch
kärnpften Nächten, mehr, als seineNer
ven vertragen. Er packte ihre Schul
tern, rütielte sie wild.
«Lisbeih PülletnannZ Das wirst du
mir abbitien!«
Aber obgleich sie selbst vor ihrer
raschen That erschrocken war, obgleich
sie sich fürchtet-e vor seinen zornigen
Augen, versteifte sie sich in ihremTroiz.
»Laß mich los!« kreischte sie.
-.,Wenn’s wahr ist, sag’s Doch dem
Staatsanwalt! Aber das wagst du
nicht! Nur Lisbeih Püllemann hältst
du für dumm genug für deine schänd
lichen Verdächtigungen, Lügneri«
Er ließ sie los. — »Es ist genug.
EIN wohin du magst.«
Sie rannte, so schnell ihre Füße sie
trugen, zum Spiegel dies Teiches zu
tück, zurück in den Sonnenschein, nach
Als sie athernlos, wüthenv in die
Isrienpforie bog. fah sie neben der
Louf der sie am Morgen gefessen
tie, Doktor Meeliui stehen. Ihr
Mem säumte sich hoch auf. Nun ge- ;
Ue trat nicht in ihr us. Sie
M einen llin dur den Gar
MM « Der band kenn sie
III Mit- zu.
M Mist-, Orts Doktor! Us
- mstw ask ans-IMM- Ie- Just-meinen
zu Frau von Rössincks Arbeitszirns
mer, zu ihrer Kammer und der des
Dienstmädchens.
Als der Kies unter Lisbeth’s Fü
ßen knirfchte, kehrte er sich um.
»Ich wollte eben die Ehre hoben,
gnädiges Fräulein Eine Ahnung
sagte mir, daß Sie nicht zu Hause
seien.«
»Und da haben Sie auf mich ge
wartet? Das find’ ich riesig neti.«
Es war ihr, als müßte sie gui ma
chen, was der andere gesprochen hatte.
Wie Wicelius vor ihr stand im hellen
Mittagfonnenschein, lachend, sicher,
licht, troh seiner dunklen haare und
seiner braunenhaut,kam ihr damage
heuerliche der gegen ihn erhabenen Be
schuldiqung erfi voll zum Bewußhsein
Ihr Empfinden für ihn gewann da
durch eine ihm bisher fremde Wärme. »
Auch feine Gedanten hatten einen
weiten Weg gemacht, während Lis-»
beih in ihrem hellen, flatternden Kleid
den Kiesweg zu ihm heraufiam. Der
Dunstkreis des Reichthums, der sie
umgab, diesBesihihum mit feinen Ro- ;
sen, seinen Teppichbeeten, den seltenen I
Arautariem den Bananen und Pa!
men auf feinen Rasenpliihem hatieI
etwas einschläfernd Verlodendes Wa
rum noch zögern hier unterzuiriechenls
— Unter irgend ein Joch kriecht zu
leht der Unabhängigstir. Irgend ein»
Altentheil findet sich auf der Eer
auch für den selbstherrlichsien Stür- .
mer. Er bezog feines früh. Aber et s
hatte auch rascher gelebt als die mei- I
sten. Seit Aerolithcks Absage lag »
Miiisommerrnüdigteii über ihm. Sein l
Gokunsnsshws ein«-is Inn-FIED- nIR III
die Blätter an der jungen Linde über
ihm hatte das Menschenblatt hell
x muth Wiceliuö sich gewandt und sent
i te seine Spitze erdenwärts.
I Ein Ende machen! Zwifchen Jus
rnin und Rosen das neue Leben begin
nen während das alte sich schließt i-.1
;jenein Gartenhäuschen rnit den zit
? ternden Gurdinen. Ein wilder Humor
sprüht in ihm auf bei dieser Dorfm
Jung, neue Thatenlust. Ja er wiirde
fes thun! Jst der Brautgarnskranz
nicht die beste Tatnkappe?
Und er hielt die hund des Mäd
chens fest.
«Rett ist’s von mir? Ja? —- Sie
haben also Jhren guten Tag heut’
Fräulein Lisbethi —- Jhren liebens
miiicdigeniM
.Bin ich nicht immer liebenswür
dig?«
»Muß ich ja sagen?«
»Nun, Sie haben doch gewiß keine
Ursache, sich zu beilagen.«
»Ich bin eben ein ungeheuer un
sptuchsboller Mensch.« —- Er zögerte,
sah sie an. »Wenn doch dies kleine
Mädchen da vor mir von Glas wäre,
daß ich es durch und durch sehen könn
te jeden geheimften Gedanken!«
«Erlauben Sie!«
:Aha! Sie fürchten sich.«
»Die Partie stände nicht gleich. Sie,
herr Dritt or, sind durchaus nicht von
Glas. «
»Ach uns Männer durchschaut Jhr
kleinen Mädchen immer. Mich kennen
Sie wie Ihre hand.«
»Je nun —«
»Nicht? — Mißtrauen Sie mir?«
Sie hob die Augen zu ihm auf Un
ter dem Eindruck von Fri enö War
nung sa te sie ganz feier ich: »Wie
meinem Japa, so vertrau ich Jhnenf
en Wiceliuö seufzte. ·Nicht genug,
yiuuieuc puueiuunsh iunge nichi ge
nug."
»N o ch nicht genug?«
»Wenn ich doch nur ein einzigesMal
Ihr Herz herausnehmen könnte, es
aufllappen wie ein Mevaillon, um zu
sehen, wessen Bild darin steckt. Papas
werden nicht in Herzengmeoaillons ge
tragen. Wenn Sie in mir nur einen
Papa II sehen —«
»Ich hiti« Sie, Herr Doltor!«
’,,Sie müßten reizend sein, wenn Sie
lieben! Aber ich fürcht’, Sie können’g
nicht! Sie sind zu gescheit. Zum Lie
ben muß man herzhafi dumm fein
können. Das bringen höhere Töchter
nicht fertia. Ach, wenn Sie doch so ’n
ilein bißchen entzückend dumm sein
wollten!«
»Bei-en Sie doch nicht solches Zeug,
here Doktor!«
Sie war roth geworden, ihr Athern
ging rasch. Und als er schwieg, be
aann sie wieder, von einer scheuen Neu
gier getrieben. »Was verlangen Sie
denn nur? Wie soll ich das machen«
dumm fein?«
·Wahrhaitig? Ich darf Ihnen ein
wenig Unterricht gekni«
· »Ich weih nicht Beinahe fürchi’
»Das ist recht Fürchten Sie sich
nur.«
sie facht auf die Bank neben
Es f b einen Arm auf vie Lehne,
aß et fa ihre Schultern berührte,
das m»si- dicht in die Au n.
, - —- Mute
j» Msexir.z checar TWMM san-NUM.
Wiens sum-, dann doch stumm
Mir Sie aber cLes-rechn- Sie nicht
ISFWP Freude-di, iakiisteM se an
km m esse-. sie-»ei- « ipi
Abt wie ein große-, braves Kind hielt
sie KE. Sie führte sie w
at- schen Dingen. ifnsd ,
Ich zu Wir am zum Ende Fu
kam-ten sur Verlobung —- gerade!
II setadel
Er zog sie näher. Er kiisie ihre
Lippen. Die Tbränen iraten ihr in
die Augen. Aber sie liit’s. Sie litt
es auch zum Jweiten Mal. Dann über
iam sie ein Schlnchzern
»Hast du mich lieb?« fragte er jetzt
ganz leise.
Sie nickie. Was sie empfand, mußte
ia wohl Liede sein«
»Wie Papa?«
Jetzt mußte sie lachen mitten in
ihren Tdriinen.
»Geh’ du!«
-Wie lieb denn?«
Sie schlana die Arme um seinen
Hals, küßte ihn. »So lieb!« Dabei
fuhr sie fort zu weinen. Es war ihr,
als müßte sie sich ivdiweinen über die
Schlechiigleit ihres ehemaligen Kame
raden. der diesen Mann da verletzen
oetr. Sie war ganz aufgelöst in Kum
mer darüber.
Wicelius strich ihr begiiligend iidcr
Haar undWangen, ein wenig verblüfft
von diesem Ausbruch.
» leines, warum denn weinen? Es
ist doch eigentlich lustig, sich lieb ha
ben, nichts Jch sprech’ auch gleich
bei-N mit Papa. Er wird uns, hoff
ich. nicht scheuen —- Jch bitt' dich, saß
dich doch! Ein bißchen Tdriinenthau
aus die junge Liebe ist ja allerliebst.
Aber warum denn Ulrich ein Gewitter?
—- Bringt’s wenigstens den Som
mer?«
Und er dachte: »Was sür ein Kind
unter der Maske seiner altilugen
Frauenhaitigieitl Ein Treu-haus
inöspchen. das aussieht wie eine Blume
und wahrscheinlich niemals eine wird.«
Gestern hatte er Aerolitda im Arm
ahhalten die derauschenbe Frauenblii
Ebe, aufgespeoßi in Wind und Regen
voll urmiicnsiaer Kraft und eiaensinni- »
ger Keuschheit Er biß die Zähne auf- "
einander in wildem Schmerz. .Rache!
Todt« —- Und er küßte Ligbeth, daß
sie ausschrie.
Er aber lachte.
.Die da ist gehorsam. Der Mann,
der sie sich nimmt, bat sie, macht aus
ihr, was er will. Ich werde mir eine
bequeme Frau aus ihr erziehen.«
und er beaann, freundlich, zärtlich
zu ihr zu reden, all die Tharheiten, die
man Bräute-i Tagt. Er war nicht
wählerisch. Aber weil er der erste
Mann war, der Lisbeth derlei' sagte«
daite sie keinen Gradmesser für die
Banaliiäi seiner Worte.
Arm in Arm aingen sie langsam
dein Haus zu. Als Wicelius Herrn
Commissionsraih Pöllemann um eine
Unterreduna unter vier Augen bitten
ließ, schlüpfte Lthh rasch in ihr
Zimmer.
Dort siand sie, die Hand auf dein
befiig vochenden herze-L Sie war
Braut! —- Es war die beste, die einzig
möaliche Antwort auf die schändlichen
Verdachtigungen von Fritz Ast-nd
Es würde ibm weh thun. Das war
recht! Das freute sie!
Einerlei! Sie hatte sich das Braut
sein doch anders gedacht. Auch die Lie
desertlärung. Ihre Küsse —- sie
schämte sich, wenn sie daran dachte,
var sich selbst, vor ihm. Es war, als
hätte er ihr ein Solltean zu essen ge
aeben, ein schwerer Rausch. Die Cr
niichterung folgte, etwas wie Wider
willen, ein Ueberrieseln der Abneigung
ader der Furcht. Die hand, die weich,
kaum fühlbar ihr haar streichelte und
sich wie Eisenttamrnern zwingend um
ihre Schulter preßte, der Blick, der sich
in den ihren ientte, so nah, daß die
Wimpern sich fast berührten, und so
herrisch. so hart. daß er iar Thriinen .
erpreßtel War in den wunderschönem
Augen, deren Farbe und Form sie und
alle Backsische in ihrem Kreis bewun
derten, auch nur ein Schimmer von
Zuneigung gewesen? Ein Fünkchen
nur der Gluth, die sie aus Friy AS
roth’3 Blick bis in’s Herz brennend
überschüttete? Ja, nun sie’s recht be
dachte: — nicht mit einem Wort hatte
Wicelius ihr gesagt, daß er sie liebe.
Er hatte sie gezwungen, es zu sagen.
Mit diesem Mann also ging sie in’5
Leben! Den würde sie nun um sich
haben immer, unzertrennlich, wie ihren
Schatten, und ohne Mama uno Papa.
Zuerst auf der Hochzeitgreisri Allein
mit ihm im Coupe, allein aus der Pro
menade, allein im Hokel2 Und wenn
sie allein mit ihm war, dann kam der
Rausch, die Willenlosigkeit, die Dres
sur, in der er ihr hrutal und rücksichtg
los seinen Willen aufzwang sie thun,
sagen, denken ließ, was nicht in ihr
war, so wie eben. Er beherrschte sie.
Lächelnd, langsam zwang er sie,zu lie
ben, zu hassen nach seinem Willen,
machte eine andere Lisbeth Püllemann
aus ihr.
Eine solche Angst ergriff sie plöt
lich daß sie im Begriff war, laut
aufzuschreim
Da klopfte Johann an ihre Thüre
und bat sie, zum herrn Commifsionös
rath in sein Urbeitszirnmer zu kom
M
Wie ein Spuk beim h « enfchrei
schwand vor der ersten Wen chensluns
me der Ilpdrutk ihrer Seele. Natür
lich liebte er sie! Bürde er sonst um
sie weil-ruf Er hatte zwischen Ordin
WWML Und si;tl liebåen ihn ang!
war s gen a r
ständähr Papa kannte die Men
schen. re der Doktor kein E en
trann, fee-Erde ihr Papa sie ihm
k
«"ie««kikich grauer ahe- the-du«
wusch ihre sogen-Iz- iind ing lächelnd«
liest-sich hinunter sur do
-· Wicsiui blieb M u Tisch. er
»Wenn ri ihn. Sene Verlobung
habe is edst iilrrrascht. versicherte
er. Er sei in teiner Weise daraus vor
bereitet gewesen, nicht einmal eine
weiße Krawatte habe er-in der Tasche
mitgenommen. Wenn er seine An
sicht aussprechen dürst, so fände er es
am richtigsten, kommenden Sonnabend
Abend in Ruhe durch ein glänzendet
Souper das Ereigniß u feiern. Und
um der Hausfrau die ühe zu erspa
ren. in so kurzer Frist ein Fest siir
einen größeren Kreis vorzubereiten,
schlage er vor, im Dotel zn speisen.
Man hätte dann auch gleich einen
Tanzsaal zur Verfügung
lFrau Piillemann, die in einemRich
sa in die tleinbiirgerlichen Gewohn
heiten, in denen sie groß geworden
war, Sommers die eigentlichen Gesell
schaft-Träume der Van gegen die Mai
ten einzuiampsern und anzuschließen
pflegte, war ihrem tiinstigen Schwie
gersohn siir diese Rücksicht aufrichtig
dankbar. So wurde die Veriobungzi
seier aus Sonnabend, den 80. Juni,
festgesetzt
21.
Am Freitag Morgen war Frau
von Rössina sehr nusgeregt. Nur noch
ein Tag und sie würde 450,000 Mark
in Händen halten, nnd die Güter wür
den ihr nicht mehr gehören, aus denen
Rössina’ö gehanst hatten seit den
Kreuzziigem aus denen ihr Sohn hätte
hausen sollen, dieser Sohn, der jetzt
allnächtlich dor ihrem Bett stand und
mit seinen diisteren, blauen Augen sie
anstierte, sie mußte nicht« ob in Groll
oder Mitleid.
Rob hatte es heut’ nicht leicht. Er
mußte den Plan, die saubere Abschrift
von vor zwei Tagen, zerreinem in ven
Papierlorb werfen. Sie schickte ihn
in der Stadt umher« ließ Architetten,
örztliche Autoritäten zu einer Bera
tbuna zu sich bitten, und als sie lamen,
lag sie auf dem Sosa kalte Umschläge
um die Stirn, und war fiir Niemand
zu sprechen. Um zehn Uhr Abends
rief ihre Klinael ihn noch einmal in
ihre Stube. Sie dittirte ihnr einen
Brief an Wicelius, worin sie den Dol
tor anslehte, nicht ihre Abmichung zu
vergessen, morgen pünltlich zwölf Uhr
Lieb bei ihrem Notar zur Eslukzahlung
der Kauisuninre einzusinben und das
Geld gleich auf der Bank sicher zu de
Poniren. Den Brief mußte Rob noch
ani Abend in Wicelius’ Wohnung
brinaen.
Aber am nächsten Morgen war ihr
Zustand geradezu besorgnißerregend.
Und es beruhigte sie auch nicht« als mit
der Post ein Brief von Wicelius karn,
in dern er versicherte, daß er pünltlich
urn zwölf, auf alle Fälle unt halb ein
Uhr bei deni Notar sein werde, zeitig
genug, um die Deponirung des Cahi
tals in der Stil-deutschen Bank zu be
wertftelligen.
Das Dienstmädchen schlug vor,
Fräulein Piillernann herbeizurufen.
Aber Frau von Rössing verbot es mit
Pefiialeit Eine Braut arn Verlo
ungstaae habe anderes zu bedenken,
als eine thörichte alte Frau zu trösten.
Sie hatte einen anderen Wunsch. Sie
schielte Rob zu seiner Freundin. Ob
Fräulein Aerolitha eine Stunde fiir
te übrig habe? Es war ihre fixe Idee,
seit sie Aerolitha neben der verwaisten
Schwester gesehen hattet dieses Mäd
chen brachte Trost mit sich.
Aeralitha kam, einfach und unbe
fangen nach ihrer Art. Sie hatte zu
viel von der Welt gesehen, unt sich
leicht zu wundern. Und sie schnitt
Frau von Rössing’s Entschuldi
gung ab.
»Wenn ich Sie was nun fein lann,
ist ej selbstverständlich daß ich lornrn,«
versicherte tie. uno mit zwei written
legte sie dabei die Kissen unter Frau
oon Rössingxs Kopi bequemer und ließ
das Rouleau herunter.
Frau von Nösfing begann, ihre
Lage auseinander zu seyen. »Es ist
nicht leicht, in einem Alter allein zu
stehen, wo man Enteltinoer um sich
baben sollte.« Sie deutete auf ein
Bild in tostbarem Rahmen, das neben
bem Sosa stand. »Das war mein
Sohn.«
Und da Aerolitha es betrachtete,
theilnahnisoolL aber ohne Frage, fuhr
sie in einem jähen Ausbruch von Of
senheit fort:
»Er ist todt. Und er haßt mich.«
Aerolitha stellte das Bild aus seinen
Plan zurück.
«Nein,« tagte sie sehr ruhig, «er
haßt Sie nicht.«
»Warum lommt er tenn jedeRachtJ
—- DieseNacht stand er wieder an mei
nem Bett und sah mich an. Aber es
waren nicht seine Augen. Seine Au
gen waren blau. heut Nacht sah er
aus schwarzen Augen mich an. Es
war entsenlichk
»Das war Jieber,« sagte Aerolitha
bestimmt. »Ein Sohn haßt nicht seine
Mutter.«
«Aeich nicht« wenn sie i m Unrecht
gethan hat —- nach seiner inung?«
»Wenn er tobt ist, wei er’s fest,
baß das Unrecht alt Lie gemeint
war.«
Frau oon Rssiina haschte die Dani
bes Mädchens, hielt sie in ihrer. »Ja,
es war Liebe! Liebe.«
Trost schien thr auizu ehen von den
trösti n, lebenswarmen ingern· Der
Dr hob sich von i ver Brust.
Schweigenb Verharrten seide.
Und in ber tiefen Stille zog das
Leben ihres Sohnes an ihrer Erinne
rung vorüber, von seinem erste-Schrei
an. viele Jahre gepreßt in wenige Mi
q «
L
nuten. Seine Schönheit ena ihr
Ion steueen des Herz warnt s - be
FDnde Lieder-wär t. Sie
ii wieder den unbändigen Stolz
an; ihn ihr her-z schwellen. Dieser
ei f e Sohn galt für zehn. Und als
ihr ann aus einer Schleppsagd ver
unglückte, hob die Hossnung ans die
sen Erben sie weg über die Verzweif
lung und- Oede ihres Wittwenthumt.
Noch einmal fühlte sie den brennenden
Schmerz, den lochenden Ingrimm, die
rasende Eifersucht, als dieser Sohn
ihr gestand, daß er liebe und wen er
liebe —- eine Bitt rliche, eine Krä
merstochter, ein ädchen, das ihm
nicht Ehr' noch Gut zuhrachte, nichts
als ihre strahlenden Eulenaugen und
die rabenschwarzen Haare, die sie wie
einen Mantel um sich schlagen lonnte.
Jetzt wußte Frau von Nitssing, was
Daß hieß. Und Mutter und Sohn
waren gegeneinander geprallt wie der
mündendc Fluß und tie steigendeMee
resfluth. Leidenschaft gegen Leiden
schaft, Recht gegen Recht und Gewalt
gegen Gewalt. Erst in Worten, dann
in Thaten. Hier die iiberstiirzte, heim
liche Hochzeit im Ausland, dort die
Entmundigung, dieEinsperrung in die
Anstalt. War der, der solche Ochmach
seiner Familie anthat, nicht toll? —
Der Arzt sagte es, der Hausarzt der
Röman und der Piychiater der An
stalt, der den jungen Baron mit Stirn
und Fäusten gegen die Wände seiner
Zelle anrennen sah. Die Jnternirung
geschah zu Recht, dsie Entmiindigung
geschah zu Recht, die Ehe ist nichtig,
sagt Gericht, sagt Vormundschast. —
und da ist nur die kleine Wunde mit
den versengten Rändern an der
"Schläfe der starren Leiche, die ihre
Lippen aufreißt zu dein Schrei: »Un
recht haft du gethan! Unrecht ist ge
schehen! Unrechi!«
Die Unruhe kehrte zurück. Frau
von Rössing preßte fester die Sand
Aerolithas. »Bitte, sprechen Sie zu
mir. Erzählen Sie mir, wie Sie
herrn Werner tennen gelernt haben.«
Aerolitha geharchte freundlich. Und
Frau von Rössing lauschte der Stim
me mehr als den Worten. Da war
Leben, Freude, Unschuld, glückliche
Liebe. .
Sie richtete sich auf. Sie strich sich
die Haare aus der Stirn.
»Ja, die Tage ließen sich ertragen,
wenn nur die Nächte nicht wären. —
Liedes Kind, wollen Sie niir eineBitte
gewähren? Dann bleiben Sie diese
Nacht bei mir. Schleifen Sie mit niir
in meiner Kam-nein Jch glaube, Sie
haben Macht, den — die - iebertriiuine
zu bannen. Jch habe bis Fest die Kon
sequenzen meiner That-n aufrecht ge
tragen, und mein Geist tragt und ver
tritt fie noch. Aber mein Körper ist ein
morscher Baum. Zu viel ist in diesen
Wochen aus mich eingestiirrnt. Blei
ben Sie bei mir! Der Himmel wird
es Jhnen vergelten und ich auch, wenn
und so viel es in meiner Macht steht."
»Es braucht tein’ Vergeltung,« ver
sicherte das Mädchen eifrig. »Für die
Patronin von mein’ Nob thu« ich ganz
von selbst, was ich nur kann. Und
Frau Wintermeier braucht mich auch
gar nicht jetzt, weil ihr’ verheirathete
ochter bei sie gekommen ist.«
Die alte Dame nahm das Gesicht
des Mädchens zwilchen ihre zitternden
hände und drückte bewegt einen Kuß
aus ihre Stirn.
»Mit Jhnen hat’s der liebe Gott
gut gemeint. Er schiihe Sie weiter.«
Mittag riickte inzwischen heran.
Frau von Rössing entließ Aerolitha,
ließ sich ankleiden und schickte Rob zu
herrn Pitllemann, daß er sie seinem
Versprechen gemäß zumRotar begleite.
Rob tan mit dem Betcheid zurück,
Here Kommissionsrath sei vor einer
halben Stunde mit herrn Doktor
Wieelius fortgegangen. Peinlich er
staunt hieß Frau von Röitina Nod
I
rnit in den Wagen steigen, in der Hoff
nung, ihre beiden Freunde an Ort und
Stelle zu finden. Aber bei dem Notar
war Niemand als der Beauftragte des
Käufers. Ein Schreiber des Notars
und der aus der Drofchte heraufge
rufene Rob mußten als Zeugen fun
giren. Die alte Dame tam sich fo
verlassen vor, daß aufsteigende Thra
nen ihr die Augen oerduntelten.
Es war fünf Minuten vor Eins,
und sie fchictte sich an, die Treppe hin
untergufieigem ihr Vermögen in einer
ledernen Tafche arn Arm, ais Wirr
tiug athernlos die Stufen hinauf
ftürmte.
»Meine verehrte Frau Baronin!
bitte taufendrnal um Entfchuldigungl
Ich habe rnich ahgeftürzt —- es war
fchon nicht mehr schön! und nun doch
zu spöt! —- halten Su’s einem Bräu
ti am arn Verlobungstage zu gut.
in Schwiegervater —- Sie tennen
ihn ja! —- ift ein btkchen genau. Jch
mußte ihm iihee echiiftlnhe Dinge
Rechenschaft geben, ie Ringe besorgen,
das Bot-quer ch habe unfere Kame
runer Brüder eneidet. Auf unserer
Kulturftufe ift Verlobung und hoch
zeit nichts Einfaches me r.«
Frau von Röffing f ob ihre zit
ternde hand in den Arrn des jungen
Mannes.
»Liebe: Doktor! ich habe mich von
Gott und den Menschen verlassen ge
fiihli tn die er Stunde-«
«Wirtlich haben Sie dast«
Es war ein eigenthiirnliches Sterhen
in dem Blick, den er auf die ha ere,
hoch etratzene Gestalt an feiner ärite
war . Leichthin fuhr er fort: »Schade,
dafz tote nicht jetzt gleich zur Bank
fahren tönnen.«
Römern wir das denn nicht7«
»Ein Uhr, Frau Baronin, Bureau
fchluß.« i
W
WFrau von Missing rang die Hande.
» as soll ich denn anfangen unt dein
Gelds«
»Wie deiiini — Sie nehmen es ru
i mit be m.«
hg,,Ein-e solche Summe in meine Wolf
nung!« .
»Es weiß doch Niemand, daß Sie sie
heben. Sie ist da fusi sicherer, als in
unserem Panzerschranr. Und wenn
Sie wollen« deponiren wie das Geld
diesen Nachmittag·« »
« »Hm-er sichs-! sicher! heut- Nachmit
ag «
»Gewiß, wen Sie’s beru gt. Wir
haben von Drei bis Fiinf eit. Ich
treffe meine Vorbereitungen -——» »ie
Höhe der Summe erfordert erm
Firmalitiiten —- dann hole ich Sie a .
erben wir denn heut’ Abend wirklich
die Freude haben, Sie bei unserer
Verlobung zu feheni« « ·
»Weder Doktor! seien Sie mir nicht
böfr. Mir steht der Sinn in diesen
Tagen nicht nach Feftlichteiten. Mit
meinen Gedanken, meien guten Wün
sschem bin ich bei Ihnen, das wissen
ie."
»Sie sollten es auch in Person fein.
Es ist doch von altersher Jhre Freud-,
Gliietliche zu sehen.«
Die Baronin fah ihn an. »Sie ha
ben manchmal eine Art, die Dinge zu
sagen, herr Doktor — wie ein Vor
wurf, wie ein hohn! —- Aber,
wirtlichl i abe mich immer des
Glücks der lucklichen gefreut."
»Das weiß ich doch. Besonders
glücklich Liebender.«
—Menn die Wahl so aiinitia fiel.
wie bei Ihnen beiden.«
»Sie finden auch, daß meine Braut
ausgezeichnet zu mir Zust, nicht wohr?
Ja, ich hab’ immer ltiet."
.Sie nimmt die Dinge leicht wie
Sie. Jst-ei Schmetterlinge, von Blu
me zu lume gautelnd. Jch hohe die
Tochter meines houswirthej sehr lieb
gewonnen. Sie Meint mir die rechte
Frau fiir einen « onn, der tvie Sie
auf der Lichtseite des Lebens wandelt.
Für Jemand, der so wie ich im Schot
ten steht, giebt es vielleicht noch wohl
thuendere Gefährtinnen. Gott erholt’
ihr und Ihnen Jhr helles Glück. Das
wünsch« ich hnen von herzen.«
Er zog i re Hand on die Lippen.
»Ich donte ; hnen. oloube, daß
der Himmel Sie mit riiillung Jhrer
Wünsche versieht, Frau Benuan
Der Wagen hielt oor der Pulle
monn’fchen Gortenptorte. Wicelius
half seiner Begleiterin aussteigen. Das
rundiiugige Dienstmädchen torn gelau
sen mit einem Showl, den Frau von
Nölsing vergessen hatte. Wirklius be
trachtete sie. Er streifte mit einein
Seitenblict Rot-, der den Kutscher be
zahlte, sorgfältig ihm die Groschen
nachre nend. Und er lächelte.
»An Wiedersehen heut’ noch-"
Während die alte Dorne ihre Leder
stoiche seit on sich pressend, durch den
: Garten trippelte. ging er heim.
» Der Diener hatte in dem kleinen,
i eleganten Eiizimmer servirt. Er rührte
) die Speisen kaum on. Noch fiinf Mi
jnuten stand er auf, begann sein La
boratorium, sein Arbeits-Immer noch
mals zu durchmuftern. Schon gestern
hatte er do Ordnung geschafft. Eine
Verlobung ist immerhin ein Lebens
ckbschnitt. Mit Schutt und Asche war
die Höhlung unter den Dieien ausge
fiillt worden, dieFeder in der Täte
lung zerbrochen. lleriei Chemitolien,
Werkzeuge, Tiegel und Pfonnen hatte
die Gluth des Schmelzosens wegge
thry sammt vielen, vielen Popieren.
un waren die Feuer des Ofens und
der Schmiede erloschen. hellmuth Wi
celius hatt nichts mehr zu ertinden ol
einen neuen Menschen, als den Ge
maål von Lisbeth Püllemanni
s-- -- h---- L
Heu-u so sure-u Uns-»I, Itzt-g IUI
höhnisches Lii eln seine Lippen. Er
wunderte sich elbit, welcher Art die
ser Mensch fein iviirde. Er stieg die
Treppe wieder hinauf, zog die Laden
aus seinem Schreibiisch. Seine Pa
piere, seine Rechnungiibiicher lagen da
rin iii musterhafter Ordnung. Aber
keine Notiz. kein Grundriß mehr, kein
Brieffeßem der irgend Jemand com
pkomittirtr. Auch das Lokal »Am
Krö ei« hatte er ausgeröumt, die Ritse
am stachenkodi mit Cement verstop t.
Er war fertig
ikr setzte sich auf einen Stuhl. Zwin
» gend deutlich kam ihm die Erinnerung
wie-der an jenen Taa vor zwölf Jah
ren, jenen Tag am Kreuzweg wie heui’.
» Er sah das Kaiino von Monte Carlo;
»das Mittelmeer warf seine weißen
i Schairmkämme an die Felsenkiiikr. Er
ilehnte an der Tera enbriiitiing. herg
und Gedanken zum pringen voll von
HPaß iind Wirth gegen eine Gesell
l chait, die ihn beleidigt hatte, ehe er
i geboren war, und der er doch nicht bei
i uiominen wußte in seiner bescheidenen
Lebensstellung und ohne den Talisi
iman, der sie zwingt, das allmächtige
i Gold.
j Da hatte piiihlich der Mann neben
ihm gestanden mit den sitternden
Schnurrbaitenden und den feinen
keinijchiigku saure-s — —- nor-;
ssrte er die Stiege des Dotels knacken
in der dunklen Sturm nacht, hörte das
Schnarchen des En iänders, während
; leise, gleitend der ei des Koffer
E iich hob.
! Der Mann mit den itiernden
» Schnurrbariendeii laa seit in
seinem Grab ohne Kreuz ans dein
Mich der Rai-nennten Und Dok
tor he muth Wieekiiis veriobte sich
heut' Abend mit Liebeth Mille
iiiaiin — —.
Der Diener klopfte an, meldete Po
lizeieomniiisir Schuchardt.
i Mortseiung fokgi.)