Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, July 18, 1902, Sonntags-Blatt, Image 10

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    (14. FortsedungJ
.Sechs müssen sein. Neun dürfen
sein. Ein schwerer Achtundzwanzing
(Einbruch). Sohre: 150,s)00 Räder
sThaley garantirt ——«'
Ein Gemurmel erhob sich. Die
Höhe der Summe wirkte oerbliiffend
auf diese Söhne des Elends, die oon
der Hand in den Mund lebten. 450,
000 Mart unter sechs oder neun ver
theilt, das war genügend, um sich vom
Geschäft zurückzuziehen Es gab ei
nige, die in diesem Augenblick eine
Bissen hatten von einein Fleckchen
Stün. einem Häuschen zwischen Ge
mllsebeeten irgendwo im hellen Son
nenschein, dessen Besitz« einmal ais
höchstes Jdeal hell in ihrer Kindheit
Traum hineingeleuchter hatte.
»Das Geschäft ist gut. der Masse
matten ist tlotzig gut. Fragt sich: wer
bat Contages Wer keine hat, der geht
besser jeht gleich durch die Thür da
wieder hinaus. Jedt kann er’s noch
dreist. Wenn der Massematten aus
kocht ist, dürft’s zu spät sein. Jch
gecs gleich. Warum soll ich die Leute
betrügen? Wenn Nr. 1 das Geschäft
machi, geht teiner verschütt (kommt
keiner ins GefängniU Will ein
Kunde zurücktreten.«
Niemand riihrte sich vom Fleck.
Idee einer der schweren Jungen, der
Erfahrung hatte, sagte: .150,000
Räder wachsen nich wild. Wie kommt
man ’ran?«
Jslap zuckt-e die Achseln. »Eure
alte Frau und ein junger Mensch
Ierden ins Gras beißen müssen.«
Zwei Secunden des Zauderns.
Es war unter diesen Verzweifel-.
ten keiner, der im Augenblick der Ge- «
ahr, in der Hast der Flucht, der
uth der Bertheidigung vor einem
Todtschlag zurückgeschreckt wäre. Jn
dieser kühlen Unpersönlichteit aber
hatte der Mord etwas Unheimliche3.
Da stand der höfliche Alte mit dem
Silberhaar auf, Weißludchen, der
milde«Patriarch, nahm den Hut ab,
machte eine seiner schönsten Verbeu
gungen.
»Die alte Dame nehm’ ich ans
mich," sagte er freundlich. »Das ist
ein einfacher Griff. Die soll sich nich
auiilen.«
Jin Nu schlug die Stimmung um.
Man lachte. Den Teufel auch! wenn
die alte Frau bis in ihr hohes Alter
all dies Geld, dies verbliissend viele
Gle besessen hatte, dann hatte sie ihr
Theil weg. Junge Leute wollen auch
leben.
Und der mit dem geraden Scheitel
und den Eisaugen richtete seinen nec
vigen Körper auf. Er war immer wie
in beständiger Spannung fortzukom
men, seine Füße aus dem alten pedan
kischen Europa zu retten in ein junges
chweigsames Land, noch so beschäf
igt mit seiner in den Windeln liegen
Ieu Zutunft, daß es keine Zeit hatte,
indistrete Fragen über vergangene
Dinge auszuwerfen. Ein Declassir
Ler, durch irgend ein brutales Verbre
chen herabgeschleudert von der Höhe
der Gesellschaft, wo er als verfeiner
kei, den Bedingungen der Kultur an
gezüchtetes Raubthier bis in seine
Mannheit gediehen war, und nun,
verzehrt von der brennenden Sehn
sucht, aus den Jagdgriinden dieser
gemeinen Bestien, mit denen er· nichts
gemein yatic ais seine Mauoinxerns
tur, wieder hinauf sich zu retten in die
Schichten, wo man blüthenweißehemi
den trägt, und die Ehre, wenn sieFle
cken bekommt, im Blut des Beleidigeks
ebenso rein wäscht.
Mit einer Stimme, die schneidend
war wie ein Messer, sagte er:
»«Den jungen Mann übernehm’
Leise murmelnd ählte Jslap:
pEinT zwei, drei — sieben. Sieben
g nt. Acht würden besser sein. —
ich rufen den Katzosf?«
Er wandte sich nach dem Dunkel
des Gang-es, der sich endlos ins Ein
kleweide der Erde zu erstrecken schien.
nd aus dem DnnteL in dem Nie
mand bis jett eine Gestalt unterschie
den hatte, antwortete eine Stimme
klar und deutlich:
»Der Katzoss muß amerikanische
Krautsuppe essen vor Neumond!«
Die Männer fuhren von ihren
Sinken Messer flogen aus den Gür
teln. Man war nerviis in Rase
enanns Keller. Rettich packte Schwe
felsiicken am Arm, daß er stöhnte, und
rannte ihm zu: »Ne. 1! «
Ader wie die Halse reckten, es
war nichts ibar in dem dunklen
Gelag im Schatten des Biendschirms
Und Seil-f winkte beruhigend nnd
breitete Unstig Papiere unt-Grund
Iisse in hellen Lampenschein auf
Ue List- «
M heran, Kunden. Warum
mich last sagen, was ich kann leise
MIM nicht Indes hohenzollernstlrtek
In
Mai- ud ein tsieines liin.
liest im Garten wth
DIE-T Es VI sie-:
THE-:- n
s-- v- vv -
Er gab die Einzelheiten. Zwanzig
Schritte hinter dem Schweizerhaus
lief die Gartenhecke an einem schma
len Durchgang zwischen Gärten, ent
lang den ausgedehnten Gärten der
Hohenzollern- und der Friedrich Wil
helmsiraße. Man gelangte dahin
durch die Kaiserin Augusta- oder die
Thiergartenstraße. Jn diesem Gang
würden zwei Schmiere stehen, zwei
andere nach dem Haupthause zu im
Garten selbst. Es gab keine Hunde
und im Haupthause würde an diesem
Abend alles aus oder beschäftigt sein.
Rettich, der nicht fiirs «Bluti e«
war, zerrte Schwefelfticken mit sich
dor. »Das Schmieresiehen sei seine
Forsche. Er tenne auch den Durch
gan , er kenne Piillemanns Garten
bei — ag und Nacht, hiitte dort schon
gearbeitet. Er wolle mit feinem
Freund im Durchgang stehen.« Will
und der «schwere Junge« erboten sich
für die Plätze im Garten.
Mit dem Finger deutend, erklärte
Jslap den Plan. Die Küche war im
Keller-. Jtn Erdaeschoß zwei Wohn
räume und die Dienerstude. Oben
geradeaus das Schlafzimmer der al
ten Dame. daneben ihr Arbeitsziw
mer. Jm dritten Zimmer schlief das
Dienstmädchen, und alle drei Zimmer
hatten Thüren auf den rings um das
erste Stockwerk laufenden Balton hin
aus. Die hausthiir war Nachts ge
schlossen und von innen mit Kette
und Riegel verwahrt. Die Fenster
des Kellergeschosses waren dergittert,
alle anderen hatten inwendig eiserne
Laden, die Nachts geschlossen wurden.
Ofsen pflegte nur das Clofettfenfter-,
chen zu stehen, eine Lustscheibe von
dreiiig Centimeter Höhe aus siinsund
zwanng Breite, und man ließ sie os
sen, weil es ausgeschlossen schien,daß
ein tletterfähigerMensch sich hindurch
zwängen könnte. Gleichwohl vermochte
ein sehr schlanler geschmeidiger Junge
sich durchzuarbeiten, man hatte die
Probe gemacht. Und in der Nacht
vom 30. Juni aus den 1. Juli wür
de dieser Knabe durch das Closettsen
sterchen ins Jnnere des hauses trie
chen, behutsam Kette und Riegel der
Hausthür zurückziehen und dasSchlosz
ausschließen. Zwei Kunden schlichen
sich dann in das haus. Der eine
machte im Dienerzirnrner im Erdge
schoß den Wächter stumm, der andere
oben im ersten Stock die alte Frau.
Danach hob man den Schatz. Und
man würde sich nicht einmal zu be
eilen haben.
Der mit dem geraden Scheitel hat
g einen Einwand: das Dienstmäd
en.
»Die Dille schliist im dritten
Raum,« sagte Jslap achselzuckend
»Sie schläft sesi. Vielleicht könnt
man sie schlasen lassen?«
Aber die Männer begehrten auf.
Es gin um Kopf und Kragen. »Man
würde ich nicht unglücklich machen
um die dumme Dille (Miidchen).«
Und Weißludchen, von dem man in
den Kasseellappen bewundernd er
zählte, dasz er seine drei Frauen ins
bessere Jenseits befördert habe, ob
gleich das Gericht ihm diese Verbre
chen niemals hatte beweisen können,
erhob sich wieder.
»Die Welt ist überfällt vorn weib
lichen Geschlecht. Glauben Sie mir,
meine betten mit Männer würden
inehr Lust haben, wenn uns die
Frauen nicht erstickten. Warum sal
len wir uns fürchten-i Das ist eine
Unangenebnie Empfindung. Jch bring’
auch das Mädchen zur Nuh’. Erst die
Frau, dann das Mädchen. Es ist ein
Griff. Die Dinger sterben leicht.«
Er war ein sanatis er Weiberhas
ser, vielleicht weil er ie einmal zu
sehr geliebt hatte. Jedenfalls trug er
ihnen seinen Schiff ruch im Leben
nach. «
Jn diesem Augenblick gewann der
Schatten hinter dem Blendschirm Le
ben, glitt hervor ins Licht der kleinen
Lampe, ein Mann in saltigekn Kra
aenmantel, den hut tief in die Stirn
gedrückt, vor dem Gesicht eine schwarze
Samintmasle.
»Schwört!« sagte er mit llingender
Stimme. »Wer entschlossen ist, hebe
die rechte hand, lege sie auf die Kiste
neben dee Kameraden Hände, hand
neben hand. Alle liegen?
«Bei der größesten Un erechtigleit,
die jeden von uns betroan hat, bei
unserer liebsten hoffnung! bei unse
re·.i grimmigsten haß! Wer den Ka
meraden im Stich läßt, tver ihn ver
riith ans Zorn, Habgier, Rachsiicht
oder Feigheit, in Geahr, im Leicht
sinn oder auf dem iechenbett, als
freier Mann oder vor dem Richter, der
soll diese rechte Hand nicht mehr anf
heben in Freundschaft oder in haßt
—- Et istæerichtet sa te Nr 1.
Er fo gerichtet sen,« murmelten
die siehen, langsam die hände zurück
ehend Ein Schauer durchrieselte
Eu Man dachte an Seibelschrviing,
dein Polizeiconiniissiir Braun
Lampen geben haben sollte. Es
rvaren in ein Raum ein ,die ihn
kamt-IM- ein
r drüben auf Aktien tells, wo
sit-Z eine etsat
dantieoe km wie-. U- vae er
ein«-. nn- sswis rn
Und j t hob der in der Maske die
schwarzbe andschuhte hand, zählte
aus, wie-Kinder bei ihren Spielen
ein-zählen
»Ni- 2« (es war Jslap), »Br. s«
(det Gescheitelte), »Ne. 4« (der
liche Frauenmärdey »R: 5«( et
tich), .Rr. s« (Schwefelsticken), «Nr.
7« (der schwere Junge), «Nr. s«
(Will). Namen verrathen. Num- ?
niern sind Nebel. Jhr kennt Eure
Nummern? — Rechnung Nr. 2!"
Jslap ergriff einen Stift. 400000
Matt Sohte (Beute). Je 100,000
die zwei, die die Arbeit im Haus ma
chen. Je 50,000 die vier, dieschmiere
stehen. 20,000 der Junge, der die
Thiir ausschließt 30,000, der die
Papiere in Umlauf setzt. — Jst’s ge
recht?"
»Ja, fa! Auf die Art kriegt jeder
sein Recht.«
»Und »Jedetn fein Recht« ist die
Grundlage aller Gemeinschaft Weil
Staat und Gesellschaft uns nicht un
ser Recht geben wollten, nehmen wir’s
uns selbst zehnfällig Von denen, die
zu mir gehalten haben, ist noch nie
einer verschütt gegangen. Viele sind
als gemachte Leute in die Welt ezos
gen, obgleich ich Zins erhoben abe,
wie es mir zukommt. Denn der Ar
beiter ist seines Lohnes werth. Von
diesem Geschäft hier will ich keinen
Zins. Das mach’ ich fiir die Kame
raden.«
»hutra!« schrie Rettich. Und Weis
ludchen entblößte, sich verbeugend, fern
Haupt als Zeichen seiner Hochachtung.
Nur der »Baron« richtete durchboh
oend seine harten Augen aus die aus
druckslose Sammtmaske. Man macht
sich nicht blutige Hände fiir nichts.
Wenn der Mann da hunderttausende,
die er haben konnte, wegwarf rnit ei
nem Wort —- welche hölle von Rach
gier kochte dann in seiner Brust und
beste ihn vorwärts zu solcher That?
»Den 30. Juni zu Jodelef (elf
Ubr),« sagte der Schwarze mit seiner
klingenden Stimme. Und wie sie alle
zurücktraten, blieb et stehen irn Luni
ICIIIIWI« IIU IWlUUIch OUUC, UIJI
schwarzen Grund-e der Erde entstiegen.
»Noch einst — Morgen wird die
Teclelei (Polizei) ein Preisausfchreis
ben anschlagen lasfen an alle Litfaß
säulem »26,000 Mart fiir den Kopf
von Nr. 1.« Jst einer hier, der sie ver
dienen will?«
Ein jubelndes Gelächter antwortete
ihm, Hohnrufe auf die Greifen Man
konnte rechnen. Fünfzigtausend, hun
derttausend Mart! und eine unabseh
bare Perspettive auf fernere glückliche
Raubziige gegen elende 26,000, ver
bunden mit einem Rattentönig höchst
unangenehmer Fragen!
Eine Schnavsslasche stand aus einer
der Kisten. Im Nu waren die Gläser
gefüllt. Sie tranken’s dem Chef zu
in ehrlicher Begeisterung: Doch heur’
und immer Nr. 1! Hoch!«
Auch der Schmutze nahm ein Glas.
stieß an, trank es leer und warf es auf
den Boden, daß es zersprang.
»Am 30. Juni zu Jodeles.«
Während die Genossen die Stufen
hinaufstiegen zum ersten Keller, tauch
te Nr. 1 zurück in die Finsterniß des
schattenhasten Bierecks hinter der
Lampe.
i - «
Als Hellmuth Wicelius an diesem
Abend heimkom, fand er auf seinem
Schreibtisch zwischen anderm Postsas
chen einen Brief von Aervlitha.
»Geehtter here Doktor!
Jch hab’ Jhnen vier ehn Tage nicht
gesehen, und ich fürcht , Sie sind sehr
böse. Und das ist mir leid. Jch hab'
Sie nicht tränken wollen. Denn Sie
waren sehr gut sitt mich. Jch hab'
mir nur schrecklich gefürchtet. Aber
ich werd’ mich sehr freuen, wenn Sie
wollen kommen zu mir einmal am
Tat-. Und ikb net-bleib- stbe immer
dantbare « Afferolithak
16.
Es war Mittwoch. Die Uhr auf
dem Rathhausthurm schlu Neun.
Jm atoßen Saal des Po izeipräss
diums auf dem Alexanderplatz be
gann die Conferenz. Jedes Polizei
revier der Niesenstadt hatte seinen
Vertreter geschickt. Auch von höheren
Beamten war eine stattliche Schaar
anwesend. Die täglich sich steigernde
Unsicherheit in der Stadt machte das
Refsort nervös. Der Minister des
Innern hatte vom Monarchen mah
nende Worte zu hören bekommen, die
sich als scharfer Tadel auf den Poli
zeipräsidenten sortpslanzten und von
diesem aus in Form hefti er Vor
würfe ihre Stachelranlen tiber daä
Heer der niederen Beamten weites
trieben. Erfolg hatte in den letzt-n
Wochen nur ein einziger aufzuweisen,
der Commissiir Schuchardt, dem es
gelungen war, das Spielerneft aus-·
zunehmen. Auf ihn schauten denn auch
vertrauenzvoll seine Vorgesetzten und
das Puhlttum. Er freilich hatte nicht
das Auftreten eines Siegerz. War
der Präsident nervös, Schuchardt war
ej in noch höherem Grade. Zwischen
dem raschß ergrauenden haar und
dem schon eis rau gewordenen, aus
rasiierten Ba enbart erschienen die
verwittean Züge mit den sinnlich
breiten Kiefern gelb und gealtert.
Ausdrucksloi stierten seine hellen
Augen iider die drei entlassenensuchts
häuiler weg, die eben langsam durch
den Saal geführt wurden, damit die
sersammelten Krirninalbeamten sich
ihre Phosiognointen einprii ten,
Der junge Yommissär mtdt, der
Schuchardt nicht wohl wo te, pufste
sit-In Kollegen Guntermann in die
e·
- Sehen Sie doch! Der Schuchardt
heftet wieder liber einem hauptschlaa
Ich sit W bvshaft Ihn treu
der sich mal hlamiett bit aus die
Knochen —!«
Der Kriminalinspestor Zfssnete seine
rathe Wappe. Jn der so ort eintre
tenden Stille las er:
»Requisition aus Vudapeit
Vor einigen Wochen trat hier ein
internationaler Hochstapler aus lo
irte in den ersten Gasthösen, spielte
ich als ein deutscher Ossizier aus. Er
hat einige Juwelengeschäfte um Waa
ren von beträchtlichem Werth betro
vtren. Auch ein schwerer Einbruch
wird ihm zur Last gelegt. Vor acht
Wochen versuchte er bei dem Bank
hause Cohn E Co. mittels gefälschten
Wechsels eine Summe von zwanzig
» tausend Mart zu erheben. Als das
sBanlhaus mit der Einlösung zögerte
verschwand er. Die Spur deutete
nach Wien, doch ist es nicht unwahr
lin gewandt hat.
Der Verbrecher nennt sich Karl von .
Boden. Es liegt die Möglichkeit ;
vor, daß er identisch ist mit Kurt von "
Schmutz, Sohn des Freiherrn von
Schwatz auf Osterau in Schlesien,
der vor sünf Jahren wegen ehrenriihi
riger Handlungen aus der preußisch: .t
Armee ausgestoszen wurde, und seit
dem verschollen ist.
Der Gesuchte ist pierunddreißig
Jahre alt, über Mittelgröße, mit
dunklem haar und Bart und scharfen
blauen Augen. Er spricht ließend
sdeutsch seanzösisch und englisch.
schriftlich daß er sich später nach Ber
ES wird um gesällige Nachsorschung j
mach dem Flüchtigem Festnahme un
Trahtnachricht nach hier gebeten. —
Die K.K .Polizeidireltion Budapest «
I Während die Beamten ihre Noti
zen machten, entsaltete der Jnspettvr
ein neues Papier.
»Eine Berliner Angelegenheit
Am 28.Mai, urn 10 Uhr Abends ist
eine ledige Frauensperson, die Kö
chin Dora Schnapphuhn, mit ihrem
Bräutigam, demRentier KarlSchulze,
aus dem hause Zehdenicker Straße
5, der Wohnung ihrer Schwester, der
Kochsrau Wintermeier, weggegangen,
.«I-«-f-"-Tn um se- msvmnuhssv has
i
1
-- .--- ··-s-------· sk
bei Magdeburg zu reisen. Beide sind
seitdem weder an ihrem Bestimmungs
ort angetommen, noch von ihren hie
sigen Bekannten wiedergesehen wor
den.
Es wird ersucht, alle Kräfte einzu
setzen, um den Aufenthalt der Dora
Schnapphuhn resp. den des Karl
Schutze zu ermitteln.«
Folgte die genaue Beschreibung des
Mädchens und des Mannes, sammt
Angabe der Schmucksachen und der
Geldfumme, die die Berichwundene
bei sich getragen hatte.
Und dann entsaltete der Jnfpettor
ein drittes Papier, diesmal ohne
Siegel und Stempel, und las mit er
hobener Stimme:
»Verrnd" ende Bürger der Stadt ha
ben zwei Äreise ausgesetzt. Erstens ei
nen Preis von 26,000 Mart siir den
Kriminalbeamten, dem es gelings,
das muthmaßliche Oberhaupt der
Einbrecherbande, die Berlin in den
letzten Jahrten unsicher macht, her
auszufinden und zu ergreifen. Und
zweitens ein Preis von R,000 Mart
demjenigen Mitglied der muthmaß
lichen Einbrecherbande, der dieses
haupt in solcher Weise der Polizei
ausliesert, daß es dingsest gemacht
und überführt werden tann.«
Die Augen der Beamten weiteten
sich. Eifriger tritzelten die Bleisedern.
26,000 Mart. Es war eine Sache!
KommissiirSchuchardt stand schwer
athmend, die band zur Faust geballt,
die Brauen zusammengezogen. Daß
sie ihn doch entdeckten. Da sie ihn
sällten in seiner üppigen rechheit,
ihn, der ihn zum alten zitternden
Mann gemacht hatte!
Aber wenn sie ihn fanden, wenn sie
ihn nor Gericht fehl-owed dankt war?
aus auch mit Kommissar Schuchardt.
Seine Frau! seine drei Knaben, de
ren Augen heller leuchteten, wenn der
Vater vom Dienst heimiaml Da war
nun fein Tat-feind in seiner Hand.
Es kostete ihn ein Wort, einen Na
men — und nicht einmal in Gedan
len durft' er ihm Vernichtune wün
schen! Ja wenn er ihm ernma gegen
iiber stehen sollte im Dienst, einer ge
gen einen bei einer nächtlichen Aisaire,
wo der Revolver und der Dolch das
letzte Wort redeten! — Thor, der e:
war! Nr 1 besorgte seine Angele
genheit nicht persönlich!
Einer seiner Vorgesihten klopfte
ihm auf die Schulter.
»Das ist eine Sache fiir Sie,
Schuchardtt Verdienen Sie sich den
Preis!«
Den Preis? —- Vorgestern hatte er
den Plan des häuschens abgeliefert!
Ihrs häuschens in Piillernanns Gar
en.
Er erwiderte, er wußte nicht was.
Er unterdrückte mühsam ein hohnla
chen. Die in ihm wühlende Erregun
sog ihn, zwang ihn unwiderstehlieg
dem Gegenstand seiner Furcht, feines
heisses entgegen. Er stieg in einen vor
beiraiselnden Omnibui und fuhr nach
der »Siiddeutschen Banl«.
Dort ging ej heut- verhältnismäßig
gemlithlich zu. Die Ruhe vor dem
Sturm der Quartalögeschiifte lagerte
über dem freundlichen Raum.
Nathanael suchte mit müden Bewe
gungen und ohne sich zu libereilen nach
einem verlegten Werthpapier, den
schweren Kopf noch ganz erfiillt von
einem s mmernden Erinnerungibild
nackter "dchenschultern und bleicher
Seitslaschenhiilse.
hinter der Doppelthiir aus mattern
Glas conserirte der Direltor mit eini
gen Geldleuten Und ledaaft dur
Thiir aus und ein, bald im Dire tor
iirmner mitberathend, bald in der
Enechxelstude die nochtyhlisen Kun- —
dienend, g nk ttor Wirelius
init einen derd d tchen Formen. set
tichen Lebendig trit, seiner beru
diEenden Sicherheit die Seele des Ge
ichsstei wie stets—
Den beiden ungaren Schreiberges
wachsen g eiiiider. die mitde in der
Junidihe die Köpfe hänaen ließen, ar
beitete ris Airotlx Ader immer
wieder ockten ihm heut’ Jeder und
Gedanken. Gestern war wieder Lis
betW Musittag gewesen. Die ganze
Woche hatte er heimlich daraus aewar
tet. Und als er vom Tisch aufstand
faßte er seine Mutter um die Schulter.
»Mutting, tcch’ auch recht guten
Kassee heut’, ja? Darfst dreist ein paar
Bohnen mehr nehmen. Wir sparen’S
schon wieder heraus. Und das alte
Damasttisckituch mit den Greifen drin,«
nicht wahr, das deckst du heut« auf?«
Frau Asroth guckte mit tuininerdol
sler Mine die Achseln. Ein hartes Le
den datte in ihr eine Art sechsten Sinn
ausgebildet sozusagen seelische Taster
von wunderbarer Feinheit zur Wahr-·
ne«miing alles dessen, was ihr oder
den Ihrigen drohte.
»Mein armer Juna’, sie kommt ja
nicht«
»Wie lannst du das wissen?« sragte
er heftia.
»Der Weg von Piilleniann’s zu As
roths ist weit. Sie loinmt nicht wie
der zu uns.«
.Thorheit! — Warum wäre sie
denn das eine Mal getoinmen!«
Die Frau fah ihren Sohn an. Es
fehlte bloß, daß ihr Junge sich thö
richte Hoffnunan in den Kopf feste
hoffnungem die ihn hemmten, der
wirkten auf seiner schön aufsteigenden
Bahn. Die Furcht machte sie scho
nungslos. Sie sagte geradeaus, was
sie dachte.
»Sie lommt nicht wieder-, weil sie
sich verloden wird. Mit Doktor Wi
celius wird sie sich verloben.«
»Verlobeni’! — Mit Wirelius? —
Mutter, wer hst dir das gesagt?"
Sie schüttelte den Kopf. »Derlei
sagt nie Jemand. Wer sich daraus
1
dersteht, liest das aus den Augen, aus
den Umständen. Jch habe die beiden
Menschen zusammen gesehen — neu
lich — Sie sahen mich nicht! — Sie
passen zusammen, ihreGeldbeutei auch.
Datum wikd’s geschehen. Und mein
Beweis, siehst du, ist: daß sie nicht
;.kommt.«
Er kaute stumm an seiner Unter
lippe. Aber bald hob er wieder den
Kopf.
»Noch ist’z nicht bewiesen. »Deck’
du dein Tischtuch nur aus, Mutting.«
Als er wiederkam, lag das Tischtuch
mit den Greifen aus dem Tisch. aber
keine Lisbeth Püllemann saß davor.
Schweigend tranken Mutter und
Sohn ihren Kasser. Dann wollte Fritz
arbeiten. Ader er tonnt’s nicht. Er
nahm seinen Hut und stürmte hinaus.
Wiceliugk Ausgerechnet Wicelius
seine Lisbeth! —- Durst’ er das zu
lassen? — Er schlief die Nacht nicht«
Er wurde den peiniaenden Verdacht
gegen diesen Mann nicht los, der an
jenem Abend in Wicelius’ haus in
ihm ausgestiegen war und den ver
schiedene Zusälligkeiten seitdem ge
nährt hatten· Mit heißen Augen saß
er im Bureau und beobachtete seinen
Chef. Was allen entging, sein durch
Eifersucht geschärfter Blick nahm es
wahr: den jähen Umschlag in des
Doktors Stimmung. Er war nicht
plump, nicht augenfällig. Frih las
ihn aus einem Zacken der Brauen, ei
nem undewußten Lächeln, einer Se
kunde von Berträumtheit unter der
glatten Maske ewig gleicher-, verbind
licher Höflichkeit heraus. Tagelang
vorher verhaltener Grimm, neroiise
Pekeizheih seit heFULte Morgena strah
ITILUT Olcgcsaullclsiwl, IUUUI MIIUJIIH
Menschmsreundlicheö, so daß er nicht
an sich baiten zu können schien. seinem
Glück Lust machen mußte in Freund
lichkeiten, die er über seine Umgebung
ausstreutr. Dem jüngsten Lehrling,
einem verkümmerten, blassen Jüng
ling« sprach er von einem Sommerur
laut-, dem ewig in Geldberlegenheit
besindlichen Nathaniel bot er ein Dar
leben an« ganz heimlich, in einer Ecke.
Des jungen AsrotW Spürsinn ent
ging es doch nicht. Er trat auch zu
ibm, legte ihm die hand aus die
Schulter, sagte, daß er mit ihm zu
frieden sei, daß, wenn er so sort abre,
eine dauernde Anstellung bei der ank,
eine bedeutende Gebaltserhöhung ihm
in Aussicht ständen.
Und salsch deutend, was er richtig
sah, schrieb Fritz aus Lisbetb’ö Rech
nung die strahlende Freude, die Vero
sitan Bries LnWieelius bewirkt batte,
eine Freude, iiber deren Gewalt Wi
celiuc selbst staunte. Ja, er liebte sie
leidenschaftlich, unbegreiflich, bis zur
Opsersreudigleit, bis zur Tollheit!
Und wiibrend er mit den Kunden iiber
Wöhrungen und Procente debattirte,
liesen seine Gedanken voraus zu ihr,
der Tat-feren, Reinen, die aus dem
schwanken Brett des Lebens so sicher
stand, wie aus ibrem schaukelan
Traben
Jett össnete sich wieder die Tdtir.
Piillemann mit seiner jüngsten Toch
ter trat ein·
Da Wicelius beschäftigt war, pusste
NathanieL der seht mit verbissenem
Eiser in einer Manne voll alter Briese
nach seinem Wertbpapier suchte, den
jungen Asrotb vor.
»Den Commissionsratb beseblen?«
Jn übertrieben corretter Haltung
stand Fritz vor dem Berblitssten.
Piillemann war seit vier Wochen nicht .
aus der »Gut-deutschen Bank« gewesen
und wußte daher nrch nichts von
tn Amt und Würden oor M sah,
te ihm das Wort im Munde, seine
Augen wurden troh der sie einengenden
gettpolster fast groß. Er stieß eine
rt Knarren aus. »
«Nee, danke schön. Mein Jeschaft
ist wichtig. Jch warte lieher.« Und
er zog Lifbeth mit sieh vorüber zu dem
Fleck, too Wirtlius einem Detrn Chi
nesische Anleihe verkaufte. Sie hatte
kaum Zett, Iris flüchtig zazunicken.
Seltsam geniert fiihlte sie sich ihm ge
genäher.
Defto lehhafter aestaltete sich die
Begriißung mit Doctot Wicelius, als
endlich der alte Herr sich empfahl.
»Ich komme heut’ der Lisheth we
gen, Herr Doktor,« sagte Piillernann.
»Sie verwaltet fchon ihr eiaenes Ver
mögen, damit kann man nicht zu friih
anfangen. Bitte, strengen Sie Jbr
Genie mal ganz besonders an, saß Sie
eine recht aesieaene Anlage fiir sie
ausfindig machen.«
Und dann beuate er sieh vor, sprach
leise, entrüstet, mit einem Seitenhlick
auf Asroth: »Bester Dotter, wie
konnten Sie sich blos den iriinen Jun
gen da aufhalsen lassen?«
Wicetius antwortete mit freundli
cher Unbefangenheit: »Der Sothhres
früheren Compagnong, Herr Kom
missionsrath Das hat uns beftochen.
Wir wissen, daß Sie Menschen zu be
nrtheilen verstehen. Und wirklich, der
junge Mann macht Jhnen Ehre.«
Pülletnann schnitt eine Grimasse,
aber er erwiderte nichts. Sich erzitt
nen mit dem Mann, den er zum
Schwiegersohn begehrte, um solch’ in
famen Benael —- nein!
Lisbeth hielt hielt ein grünieidenes
Beutelchen, prall voll Goldstücke, in die
Höhe.
»Da ist mein Mammon.«
»Ersparnisse vom Haushaltsgeldt
Alle Achtung!«
»Kränten Sie mich nicht, Herr Dok
tor! Ersparnisse vom Toiettengeld.
Jch bin sehr stolz darauf.«
»Diirfen Sie auch! Um so mehr. als
III- Anstellnna III er ihn to
man die Sparsamkeit gar nicht
merkt,« erklärte er, ihre Teilette mu
fternd. »Dort; ja! Eins fehlt!
Er ging in einen Nebenraum und
lehrte gleich darauf mit drei bracht
oollen Rosen zurück, die er Lisbeth
überreichte. »Dars ich mir erlauben?«
»Sie sind ja überwältiaendl Wie
kommen Sie nur hier zu solch wun
derschönen Rosen?«
»Vermuthlich wachsen sie da, woZie
eintreten.«
»Mokiren Sie sich doch nicht immer!
Jch bin gar nicht so eingebildet, wie
Sie glauben!'«
Sie steckte die Rosen in den Gürtel.
Und während sie ihn ansah, fielen ihr
plötzlich wieder die Andeutunaen ihrer
Eltern ein. War das wirtlich ihr
künftiger Mann?
Wicelius schüttete die klingenden
Goldstücke auf den Tisch. »Herr As
roth, bitte, zählen Sie mal nachlk
Uns während Fritz Asroihs Fin
ger zitternd in eifersiichtigein Zorn in
Lisbeth’s Gold wühlten, holte Wirr
lius eine lange Lifte von Papieren nnd
betäubte Lisbeth mit der herzählung
ihrer Vorzüge und Nachtheile.
Jhr war’s eine eigene Pein, den
beiden Männern gegenüberzustehen.
Sie konnt’s nicht auseinanderwirren,
was sie fiir jeden von ihnen empfand.
Etwas Weiches, Zärtliches und
Schmerzliches zugleich fiir den Gespie
len ihrer Jugend, ein Verlangen, ihtn
wohlzuthun, ihn hervorragen, aufstei
gen zu sehen, aber klar, einfach, selbst
verständlich das alles. Das Gefühl fiir
den anderen war heftiger und ver
fchwommener, etwas wie der Rausch,
den zu starker Duft, zu heiße Sonne
hervorrufen, etwas ganz anderes, sehr
Stolzes, etwas, das eigentlich gar
nicht zu Lisbeth Piillemann paßte,und
das sie gerade deshalb nur um so ei
gensinniger seithieit in einer dumpfen
Furcht, es könnte ihr entrissen werden.
Und das, dies Unilare, Besondere,
Stolze, das, sagte sie sich, müsse die
Liebe sein.
hinter Frau von Rössing trat fett
Kommissar Schuchardt in die Wechsel
skubr. Er verwaltete seiner rau Ver
mögen und suchte Auskunft ber eines
ihrer Werthpapieke. So nannte er vor
sich selbst den Verwand, der ihn her
trieb. Er kam gerade in dem Augen
blick, ais Wiceiius sieh über die hand
der Baronin beugte, die jene ihm mit
mütterlicher Heriiichieit entgegen
streckte.
Gortseßunq solgt.)
« Ein Mustetknabr.
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sent »Mein Sohn ist also nicht is
Haus. Wo steckt er denn?«
" Vermiethetim »Der Den Doktor
wird im Kolleg fein.« -
s Herk: «Gcht er denn fleißig is des
I’otlesuugen7«
» Vemietherim Eisen-iß manchmal
kommt et die ganze Recht nicht Uns-J