Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 13, 1902, Sonntags-Blatt, Image 15

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    —
« Ver kleine Boten.
Erzählung don Johannes Johannien
Der alte Idierarzt Rebekka-, der
selbe, dem bei einer Körucg die linke
Kniescheibe zerschlagen war. pflegte
Kortenlamp das hummergericht zu
nennen. Bei diesem Vergleich vertrat
- das hohe, rothe Haus die gesottenen
Krebse, der grüne Wiesenplan. aus
dem er sich erhob, die schmückenden
Petersilienstriiußchen und der breite,
J- das Gewese umgebende Hosgraben
den blintenden Rand einer Glas
schüsseL
»Um diesen Besitz ist Fräulein Det
less wirklich zu beneiden,« sagte Fre
deriels zu feinem Freund und Kneip
tumpan, dem splittern-alten ,,Wäre
. ich nuk halb so an, ais ich es leider
hin und noch mal so hübsch, weiß
Gott, ich wüßte, was ich thiite.«
Der Zollverroalter strich nachdenklich
seinen Schnurrbart.
»Sie« besand sich auf Kortenlamp in
ihrem Atelier. Sophie nannte sich
nämlich »Künstlerin'«, und sie war es
; wohl, wenigstens hatte sie bei tüchtigen
« Meistern ernsthaft Stunden genom
men.
Mechanisch schweiften ihre Blicke
über die schön gerahmten Landschaften
an den Wänden, dann trat sie anseine
alte Schatulle, deren ausgezogene
Platte als Schreibtisch diente, nahm
einen Brief und las:
»Sehr geehrter Herr Halm
Aus Jhrem heutigen Schreiben er
fah ich nicht ohne Bewegung und
Staunen, daß Sie mich zur Gattin
begehren. Jch bin erstaunt darüber,
weil ich in den vielen Jahren, in denen
wir einander kennen, nicht bemerken
lonnte, daß Sie mir mehr als die
übliche Sympathie entgegenbrachten,
bewegt, weil es einer Frau immer weh
thut« den Antrag eines Ehrenmannes
zurückweisen zu müssen.«
Solch ein papierner Stil, Fräulein
Detless schob Den Ortes sorr uns grm
nach einem andern.
»Werthgeschäszter Herr Halen.« —
Aber auch diese Antwort rniszsiel
ihr, sie schloß kopfschüttelnd die Scha
t.ulle
Damals, vor zehn Jahren, hatte
Sophie ihn lieb gehabt, er aber hatte
sie verschmäht um eines schwächlichen
Stadtsräuleins willen. Tie Frau war
todt. Fräulein Detless tonnie und
wollte ihr nichts böses nachsagen, aber
die Mutter ihres Kindes zu werden«
das vermochte sie auch nicht.
Endlich saßte sie einen Entschluß«
da es mit dem Schreiben nichts war
wollte sie nun persönlich nach Hatenhos
ihren Korb überbringen Jm Grunde
toar es ein Triumph, also gab sie Be
sehl anzuspannen.
Erst aus der Fahrt begann sie zu
überlegen, was sie Herrn Hate sagen
wollte. Jn scharfem Trabe mit bli
senden Augen, suhr sie hinunter nach
Halenhos
Alles tvar hier viel hübscher und
herrschastlicher als auf Kortentanib.
Herr Halen selbst stand wartend in
. der hausthiir. »Sie sind so gut, So
phie«, rief er, ihr glücklich lächelnd
die Hand reichend, »das ist mehr, als
ich hossen durfte.«
Fräulein Detless ward ein bischen
sonderbar zu Muthe, ein Gefühl der
Bellemrnung übersiel sie, die Kehle
svar ihr wie zugeschniiri. Gott sei
Dani, diese Schwäche währte nur einen
Augenblick, genau so ianae bis ein etwa
siebenjähriger Knabe sichtbar ward,
das Kind der anderen.
»Sagen Sie es nur gerade heraus-,
daß Sie meinen Antrag zurückweisen,«
sagte Herr Date.
Sophie Detless seufzte. »Wie mö
ssn sci- msk In smhinhliefi ein Aller
I
i
t
dingö ist mir nach ernstlicher Ueber
legung zum Bewußtsein gekommen«
daß ich nicht so recht fiir Sie passe.«
Ter Ansicht bin ich eben nicht, So
phie, aber was bilst es, wenn Sie
mich nicht leiden tönnen.«
»Aber Herr Haten,« protestirte sie
eifrig, »ich habe Sie ja immer gern ge
habt und so ist es noch heute.«
»Dann also,« sagte er scharf, »bin
ich Ihnen nicht reich genun·«
»Ach was, das Geld sollte mich nicht
abhalten, wenn nur der tleine Haken
nicht wäre.«
Der Mann stutzte, nach einer Weile
erst verstand er. »So, so, das ist also
der Grund, weshalb Sie nicht meine
Frau werden wollen«
»Nun ja,« bestätigte Sopbie ruhig·
»ich besise nicht den Muth, die Mutter
eines Kindes zu werden, das ich nicht
lieben tann.«
here holen drehte sich um:
«Harro!«
Widerstrebenb stieg der Knabe die
vom hause herabsiibrenben Stufen
hinunter, er war blaß und dunkel
baarig, sast häßlich, und ein altkluger
Zug um den Mund konnte ihn auch
nicht verschönen. Fräulein Detlesg
sah tbn prüfend mit ihren durchdrin
genden Augen an. Wie sehr glich er
doch seiner Mutter! Um sich ihre Ab
neigung nicht gar zu seht merken zu
lassen, nahm sie von dem Wagensih
neben sich ein in rosa Glanzpapier ge
hiillteö Päckchem
harrt-, das bab’ ich dir rnit
gebreecht. Nicht wahr, du ißt doch
Cbptvlade7«
»
L
Linliich griff der Junge nach der
Näscheeei, um sie sogleich hinter seinem
Mieter zu verbergen. Er machte wirk
lich leine gute Figur, der kleine Haken.
»Willst du dich wohl freundlich de
danken.«
Blöde lächelnd wiegte sich der Junge
in den Hiiftem ohne die geringste
Miene zu machen, dem Befehle seines
Vaters zu gehorchen.
»Muß ich dir zum zweiten Male sa
gen, was du zu thun hast?"
Herrn Hale übermannte der Zorn,
er packte den Knaben an der Schulter
und schüttelte ihn so derb, daß das
zierlich umhttllteChotoladenpäckchen im
Bogen zur Erde flog
»Willst du wohl Fräulein Deilefs
die Hand geben-«
Große Thränen waren in des Jun
gen Augen getreten: »Aber ich lann
doch nicht, « sagte er schluchzend, ,,sie ist
so dreckig, Vater-. «
Und ohne zu übertrei den, sie war es
wirklich.
e- s- se
Rauhe, unfreundliche Winde hatten
den Frühling verjagt, die Knospen
entfalteten sich nicht weiter und die
Landstraßen waren von unablässig
strömendem Regen durchweicht und
schlecht passirbar geworden. Fräulein
Detlefs kam wieder einmal aus der
Stadt zuriicl, sie war oft mißgestimmt
in dieser Zeit und mußte etwas vor
nehmen, um sich zu zerstreuen.
Ein Stoß des Wagens störte So
phiens Gedankengang sie begann ihre
Aufmerksamkeit wieder ihrer Umge
bung zuzuwenden. Da gewahrte sie in
geringer Entfernung, dicht bei der
Einfahrt nach Hatenhof, die Gestalt
eines zusammengeduclten Knaben. Es
war der kleine Harm, der aus dem
feuchten Rasengrund knieend, mit ei
nem Stock in dem durchweichten Boden
des Fahrweges tuetete.
Fräulein Tetlefs nahm ein gewis
ses Interesse an, dem Jungen, seitdem
sie neulich ihre Bekanntschaft mit ihm
erneuette.
»Guten Tag, Harm«
»Tag«« erwiderte er mechanisch,
wenig höflich, ganz von seiner Thätig
teit hingenommen.
»Was treibst du denn eigentlich
hier?«
»Ach, ich spiel man ’n Bißchen mit
Schmutz.« «
»Ja, ich merte schon,« sagte sie nicht
ohne eine Beimischuna von Spott, »du
backst Kuchen, willst wohl Böcker
werden-«
»N’hee,« rief er beleidigt, .,lange
nicht, tannst nicht sehen? Jch bau ja’n
Deich, nun naht die Fluth, und jetzt —
jetzt ist’s aus. Nun sind sie alle ver
sossen.«
Sophie Detless sah amiisirt zu, wie
das schwarze Wasser der Pfütze in Be
wegung gerieth und alles gleichmäßig
überschwemmte.
»Das ist allerdings ein ganz sowo
ses Spiel. aer du wirst dich hier er
tälten. Geh' lieber nach Haus, irn
Garten von Hatenhos hast du’S
besser.' .
»Nein,« snate er wieder, »Vater ist
aus und zu Haus ist niemand, der sich
mit mir abgeben mag, zu Haus ist’s
langweilig.«
Fräulein Deiless überlegte. »Du
tannst mit mir tonunen, wenn du
Lust hast.«
»Ach — hast du denn noch Choto
lade?«
»Nein, die ist ausgetrunten,« erwi
derte sie empört über solche materielle
Gesinnung, »also du willst nicht.«
»O doch — wenn ich sahren dars."
»Nun ja denn, meinetwegen.«
Der Junge wars seinen nTHE-toll sort
l
lllls llcllcuk zu u« du ucu wage-«
»sinall mal mit der Peitsche, tüchtig,
bitte.«
Jn Kortenkamp angekommen, hies;
Zephir den Jungen sich die Füße rei
nigen und siihrte ihn ins Zimmer.
Nun hatte sie sich den Buben aus den
Hals geladen und wußte nicht was sie
in aller Welt mit ihm anfangen sollte.
Aber diese Sorge war unnöthig, denn
kaum befand sich der tleine Haken im
Atelier, so rief er bewundernd: »Hast
du aber viele goldene Rahmen.«
Darauf schlich er sich an der Wand
entlang und studirte eingehnd jedes
einzelne Gemälde.
»O, das ist ja Krügers Haus, und
hier ist der Purrendeich und hier, wie
wunderhiibsch roth, hier geht die
Sonne unter.«
Fräulein Tetlefs nidte befriedigt.
»Mir scheint, du magst die Bis-der lei
den.« .
»Ja, das soll ich tvohl,« rief der
Junge im Brusttone der tiefsten
Ueberzeugung «schöne, schöne Bilder
sind das.«
Zwar war es das Urtheil eines Un
miindigen, aber Kinder und Narren
reden die Wahrheit, Sophie freute sich
doch. «
»Weißt du auch, daß ich alle diese
Landschaften gemacht habe?«
Er betrachtete sie sprachlos mit
großen erstaunten Augen und sagte
dann kleinmiithig: »Ich glaube, ich
könnte das nicht.«
Fräulein Detless mußte lachen.
»Das fürchte ich allerdings auch, aber
du kannst es noch lernen. Wenn es dir
Freude macht, will ich dir Leiche-run
terricht geben, ein- oder zweimal in der
Weche.«
Der kleine holen war Feuer und
I
Flamme, er ward ganz aufgeregt.
»Ach ja, das möcht' ich schrecklich,
schreckiich gerne.«
Zusälligerweise tras er bei seiner
heimstehr Pastor5, die zum Besuch
nach Hatenhos getommen waren.
»Denten Sie nur, Pastor Jversens
Tante,« sagte er, der Dame die Hand
gebend. »Fräulein Detless hat Sie
gemalt. Jhre Nase, Jhre Warsery
Jhr ganzes Porträt, und schielen
thut es auch.«
se is- ·
Nun war es doch Frühling gewor
den, beinah über Nacht. Der grüne
Schimmer an Strauch und Baum
hatte sich zu regelrechten Blättern ge
wandelt, aus den Wiesen blühten
neben weißrothen Maßtiebchen gold
gelbe Butterblumen und im Garten
unter den Büschen dusteten die Veil
chen.
Als der kleine Haer bei solchem
Wetter, an einem Freitag:Nachmit
tag, durchs Kortentamper Thor schlen
derte, hörte er unvermuthet seinen Na
men rufen. Unten aus der Niederung
stand Sophie Detless rufend und win
tend, und der Junge stellte infolge des
sen seinen Federtasten ins grüne Gras
und sprang hinab auf die Wiese.
»Was machen Sie hier draußen,
Fräulein Detless?«
»Ich pfliicke Blumen,« sagte sie, ihm
vergnügt einen Strauß Frühlings
blüthen vor die Augen halten, »willst
du helfen?"
»Ach ja, das will ich gerne, aber
dann wird aus unserer Stunde nichts
werden«
»Der Tag ist so schön und du bist
noch so jung, dir bleibt immer noch
Zeit zum ZeichIien.«
»Wollen Sie keine Vergißmein
nicht, Fräulein Detlef9?«
»O ja, aber die dort tann ich nicht
beiommen.«
»Sie nicht in Ihren langen Klei
dern, ich wohl, ich tönnte schon.«
»Nein, nein, du auch nicht. Die
Blumen stehen ja inr blanten Wasser,
nud das Moor birgt Gefahr, man
lann darin versinlen. «
Langsam gina Sophie weiter
Da plötzlich tönte hinter ihr ein
fchriller, gellender Schrei, was war
das? Erschreckt wandte Sophie sich
um: »Ist dir etwas geschehen, Harm,
wo bleibst du?«
Der Junge antwortete nicht, gleich
daraus aber wiederholte sich der Ruf.
lauter und änastlicher als das erste
Mal, sicherlich hatte der tleine Haken
sich nun doch ins Schilf gewagt.
Fräulein Tetleis eilte zurück und als
sie an die Stelle kam, wo sie worhin
den Knaben verlassen hatte, erblickte
sie ihn einige Schritte entfernt bis an
den Gürtel im Sumpfe steckenin »Ach
Hatro, warum bist du nicht am Land
geblieben. Verhalte dich ietzt ruhig
und rege dich nicht« ich will Hilfe ho
len.«
So schnell sir lonnte, rannte sie die
Wiese hinab, erst am Thor richtete sie
noch einmal den Blick rückwärts unr
da sah sie nur die Arme und die
Schultern deg tleinen Halen noch zwi
schen den Halmen emporragen. Ein
Ruf des Entsetzeno entrang sich So
phiens Lippen, wenn sie jetzt ins Haus
lief, dann mochte es vielleicht schon zu
spät sein. Suchend irrten ihre Augen
über das Feld und sie entdeckte halb
von Gras überwuchert, ein lBrett, das
die Leute im Winterbenutzten, um bei
querner aus die Wiese zu aelanaem
»Ich komme schon, tief sie, die
schwere Last hinter sich herichleifend,
,,um Gottes willen rege dich nicht.«
Bis zu den Finieen im Morast sin
tend, lvatete sie durch den schmalen
Wasserlauf, die Minuten wurden zu
,Viertelstunden, ihre Kräfte schienen
zu erlahmen, aber die Verzweiflung
machte sie wieder start. »So jetzt!"
Der Junge bewegte sich vorwärts
Sophie griff nach seinen Häiideii,eii.
Ruck, und im nächsten Augenblick
stand er gerettet neben ihr aus der
Planke-.
»O, welch ein Gtiick, mein Harm,
daß ich dich wieder liabe.«
,,Tariiber bin ich auch verniiiiat,«
sagte der kleine Haken, »das tannst
du glauben.« Erbärmlich genug fal;
er aus; die Zähne klapperten ihm ani
einander, denn das Bad war talt im
Mai, und das braune Meerwasser lief
in Bächen aus-·- seincn Kleidern.
»Ja diesem Auszug kannst dn na
tiirlich nicht nach Hause, ich lasse dir
von Hakenhof einen andern Anzug
holen.«
»Vate: wird mich schelten.«
»Das hast du auch verdient, mein
Kind« und Fräulein Detless nahm
den kleinen Sünder mit sich nach Fior
tenkanip, wo er ins Bett tam und
Fliederthee trinken mußte. Als sie
eine halbe Stunde spöter nachsah, wie
es mit ihm stand, war der Junge ein
geschlafen. Eine Weile betrachtete sie
sinnend sein schmale-T von der Wärme
geröthetes Angesicht, dann bog sie sich
nieder und berührte leise, ganz leise
mit den Lippen seine Stirn. Vor ei
nigen Wochen hatte sie sagen können:
»Ja, wenn der kleine Haken nicht
wäre,« jetzt dankte sie Gott, daß der
kleine Haken war.
Herr Heinrich brachte selber Kleider
sitt den verunglückten Sohn.
»Der Junge ist zu wild, klagte er
Fräulein Tetlesg, »ich muß ein Exem
Ipel statuiren, er soll einen gehörigen
Dentzettel bat-ein«
»Lassen Sie Gnade fiir Recht er
gehen, dies eine Mal noch«
»Wie Sophie, Sie bitten für ihn?«
»Ich liebe ihn ja,« erwiderte sie be
fangen, »fast wie eine Mutter.«
Da schloß Herr Haken das große
Mädchen in seine Arme und sie lag
noch an seiner Brust, als Harro im
Sonntagsstaat ins Zimmer karn.
»Das ist recht, Vatet,'« sagte der
tleine Haken, »sei du ein Vischen nett
zu ihr. Jch wäre total verstunpr
trenn sie mich nicht gerettet hätte.«
Und die liebe Sonne blickte lachend
durchs Fenster nnd warf ihren leuch
tenden, goldenen Schein glückwiin
schend über die drei.
- , »-——O (-—-A.—
Zu eifersiichtig.
Eine lustige Geschichte aus der Som
merfrische von F r a n z K u r z
E l S he i In (.Chemnitz).
Christoph Allschiitz, der junge Refe
rendar, hatte alle möglichen Reise
routen, Wider- und Soinmerfrischen
verzeichnisse studirt, um sich endlich
tlar darüber zu werten, wo er denn
eigentlich seine Ferien zubringen sollte.
l Auf das Geld brauchie er schließlich
nicht zu sehen, er hätte sich ganz be
quem einen ganz luxuriösen Badeort
leisten können. Aber fein Arzt, das
wußte er selbst ganz genan, hatte nur
zu recht, wenn er ihm dringende Ruhe
aneinpfahL
Doch wo die in unserem Zeitalter
finden.
Da stieß ihm im letzten Augenblicke
! Zlngnstusburg auf, ein Ort, der erst
- nch anschickte, Sommerfrische zu wer
i den, hoch oben unter dichten Waldun
; gen ans einem Gipfel des Erzgiebiraes
i liegt nn«)tei11e Bahnverbinbung besitzt.
i Das letztere gab ven Ausschlag
»Lanaweilig würde die Geschichte ja
l wurm, aber schneßrich geht ihm seine
; eigene Gesundheit doch bor.
) Wenn er all-ers ings geglaubt atte,
» gar keine Gesellschaft außer den onn
srationsen des kleinen Städtchens zu
finden, so täuschte er sich doch. Am
meisten intercsfirte ihn der alte Berg
» stein, ein Regierungsrath a. D» ver —
er war Wittwer —- mit seinem Len
chen, einem Miiochen von höchstens 20
Jahren, schon einig-: Tage vor ihm ein
getroffen war.
Den jovialen Mann hatte er bald
für sich eingenomman Dadurch, daß er
einig-e Parthien Schach an ihn verlor.
Und was mit ihm eigentlich Vorgegan:
gen, seitdem er raH hübsche Töchterchen
gesehen, darüber war er sich noch gar
nichts o recht tlar.
Dann kamen andere Gäste, junge,
alte, und Lenchen war schnell ber Mit
telpnntt Des kleinen Kreises, zum
größten Aerger Christoph3. Wohl
sagte er sich ost: Was geht das Dirlr
eigentlich an? Aber sag beruhigte ihn
Doch nicht« bis er kenn eine-Z Morgens
sich vor seinen Spiegel stellte-, sich auf-s
inerlsam betrachtete nna endlich
meinte:
»Zum Rudnch ich bin hierher ge
kommen, um Ruhe zn hat«-Jn. Ich habe
auch alles gesini::n, tra: ich er;vartete,
schöne Gegena, prächtiae Luft, reizend-.
Zpazieraiinge, angenehme Leute. Muß
mir :a:-— Mittel meine innere Ruhe ans
Dein Gleichgewicht bringeni Das
Beste ist, irh halte nn: ihre Hand an.
Denn ich glaube-, iie ist mir ant. «
Für Den Nacltttiit:..g war eine Be
sichtianna des ob- erhalb tex- Ortes ie
gendsen gl-: ichnamigen Echte sses anbc
rautnt.
Als die an::ren Irrt in Zier Kapelle
einen tkranach hemmt-Irren gelang exk
ihm, sich heimlich mit ihr zu verstän
digen nnd ihr Len ersten Zins-, zu ran:
ben.
Abends dann protlamirte Herr
Bergstein rise Verl hung.
st- sc se
Lenchen liatre bald erfahren, wie
eiseriiichtia ilir Bräutigam war. Wenn
sie es wirklich nicht selbst aemerlt
hätt-e, so iniirte es ihr —- ibr Vater
rerratben haben. Denn der lam eines
Abeneg exwag spät nach seiner aant
abseits- vam Orte aeleaxnen Villa unt
"da sab er beit: hellen JJinnrsenscheim
wie sein ziitiinstiaer Schxvieaersohn
Tag Hans umwand-sich nur um zu
spioniren, eb sich kein Grund «zurEifer
sucht sänor. Sprechen sollte Lenchen
sc-««vieso mit leinem männlichen Men
schen mehr, unz- wenn sie einen gar lä
chelnd ariisiir. dann bitt-etc sich Ebri
stopb schnell zum weißen Othelloauå
«6iiersucht ist ja immer ein Zeichen
ven Liebe,« meinte ker alte Rath und
schmunzelte Dabei so recht schelmisch.
»Aber es ist Doch besser, ich treibe sie
ihm aus« Zein lustiges Aitaenblins
eln verrisetb, das-, er schon einen tleinen
Streich in Aussich: nahm. Einem sol
chen war er nie abgeneigt.
Zum arößten Leidwesen Christule
war der Consin Lenchensi anaetommen
und seine Braut hatte ihn recht herzlich
begrüßt. Am liebsten wäre biet Rese
rcndar dem jungen Mann an Die Kehle
gesprungen, alger hörte, daß dieser
sich in derselben Van einlogirte, in
welcher der Rath wohnte.
Nun sind Die beiden schließlich allein·
Wer weiß, was daraus entsteht. Was
hat man nicht alles für Geschichten ge
hört unb gelesen von Vettern uno
Basen.
So dachte der Reserendar, als er im
Dunkel der Nacht sein Sommer-heim
auszusuchien tm Begriffe war.
Nein, nach Hause gehen konnte er
jed« nicht. Er hätte doch nicht schlafen
tönnen. Dazu war die Nacht zu herr
lich. So befand er sich aus einmal,
ohne daß er recht zum Entschluß ge
kommen wäre, aus dem Wege, der zur
Van seiner Braut führte.
Aus der anderen Straßenseite stan
den noch Waldstiicke. Deren Schatten
konnten ihn bergen, das wußte er be
reits aus Erfahrung -
Das eFenster eines Zimmers stand
aus. Deutlich konnte er das Lachen
Lenchens und des Cousins wahrneh
men. Aber sonst sprach Keiner. Sie
scheinen also wirklich allein zu sein.
Heiß stieg ihm bei dem Gedanken das
Blut in Den Kopf. Schon überlegte er,
ob er nicht auf einen Baum klettern
sollte, um in die Wohnung hineinzu
sehen. Doch nun Vernahm er auch die
Stimme Bergsteins. So gab er denn
Vorläufig sinen Plan auf. «
Etwa eine Viertelstunde verging.
Jetzt erschien seine Braut am Fenster
und lugte hinaus-. Auch glaubte er zu
hören, daß drinnen eine Thiir geschlos
sen wurde.
»Jedenfalls ist der Vater zu Bette
gegangen und nun sind sie wieder
allein.«
Das hatt-e er noch nicht ganz aus-»
gedacht, als er auch bemerkte, wie sie an
den Schnüren der Rouleaux nestelte.
Jm nächsten Augenblick knisterten diese
nieder.
»Ah,« todte er im Siillen und
knirschte wüthend mit den Zähnen und
ballte die Fäuste.
»Ah, sie fürchtet, daß Einer ihrer
Untreuse Zeuge sein könnte. Aber ich
stehe hier.«
Die beiden schienen allerdings gar
nicht besonders achtsani zu sein. Denn
deutlich konnte der Lauscher auf dem
weißen Vorhange die Schatten eines
Frauen-— nnd Altännerlodies wahrneh
men. Vorsichtin trat er aus seiner ge
fchiititen Stellung heraus.
Braucht-: er doch jetzt nicht mehr zu
fürchten, entdeckt zu werden.
Da fahser etwas, was sein Blut er
starren machte: Deutlich hoben sich aqu
oein weißen Grunde die zwei Schatten
ab und deutlich konnte Christule
sehen, wie sich jetzt die beiden Köpfe
einander näherten und sich küßten
Er glaubte anfänalich seinen Augen
nicht trauen zu können. Aber nein
da schon wieder —
Mitzen auf der Straße stand er
nun, um besser sehen zu können.
Noch ftierte er hinauf, als er unwill
türlich zusammenfuhr.
Eine schwere Hand legte sich aus
seine Schulter und eine tiefe Stimme
meinte:
»Was haben Sie hier herumzu
styeighens Hes Wollen wohl einbre
n «
Erstaunt blickxe «Cl)ristoph den
Mann, der unfchwer an Spieß und
Laterne alg Nachtwächter zu erkennen
war. an.
»Aber sehe ich aus wie ein Einber
cher?«
»Auf das Aue-sehen gebe ich aar
nichts. Die Herren Spitzbnben laufen
heutzutaae alli. herum wie Grafen und
Baron-: Das ieune n «vir. Ein an
ftänd iaer Jstenfch lieat um diese Zeit
längst im Bettes nnd lnnaert nicht fo
rscrriäcbtia auf Der Straße herunt. Ich
bade Sie schon berbachtsen ale sSie noch
hinter dem Bann-e ftanren. Können
Sie sich leaitiiniren?«
Ihm trat Der Anaftschtveiß auf die
Stirne.
»Ich bin der Referendar Christorh
Tlllfchiitz.«
»Das tann ie:s:r sagen Beweisen!«
»Alle-r leweifen Womit, :vodurch?«
Papiere nimmt man Doch deute kaum
mehr mit.«
»Scharse fiir S:—I. Da muß fch Sie
schon bittern-mir zu folgen«
Dabei fafxte er ihn am Arm. Aber
Christoph ft«ef3 ihn wiithend zurück.
»Ohn, da haben wxr Sja. Wider
setzlicL teit acan r e Staaxgaewmt nc««,
obendrein. Ein anständiger Mensch
aeht doch sofort mit, wenn er arretirt
lUlLU
Und ohne lanae Farscn zu machen,
packte ihn der Wachse-c beim Kragen
»Das tommt Ihnen theuer zn
stehen« ächzte cskr Verhaftete.
»Das bleibt abzuwarten.
W: bl im te Stiristoph bor, seine
Braut al- LZensiin fiirs: ine Unbeschol
tenheit um«-nie n. Ilber nein —
rann ioiire er erst recht blamirt gewe
sen.
Noch e ne n Bgick wa rier zum Fen
ster. Dis-.- Lietrt war erloschen.
,,?llso auch im Diiitleln!« stöhnte er.
»Uns: r Zpritx nhatg wird gerade
reparirt, ich muß Sie Daher bis mor:
aen früh in meiner Wohnung ein
schließen,« meinte unterm-eas- »der
Nachtwächter zn seinem Arrestanten.
»Wenn Sie ein so reines Gewissen
haben, werdens-je keinen Fluchtversueh
machen«
»Ich verlange setzt sosert zum Orts
vorstano gefiihrt In tr·:rren,« brauste
der Neserenxar toiizbtnd auf.
»Sie haben iib:rb,aupt nichts zu vier
langen,« trum psl : ihn Der Nachtwäch
ter ab. »Den Mund haben Sie zu
halten.«
Christoph sagte nichzs mehr, obschon
es in ihm kochte·
Bald standen sie vor der Wohnnna
des Nachtwächter5. Der führte ihn
eine Treppe hinaus und schloß ihn in
ein Zimmer ein. Da saß er nun. Aber
bald sprang er auf und riittette an der
Thüre. Ohne Erfolg. Nur die Stim
me des Nachtwächters hörte er:
»Wenn Sie sich jetzt nicht ganz
mäuschenstill verhalten, rann verklagt
ich Sie noch weg-: n Ruhestörung!«
Was wollte er machen!—
Er setzte sich auf einen Stuhl uns
briitete dumpf vor sich hin. Das hatti
er nun oon seiner Eifersucht. Aber
das stand sest: Morgen wird die Ber
lobung aufgehoben, die Verlobung
mit einem Mädchen, das Kousins iiiht
und noch dazu im Dunkeln! —
Er stand aus und trat an das Fen
ster. Hell beleuchtete jetzt der Mond
die Gegend Alles still ringsum.
Da durchzuckte ihn ein Gedanke:
Wenn er sich an der Mauer herunter
ließ, ionnteer auf die Erde kommen
und entivischen. Denn dor ihm lag
ein halbsertiger Neubau. Da mußte
eLi doch einen Augirsxg geben.
Schnell kletterte er aus die Fenster
briistung und schwang sich schnell
hinaus.
Krach! Mit ein-: m zyusz hatte er eine
Sch: ibe Des parterre liegenden Zim
merI eingestoLe n. A heinlos lauschte
er. —
Nur ein Hund schl ug an. So blieb
er einige Sekundan zwischen Himmel
undErde hängen. Dann ein Sprung-—
Was war das ———
Er fühlte keinen seiten Bot-en unter
sich. Nur eine weiche, klebrige Masse,
aus der er sich vergebens betone-zuor
beiten bemühte-. Er war in diszb
grub-e gesprungen ..
Mag er vorläufig stecken bleibt n
und folgen wir dein Nachtwächter.s Der
ging nämlich schnurstracks zu Bern
stcig’9 Villa. Dort llingelte er. Der
Razh und seine Tochter schienen ihn
erwartet zu haben.
»Nun, Mathia5, wie ist’S?« Alles
gut gegangins«
Der verzog seinen Mund zu seinem
breiten Grinsen.
»Allcs, wie Sie es mir angaben.
Er sitzt in meinem Hinterzimmen
,,Jst er gutwillig mitgegangsentsa
frna Lenchen.
»O was. Gen-ehrt hat er sich und
gesch-i:npft, furchtbar."
»Na, da habt Jhr etwas. Und nun
Wollen wir ihn aufsnchen.«
Vergnügt ksexrachtete Der Nachtwäch
ter ein Fünfmartstiick nnd meinte:
»Besten Dank auch. Dafür rerhaste
ich den ganzen Qrt.«
»Aber reinsenJJiunb halten,« mahnte
das Mädchen.
Nun gingen sie zusammen in's
Städtchen hinein, als sie plötzlich
Hilferufe Vernahmszn Ehristoph war
nichts andere-J übrig geblieben, er
mußt-r alariniren, wollte er nicht die
ganze Nacht in rein stalte zubringen.
»O Gott,« schrie Lenchen entsetzt.
»Das ist ja seine Stiznnie.«
»Dann Gall-:pr lommandirte
Berastrin. »Da scheint etwas außer
Dein Programm Vor sich zu geben«
Das Bild war zunr Malen. Boran
der alte Reaiernngsrarh, Dessen Rock
zipfel nur so stoaen, hinter ihm der
Nachtwächter, Der jeden Augenblick
iikssr seinen Spiefz trrlelje und zum
Schlusse Lcnchm Tag seine Röcke hoch
gerafft hatt-e, um nicht behindert zu
srin.
Die drei besteitxn dsn Armen aus
stinkt Osmia MO, sab der ans-—
Eg giebt Dinge iin ingnschiichen Le
ben. disk besser nicixt erörter: merken
Crit nin ans-irren Moraen erfuhr
Cl;ristot1!1, Taf-, alksg Die Kalkgrnbe
natiirtich nicht — fein Efxmeaerocter
in’:« Wer Frseiji habe, :-afs. eres war,
Der anstsasztn ob der Eiseriiichtiae trie
tser paironillircn würde, Das-, er feine
Trick-irr an:ri-:-:—, sich niit einer-Schil
lcrbiisisps hinter r:«i Finsteroorbangzn
» setzen, um ihn ,:,n sein«-en und daß end
« lich er auch rsdn Nachtxiiichtcr für sich
« geirrnncn hatt-.
»So, nnn wirst Da inclil nicht mphr
keifersiichxiq feins« meinte kr. »Du weißt
s gar nicht, wie Du Deine Braut datnit
! beleitiast.« ,
Cliristoph reispracl ticszerknirscht
aller-.
Heute sin: er nnd LIiirl;«:1eiiiPaar.
Nur ist jetzt hie nnd da seine Frau
eifcrsiichtiky so Das; er ihr of: lächelnd
mit Der Ftn lgrutc dreht. Und so et
was erniichtert.
—--- - —- —
erit«bald.
—
tm— — -j’"—·
Wo ist der Sei-es renschlseifch
Nrsabilitiri.
A.: « ci) get-e Dir iiiIin Ehrenwort
B. (nnterbrechend): »Dein Ehren
wort hat für nrich keinen Werth. Ein
Mann, dem die bürgerlichen Ehren
rechte aberkcumi sind -— -—-«
A. (fchnell einf.1ll«nd): ,,Ek)rlosek
Lump! Dich werde ich belangm Ge
estrn Abend war die-· Zeit vorüber·«