Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 30, 1902, Sonntags-Blatt, Image 10

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    Roman von Iouise mesthircb. ?
« » -,- - -.-......-z-.x.-. - vix-FAUer - ---«-.-;ximisim.s»«-imims.dzm«
(7. Fortsetzung)
was Graustges lag über dem ver
lorenen Winkel, die Atmosphäre der
Thaten gleichsam, die hier geschehen
waren, deren Geister ausstiegen in der
Stille der Nacht und nmgingen, spin
tend der Aufklärung des zwanzigsten
Jahrhunderts-.
Nod fühlte, wie ein Schauer ihn
den Nacken hinunterlies und seine
Haare sich hoben. Ohne den Hals zu
wenden. ließ Will seine Raubthier
angen das Dunkel absuchen.
»Jetzt!« Heiser sliister:e er’H.
Die Kästchen glitten in’g Wasser rnit
gedämpstem Ausschlag, so leise, als
fürchte der Ton sich. laut zu werden an
diesem Ort. Jn schwarzen Ringen
zitterte das Wasser.
Aber Nod harte, als er das Eisen
kistchen hinunter-gleiten ließ, gepackt
von einer unbezähmbaren Neugier, ein
paar der descklriedenen Blätter zurück
behalten nnd geschickt in seiner Blase
verborgen. Selbst Will sollte nicht
darum wissen.
Da packte jener plötzlich sein Hand
gelenl —- bis aus den Knochen meinte
er die eisige Kälte der Finger zu süh
len —- riß ihn aus die Kniee. Hinter
dein Pseiler eines Anlegestegs lanerien
sie ohne Laut, ohne Athenn
Arn Ufer war das Dnnlel lebendig
eworden. Ein-grausiges Schatten
fpiel glitt schnell wie eine Vision durch
den Lichtlreiö einer fernen Laterne.
Sen-i Gestalt-n uafiikmlieb als bätien
zwei Klumpen Finsternifz Bewegung
gewonnen, schleppten eine dritte daher.
Ein dunkler Mantel schien sie zu mu
liüllen, ein nackter Arm schimmern
darunter hervor. Grell leuchtete ein
schneweiszer Schnurrbart auf an einern
Haupt, das schlaff rückwärts über
bina.
Ein dumpfes Aufllatschen, ein
ftiirteres Schauleln der Lichtpiinktchen
auf dem Wasser-. Der Gestalten wa
ren nur noch zwei. Und die zerflos
sen, zerrannen.
Aber eine kam das Ufer entlang,
vorbei an den beiden Freunden, boa
in die Kleine Stralauerstraße. Ein
faltiger Mantel umflatterte sie. Ein
Lichtstrahl traf ihr Gesicht. Es war
pechschwarz, anerkennt-an
Zitternd erbot-en die jungen Leute
fich endlich von den Knieen liefen in
das Gäßchen zurück. Rdb hörteWill«s
Zähne aufeinanderschlagen. An dem
aus mit den Steinmasten blieber
b,en. Reben einem der Köpfe war
eine unregelmäßige Fug-. ·Er hob die
Hand, schob seinen Brief hinein. So
sdrt glitt er durch die Mauer, jenseits
ausschlagend rnit einem kleinen, dum
pfen, deutlichen Schlaa. Den- beiden
ehemaligen Gynmasiaften, die, heißen
Kopfes, manchen Hexenprocesz gelesen
hatten, mutbete es an wie eine Ant
wort des Satans. dem ein Mensch
feine Seele verschrieben hatte.
s Unwilltiirlich faßten fi- sich ais-die
Hände, und gesättigt mit Entsetzen
konnten sie blindlings den Mühlen
Bamm hinunter.
Ein Ruf erscholl. Hatte der Wäch
ter ihn ausgestoßen? War's ein
Seufzer aus dem Wasser? oder das
Blut, das in ihren-Ohren brauste?
ESie sahen sich nicht um. Ein Thor
weg stand offen. Sie warfen sich in
das tiefe Dunkel, tauchten darin un
ter, verkrochen sich, wagten kaum zu
athmen.
Spät in der Nacht erst, todtmiide,
erreichten sie ihre Wobnuna.
8. ·«
Ddctor Wie-Hinz saß in seinem
kleinen Salz-n im ersten Stock, hatte
das Adreßbuch aufgeschlagen und ei
nen Ausng aus den Polizeiatten über
Annie Runth Atrobatin, genannt
Miß Aerolitha, ais sein Diener einen
jungen Menschen meldete, der be
haupte, herbestellt zu sein, er nenne
sich Fritz Asrotlx
Wiccliug trug eine Nummer in sein
Taschenbuch eite, tlappte das Adreß
buch zu, schob die Atte in ein Schreib
bureau und streckte in der jdvialen
Weise, die ihm die Herzen gewann,
dem Ankömmling die Hand entgegen.
. »Unser junger Rothschild in der
" Knospe! Frau Mama meinen Aus
JIS ausgeeichteR Und Sie haben
Itrauen zu mir? J recht. Setzen
Sie sich.Cigar1-e? itte! Jst ge
muthticher, plgudert sich besser. Aler
Sie Haben Unglück aehabt?«
III hab’ es stock-, here Doktorf
ssen spie dazu thun, Ihnen
herauszuhelssem Bitte erzählen Sie
mir mal cEhre Geschichte «
Seine Cigarre zwisch: n den Lippen,
betrachtete Wicelius das hagere Ge
sicht mit den trotzig begehrenden Au
gen und dem jungen Mund mit den
E-« scharf eingegrabenen Entbehrungss
selten darum
»Rechte elphyßognomieI erwog er
, its-esse ege nnd Philiftenge rog
Ueiemenchenw e sen-und mens
. Re- hängen In ak
« ,
Wicelius, »dem früheren Compagnon
Jhres Vaters, dessen Treusosigteit in
erster Linie Ihre Schwierigkeiten ser
ursacht, wenn ich Jhre Mutter recht
verstanden habe.« .
Frid zckute die Achseln. «Jrgend
eines Werkzeugs muß das Schicksal
sich doch bedienen.«
Wicelius lachte. »Nun, wenn das
Schicksal eine so greifbare Gestalt bat,
wie die des Herrn Evinmissionskatds.
so sollt’ ich meinen, könnte ein energis
scher junger Mann es wohl packen.
Was mich anbelangt wenigstens, ich
haue wieder, wenn ich gehauen werde,
fWerkzeug des Schicksals oder was es
ei.««
»Was sollt’ ich argen ihn unterneh
men?" antwortete Fritz rnit einem
bitteren Zacken seiner Lippen· »Ich
bin sest überzeugt. daß Commissions
rath Piillemann nichts gethan hat,
was gegen has Gesetz verstößt.«
»Und gegen das Gesetz wollen Sie
auch nicht verstoßen?« Es war ein
seltsames Flinimern in Wiceiius’ Au
gen. »Bravo! Sie sind ein verstän
diger junger Mann. Wir haben auch
das schöne christliche Gebot: Liedet
eurer-e Feinde.«
»Ich lieb ihn nicht,« versicherte
Fritz.
,Jedensalls lassen wir etwaige For
derungen an Commissionsrath Pülles
mann beiseite· Jch will mich bemü
l"--- GL--- -:-- Its--- Q'-·i-c-I-LA
Ihhu oquxn sulk JU- u Uuq CUIIULU
entsprechende Anstellung zu verschaf
fen. Tre en Sie, bitte, heute Abend
wieder bei mir vor. Es ist wahr
scheinlich, daß ich im Laufe des Tages
die maßgebenden Persönlichkeiten
spreche.«
Fritz Asroth stand von seinem
Stuhle auf. »Herr Doktor, was Sie
mir in Aussicht stellen, ist meine Ret
tung, die Rettung der Menschen, die
mir die liebsten sind. Mit Worten
dankt man siir derlei nicht. Aber falls
ich jemals in die Lage kommen sollte,
Jhnen auch nur theilweise vergelten
zu können —'«
»Um Gottes Willen —!« Wicelius
hob die band. .Wünschen Sie mir
Aus heut’ Abeno.«
Er sah dem jungen Mann nach mit
dunklem Blick, wie er, sast taum-elnd,
in der Glückseligkeit neuer Hoffnung,
aus dem Zimmer ging.
»Ungliickliehe Mifchungt Jch dacht
mir’s. Unbrauchbar. Immerhin,
oerschassen wir ihm eine kleine An
stellung. So was will auch leben.«
Er gina in sein Antleidezimmer
und verliess eine halbe Stunde später
in elegantern Visitenanzug das haus.
Er wollte den Sonntagrnorgen be
nutzen, um zu Frau von Rössing zu
gehen, die ihn zu sich hatte bitten las
sen.
Inmitten ihrer alterthümlichen
Einrichtung, den schönen Mahagoni
möbeln, den nachgevuntelten Fami
lienbildern, erschien sie selbst mit ih
rem weißen Scheitel wie ein Wesen
aus vergangener Zeit. Aber in den
hellen, scharfen Auaen war reges, mo
dernes Leben, als sie sast mit herzlich
teit ben jungen Buntbeamten willkom
men hieß, sitt den sie eine besondere
Zunseiaung gefaßt hatte.
»Ich dante Ihnen, daß Sie Jhre
Zeit opsern, lieber Doktor, um mich
alte Frau zu berathen.«
»Die Angelegenheit ist also so weit
gedi: heu?«
»Ja, der Herr Commissionstath
bat Rösfinasbori siir mich verkauft.
Die Anzahlung und Uebergabe sind
aus den ZU Juni festgesetzt Jch hin
nun in großer Verlegenheit wegen der
Anlage des Gelt-ei Jch sprach Jhnen
schon davon. Drei Viertel des Erlö
ses sind für ein Siechenhaus bestimmt.
Es gilt also das Geld leicht slüssig zu
erhalten und Doch vorläufig sicher und
nutzhringend anzulegen«
»Würden Frau Baronin mir den Ein
blick in den Kauscontract estatten?«
Frau von Rössmg sch oß ihren
Schreibsecretär auf und entnahm ihm
ein festes, eiserneg Kästchen. Von ih
rer Uhrlette löste sie das Schlüsselchen,
das sein Schloß öffnete.
Stumm folgte Wicelius den lang
samen Bewegungen der blassen, mage
ren Hände.
»Hier, Herr Doktor. Der Kaus
preis beträgt 900,000 Mark. Anzah
lung 450,000 baar im Bureau des
Notars Weiprecht. Der Kaufen Ban
lier Maienberg, hat die Güte, aus
Rücksicht aus mich alte Frau zur Aus
zahlung hierher zu totnmen.«
Wirelius antwortete nicht. Er
starrte auf das Blatt. »Maienberg«,
wiederholte er des Käusers Namen.
Rennen Sie den herrn?«
Wicelius schüttelte den-kopf. »Nein.
Es geht mir nur nah. Alter Grund
besis ist wie das Lebenselement, die
erhaltende Luft der Familien, die dar
aus erwachsen sind. Bei der Tren
nunä von ihrem Grund und Boden
vert mmern sie in der Regel.«
«Meinmlttse:gs Greci-d sicgteåile ag
m , u ere me
III-« Orient-e enge-, bevor sie the
ins-tut see-' - ,
» T Ase-IRS Insel-Ach« Wie Wi
- stif- . Im m Ms les-If II
IS
j ?iiknf:jch«3rau Taro-Ein sigd Zifng
;» undrü is r re a
Yes Gemahl spar, ä ich Ists
M " hinter Sportniann, - bis TI;
- durch-einen Sian rnit de- Pserde dg
Tisihnlx Welch ein serhiingnä
derß den einzigen Sohn solcher Elte
eine tückische Krankheit in ver Blüiht
seiner Jahre hinrasien konnte.«
Reine Krankheit. mein fanget
Freund. »Gott verwirrte seinen Ver
stand und in diesem Zustand« — ihrs
Stimme zitterte —- »erschoß er sici
selbst.«
»Gott verwirrte seinen Verstand
M beißt —«
»Ich sagte es Ihnen, er sigrb in ei
ner Heilanstalt."
»3eltsani, daß man ihm die Pistol·
ließ —«
»Man ließ sie ihm nicht. er wußte
sie sich zu verschaffen. Er schien nicht
ichwer irani, und er schien gebessert
vernünftig, ruhig. Da erlahmte die
Wachsamieii.«
Sie schlug die Hände hat«-Z Gesi st·
die Brillantringe an ihren mageren
Fingern zitterten. »Mein Sahn!
Mein Liebling! Mein Einiiqer!«
»Es-s war ein schwerer Schlag siir
cre.«
Sie nickte. »Man briiieii mich
gleich dort in der Heilanstalt, Wochen·
Monate. Jch fah beständig meinen
armen Jungen rnit Vuichschossener
Schläfe ani Boden liegen. überall! —
Wenn man sein ganies Leben auf ei
nen Menschen gebaut hat, und der
bricht zusammen, sa ist’s, als bräche
rser Boden unter den Füßen. Mein
Hirn hat«-Z dann überwunden Jch
wurde gesund. Meine Augen seiten
keine Gespenster mehr. Aber mein Le:
ben. mein richtiges blutmarrnes Leb-in
mit Freuden und Hoffen, mit hassen
und Liebm und was- ra,tu gehört, taS
war roch aus Mit de m Tan. so gut
als hätten sie mich in teanntiliens
grust in Stamnpagen hegte-ben. Ach,
—--.....- -.«!I-..«- --.- I---- «
IUUÄLUIII suqhsls QIL VII-las
Witelius hatte den Knauf einer
Stuhllehne gefaßt. Dac- Holz tnackte
leise unter seiner Hand bei diesem
Ausbruch
»Sie haben den Todten sehr lieb ge
habt?«
»Lieb gehabt?!« Jhre Augen leuch
teten durch ihre Thriinen. »Na hat
eine Mutter ihren Sohn geliebt wie ich·
Jch bin noch eine aus der alten Zeit,
mein junger Freund, kein sehr weit-g
herz, aber was es einschließt, das
halt es fest. Noch einmal bin ich vor
die Wahl gestellt worden zwischen
meinem Georg und einem anderen. Jch
war noch jung« als mein Mann ver
nagliickte —- jnng, nicht bloß vonAus
sehen, auch innerlich. und Jemand
hatte mich sehr lieb. Jch habe verzich
tet um des Knaben wisen Jch wollte
tein eigenes Glück mehr· Nur feine-!
nur seine3!«
Wicelius athmete tief. »Ein ner
vös gereizter Mensch, der zur Pistole
greift, folgt einem äußeren Impuls.
Vielleicht hatte der Baron einen Her
zenswunsch — oder eine sire J:-:e, das
kommt in diesem Fall aus eins ber
aus —- von dem die Frau Baronin
nicht wußte, siir den Niemand in fei
ner Umgebung Verständniß hatte?«
Frau von Rössings Augen wurden
groß und weit.
»Er hatte eine iixe Jdee und ich
wußte darum. Um ihretwillen ge
hörte er in ein Krankenhaus. Daß er
um ihretwillen seiner Mutter das
Herzeleid anthun und aus der Welt
gehen konnte, das ift’5, wag meinen
cchmerz um ihn vergiftet.«
»Allerdings, er hätte auf Jhr Herz
bauen müssen, auf die Opserwilligteit
Ihrer Liebe.'«
Frau oon Rössings Gesicht wurde
Stein. »Jn dieser Sache würde ich
niemals nachgegeben haben.«
»So haben-Sie nie bereut? Ich
meine, in all den Jahren haben Sie
nicht eine Stunde der Schwäche ge:
habt, in der Jhnen der Wunsch gekom
men wäre, das geliebte Leben erhalten
zu haben uxn jeden Brei-Z rcstz al
lein!"
»Nein, nie. War’5 noch einmal zu
thun, ich that’ es wiecer. Es giebt e:ne
Logik Ver Thatsachen, ein Gesetz, oag
in oen Dingen selbst liegt, oein Nie
inand sich einzieht. Ich muß mich ihxn
beugen. Bereuens nein! Jch hal)’ mei
ne Schnlviateit gethan und bin noch
von denen, Iie den Tod nicln siir das
schlimmste Uebel l;alten.«
»Bravo, Frau Baronin, bravo! Ich
bewundere Ziel Dant, daß Sie mich
haben in Jhr Herz blicken lassen. Uns
nun weiß ich genau, wie ich thre Ge
schäfte ZU führen habe. Also am Zo.
Juni vie Augzahlung der Anlaufs
sunnne vor dem Notar. Dazu brau
chen Sie mich nicht«
»Ich möchte «aber ungern die hohe
Summe auch nur eine Nacht im Hause
behalten« ·
»Seht begreiflich Die Anözahlung
findet zwischen wölf und ein. Uht
Mitta D statt. ch werde mir erlau
ben, ie am Nachmittag gegen dre
Uhr abznholetn Wir deponiren dank
gemeinsam die Summe bei der Süd
dentschen Bantfs
Frau von Mfsing überlegte. »Mär(
es nicht sicherer, wenn wir gleich vor
Notar Weis-recht ckus zurBank führen
falls ich Sie dorthin bemühen oars
Ech bin etwas ängstlich in meine
in ankeit.«
« u; das, Frau Baronin Ich er
warte ie· also nun zipsls Uhr bet
Rotar. Ueber die M der Parte
miissen wir nn- mher verständ gen
werde etne »Als- anierttgen ein«
in einigen Tosen M M
a tun vorlesen-« ·
«JH baute Ihnen, mein junge
A
Freund. Als ins-ihrer Freund be
währen Sie mit; Ich danke nen.
Und bet, iie Gott wird f die
pilfe lade-, die Sie mit ten Frau
swäbrs wesen« f
.Et Hut sich ihn beloht,· sagte
Wirkliws mit feinem eigenihiimjichen
Lächeln, an dem die Augen teinen
Theil hatten, «belohnt, indem er mir
Sie in den Weg führte. Auf Wieder
sehen, Frau Baronin.-" Er zog die
Hand bet alten Dame an die Lippen.
Wieelius ging die Stufen des hoch
parierres hinunter. Die Schritte ber
ballten auf dem weichen Treppenläu
fer. Lautloj glitt die band im peri
grauen Handschuh über den Sammi
des Geländer-T Jin Veftibiil war ein
Glasfenfter, das fafi die ganze Quer
cvand einnahcn. Blübeube Topfge
tvächfe, Lorbeeren und Myrthen stan
den davor. Durch die Scheiben sah
man hinaus auf den Garten mit sei
nem früblingsgriinen Gebüsch, den
Rasen mit den von ihren Tannen
iiveigen befreiien Rosenftöcken und
eben angelegtenTeppichbeeten und wei
ter auf das Gemirr anschließender
Gärten, die sich rechts-, link-J und riicks
iväris fast unübersetzbar dehntem Wi
:elius’ Blicke hafteten verfonnen aus
diesem Bilde. Jn feinen Obren klan
gen ein paar Worte nach· »Die Logik
der Thaisachen, das Gesetz, das in den
Dingen selbst liegt« —- »Die Ringe,
die sich fchliefzen," iiberfetzie er sich«g.
Die Menschenleben um ihn her und die
Leben der Bäume und Blumen dran
ßen —- lauter Ringe, die sich schließen
unabwendbar schließen wie weit ihre
Krümmung auch aushielt
Vor feinen Augen erstand die sonn:
befchienene Terraffe von Monte Car
lo. Ein junger Mensch lebnie an der
Brüftung mit heißem, vonLeidenschaft
und Grimm durchwöbliern herzen
Oierben in den lachenden Süden bat
te er die Qual und den Fluch seines
Lebens getragen, sein Aufbäumen ge
gen das Unrecht, das die-menschliche
weteuschan com anioar. Vier yarre er
dem Schicksal den Neichthum abzu
trotzen gehofft, der ihm zutam, auf
den gestützt er heimkehren wollte, zu
strafen —- und an dem grünen Tisch
hatte er auch das Wenige noch verlo
ren, was sein gewesen war.
Und wie er stand und hinaus-starrte
in die lichtflammenden Woaen, trat
der zweite neben ibn, der Mann mit
dem großen blonden Zchnurrbart, mit
den Radaiieremanieren und der klei
nen blassen Franenhand
»Es giebt noch andere Wese, reich
zu werden,« raunte er dem verzwei
felnden Jüngling zu, »noch« andere
Wege.«
Damals vertsblangen Mr die zwei
Ringe ineinander· —- Und nun hatte
der eine sich nfchpssen. Der blonde
Bart war weiß geworden und die
fchmtttzigen Wellen der Spree rollten
darüber bin.
Und da war noch ein anderer Ring,
besudelt, beschmutzt vom Anfang bis
zum Ende mit jedem Laster, jedem
Verbrechen, auch dem gemeinsten, der
Trentosiateit sogar im Verbrechen, der
sich in Tagen, Stunden schließen
mußte-mußte -—oder——
Wicelius schüttelte fich. Jhm war
nicht gut heut’.
»Guten Morgen! Schönen guten
Moraen!'· redete da eine frische Stim
me ihn an. »Und da sagt Papa, daß
Sie durch ein Brett sehen! Jch aeh’
nicht binter einem Brett und hätt’
Sie eben beinahe umgerannt, ohne
daß Sie mich nur bemerkten.«
Lisbetb Püllemann stand hinter
ihm, die echte Großstadtknospe, blaß,
energisch, Geist nud Wille entwickelt
auf Kosten der rothen Wangen.
»Bitte sebr um Entschuldigung,
gnädigeg Fräulein. Hatte allerdinas
teine Ahnung von meinem Glück.
Psleaen Sie bier oben auch einen in
teressanten Kraman
»Mit dem Kranken haben wir kein
Glück gehabt. Papa hat sie sich ein
siir allemal strengstenå»oerb»eten1.« m·
i »Es-Degen ZU ngBcl UcllsllclL Ul
cetiucs lachte.
»Das ist gar nicht zum Lachen!«
,,D.-nn n et t war er trotzdem,tvie?«
.,Wissen Zie, ich wollt’, ich hätt’
Sie nicht ans ich hätte Sie nicht
aufgeweckt Wenn Sie nur Bosheiten
sagen tönnen —---«
,,’jräulein Ligbeth ——· Sie find ent
zückend.«
«Adieu, here Tottor.«
»Wa: denn das auch eine Bosheit?«
»Ich weiß. daß ich in Jhren Augen
nur ein ganz dummes Kind bin. Sie
brauchten knist- aber nicht so zu zei
gen. Das ist nicht höflich, Herr Dot
tor. Es ist auch nicht hübsch-«
»Ja, ich bin ein schlechter Mensch.
Zur Strafe: adieu, gnädiges Fräu
lei . Jch totnme nicht wieder, bis ich
knis- gebessert habe.«
»Als-) auf Nimmerwiederfehen.«
Mit seinem leisen, weichen Lachen
ging Wiælius aus dem haus.
i »Wie das flattert«« dachte er, »wie
: das radlchlägt und mit unfehlbarem
- Jnstinlt seinem Vottheil zugraoitirt·
dem guten Geschäft, der guten Partie.
. Mutterliebe, Weibesliebe, Menschen
" liebe, alles Deckbliitter für den brutal
sten Egvijmut Sei Raubthier, sc
, viel du willst, dem anderen bist du
: Leute«
Ein Ekel packte ihn, ein unwider
stehliches Verlangen —- nicht nach et
c was Besseres-n daran glaubte er nicht
aber« doch nach etwas Andere-n, der «al«
-, its Gewissheit wenigstens in ·einen
I» »I— III-auch Die kleine skrpbatir
s1sieiidssptiesetuenpttaasurstck e
wiefen hatte, dermuthlich wei sie -
her ein ballt-and gehabt hätte. Di(
«
Polizeialten hatten räthseksast weni
von ihr zu erzählen gewußt. Es rie
zerriß-Zanche zie: »M- Mraße
o. .
Die Wintermeter meldete ihn. Er
Etat ein. «
Arn runden Tisch in ihrem sehr ein
sach eingerichteten Zimmer stand Ile
rolitha, die Wangen getöthet, die Au
gen in Erreaung glänzend.
»Wie jung sie ist,« dachte er, »herh
und keusch wie aus dem Podium.«
Sie gefiel ihm in ihrem bürgerli
chen Kleid sast noch besser als im
Tritt-L
»Mein gnädiges Fräulein,« sagte er
verbindlich, «3uniichft gestatten Sie
mir, Ihnen zu danken, dasz Sie einem
Büßenren Jhre Gegenwart vergön
nen —'
»O,« sagte sie erstaunt in ihrem ge
brvchenen Deutsch, ,,stnd Sie wirklich
das schreckliche Dottor Wicelius?« Als
ich Ihren Ring sah. hab’ ich geme·nt,
Sie müßten sein ganz alt und g nz
garstig.«
,,Erlauben Sie! Ich habe zwar das
Unglück gehabt, mich im Ausdruck mei
ner Bewunderung zu vergreifen —«
Sie unterbrach ihn. »Sprechen wir
nicht mehr von die häßliche Geschichte·
Sie sind nicht der einzige,nicht der erste
und nicht der letzte. Ich begreif Das
nicht. Weil ich die Menschen amlister’
mit meine Kunst, glaubt ein inter, er
hat das Recht, mich zu beleid« --n.«
«Total salsche Auffassung! wider
sprach er. ,,Vielnrehr, die Menschen
dritten: Dieses liebenswürdige Miit-»
chen hat uns - reude gemacht. Mache-i
wir ihm auch s tende.«
Aerolitha schüttelte lebdast den
Kopf. »Ich weiß ganz gut. was die
Männer Denken. Als-r ich hin ein
Mensch auch und hab’ ein’ Menschen
millen. Ich bin leine Puppe, kein
Spielzeug! Drum, wenn die Herren
mich sehen wollen im Apollotheater hti
mein’ Arbeit, da hin ich seht- dank-bat
Und wenn sie tlatschen in die Vanoe
und rufen Bravo. dann bin ich so
dankbar! so dantbari und so glück
lich! Und da, da ist’s vielleicht auch ein
Vergnügen, Miß Aeroiitha zu sehen.
Aber in ihrer Wohnung. da ist’5 nicht
der Miiif werth. Da ist sie ein Mäd
chen wie hundert andere, und ein ehr
liches Mädchen. Wirklich, die Herren
verlieren ihr« Zeit«
»Alle?« fragte Wicelius. Er trat
einen Schritt näher.
»Alle-" wiederholte er halblaut, mit
den Augen zwinternd
Er erwartete, daß sie ob seiner Un
verschämtheit aufbrauien würd-e. Aber
sie erwiderte ehrlich seinen Blick und
nieste ganz ruhig:
»Alle.«
»Schade!«
«Schave?«
»Weil nur die Mannen ein Mann
nur Jhnen geben kann, was Ihnen
noch fehlt. Als ich Sie am Trapez sah,
da sagte ich mir, was Sie vielleicht
überraschm wird. Jch sagte mir:
Schön ist die nichi.«
»Richti«
»Das heißt, noch nicht. Aber sie
wird's werden, berauscheno, hineeißend
schön!
Sie nnierbach heftig. »Schsveigen
Sie still! Jch will nix wissen von der
Lieb’, nix von ein' Manni«
»Nichts von der Liebe?«
»Wir alle nicht, wir Künstler vorn
Trapez, nicht von ver Lieb’ und nicht
von Soupers und Diners und all das.
Und das ist ganz einfach. Wer sein
Leben alle Abend muß anvertrauen
seinen Musieln und Nerven, nicht
wahr? der muß haben feste Muskeln,
gesunde Nerven. Der muß haben
Ruh’, sein« Aufregung, iein Zerstreu
ung.«
»Und dies Leben unter der Glas
glocke wirt- Jhnen nicht langweilig?«
»Ich langweil’ mich nie. Die Men
schen langweilen inir zuweilen, ich nie!
Jch hao zu arbeiten, viel zu arbeiten.
Mein’ Kunst ist schwer, braucht Ue
bung, immerfort Uebung. Und ich
muß mein’ Kleider nähen und rnich
.trainieren. Die Tas« find viel m
A,
l aus usiiheen --«
tur«z."
,,Und ist denn, was Sie da auszah
len, wirtlich leben, ja? Unseteiner
thut seine Schuldigteit ja auch· Jch
z. B. bin Bantbearnter von morgen--1
Neun bis Abends Sechs-· Aber mein
Leben, inein wirtliches Leben, nein!
das geht nicht in den Atbeitgstunden
aus. Das verdien’ ich mir damit erst.
Das ist ganz, ganz wag anderes-. Da
rin giebt s Lieb« und haß, viel Aus
kegung, viel Freude. Und solch ein Les
ben asnnt’ ich anen.«
»Für ein’ Mann maa es gut sein-«
»Ist da ein Unterschied?«
»Ich glaub« doch,« erwiderte Aeros
litha. »Ich weiß mir nicht auszu
drücken. Bei ein’ Mann, das ist, wie
wenn einer ein’ Gumniitock anhat bei
Regenwetter. Jch mein', alle Dinge,
und was er thut und erlebt, das glei
tet an ihm ab, glatt, ohne Spur. Bei
ein’ Frau, da dringt alles durch, bas
tet allei. Die hat der liebe Gott ohne
solch ein’ moralischen Regenroa in die
Welt gesetzt, und sie muß sich hüten,
nag zu werden«
n seinem alten Tone suhr er sortx
»Das alles zugegeben —- wiirden Sie
darum weniger «beao« sein, wenn Sie
uweiI in Gesellschaft lebenssrober
nschen sich ein harmloses Vergnü
gen gonnten? Rennen Sie die Welt?
Rennen Sie nur Berti-us«
»Ich geh’ manchmal aus mit Kol
leginnen. Auch mit Frau Winter
« mein und ist« Schwester —«
Esel-n Sie mit nun gestatteten, Sie
ein, nein! O mir-L«
»Warum denn nichts·
-Jch weis nicht.«
i
W
»Willst-en Sie sich etwa vor mirs«
Er beugte sich var. Er fah ihr tief in
die Augen. »Sei-en Sie mich mal an.
So! —- Wink
Sie fah ihn an. schlug jedoch gleich
wieder die Augen nieder und wandte
sich ab.
»Warum wollen Sie nichts«
»Nun —- so. Jch glaub’ nicht, daß
Si« ut mit mit meinen. Was kann
einem rrn wieJhnen an einem dum
men Mädchen, wie ich bin, liegen?«
»Ach is! Sie meinen, daß man nur
in Gesellschaft von Frau Wintermeier
tugendhaft sein lann."
Jetzt mußte sie lachen. »Sie sind
drollia.« .
»Gott sei Dankt Wenigstens als
Spaßmacher finde ich Gnaset'«
»Nein,« wider-sprach sie eifrig, »Sie
sind kein Spaßmachert Sie machen
niemals Spaß! Das ist's ja! Sogar
wenn Sie lachen, sind Sie furchtbar
ernst.«
»Wenn ich nur begriffe, was Sie ei
gentlich fürchten? — Bin ich ein Wolf
der die tleinen Lämmerchen unverse
hens überfällt und auffrißti Sie sag
ten eben noch, Sie haben Ihren Mii
len auch. Was ist denn dazu fürch
ten?«
Sie sah ihn an. Unschliissig ge
macht durch seine Sicherheit, zögerte sie
einen Augenblick Aber ihr Justini;
ließ sich nicht deinen
,.Jch alaub’ roch, Sie sind sehr ge
fährtich.«
»Dann müssen Sie sich also sichern.
Feiter Avntrakts Haben Sie Tinte
und Feder?«
»Kontratt?'«
,.««’freilich. Die unverehelichte Mifz
Aeroliiha erlaubt dem artigen Jung
aesellen Hellmuth Wirelius, ihr Ber
lin und Umaegend zu zeig-en unter fol
aenten Bedingungen: Paragravh l.
Doktor Wirilius schenkt Fräulein Ae
roliiha unter keiner Bedingung jemals
etwas-. Blumen und Pralinees sin)
ausgenommen."
»Paragraph 2. Fräulein Aerolitha
fchcntt Doktor Witelius auch nichts,
ausgenommen -—«
»Kein’ Ausnahme!«
»Gut, also nichts, ohne Ausnahme.
»Paragraph Is. Wenn e r unartiz
wird. dars sie ihn vor die Thiir sehen«
Paragraph 4. Wenn sie unerr
tia wird, darf er ihr einen Kuß ge
ben ——-"
..Nein! Nein!«
»Paragraph 4 wird gestrichenFräus
leinAerolitha verspricht dafür, niemals
unartig zu sein.«
Sie lachte fröhlich. »Was sind Sie
fiir ein komischer, komischer Mensch!«
«Abgemacht! Jch darf Sie ausfüh
ren.«
»Aber nur als Freund, nicht einmal
als Freund! als guter Betannter nur.«
,,Als Führers mit oder ohne Regen
schirm.«tvie sie die Köchinnen sich zur
Amsterdamer Kirmes miethen. Jch bin
einer mit Nearnschirm aber darum
nicht theurer. Nichts gegen nichts. Jch
leig’ Jhnen die Herrlichkeit der Welt.
- m übrigen gehen wir einander nichts
an. Nun tsie Unterschrift! Sie wollen
nicht-i Sie haben recht! Das Wort ge
nünL'
Er streckte ihr die hand hin
Zögernd legte sie die ihre hinein.
Als er sie drückte. ganz leise, lose,
durchzuckte sie eine plötzliche Angst
,.Nein, nein, Herr Doktor! Es ist
eine Dummheit, was ich da mach’! Jch
will nicht! Ganz gewiß, ich will nicht!«
»Wort und Handschlag,« sagte er
ernsthaft. Er ließ ihre Hand los, und
git»einer Verbeugung glitt er aus der
4gur.
»Herr Doltor,« rief sie ihm nach.
»qeben Sie mir mein Versprechen zu
rück! Gott! Gott! Es ist gewiß ein'
Dummheit, was ich da aemacht bab’.«
Und da Frau Wintermeier eben die
Lampe brachte, klagte sie: »Der Dol
tor Wirelius will mich besuchen und
mir Berlin zeiaem Jch weiß nicht,
was ich mach-en soll!«
»Ja, ja,« brummte die gute Frau,
»das is dasselbe wie mit mein’ Schwe
ster, die Dota. Erst wollen die jungen
Miichen ja nich, un denn us eenmal·
denn wollen sie doch.«
»Nicht wahr? Nicht wahr? ich hätt’
nicht einwilligen sollen?«
Die Frau zuckte die Achseln. »Mit
mein’ Schwester war det die nämliche
Cbosr. Erst sollt’t jar teener sein, un
denn nu, wo sie schon en bißlen ante
iahrt is un es eeisentlich nich mehr nö
ti hätte, indem sie zwölfhundert Mart
ufSparlasse stehen hol, nu us eenmol
an jedem Finger eenen. Erst den Vor
arbeiter on der Bahn, den Kamlah,
der jar nich ilbel war, un nu en Rent
ner un Ajent. Ne, Fräulein, wenn’t
partout jebeiratbet sein muß, denn ma
chen Sie det lieber in jungen Jahren
ab.«
Entsetzung solgt.)
Wesentliche Zustimmung.
-
Weins-Indien »Ich versichete Sie1
bei diesen Marien sehe ich zu.«
Gast :« »Nein Kenner bezweifeli, daß
Sie bei diesen Weinen zufeseuk