Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 02, 1902, Sonntags-Blatt, Image 9

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    l
Sonntagg VIII-—
Beilage des »Kebraska Staat-;- Anzeier und ZeroldT
——-.:: , ' W
»s. P Windowh, Herausgehen Grund glatt-, Ziel-« de u D. Mai 1902 JMJrgang 22. No. Zu
nissifs sp
Novellette vsnArthurZapp.
Frau Agnes Kar tedt saß im Ar
beitszinimer ihres atten. Sie war
allein, die Einsamteit bedriiette sie. Jhr
Kindcheii lag nebenan im Schlasziiw
mer in seiner Wiege und schlief, von
der Wärterin behütet. Ihr Gatte war
in Geschäften auf einige Tage nach
Berlin gereist; erst am Abend des näch
ften Tages wollte er heimkehren.
Um sich zu zerftreuem setzte sie sich
vor den Schreibtisch ihres Mannes und
tramte in den Büchern, die im Schub
fach lagen. Es war teine interessante
Lettiire, diese geschäftlichen Aufzeich
nungen, die ein genaues Verzeichnisz
der Einnahmen des Gutes und der
Ausgaben enthielten, die die Bewirth
schoftiing erforderte. Da erregte plötz
lich ein Posten ihr Interesse und ihre
Verminderung
»An Gustav Fängen Kommissions
gebiihr (5 Proz.).... Mi. 15,000.«
Ihre Augen betrachteten forschend die
räthseihafte Eintraaung. Fünfzehn
tausend Mart Kommissionsgehiihr?
Ja, was hatte denn dieser Herr Gustcio
Fänger so Wichtiges vermittelt, dasz
ihm dasiir dieser hohe Preis, der ein
kleines Vermögen repräsentirte, be
zahlt worden war? Fanger2 Sie erin»
nerte sich des Namens gar wohl. Herr
Fänger wohnte in der Provinziat
hauptftadt. Auch erinnerte sich die
Grübelnde, daß sie den lleinen, mage:
ren, ältlichen Herrn ein-— oder zweimal
im Hause ihrer Tante gesehen hatte,
bei der sie nach dem Tode ihrer Eltern
eine Heimath gefunden. Das war ja
zu jener Zeit gewesen, wo sie ihren
Gatten tennen gelernt hatte.
Fünfzehntausend Mart! Dazu die
cinaetlaminerte Bemerkung 5 Prok.
Die fünf Prozent stellten demnach die
ttoininisfioiisaebiihr dar, die in iraenr
einer geschäftlichen Beziehung zu einem
Kapital von creihunderttausend Mart
stehen mußte. Dreihunderttausena
Mart! Da durchiuctte sie ptiitzliiii,
gleich einein Blitz, der Gedanke: Drei
hunderttausend Mart beträgt die Mii
gift, die ich einst meinem Mann mit
gebracht habe!
Sie bimle nach oem Darum cer
bemächtigen geschäftlichen Eintragungx
17. Januar 1898.
Wie ein elettrischer Schlag fuhr eH
durch ihren Körper: Am 10. Januar
war ihr Hochzeitstag gewesen« Genau
eine Woche später hatte Die Zahlung
an Gustav Fänger stattgefunden
Frau Agnes Karsiedt stöhnt-: auzs
tiefster Brust;.heif3e Schauer durchrani
nen sie. Mit geschäftigem Eifer tiefste
sich die Vorgänge ihrer jungen Ehe ine
Gedächtniß zurück. Nein, nein, es war
ja nicht möglich. Walter war kein ers
biirmlichier Mitgistjäger, ver seine
Frau lediglich aus Geld-intereser ge
wiihlt hatte. hatte sie irgend einen
Grund-, an ter Aufrichtigkeit feiner
Liebe zu zweifeln?
Nein, nein!
Frau Agnes versuchte, sich Ruhe zu
predigen und tie auiilrnben Gebantrry
die in ihr aufgestiegen waren, zu ber
icheuchem Aber vergebens. Sie war
ein energischer Charakter. und so be
schloß sie, den Kommissionär aufzu
suchen. Von dem Gute bis zur Pro
viaziaihaupistadt waren nur zwe:
Stunden Eisenbahnsahrt und den
Weg bis Zur nächsten Eisenbahnstaticn
konnte sie mit ihrem Wagen bequem in
einer halben Stunde zurücklegen. Der
nächste Zug ging gegen Mittag und arn
Abend konnte sie mit dem letzten Zuge
zuriiaighrem
Die junge Frau kleidete sich mii fir
berifch zartener Fingern an, empfahl
ihren Kleinen ker Sorge seiner Wärte
tin und bestieg den inzwischen am Her
renhause vorgefahrenen Wagen.
Endlich war vie Provinzialhaupts
start erreicht. Das Geschäftgloial Der
Firma GustavFanger war nicht schwer
Zu ersraaen· Zum Gliia war Herr
Fänger allein
»Was verschafft mir die Ehre, gnä
riae Frau?« sagte er und trug seinent
Besuch thlich einen Stuhl heran
Frau ngnes nahm alle ihre Willens
traft zusammen, um den Widerwillen,
:-er lähmend in ihr ausstieg, zu be
siegen.
Es ist eine die-trete Angelegenheit,
cie mich zu Ihnen siihrt, Herr Fängen
Jch habe eine Freundin, eine junge
Dame von sünsundzivanzig Jahren.
Dieselbe lebt einsam bei ihren Eltern
in einer lleinen Stadt, in der sie teine
Gelegenheit hat, Belanntschasten zu
machen. Jch möchte meine Freundin
aern verheirathet wissen, und deshalb
tamme ich, um ihre Hilfe in Anspruch
zu nehmen«
Herr Gustav Fänger blickte über
rascht aus«
»Ich begreife nicht« gnadige Frau,«
erwirerte er zurückhaltend. »Ich weiß
nicht, wie ich Ihnen dabei behilflich
sein lönnte.«
»Mein Mann bat mir verrathen,
nahm Frau Agneö Karstert wieder dag
Wort, während ihr das setz vor gehei
mer Eeteaung und Spannung bis zum
Hals- hiIWlf schlug- »daß Sie in un
serer Ehe gewissermaßen die Vorseh
nna gespielt haben. geh fühle mich
Ihnen zu Dank verpin tet und würde
gern auch für meine Freundin Ihre
menschenfreundliche hilse winnen.«
Herr Gustav gGönner Sien Vers
trauen zu fassen. « eine Mienen erhell
ten sieh, sein Mißtrauen schien über
wunden.
»Alle Sie möhten gern eine Freun
din verheirathen? Wie-heißt die junge
Dame und wo wohnt net«
O
Frau Ilgnes Karftedt athmete tief.
»Laffen Sie uns zuvor die Bedin
gungen besprechen,« sagte sie. »Mein
Mann theilte mir mit, daß Sie drei
Prozent Vermittlungsgebiihr bean
sittlichen-«
»Drei?« Die Augen des Kommis
sionärs funkelten. »Fünf, gnädig
Frau, ift das wenigst-, was ich be
rechne. Ihr Herr Gemahl hat mir auch
fünf Prozent bewilligt.«
Der Kommissioniir zog eilig ein
Schubfach auf und brachte ein Ge
fchäftsregifter, in dac- er viele Kon
tratte eingeheftet hatte, zum Vorschein.
Er bliitterte eine Weile und wies dann
triumphirend auf das aufgeschlagene
Blatt. Mit flirrenden Augen, wäh
rend sie es heiß und kalt durchfchan
erte, las Frau Armes-: Jch verpflichte
mich hiermit, Herrn Gustav Fanger
fiinf Prozent der betreffenden Mitgift
zu zahlen, falls die von ihm geplante
Verbindung zwischen Fräulein Agnes
Lindner und mir zu Stande kommt.
Die Zahlung ift acht Tage nach der
Hochzeit fällig.
Walter Karftedt.
Die Lesende hatte Mühe sich aufrecht
zu erhalten. Jetzt fant fie mit einem
Aechzen auf den hinter ihr stehenden
Stuhl· Erst jetzt wurde der Kommis
fionär auf ihren Zustand aufmerksam.
»Um Gotteslvillen, was ift Jhrien?«
tiefer bestürzt· »Sie sind ja bleich
wie der Kalt -—« Er unterbrach sich.
»Ich hole Ihnen ein Glas Wasser.«
Er eilte davon. Frau Agneg aber
raffte sich auf Und ftiirzte hinairs. Sie
wußte nicht, wie sie nach dem Bahnle
gelangte.
- ----- os-- -, »
ser Pause ruhn-s sie Im) m ihr Orm
mer ein. Sie mochte Niemand sehen.
Ter Abend brach herein; sie saß noch
immer, dumpf vor sich hinbrütend, ais
sie piöhtich polternres Wagengerassei
anfschreckte. Ein paar Minuten später
trat Walter Karstedt ins Zimmer. Er
näherte sich ihr mit strahlend-Im Ge
sicht«
»Da bin ich! Ich habe mich ein paar
Tage früher losgemacht um Dich zu
überraschem Na, sreust Du Dich nicht,
Schatz-P
Sie stand mitten im Zimmer und
sah ihn mit starren Augen« mit ver
lzerrten Mienen an.
»Aber was hast Du denn?« fragte
er überrascht, und seine ausgebreiteten
Arme santrn untoilltiirtich herab.
Sie antwortete nicht. Ihre Brust hob
und senkte sich stürmisch, ihr Athen:
aan hörbar. Beunruhiat trat Waltek
staritedt jetzt dicht an seine Frau hc
ran und faßte sie am Arm.
»Laiz’ mich!« rief iie mit so sichtba
ren Zeichen des Abichetss, daß es ihn
untvisltiirlich srösteltr. ,,Geh’! Jch ver
achte Dich!«
Er taumelte zurück, wie von einem
Ichiaae artrossen.
»Bist Du von Sinnen!« rief er.
»Warum? Willst Du mir nicht er
tlärcn?««
Sie athmetr ties.
»Ich sprach heute Herrn Gustav
Fänarr,« stieß sie mit zuckenden Lip
pen hervor.
»Gnitav Fänger? Nun?«
»Er erzählt-.- mir, aus welche Weise
unsere-Eise zu Stande gekommen ist."
Wjiter Karsteot knirschte mit der-.
Zähnen
,,Der Schnitt« Zischzlte er.
Sie schüttelte mit dem Kaps·
»Er hat keine Schuld. J ging zu
ihm nnd fragte ihn aus. ine ge
i sciriiftlichen Aufzeichnungen gaben mir
Anlaß drizu.«
Er same mit feinen Augen der Rich
tung, in die ihre ausgeftreclte Hand
wies und erblickte fein Geschäftsbetch
das noch aufgeschlagen auf seinem
Zchreihtisch lag. Jetzt begriff er alles
und ertannte zugleich den Ernst der
Situation. Heißer Schmerz trampfte
ihm das Herz zusammen.
»Ohne-IF rief er flehend und trat ihr
wieder ein paar Schritte Mile »Ich
bitte Dich, verzeihe! Ich weiß, tch that
gliictli eh ge :dt? Hab-: ich Dir nicht in
den anderthalb Jahren unserer Ehe
bewiesen, daf-, ich Dich liebe, aufrichtig
liebe! Jch befand mich in drückender
Lage, eine große Hypothek war mir
gelündth Ich brauchte dringend
get-«
»Ich danle Dir, " entgegnete sie mit
eigenthiimlich tiangloser ctinunr. »Du
bist wenigstens jetzt aufrichtig zu mir
Du wirst nun einsehen daß wir nicht
länger miteinander leben können, dat;
stockte einen Augenblick und vollendete
dann leise —-- »daß ich Dich nur noch
verachten lann.«
Er schreckte zusammen und biß sich
heftig auf die Lippen
.Agne3!« rief er ,,Aannst Du denn
nicht vergessen?"
den Kopf.
Geld, und da ging ich zu Herrn Fän .
Sie bewegte energisch verneinendJ
t
unreclkL Aber haben wir nicht feitden«. -
ich nach dieser Erklärung Dich- sie s
»Nein! An Deine Liebe kann ich"
nicht mehr alauben· . .. Morgen über
siedle ich nach Berlin mit unserem klei- ’
nen Paul. Du wirst ihn mir lassen,"
dagegen bin ich bereit, Dir die Hälfte
meines Vermögens abzutreten.«
. ,,Agne8!« schrie er auf und schlug
seine Hände erschüttert vor das bleiche
Gesicht.
Sie ging langsam zur Thür. An
der Schwelle drehte sie sich noch einmal
um«
»Ich muß wohl,« stöhnteer. »Ich
sehe ein, daß Du mir nicht mehr glau«
ben tannst.«
»So lebe wohl!«
Sie öffnete die Thür. Er that ein
paar hastige Schritte, als wollte er sie
zurückhalten Aber sie eilte schnell
i hinaus-.
! Die Nacht brach herein, aber keine
ioon ten beiden Eheleuten dachte an
i Schlaf. Frau Aanes packte ihre un
entbehrlichstcn Sachen und ihr Gatte
schritt im Nebenzirnmer ruhelos hin
und lfer. Ab und- zu horchte sie nach
der Thür hin. Sie hörte, daß er sich
jetzt setzte ----- wahrscheinlich an seinen
I Schkeihtisch Ja, ais siemm ihkOhk
dicht an das Schlüsselloch legte, tonnte
sie sogar hören, daß er schrieb.
Es dauerte ein-r geraume Zeit, biQJ
er wieder ausstarb Es drangen al
lerlei Geriiiische aus dem Neben,;imrner
. heraus-, die sie sicb nicht erklären konn
l te. Ein bellemrnenreg liiesiihl senkte fur,
! auf die junae Frau und- beengte ihr den
leqclllo VII luukjlc Atti-» IUUculll,
aber plötzlich ivurbe ihr so angstvoll
zu Muth-e, daß sie in ein leises Wei
nen ausbrach. Ein lnackenrer Laut
wurde plötzlich von nebenan hörbar.
Und nun konnte sie sich nicht länger
mehr zurückhalten Mit einer iiiipiil
sitzen Bewegung rifi sie die Ihiir auf.
Er sprang bei ihrem plötzlichen Ein
tritt von seinem Stuhl an dem-Schreib
tisch aiif nnd starrte sie niit schaden«
bleichem Gesicht an. Seine Hand ta
stete nach einem Geaenstaiid auf der
Schreibtifchplatte, den er hastig unter
ein Blattt Papier zu schieben sich bes
iniihte. Aber sie hatte ihn schon er
blickt, den Revolver, mit dem er sich
soeben beschäftigt zii baben schien. Ein
so starkes Zittern tam über sie tmd
ihre Knie wantten so heftig, baß·sie
sich an dem neben ihr stehenden Sessel
festhalten mußte. um nicht zu Boden
zu stürien.
»Walter!« ries sie, nur von Angst
und Entsetzen beseelt. »Das Das
wolltest Du thiin?«
Er stand schweigend uno blickte fir-v
ster zu Boden, über seine Unterlippe
rieselte ein schinaler Streifen Blut.
»W.ilter!« tief sie noch einmal und
in dem Klang ihrer Stimme lag eben
soviel Liebe wie schmerzlicher Bor
warf.
l Er athmete schwer.
» »Kann ich denn noch leben?« stiesz
Ier endlich mit ziiitenden Lippen her
z vor. »Ohne Deine Liebe ——- Unter rein
! Druck Deiner Verachtung-R
Ein heiße-» stürmisches Gefühl stri
. thete in ihr aus, vor dein der Zorn unt
die bittere Enttäiischung der letzten
Stunden in nichts zerfloß. Ihre Arine
breiteten sich gegen ihn ans und niit
zwei, drei schnellen Schritten ivar sie
an seiner Seite.
.,Walter!« rief sie noch einmal er
schüttert, ganz von ihren weichen Ein
psinbunqen überxoiiltiat uno schlang
ihre Arme uni seinen Hals.
,.Kannst Du mich denn noch lieben?«
sagte er mit ausstrahlendein Gesicht,
»und zweifelst Du auch nicht mehr, rast T
ich Dich liebe, aufrichtig, aus vollem
Herzens-«
Sie antwortete nicht. Jhre Arme T
aber preßten sich noch sester um ihni
nnd ihre Lippen suchten die seinen. ;
- --—-·-.---« « i
i
Ver-lockend
Gendarkn tzu dem sich heftig wider
sietzenden Raubmörder, den et verhaf
ten foll): »Sie, machen Sie keinen
Unsinn und gehen Sie ruhig mit, sae
heimniszvom ’g giebt heute eine deli
tate Erbssuppe bei unH.«
Wandlung.
Ptosaisch ist das Leben,
Die Poesie verschwunden,
Es werden keine Kränze
Dem Dichter mehr gewunden.
Es blühen jeht die Blumen
Nur noch siir Küh’ und Kälber,
Und wer noch liest Gedächte,
Der macht sie meistens selber!
In set Minis.
»Herr Miiller, fühlen Sie einmal
den Puls des Kranken und stellen Sie
die Anzahl der Pulsschläge festl« —
(Miiller ergreift die Hand des Kranken
und sieht dabei auf eine an der Seiten
wand angebrachte Uhr). -—- »Nun,
Müller, wohin sehen Sie denn?« —-—
»Aus die Uhr da drüben, Herr Profes
soe!« — »Ja, haben Sie denn teine
Uhr bei sich?« — »O doch — aber
meine Uhr geht etwas vort«
Ein dunkles Blatt aus der rus
sischen Geschichte
Am 24. März dieses Jahres waren
einhundert Jahre seit jener Schreckens
nacht vergangen, in der Paul der Erste
Don Rußland unter qanz ähnlichen
Umständen wie sein unglücklicher Va
ter, Peter der Dritte, ermordet und
damit einer Regierung ein Ende berei
tet wurde, deren äußere Merkmale
Wahnwitz, Verfolgunassucht und plan
lose Willkür waren Oft ist der
grauenhafte Vorgana von den Zeitge
nossen wie von spät. ren Schriftstel
lern beschrieben worden, und auch des
senAugenzeugen habenAufzeichnungen
darüber hinterlassen. Es ist nicht zu
verwundern, daß diese Schilderunger
sich vielfach in den Einzelheiten wider
sprechen und es wird wohl überhaupt
nicht möglich sein, jemals mit absolu
ter Gewißheit festzustellen, wie die
Dinge sich genau abspielten,namentlich
weichen Antheil an ihnen jeder einzelne
der meist schwer berauschten Ver
schworenen hatte. Jn der französischen
Zeitschrift »La Revue bleue«' unter
nahm es unliingst der bekannte Histo
riler und Atademiter Albert Satt-L
. auf Grund des gesammten vorhande
nen Qiiellencnaterials, das übrigens
; nicht allzu umfangreich ist, eine neue,
i zusammenhängende Darstellung der
j That zu geben, die eins der dunkelsten
Blätter der an Schrecknisser so reiche-i
russischen Geschichte bildet.
Jn der nächsten Umgebung des Za
ren, unter den Männern, die ihm
Rang und Reichthum verdanlten, ent
70«- is Asssnchc i- v« ·- 17-t-.--»-»« --.- r.
»W» ..........,..... .«· ».»..»...,,....,,, .«.,-,
! der Herrschaft des offenbar geistig nich:
IGesunden durch einen Gewaltstreich
kein Ziel gesetzt werden müsse. Die
’ Grafen Panine und Pahlen waren die
Ieigentlichen Väter des Gedankens —
iPanine, Damals Minister des Aus
!värtigien, der gebotene diplomatische
llnterhändler, jung, elegant, den vor
nehinsten Familien verwandt, ein
Meister der Jntrique; Pahlen dagegen
der Sproß eines tleinadligcn balti
schen Geschlechtes, aianz Soldat, der
Mann der That, des raschen Zugreii
fens, hinter burschitosen militärifchen
,,.llliiren« liibl berechnende Schlauheit
verbergend Pahlen batte vom Zaren
Paul, der ihm außerordentlich gewo
gen war, selbst die Mittel, ihn zu be
wältigen, in die Hant bekommen, in
dem er das lsjeneraLGouoerneinent
von Et. Betersbnrg zugleich mit der
obersten Polizeigewalt inne hatte.
Wer aber, und möchte er noch so hoch
gestellt sein, war damals davor ge
schützt, nicht morgen Durch die Laune
des Turinnen gest-Linn aller Markt
beraubt, gefangen oder verbannt zn
werdan Pahten selbn hat später ge
saat: ,,N·.eman«d unter ung war seine-.
! Dasein-I sicher. Ich wa r c. ner von de
nen, Ti- Ler Blit- ein meisten bedmärobty
und ich hatte ebenso sehr den Wunsch,
mich ihm zu entziehen, als Rufztand,
vielleicht Entopa, vor einem blutigen
und unwiderstehlichen Weltbrande z:.
schützen« Mit diefen letten Worts-n
spielt Pahten auf die Smnpathien an,
die Paul dem ersten Konsul Bonai
parte, sehr zum LIJtifzvergniigen dee
russischen Abels-, entgegenbrachte und
bon denen man einen Krieg mit Eng
land befürchtete-.
Aus einer anderenQuellh die Albert
Soret nicht benutzt hat, wissen wir,
daß Pahlen es in änsterst geschickter
Weise verstand, die Erbitterung gegen
L-- cd--.-- ---c- l.·.-ktl. J- «.. kA-:-«
OT« du«-s «»W Its-Ums- o« Fugu-»
So befahl Paul, uin nur ein Beispiel
anzusiihrein einer allen Dame der
Aristolratie, die sich abfällig über ihn
ausgesprochen hatte, sollte ,,ordentlich
der Kopf gewaschen werten«. Er
meint-.- diJEI selbstverständlich nur bild
lich. Pahlen aber schickte ein Paar
handseste Polizisten zu der Gräsin
und ließ ihr gewaltsam den Kopf mit
Seise und Bürste bearbeiten. da der
Kaiser es ausdriiellich so angeordnet
habe.
Schon iin Oktober 1800 hatte Gras
Panine, Minister des Augivärtiaen,
mit sent GrofzfiirstensThronfolaer
Alexander in einer Badeanstalt eine
heimliche Zusammenlunsi. Er stellte
ihm die Unhaltbarleit der Lage vor
und leate ihm die Nothwendiateit dar-,
im Interesse Rußland5, der Dynastie
ja des Poren selbst. dessen wahnsinni
aem Treiben zu steuern. Natürlich
versicherte er, nur die Absetzung des
Zaren solle ersolgenf dann werde man
ihm »ein ruhigeres Loos und alle Ge
nüsse des Lebens siche:«n«. Alexander
hörte Panine ruhig an, äußerte sich
aber weder zustimmend noch ablehnend.
Bald daraus siel Panine in Ungnade
und wurde nach Moskau verbannt.
So blieb Pahlen allein die Voll
bringnng des Wertes. Vorsichtig und
tiihn zugleich ging er karan, den Kai
ser von allen Seiten zu umzingeln,
in seine Macht zu bringen. Er be
sorgte sich Schlüssel zu allenEingängen
des Michael-Palais, das Paul wie
i eine kleine Festung angelegt hatte, und
i in dem allein er sich sicher fühlte Das
! Einverständniß des vertrauten Giinst
- lings Paul-T seines früheren Barbiere-,
nunmehrigen Oberjägermeisters und
Grafen Kutaissosf, gewann er dadurch,
daß er dessen Geliebte, eine französi
sche Sängerin, bezahlte. Dann über
redete er den Zaren, die verbannten
Brüder Zoubofs, die unter der Regie
rung Katharina-B der Zweit-en eine so
grtfsze Rolle gespielt hatten, zurückzu
ru en.
Jn ihnen war er gewiß, zähe, ent
schlossene Bundesgenossen zu finden.
Auch die, wenigstens stillschweigende
Einwilligung der Kaiserin sicherte er
i sich, wie behauptet wird und wie auch
; Sorel annimmt, indem er ihr in Aus
i ficht ste lite, nach dem Beispiele Katha
i rinas werde sie selbst tie Nachfolgerin
L ihres Gatten aus dem Throne werden
So war Alles wohl vorbereitet, als
i Pahlen die Ausführung der That, mit
i Rücksicht auf das die Wache habende
Regimen:, ans dke Nacht Vom 23. zun:
24. März 1802 festsetzte.
Um Mitternacht «wurde gemeldes,;
daß ein Bataillon des Semenos- und I
zwei des PreobrascheustiMegimenteH!
i die Wacheitellung um das nahegelegenc I
Michael-Palaig, in dessen Sommer-i
garten, eingenommen hatten. Nun i
machten sich die Verschtoorcnen unter l
der Jiihruna Platon5, Zoubosfs und -
Bennigseng auf den Weg. Pahlen
Verlies-, sie-, um das Kommando der
Trupiien Zn der Stadt zu übernehmen
und auch Valerian Zoubofs, der nur
ein Bein hatte, trennte sich von ihnen.
Das Thor des Palastes wurde ihnen
non einem niitverschworenkn Adjeu-rn
tcu geöfsnet. Eine Laterne in der
Hand, geleitete er sie bis an das An
; lleirezimmer des Kaisers. Hier schlief
ein junger Kammerdieuer. Vom Lärm
geweckt, sprang er auf und ries um
Hilfe-. Man schlua ihn nieder. Aber
sein Geschrei hatte cuch den Kaiser
erwachen lassen. Vom Beste stürzte er
sich nach der Thür, die in das Neben
zimrner zur Kaiserin führte. Doch er
hatte vergessen, das; er selbst in seinem
Mißtrauen gegen Jedermann die
Thiir hatte ror Kurzem versperren
lassen. Da wickelte er sich in die Por
tiere, die sie verdeckte. Einen Augen
blick hatten die Verschwörer gestutzt
als der Fenmmerdiener Lärm schlua,
einige von ihnen waren sogar zur
Treppe zuriickaeeilt Aber Bennigsen
scuerte sie mit den Worten: »Der Wein
ist abaezogen, jetzt muß er auch aus
getrunken werden« wieder an, undso
dranaen sie in das Echtaszimmer des
Kaisers ein.
Mit der Laterne leuchtet-en sie in
das Bett, und da sie es leer fanden,
in alle Winkel des Raumeg, bis sie
Paul in seinem Versteck fanden. Jni
Hemde, leichenblesi, an allen Gliedern
schlotternd, wurde er hervorgezdaen
Man schleppt ihn an den Tisch, drückt
ihn in einen Stuhl nieder, legt ihm
das Schriftstiick einer ,,Ertl·cirnng an
das Volk« vor. und zwingt ihm eine
Feder in die Fing-er. Mit dem Hute
auf rein Kopfe, den Degen in der
Hand vor ihm stehend, befiehlt Ben
niasen ihm, zu unterschreiben Zon
boss liest ihm, selbst vor Aufregung
am ganzen Leibe zitternd, den Jnhalt
der ,,Protl-.imation« vor. Aber auf
leinmal fahrt der Kaiser aus seiner
s Betäuouna aus, bricht in lauten Zorn
mik, schreit, droht. Ein unbeschreibli
eher Tumult entsteht. Die ganze
Eihaar der Von Wein nnd Wuth trun
lenen Männer drinnt auf ihn ein, sie
beschimpfen ihn, schon heben sich bei
T ern und jenem die kyäuste Mitten
unter ihnen steht die tanm bekleidete-,
niirre, groteshle Jammeraestalt dessen,
» der gsstern noch allmächtig iiber ihr
« Wohl und Wehe gebot Aber der Au
- ncnblici drängt zur Entscheidung. Nis
lolaug Zoubosf, ein Riese an Wuchså,
holte zum Schlage auc. Noch einmal
erwacht-e in Paul das Gesiihl der he
leidigten Majestiit, er seine sich zur
Wehr. Ein Offizier greift ihm uni
den Leib. Beide rollen zu Boden.
Jetzt stürzen sich Alle auf ihn, die Sä
bel fahren aus der Scheide. Sie schla
gen ihm auf den Kopf, aus die Arme.
Er blutet, heult, zappelt Einer der
Mörder nimmt seine Schärpe und
schlinqt sie ihm um den Hals. Paul
glaubt in ihm seinen Sohn Konstan
tin zu entdecken und tust: ,,Gnade,
Hoheit, Lust, Lust!« Da er die Händ-:
zwischen Schlinge und Hals bringt,
reißt man sie fort, zieht den Knoten
zu. Er ersticktc. Er ist todt. —— —
Das All-es hatte drei Viertelstunden
gedauert. Nun hieß es, sich dieFriichte
des Sieaes sichern. Benniasen, der
die trauriae Rolle des Regisseurs dieer
Traaödie spielte, schasste zunächst ein
mal Ordnnnq im Zimmer, schickte die
Mehrzahl der Verfchivörer fort, lief-;
den Leichnam vom Boden aufheben,
mit der llnisotm bekleiden, den ver
stümmelt-en Kopf mit einem Tuche be
decken, den Arzt herbeiholen und fest-—
--, .-,- —- WUÆW
stellen, daß der Zur »einern Schlag
anfalle« erlegen set.
» Palme-, der inzwischen erschienen
« war, übernahm es, dem Thronfolger
und der Kaiserin das Geschehene zu
melden. Alexander hatte gewußt, daß
die Nacht zur Ausführng des lanes
bestimmt war, und sie schlaro , ange
kleidet, aus seinem Bette verbracht.
Bleich stumm, im Innersten erschüt
tert, vernahm er die Kunde und fast
willenlos ließ er nun alles über sich
ergeben.
Anker-Z die Kaiserin. Die lief wei
nend, schreiend dsurch die Gänge des
Schlosses-, wening aut- Schmerz über
den Tod sie-J Gatten, denn aus bitterer
Enttäuscbung darüber, daß nicht ihr
seine Naipfolge zu Theil werden sollte.
Die wichtigste Frage jedoch war, wie
das Heer sich den vollendeten That
sachen gegenüber verhalten würde. Die
um das ZIJiicbaeLPalais versammelten
Truppen nahmen zuerst eine drohende
Haltung an.
Aber als am Morgen St. Peters
burg erwachte, an den Straßenecken
ein Aufruf verkündete, daß der Ty
rann, der Schrecken Aller, beseitigt sei.
gerieth die Bevölkerung in einen wah
ren Freudentaumeh der bald auch die
Regimenter mit sicb fortriß und damit
das endgiltige Gelingen des Anschla
ges und den Mördern Vergebung und
Vergessen sicherte.
-——.--.——s
»Einc schöne Empfehlung. «
Ueber eine amiisante Wiener Ge
richtsverhandlung berichtet das Wie
ner Extrablatt. Der Hülfsarbeiter
Otto Mellinger, bereits viermal wegen
Bettelns vorbestraft, sollte sich vor dem
Bezirtsgerichte Josephstadt wegen der
gleichen Uebertretung verantworten.
Bei Aufruf seines Namens trat eine
Frau vor den Richter hin.
Richter: »Sie sind doch nicht der
Otto Mellinger?«
Frau: ,,-(Fine schöne Empfehlung
von meinem Mann, ich bin nämlich die
Frau, und er hat heute leine Zeit, er
hat jetzt a Arbeit.«
Richter: »Wir können ja in seiner
Abwesenheit verl)andeln.«
Frauk ..l,ssine schöne Emvfeliluna
und er laßt bitten, Sie möchten heut’
die Verhandlung vertagen und am
Sonntag Nachmittags verhandeln, da
hat er Zeit, da kommt er.
Richter: »Das geht nicht. Er hat ja
übrigens ein Geständnis; abgelegt.«
Das Kontumazurtheil lautete auf
achtundvierzig Stunden Arrest.
Frau: »Wenn soll er’s denn ab
sitzen?«
Richter: »Er bekommt das Urtheil
zugestellt.« ·
Frau: »Eine schöne Empfehlung-«
Herr Richter, und er laßt auch noch
fragen· ob nicht ich für ihn absetzen
J kann, er hat ta Zeit.« (Heiterkeit.)
J Der Richter ertheilte der Frau die
entsprechende Belehrung.
-—.——-———
Haiidqrctsttche Erklärung.
Die »3chweizer Diana« schreibt:
., scheint, dass man in der Pfalz nicht
immer aanz gut auf Vorgesetzte zu
sprechen ist die aus Alt - Bayern
stammen. Das hat unlängst eine sehr
zielunaene Auseinandersetzuna gezeigt.
Ein Forstivart traf zwei junge Bur
schen beim unerlaubten Smaragd
fana an; alg er sie nach dem Namen
besraate, rissen iie aus und riefen ihm
allerlei Schimpfnamen zu, so auch:
..«211tbaiserische5 ....«, weil sie mein
ten, er sei von ,.Drüive riiberC Spä
ter trifft der Jorstmart mit den Bur
schen wieder zusammen und erwischt
einen daoon --- »so, jetzt will i Dir
emol die Sach’ mit de Altbayerische
ertliire,« meinte der biedere Pfälzer,
und hant ihm eine aesalzene Ohrfeige
herunter —-- »sieste, das ifch a altbayes
rische q’west, und das isch a psälzer"
und giebt ihm mit der andern Hand
eine zweite. Dem Burschen sei die
Sache nun klar, aber der Unterschied
icl mail grqu
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Minder-standen
Arzk »Jhre rothe Nase läßt mit
Bestimmtheit darauf schließen, das;
Sie zu viel Bein trinken!« Patient:
,,.lber Herr Dott t,or mei’ Nasn is ja
gan; sg fund, in die Füße fehlt’5. '«
limwaitdluna.
»Ich ließ daL lileid iin Kasten schon
geradezu modern, weil es zu unmodern
war, undi etzt ist es aus einmal wie
der nioderii.«
Daher
Gatte: »Aber Elise, Du bist ja seit
einiger Zeit so frostig gegen mich.
Weshalb denn?« « Gattin: »Soll ich
nicht frostig sein, da Du mir im Win
ter den gewünschten Pelzmantel nicht
taufen loolltiest?-«
Renommqgr.
Fräulein: »Wie kommt es, daß Jhte
Jagdtasche so furchtbar nach Thran
riecht, Herr Baron?« — Baron: »War
doch kürzlich im hohen Norden . . aus
Walfischjagd gewesen!«
Sonderbate Sorge.
Vagabund (der früher in guten
Verhältnissen gelebt. aber jetzt zwei
Jahre Gefängniß erhalten hat): »Was
wird mein Arzt zu den zwei Jahren
sagen; er hat mir sehr viel Bewegung
empfohlen!"
Optimiftisch.
Hausirer ider hinausgeworfen wird
und über ein Yfeisen ftolpert): »Ein
Hufeisen! —- as bedeutet Glück —
da geh’ ich noch ’mal ’rein!«