Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, April 11, 1902, Sonntags-Blatt, Image 12

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    «WC
« Das Mechtkchkn im Omnivu5.
Roman von Fortune de Voisgodey.
IWW IOMWOI
I
,
IRRDDCEQFPOPVOFP
(1 FortsesungJ i
»Du willst zu deinem Vergnügen ;
Pelz-i spielen's Weiter fehlte nichts-S« l
» an muß doch seine freien Stun-- I
den zu etwas verwenden, nnd ich hab-:
Zeit genug.« s
»Und dein Bild, Unglücklicher, das «
fiir die Ausftellung fertig fein solltet
und das du kaum angefangen hast?"
»Ich werde im Frühling daran ar
beiten, im Winter fühle ich mich nicht
fo recht im Zuge. Jch habe also zwei
Monate Zeit, nnd noch vor diesen zwei
Monaten werde ich die Frau aufgefun
den haben, die diesen Streich ausge
führt hat«
»Das heißt, die neben dem armen
Kinde gesessen hat?«
»Natürlich«
»Berzeihung, es waren aber zwei
Frauen vorhanden, die eine saß rechts-,
die andere links oon der Kleinen-«
»Ich meine natürlich die, welche bis
zur Rne de la Balle mitgefahren ift
und dir den Leichnam so geschickt über
geben hat«
»Sei doch so freundlich, und erkläre
mir, wie sie es hätte anfangen können,
ihre Nachbarin zu tödten, ohne daß es
jemand bemerkte.«
»Seht gern, sobald du auf die Fra
en geantwortet hast, die ich dir vor
egen werde. Du hast mir gesagt, das
junge Mädchen stühte sich aus die ver
schleierte Dame?«
»Ja, ich glaube sogar, daß dieDame
sie um die Tailleåiesaßt hatte.«
»Jn welchem ugenblick fing sie
denn an, sie so freundlich zu«nmias
sent«
»Ich glaube, es war in der Nähe des
Leut-Neuf. Der Omnibus fuhr sehr
chnell, und ein Rad mußte wohl über
einen großen Stein gerollt sein, denn
es fand eine sehr heftige Etschiitterung
statt. Die Kleine hatte einen Schrei
ausgestoßem einen sehr schwachen
Schrei; dann fuhr sie mit der Hand
neu-b dem her-en nnd sank nach hinten
l
ikder . . . sie ist gestorben, ohne zu lei
den, fast ohne eine Bewegung zu ma
chen.«
»Das ist in der That wahrschein
lich,« titrsetzte Binos ironisch· Nach
dieser leichten Erschiitterung hat sie
vermuthlich den Kopf geneigt, die gu:e
Nachbarin hat die Schulter vorgestreckt
und das arme Kind umgefaszt, das sich
nicht mehr gerührt hat.«
»Du erzählst die Scene gerade. als
vd du sie mit angesehen hättest."
»Und du, der du sie gesehen hast,
kandest es ganz einfach, daß diese junge
Dame plötzlich einschlie« und nicht
mehr emachte.« z
»Ich habe zuerst nicht besonders da
rauf geachtet; man konnte in dem Wa
gen nicht viel sehen, die Laternen ma
ren fast erloschen.«
»Das konnte ich mir denken: die
iZerbrecherin rechnete auf die Dunkel
it.«
»Aber ich frage dich noch einmal,
wie sollte sie es denn angefangen ha
ben, um eine Person von kaum zwan
zig Jahren innerhalb zehn Setunden
m die andere Welt zu befördern? Du
wirst mir doch nicht einreden wollen,
daß sie sie erdvlcht hat?«
»Erdolcht? Oh nein! es giebt viel:
sicherere und weniger deutliche Mittel.«' :
»Welche?«
»Nun, das Gift zum Beispiel. Mit
einem Tropfen Blausäure tann man»
den stärksten Menschen umbringen.«
»Wenn man es ihm ins Auge oder .
aus die Zunge gießt, ja."
»Oder auf eine einfache Hautwunde
. · . . Jawohl . . .. Du zuckst die«
Achseln . . . . nun, ich habe nicht nie;
Absicht, dich heute Abend zu überze;1- I
gen. Morgen wirft du mir vielleicht
zugeben, daß ich recht habe. Jch mer- ;
de morgen Vormittag in dein Atelier «
kommen. —- Inzwischen will ich dichl
verlassen. Ich sehe dort, daß der Leich
nam fortgetragen wird und will nach
dem Bureau gehen, um ein bischen zu
horchen, ich kenne den Wachtmeiste:,
Wicht lann der mir Auskunft ge
han«
Mit diesen Worten stürzte Bin-z
ans dem Case und ries seinem Freun
de zu: »Du kannst meine Zeche bezah
len« ich habe nur vierzehn Schoppen ge
I
ckllllkcll."
2. T
Um Tage nach dieser traurigcn
Fahrt im «Omnibug, die mit einer Ka
iastrophe geendet hatte, beschien eine
fchsne Wintersonne die Place Pigalle.
Paul Freneufe war ebenso heiter
wie das Wetter. Jm Laufe des Vor
mittags hatte er den Besuch eines vorn
Kommissar abgesandten Polizei-Jn
Ikgtots empfangen, der aber mehr mit
plaudett, als ihn eigentlich ver
höti ite; denn auch der Gerichtsarzt
hatte den Tod des jungen Mädchens
ans eine natürliche Ursache zurückge
Wund auf einen Schlagfluß ge
en.
a war denn Paul Freneuse durch
Diesen sefnchim höchsten Grade ange
,. M deriihrt worden und hatte sich,
M er gestrihftücky don eines
Sol befreit, eifrig an die
I M.
se de gerade ein Gewölbe,
Ist m et stos- Mfuunaen fette-.
die Gestalt einer Frau, eine Einzel
figur, eine junge Römerin, die am
Fuße des Grabe-J der Cäcilia JJterella
eine Ziege hütete. Er hatte dabei one
Glück gehabt, ein Modell zu finden,
das Gott ausschließlich geschajfen zu
haben schien, um ihm den gewunschfen
Typus zu tiefern. Es war ein ganz
junges Mädchen, fast noch ein Kind,
das er eines Tages, als er von den
Höhen des Montmartre kam. getrof
ten, und das ihn nach dem Wege nach
dem Zoologischen Garten gefragt
hatte.
Freneuse hatte vier Jahre in Rom
zugebracht und verstand genügend
Jtalienisch, um der Kleinen in der ein
zigen Sprache, die sie gut verstand,
Bescheid sagen zu können. Dann hatte
er sich erkundigt, was sie in Paris
trieb, und sie hatte ihm ohne Verleg-en
heit geantwortet, daß sie eben erst an
gekommen wäre; einer ihrer Land-J
leute hatte sie mitgebracht, dessen Be
ruf darin bestand, Modelle beiderlei
Geschlechts nach Frankreich zu impor
tieren; derselbe wohnte in der Rue S.
Bernard, in der Nähe der Martthalle,
in einem großen Hause, das von Oc
aelspielern und anderen Wan«dermusi
kanten wimmelte.
Sie war in Subiaro, in den Savi
nersbergem geboren, und hatte ihre
Kindheit damit verbracht. auf den
scelstlivpen dieser wilden Gegend die
iegen zu hüten. Jhre Mutter, »He
seit einem Jahre todt war, stand :n
den römischen Ateliers Modell. Ihren
Vater hatte sie nie gekannt; doch sie
galt da unten für die Tochter ein-J
französischen Malers, der, nachdem er
sich einige Jahre in Italien aufgehal
ten hatte, abgereist war, ohne sich Mi
tet um sie zu kümmern. Sie hätie
noch eine Schwester gehabt, doch diese
war in stühester Jugend einemManne
übergeben worden, welcher Schülerin
nen sammelte, denen er die Gesang-s
tunst beibrachte und die häufig in den
inclimisckim Theatern ansinnen
-----------
Paul eneuse, der von ihrerSchönsi
heit entzückt war, hatte sogleich Die
Jdee gehabt, dieses Kind, das noch bei
keinem Künstler Modell gestanden,
für sein Bild zu verwenden. Er harte
sich mit dem Manne, der Pia, so hieß
die Kleine, nach Paris gebracht, in
Verbindung gesetzt und mit ihm gegen
eine ziemlich bedeutende Summe das
Ablommen getroffen, daß das Mäd
chen jeden Tag in der Rue de Pigaxte
sich zur Sitzuna einfinden sollte.
So hatte Pia seit süns Monaten
nicht ein einziges Mal versäumt, Mit
tags zu Paul Freneuse zu tommen,
der sie mehr als Freundin, wie als be
zahltes Modell bebandelte.
Seit einem Monat indessen hatte
Jreneuse zu bemerken geglaubt, daß sie
weniger lustig, zurückhaltender, nach
denklicher, mit einem Worte: weniger
Kind «war. Am Tage nach sein-In
Abenteuer im Omnibus hatte Paul
Freneuse seinen guten Tag, und cr
unterhielt sich heiter mit der Ziegen
hirtin, die im Hintergrunde des Ate
liers aus einem hohen Triitbrett lag,
dar-« bestimmt war, einen Iom Grade
der Cäcilio Metella losgelösten Fels
block vorzustellen
»Pia, meine Schöne,'« sagte Fr
neuse lachend, ",,du vermuthest wohl
nicht, daß ich gestern Abend beinahe
die sechs Treppen zu dir binausgetle:
tert wäre, um dich zu überrascht-n Jch
habe gestern in deiner Gegend dinir:.«
»Und Sie sind nicht u mir gewin
men-2« ries das junge ödchen, »ich
wäre so glücklich gewesen, Jhnen mein
Zimmer zeigen zu lönnen . . . es ist
jetzt so hiibsch . . . ich habe drei Blu
mentövse und einen Vogel, der so nett
singt. . . . Das alles verdanke ich
Ihnen.«
Ich fürchtete, dich zu stören, denn
»in Qimmse ist wohl nicht viel aröfrer
als dein Vogeltäsig. Unso Dann habe
ich es auch nicht gewagt, so ohne weite-:
res bei Dir einzudringen Jch bäte
am Ende Dort deinen Schatz getrof
len.«
Pia erblaßte und die Thränen itz
ten ibr in vie Augen. »Warum sagen
Sie mir das?« murmelte sie, »Sie wis
sen doch, ich habe keinen Schatz.«
»Nun, nun, es war ja nicht so ernst
gemeint, lache ein bischen, sonst muß
ich glauben, daß du mir zürnst. Jch
sprach ja nicht im Ernst.«
»Ich oente ja schon nicht mehr ba
ran . . . aber ich bitte Sie, sagen Sie
nicht wieder, daß ich einen Schatz have.
Wo sollte ich den wohl hernehmen,
mein Gott! Dort unten zu Hause
sind alle Burschen, die für den Vater
Lorenzo arbeiten, häßli und bosbaft
:wie die Affen. Außer-d , wenn Sie
isich ans Fen ter stellen, wenn ich kom
jme, können ie stets sehen, daß ich nie
’steben bleibe. Jch habe es immer so
eilig, in Jbr Atelier zu kommen und
mich auszuwärmen . . . und meinen
Freund Mirza zu umarmen, das ist
mein Schatt« .
Der Auge-rechten der am Ofen
chnnrrte, hörte seinen Namen und
prang mit einm Satz ans Pius Knie,
die lachend fortfuhr: «Seben Sie, Tier
t mich lieb, er kommt, ohne daß Ich
hu ruse und thut mir niemals -weh.«
«DI da recht, Kleine, Mirza ist
ein sites biet, er ist weit besser als
- ich und dieser Binos, der niir hierher
! kommt, um dich zu ärgern.« Er
; »O, das iit mir gleichgiiitig . . . .
seid-r Sie, Herr Paul, wenn Sie sich
. uixier mich lustig machen, so oerliere ich
. Den Jopf . . . imo mit der Pose ists-;
reiben Sehen Sie, ich hatte mich seit
dem Beginn der Sitzung nicht gerührt,
nnd sent, da Sie mich gestört haben,
s sozisi ich nicht mehr. wie ich mich setzen
. to .«
; »Wie du eben saßest, den Kon ein
; tvenig mehr nach hinten über: sieh mich
lan, saae Mirza fort iind bleib-e unde
s weglich.«
! Piat hat, ivie ihr aeheißrn, iind die
EKatze legte sich wieder an ihrem Lieb
lingsplahe nieder.
»So ist es recht,« siihr der Maler
i sort,«»und da du jetzt wieder nett bist,
; to will ich dir erzählen, daß ich dir nur
siseshalb nicht »Guten Abend« gesagt
— habe, weil es schon zu spät war, als ich
Idiirch deine Straße kam: dreivieråel
zwölf Uhr . . . in der Kaseriie des
Vater Lorenzo schlief bereits alles.«
»Es ist Jhnen doch hoffentlich nicht-«
Unangenehines passirt2«
»Nein, nein, das siehst dii ja, ich Siii
nie so gut im Zuge beim Arbeiten ge
wesen. Wenn ich so weiter fortfahre,
wird mein Bild iii vierzehn Tagen
sertig.'«
Jn diesem Augenblick öffnete sich
die Thiir des Ateliers heftig, und Bi
nos stürzte wie eine Bombe hinein,
indem er ausrief: »Ich habe sie gese
’hen, mein Lieber. sie ist iounderbar!«'
»Wer?" fragte Freneusr.
»Nun, die Todte! Jch komme aus
der Mor ne. Sie ift seit einer Stun
s de ausgestellt und eine Menschenmenge
drängt sich bereits in den Sälen . . .«
Binog hatte die Worte: »aus de:
Morgue« kaum ausgesprochen, ais
Freneuse ihm Zeichen zu machen be
gannzader Binos ließ sich nicht stören,
er ietzt- seine Rede fort.
»Du hattest recht, sie ist wunderbar,'«
fuhr e«r sori, «hiitte sie zu Lebzeiten
Modell stehen wollen, man hätte ihr
zwanzig Franks die Stunde bezahlt·
Pia ist ein Modell, wie man es selten
rmäi sei-in maka Nun. mit dieser Ia
Iift sie gar nicht zu dergleichen: Jch
habe im Fluge eine Stizze aufnehmen
wollen, doch die Beamten haben mich
aufgefordert, weiter zu gehen und ein
Herr hat mir sogar Dummheiien ins
Gesicht gesagt: er hat mich herzlos ze
nannt, dieser Tumnilodf.«
»Ich habe mehr Herz, als er,« fuhr
Binos fort. »Was ich that, geschah
Hinr im Interesse der Kunst. Glück
lichetweife wird man sie phoiograpl;i:
ren.«
..Wirft du nun endlich schweigen, du
Schwäner,« rief ihm Freneufe zu,
»wenn du noch eianrt weiter sprichst,
fetze ich dich bor die Thür!«
»Weshalb? Was fällt dir denn
ein?«
»Du hinderft mich am Arbeiten,
und dann erfchkeckft du auch die Kleine
mit deinen häßlichen Gefchichten.«
l »Was? ioeil ich von der Morgue
tipkkchesx Na, das ist guts Aber pas
; wird ihr im Gegentheil Spaß machen;
» ich wette, sie geht nie an dem Gebäude
vorüber, ohne es zu betreten, und da
sie faft alle Tage vorüber muß, wenn
sie nach Hause geht. . .«
»Die Morgue, das ift wohl das
Haus, wo man die Todten ausftelltf
fragte das Kind bewegt.
»Aha, jetit fängst du auch anl« rief
Fremqu »Ihr habt euch wohl alle
beide verschworen, daß ich heute nichis
thun foll?«
»Ah, ich weiß, wo es ift,« fuhr Pia
fort, »aber ich habe es nie gewagt, hin
einzugehen, und ich werde es auch n:e
thun, nie, nie, nie!«
»Nun, das will ich hoffen, wenn du
es dir einfallen ließest, fo würde ich
dich hier nicht mehr empfangen. Doch
du fcheinft mir nicht mehr geneigt, dich
heute ruhig auf deinem Tritthrett zu
verhalten und ich werde die Sitzung
aufheben. Noch drei Minuten bleibe
unbeweglich sitzen, und wir sind fertig
für heute, mein Kind«
Pia war nicht mehr ·bei der Sache,
sie war nachdenklich geworden; ihre
«-«c.-- stimme-«- Nimtn ffnkkikn ittå
Leere.
Um sich über das Verbot, daß er
nichts erzählen durfte, zu trösten, stö:
Ekerte Binog in allen Winkeln des Ate
iiers herum, drehte die an den Wänden
hängenden Gemälde um« öffnete die
Zardenläften, durchftöderte die Staf
feieien.
Er trieb es so weit, dajz Freneufe
ihm ungeduldig zurief: »Wirft du nun
endlich aufhören, was suchst du denn?«
«Tabat; ich habe vergessen, mir wel
chen zu taufen.« versetzte Binos und
zog eine lange Pfeife aus der Tasche.
»Der Tabatsbeutel liegt dort zu den
Füßen der Figur am Fenster.«
»Seht gut, du treibst doch die
Strenge hoffentlich nicht so weit, daß
du mir das Rauchen verspng ich
danke dir fiir dein-e Nachsicht, mein
Prinz. Adzr höre mal, der Witz ist
erchk der Beutel ift ja leer. Es ist
d in nicht mehr Tabak, als hirn in
dem Schädel des herrn aus der
Morgue.«
»hör’ auf, suche dir Tubal aus mei
nem kleinen Tadatsbeutel in derTafche
meines Ueberzieherö, der da unten
hän .«
Ich gehorche, gnädi er herr,« ver
setzte Bindi mit tomis em Ernste, in
dem er sich tief bit iur Erde verneigte.
Damit fing er an, den Paletat zu
durchsuchem während Ireneufe, der
seittten Pinfel til-trocknete, zu Pia
sag e:
»Ur-um für heute, Meine, ich kann
nichts mehr sehen.«
«Dein Tal-although dein Tabaks
i beniel,« murmeite sinds. »ich mag die
Tiefen des Kleidungsftäsckes noch so
Esehr does-suchen ich erweise-ihn nichts
zJch finde aar nichts . . . . Das heißt
doch, meine Finger sind eben auf einen
Gegenstand gestoßen, rer niir dazu
kdienen kann, meine Pfeife ausznräns
men; sieh nur, eine Frauennadei!«
Entziirli iiiser feinen Fund schwang
Binog trinmphireno die ortsaoldete
Rahel, die er eben in der Ueber-ziehet
:afche seines Freundes gefunden haue.
»Thue mir den Gefallen, und steae
die NaDel dahin, cvo du sie gefuan
tian rief ihm Freneuse zu.
»Ah, du fürchtest, ich könnte sie pro
fanieren, indern ich sie zu gewöhnliches-i
Gedranch denuße,« versetzte der unsers
desserliche Schwäher ironisch:»hernhiae
dich, ich werde mich ihret nicht bedie
nen, du kannst sie noch weiter auf Iei
nem Herzen tragen. Du Gift also ver
liebt? seit wann denn?«
»Man-L du hist wirklich nnerträ-;
lich!«
Pia war plötzlich ausgestanden und
näher getreten, um sich die Nabel anzu
sehen. »f»
»Was sagst du dazu, Kind der?
Berge?« fragte sie Binos. ;
»So etwas hast du in Subiaaof
nie getragen,« fuhr Binos zu Pia ze
wendet fort, »denn du hast ja den gu
ten Geschmack, es nicht einmal in Pa
ris zu thun — wie, du meinst? Wa- .
rum meinst du denn? Möchtest dnf
dieses häßliche Dina vielleicht habenss' ’
»Ich weine nicht,'« versetzte das
junge Mädchen, und bemühte sich, Jie
Thränen zurückzudrängen
»Binos, du bifi wirklich abscheu
lich,« rief Frenmse, »ich verbiete dir,
die Kleine weiter zu quälen; du haft
sie mit deinen Albeenheiten ganz auf- »
eregt; laß sie jeht in Frieden gehen.l
Ziimm deine Mantille um, Pia, und·
gehe nach Hause, die Nacht bricht her
ein, und die Straßen sind nach Son
nenuntergang nicht megr recht eheuer.
Komm morgen, wenn u kann«t, recht
pünktlich; ich werde meine Thiie ver
dar·ritadiren. damit-ein langweiljger
Stiel-iß Den ou Lunis-, usiv iiiuyi sie-«
und wir eine recht lange Sitzung hal
ten tönnen.«
»Mein Lieber«« begann Linn-L so
bald sie verschwunden war, »ich habe
in einem Tage mehr Entdeckungen ac
niacht, als hie berühmtesten Forstwirts
reisenden in einem Jahre machen müt
ven. uno vie letzte ist die allerinertioiiri
diaste von allen. Jch habe nämlich
entdeckt, daß diese nach Paris ver
pflanzte Ziegenhirtin wahnsinnig in
dich verliebt ist. Sie hat geweint, iveil
sie aus dich Asersiichtig ist: ergo bete
sie dich an. Doch lassen wir has und
sage mir aefälligst« wo du Diese Nabel
her hast«
»Diese Frage lann ich dir sehr
schnell beantworten; ich habe sie gestern
Athen-o tin Omnibus gesunden und .:.15 ;
Andenken behalten. Sie hai wah:-L
scheinlich veni armen Mädchen gehöin
welches während der Fahrt verstordeii
ist und ich mache sie Dir zum Geschean
»Ich nehme es an,«' erllärte Binaiz
»es ist ein Beweiestüch Ich habe eine
Jvee und werde oor dein-en Zlugen ern
i
Experiment machen. Wo ist Mir-ins
lornni her, Mitza!« ries er mit schnu
chelnder Stimme.
»Was willst du denn ioieoer von
meiner Katze, quäle sie bitte nicht.«
Mirza lam, von Binos' Stimme
an elorlt, langsam aiis ihn zu.
ährensodesseii hatte sich Binvs aus
einen Schemel gesetzt unr- streerte Die
vand nach ver allzu vertrauensseligen
Katze aus« vie langsam näher rückte.
Freneuse sah nicht, vasz er zwischen
jeinen Fingern vie vergoldete Napel
hielt; Mirza hemerlte sie und näherte
sich, um zu entdecken, wag ihm Ler
reund seines Herrn eigentlich anbot.
seine Schnauze tarn inii dem scharer
Instrument in Berührung und Binrs
benutzte die selegenheitxum die Rasej
---.i i.: - -;h..n (
Uc- ullllcu 4quus tust-« zu ·-g.--,l
welches schnell "eine Bewegung nach.
rückwärts machte. Plötzlich sank sein
Kopf Zur Seit-, seine langen, weichen
Haare sträudren sich, seine auggestrecL z
ten Pfoten wurden steif, die Kinn-i
backen reckten sich auseinander, seines
Augen oergiasten sich. Dann erschii:- ;
terte ein lonousioischeI Zur-ten seinen:
aanzen Körper, und nach Los-ZU ZEI
tunden fiel das Thier todt zur Zeit-:
»Was hast du denn mit Mirza Fe
macht?« rief Freneuse, befühlte dac
Thier und sagte: »Der Kater ist «
todt!«
» a, gewiß, wie das junge Mädchen
im mnihus,« versetzte Binog rni:
größter Seelenruhe.
»Du hast Mirza getödtet,« versetzte
der Künstler zornig, »das übersteigt
doch allen Scherz! Verlasse mein Ate
lier und wage es nie wieder, hierher
zu lornmen. Wenn ich nicht wii ce,
dass du zu drei Vierteln verrückt ist,
so würde ich mich nicht damit begnü
en, dir meine Thüre zu schließen,
Pudeer dein abscheuliches Beneh
men Genuathuung von dir sordern.«
- »Das wäre drollia,« lachte Linn-h
»wirtlich drolligt Du willst mich also
Zins Duell fordern und rnir einen
egenstich versetzen, weil ich dir da
Lehen gerettet habe, das ist brillant.«
Jch möchte wissen, wie du das an
ge angen hast. Willst du etwa he
hau ten, meine Kahe wäre tell gewe
sen «
»Willst du mich vielleicht gesälliast
anhören, bevor du mich wegweisti Du
siehst diese NadeL nicht wahrli«
»Gewiß. und wenn ich gewußt hätte,
daß sdu dich ihrer bedienen würdest,
um Mirzai Der-z zu durchbohren...«
»Ich habe Mirza nicht das herz
durchbohrt . . . sieh nur hin, de
.Ihier bat auch nicht einenBlutitropierr
Muts seinem weißen Fell. .ich habe
ists tanm in die Schnauze get-ist, and
sie ist todt niedergesallen; begreifst du
setzt, was sich gestern Abend im Om
niöus abgespielt hatt-«
»Ein-E Was willst du damit sa
cen «
»Das arme Itiiidchen welches sich in
derMorgue befindet, ist ebenso getödtet
worden wie ich eben Mirza getödtet
habe. Man hat sie einfach in den Arm
gestochen.«
»Wie, dise Nabel wäre . . .?« ,
»Vergistet, mein Lieber, und du
trugst sie in der Tasche deines Ueber
ziehers. Wenn du nun in die besagte
Tasche gefaßt hättest, um deinTaschen
tnch oder sonst etwas heiauszuholen,
so wären deine Finger sicherlich mit
der Spitze dieses liebenswürdigen Jn
ltrumentes zusammengetrossen, und
bei der nächsten Gemäldeausstellung
gäbe es ein Bild und eine Medaille
iveniger.«
»Aber du glaubst doch nicht im
Ernst, daß man mit dieser Nabel
wirklich getödtet hat's«
»Nun, die Thatfachen beweisen es
doch. "
»Aber Gifte-, weiche mit einem
Schlage morden, existiren ja nur in
Roma-ten oder Dtamen.«
»Und auch bei den Will-tm mein
Freund. Sie tauchten ihre Pfeile in
oae Gift, wenn sie aus die Jagd geben
oder in den Krieg ziehen, und alle
Wunden, welche diese Pfeile verursa
chen, sind tödtlich, das ist bekannt. «
»Ja, das habe ich irgendwo gelesen,
ubck. . .
»Und das Gift, weiches sie gebrau
chen ist ebenfalls bekannt: es ist das
...... -I- f-- - L2-k
ssgcllullluc Ustulsh Wcsq Ists-, Unst
riithliche Stelle, kvelche dem Jirniß
gleicht und die Spitze dieser Nabel ve
Deckt . . . das ist das chemische Pro
dukt, mit dem man innerhalb siins
(
Minuten ein ganzes Regiment um-»
bringen könnte.«
»Wie, du zweifelst noch immer? Du
brauchst ja nur Mirza untersuchen zu
lassen, um dich von oer Wahrheit mei
ner Behauptung zu überzeugen Du
lksasi gesehen, daß die Kaye ohne Er
schiitterung und geräuschlos gestorben
ist. Ein kaum wahrnehmbar-es Zit
tern, einen Augenblick der Untier-cea
lichteii, dann ver Fall -—- und alles is.i
-u Ende-, aanz genau wie bei ver Scene
im Ornnibuå·«
»Das ist wahr-« sie hat nur einen
sehr schwachen Schrei ausgestoszen und
ist dann zurückgesunten.«
Ich werde dir die aanze Geschichte
erzählen; du kannst mich dann, wenn
du willst, sortiagen, wenn.ich fertig
bin.«
CFortsetzung solgU
--
Der erste Cyllnderspun
Es war im Januar 1797, als der
Cnlinderbut am Strand von London
das Licht rser Welt erblickte. Sein Ver
sertiger war der hutmacher John He
therington, der durch sortwiihrendeEu
sinrungen aus dem Gebiete Ver Hut
sabriiation sich zu oamaliger s it ei
nen berähmten Namen errungen hatte.
Wie schlecht es ihm iesoch mit des-i
neuen Itino seiner Zckköpfetlaune, dem
Cylinrerhu:e, erginn. mag aus einer
Zeitungsnotiz vom 26. Januar 1797
zu ersehen »sein, die nzie solgt lautet:
- .k --—
,,.Jl-«.jll s«)c.l;cltlllllle epuzlcuc Hqtun
aus Lein Bliegerstei,ie des Strand ein:
ber, auf seinem Flor-se einen schier un:
gedenken aus Seite hergestellte-n
Zckornsttim der einen seltsamen Glanz
hatte. Die Wirtnnsi aus die Straßen-—
passantsxn war entsetzlich. Es istTlsai
fache, kas; verschiccene Frauen beim
Anblicte des tosixiichen Gegenstande
Qlknmachteanfälle betainen, während
die Kinder schrieen und ein jung-r
Mann, der gerade von einein Seifen
sietsser zurückkehrte, bei dem er einige
Eintäuse voraenominen hatte, im Ge
dränge niederqisvorsen wurde und sich
den Arm brach. Herr Hetderington
halte sich ans diesem Grunde bestern
vor dem Lordinanor zu verantworten
uno wurde diesem inmitten einer be
waffneten Polizeimacht voraesiihrt.
Der Verhaftete aab an, vollan berech
tigt zu sein, seinen lieben Londoner
Geschäftgfreuntin ein neue-Z- Mode
siiict seines ersindunasreichen Geiste-I
iur Schau zu repräsentiren, welcher
Ansicht rser Lorcmanor indessen sich
nicht anschloß, indem er den Herstellsr
des »gl"cinzenden Schornsteinez« zu ei
ner Strase von fünfhundert Pfund
Sterling verurtheilte.
-—-—--——
see sites-er voputöe werden.
Wie Bücher populär werden, darü
ber macht ein englischer Verleger in ei
nem Londoner Journal einige beach
thenswerthe Bemerkungen. Welchem
Gesetze, schreibt er, folgt die Populas
;ritiit eines Buches? Es ist eins der
;Geheiinnisse dieser Welt, warum von
einem Buche iider Nacht hunderttau
send Exemplare verkauft werden,wiih
rend ein anderes mindestens ebenso
gutes einen völligen Mißerfolg hat«
Am Allgemeinen hängt der Verleger
sehr viel medr von der «persönlichen
Antiindigungk ab, als von der Kri
til. Mit »versi5nlicher Antiindigung«
meine ich die Empfehlung eines Buches
durch diejenigen, die es gelesen haben
und denen es gefallen hat. Ganze
Spalten öffentlichen Lobez fördern
den Vertan eines- Buches wenig.
Durch verständige Ausgabe von 85000
siir Annonren kann das Interesse des
Publikums flir ein Nahrun ei oder
Haarmittel erweckt werden, a r tetne
noch so hohe Summe wird ein Buch,
das auf den Aussterbeetat gBeseht ist,
wieder ledendi machen. enn der
Durchschnittile er Langeweile dabei
stopft-det. wird er das sreimiithig sa
.---,-. .·-.«-.-1 —-.— ..-— - » ksp --. » -—- -—
gen. wenn ihn irgend ein Bücherfreund
darüber befragt; fo verfällt dann ein
neues Wert sehr f«i«)nell dein Unter
gange. Aber es ifi ein Zug der mensch
lichen Natur, daß Niemand ein Buch
durchlefe und den Genuß, den es ihm
verfchaf hat, geheimhaiten wird. Be
fonders eine Frau kann iein Buch le
fen ohne, mag es ihr nun gefallen
loder nicht, darüber mit ihren Freun
fdinnen zu sprechen. Sie wird viel
leicht ein neues Küchenrerepi vor an
deren Hausfrauen aeheimhaiten, aber
jin Betreff der Bächer ift die ganze
Welt ihre Vertrante
« Andererseits kenne ich Beispiele, das-.
eine Spalte schmeicheihaftefter Kritik
auch nicht eine einzige Bestellung
brachte Das Publikum will sich feine
Bücher nicht durch die Zeitung aus
Iwiihlen lassen. Die Beurtheilung eines
iBuches mag noch so aufrichtig fein:
aber eine Besprechung, die nichts als
Lob enthält, erweckt in manchen Ge
miithern den Zweife1,Biicher, die von
den Kritiiern getadelt werden« erlan
jgen oft die größte Beliebtheit, wenn
auch daraus nicht folgt, daß die Ver
»urtbeilung den Erfolg sichert. Das
Urtheil des Bücherfreundes, nicht das
des Kritiiers müssen wir für uns ha
ben. Doch es muß freiwillig gegeben
’werden; es fordern, hieße es verlieren.
Es tommt zu dem, der es nicht her
ausfordert, und geht an denen bor
iiber, die Pläne schmieden, um es zu
gewinnen. nnche nennen es «Gliick«
oder »3ufa« Kein Sachverftiindiger
hat bisher dieies Geheimniß gelofi
Reichthum und Ruhm erwarten den
Mann, der es finden wird. Es giebt
keinen Maßstab. nach dein man es
schönen kann. Wenn Jemand ein Buch
lobt oder tadelt. lauft man es oder
kümmert sich nicht darum, je nachdem
des Mannes Urtheil geschätzt wird.
Aus diesem Grunde haben die anony
men Krititen kein Gewicht. Die Leser
kennen den Schreiber nicht« und ihr
Geschmack lann anders sein als der
seinige. Ein scharfsichtiger amerikani
scher Verleger sagte einmal: »Hestig
getadelte Bücher haben ost einen Bom
benersolg, aber Bücher, die von der
Kritik nur gelobt werden —- dahi«
—-—.-Qs.---—
Wie England Holland beschützt
Die Schrift des Prosessors Ernst
von Halle über die Zukunft Holland-H
nämlich die in Aussicht gestellte schließ
»liche Annerion durch Deutschland, ist
der engländischeu Presse Wasser auf
ihre Mühle gewesen. »Time"5«, »Staa
»tator« und andere benutzten mit Eifer
»die Gelegenheit, das deutsche Reich
allerlei sinsterer Pläne gegen das be
inachbcrrte wehrlose Königreich der Nie
iderlande zu beschuldiaen. Die »Jam
jburger Nachrichten« bemerken dazu:
Indem wir von jeder auch nur akade
mischen Besprechung der Zukunft der
zNieverlande absehen, haben wir ledig
lich die äußerst tomische Situation
ihervorzuhebm das-, die Engländer sich
heute als Beschützer uan Vertheidiger
eines »Hollanv in Ruth« aufzuspielen
belieben, während gerade die Englän
ver es sind, die in den letzten beiden
Jahrhunderten die Holländer ausk
ärafte beraubt und von ihrer Größe
jherabgebracht haben; sowohl iin Cap
ilande wie in Japan und sonst in Ost
iinoien sind die Hnllönker gerade von
Iden ietzt so unschuldig rhuenden Gna
ilönoern veroriinqt worden, während
jdie Preußen sowohl 1787 Ivie 1812
Lunter Büloiv dem Hause Oranien die
ierioiinschte Hiilse bereitwillig und ohne
Entgelt leisteten
» ——--.-—- - —
i
i Ja der- höheeeu Töneeeecchutr.
i
i
Jn der Literaturstunde sragt
; der junge Herr Lehrer Dr. X.: »Meine
:sungen Damen, Sie wissen sicher alle,
Zions man unter einer Sentenz ver
’stel;t?« — Verlegenes Schweigen
sämmtlicher Bartsische in der Klasse
,,Nun, eine Sentsenz nennt man eine
allgemeine Wahrheit, die sich ost seit
i uralten Zeiten durch Beobachtuna und
Ersahrnng als solche herausgestellr
hat, dann durch Dichter oder Philoso
pheu in eine bestimmte, knappe, prä
zise Form gefaßt und so allmälig ge
fliiaeltes Wort geworden ist. Geraæx
»Jer Lieblingsdichter, unser großer
)Schiller, ist in seinen Gedichten nnd
Dramen sehr reich an solchen Gent-n
zen. Nun, Fräulein, Gretchen, tön
nen Sie inir eine-solche Senian aus
Schillers Gedichteii citiren? Denan
Sie einmal nach. Nun?« — »Jawohl,
herr Doktor: stgemauert in der Er
den. . .'« —- ,, ein, Sie haben mich
mißverstanden. Das ist wohl der An
fang eines Schillerschen Gedicht-T
aber kein- Senienz. Fräulein Mith
chen, Sie vielleicht?« — ,,Jatvohl:
ältillst Ida nicht die Lämmlein hiis
n· . . —
Zcoei gehören immer birgt-, einen
Streit anzufangen, aber einer tann
ihn enden.
I Its J
Der erste amerikanische »Gesandte«
in avana muß jednsallit ein »g:
schi ter« sein.
I i I
Carneaie hat eine Einladun von
der Gesellschast amerikanischercgchrtfp
steiler erhalten. Ganz entschieden ver
dient er diese Ebrung, er hat die inei
giezn Niederlaaen für Schriftsteller
aaren gegründet.
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Eine New Flor-let Schöne bat steh
auf dem Knau der Kuppel des Was-H
inatoner Kapitols mit ihre-n end-inc
ichen Bräutigam ehelich verbinden las
sen. Das ist mal sicher eine Ehe, die
intt « chöner Aussicht« begann.