Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 31, 1902, Sonntags-Blatt., Image 9

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    Ver letzte Ball.
Novelle von Ctarissa Lobi-e
»..Du bist nicht mehr jung meine
, Liebe, und du solltest mehr aus die
He Schonung deiner Ge undheit bedacht
; stim« sagte Wilhelm ernst und freund
; lich. Und er sah sie mit dem warmen,
seiten Blick seiner blauen Augen, der
ihm eigen war, an.
«’hanna taumelte zurück, als hätte sie
einen S lag eint-sangen Zwar, sie
hatte ei ich lä st4 im Stillen einge
tehen rniissen, da es mit ihrer Jugend
vorbei setI Aber war sie nicht noch
immer schön, wenn auch der Spiegel
ihr täglich sagte, daß ihr Teint nicht
I mehr ganz so frisch, ihre Augen nicht
.« mehr so leuchtend. ihr Mund nicht
mehr so schwellend seien wie sriihert
T Und sinid einunddreißig Jahre ein Al
- ter? Für eine Frau gewiß nicht, wa
rum also siir ein Mädchens
»Es ist zwar recht vorsorglich von
dir. lieber Vetter, mich aus mein Alter
aufmerksam zu machen,« sagte sie mit
erzwun nem Lächeln, »du weißt es
jedoch elbst: ichhabe schon oft zwei
Nächte hintereinander getanzt, ohne
Schaden u nehmen-"
. »Du iehst aber angegriffen aus,
Fsanna!«
»Ich habe heute ein wenir Kopfweh
Helenchen, komm, wir wollen aus eine
Stunde nach dem Botanischen Garten
gehen, vorausgesetzt daß dein Papa
; dir erlaubt, mich zu begleiten.«
« »Ich bin dir sogar sehr dankbar-,
liebe Hanna.'·
Jhr war es- nur darum zu thun,
ein wenig mit sich selbst allein zu sein.
Das- kleine Madchen störte sie nicht,
ja, es- gab ihr den willkommenen Vor
wand, aus-zugehen Und sie wollte
hinaus, ihr war zum Ersticken. Sie
nahm einen RegennianteL der ihr
Oaustleid deckte, ordnete den Anzug
des-;- Kindeä und ging.
Eine tödtliche Traurigkeit hatte sich
ihrer bemächtigt. und nur mit Mühe
vermochte sie ihre Thriinen zurückzu
halseru
»Nicht mehr jung!« Wie grausam
dag- Wort klingt! Der Vetter, der es
ihr so rundweg ins Gesicht gesagt, er
schien ihr wie ein Henker. »Nicht mehr
jun-IV Alt sein ist nichts dagegen
Es ist das Verzichtethaben, das Aug
ruhen, der Abschluß. Es lann noch
seine Reize haben, Das Alter, Aber
aufhören, jung zu sein. das ist ein
Wort von unerschiitierliclxer Bitternisz.
Um so mehr. wenn die sinnend so
schön war und doch noch keine der
uberschwenglichen Hoffnungen bewirt
tccht hatte.
Wäre es eine Rioalin gewesen, die
so zu ihr sprach, sie, Oanna, hätte
Neid und Bosheit aus ihren Worten
gehört, niemals aber die Wahrheit.
Wilhelm aber hatte so zu ihr gespro
chen, Wilhelm, der ihr nie den Hof ges
macht hatte, nicht einmal zu ihren ab
neiviesenen Freiern zählte, nnd der ihr
überdies noch verpflichtet war, weil sie
stcki liebevoll seines mutterlofen Kindes
annahm. Erst heute hatte er ihr viel
Kleine gebrach-t, damit dieselbe wieder
einmal einen Tag lang der Aussicht
de- Dienstmädchen-Z entzogen bleibe.;
Und sie, Hamm, liebte dieses tleine
Wesen don— ganzem Herzen
ES war schon einige Jahre ber, daß
eine gewisse innere Verbitteruna sich
ihrer bemächtigt batte. Sie grollte
dei: Männern, von denen teiner ihr
das erträumte Glück bieten wollte.
Sie grollte den Frauen. welche ihr die
Siege ihrer S önheit neideten und
ihre kleinen M rsolge boshast aus
beuteten. Auch gegen die Eltern war
sie tühler gestimmt, denn diese über
h.ufteri sie init Vorwürsen, weil sie
keine «Partie« gefunden hatte. Jn all
dieser einsamen Qual und niiihsain
verhehlten Bitterkeit tlainnierte sie sich
mit leidenschaftlicher Liebe an das
kleine Mädchen, welches von den-. allen
nichts wußte.
Sie hatte ihre Jugend reichlich ge
nossenz getanzt, sich unterhalten. Sie
war gefeiert und ausgezeichnet wor
den, aber sie hatte nicht eigentlich ge
liebt. Wilhelm behauptete, sie hätte
e
ji«
feine Zeit dazu, wäre als Ballionigrn »
zu viel in Anspruch genommen Ini: z
nter hatte er rücifichiisiosz an ihr Kritik
geübt. Die Vetwandiichafi und sein
vertraulicher Verkehr in: Hause ga
ben ihm äußerlich ein Recht dazu.
Sonderhar, nie war es ihr qeinnnem
ihn zu bezwingen, ihn unter die Macht «
ihrer Schönheit zu beugen. Er wider
stand ihr, er schien kaum zu sehen, daß
sie schön- war. Schon in der Tanz
stunbe war er so gewesen. Sie war
vie Anmuthigfie, war von allen uni
worben gewesen; nur Wilhelm bemühte
sich nicht um« sie.
Jm nächsten Jahre kamen die ersten
Balle, und nun erst erfuhr bannen
Daß sie eine sieghaste Schönheit fei.
Man huldigte ihr in überschwänglich-er
Weise, und sie überstrahlie den ganzen
Damenflor. Völlig berauscht kam
sie nach de mersten Balle nach Hause.
War sie wirklich so schön? Sie
tonnie nicht schlasen-, stand immer wie
«der auf, um ihr Bild im« Spiegel zu
hetrachiem iroh der durchianzien Nacht
sah es immer noch so frisch und blü
hend aus wie vorher.
Ihr Vater, ein höherer Beamter,
aber ohne Vermögen, schien sich nun
verpsl iei zu fühlen, die Schönheit
seiner chler zur Geltung zu brin
gen. sannst durfte alles miimachen,
r
was Vergnügen bereitet.f Sie
zähkie alv zu den efeiertften Schön
iten ver Gesells afi. Man über
n den Zei ungen. Sie freute
·«ufte mit Au ichnngen, man
nannte Fee i
Mutan Matt-.
Beilage des » Iebmska Staats Äneeiger und Herold«
z J P. Wende-Iph, Herausgeber Grund kslanly Nebe» den .;1. Zan. l902. Jahrgang 22. No. 22.
sich des Lebens-, ohne vorläufig noch an
die Zukunft zu denken.
Wilhelm besuchte keine Balle und
hörte mit gütigem Lächeln zu, wenn
sie von ihren Erfol en erzählte. Sehr
gern hätte sie es gesehen wenn er eins
mal Zeuge derselben gewesen wäre;
aber er war nicht dazu zu bewegen.
Blille seien ihm ein Greuel, und seine
Cousine gefalle ihm am besten im
hauskleidr.
Während ihrer zweiten Ballsaison
knüpfte hanna ein Liebesverhältniß
mit einem jungen Offizier von Adel
an; fse selbst war heftig verliebt, aber
der junge Held bedurfte einer großen
Mitgift, und so endete der kleine Ro
man mit der Ballsaison. Hanna ver
schmerzte die Wunde bald; ihre Liebe
hatte nicht tief gewurzeli. Es würden
sich ja auch andere Bewerbser einstellen;
und das geschah auch. Das eine Mal
aber wollte ihr Herz nicht mitsprechen,
das nächste Mal wieder war ihr die
gesellschaftliche Stellung des Freiers
denn doch zu gering, und ein drittes
Mal schien es ihr, dem Bewerber sei eå
kein rechter Ernst. Und so verging
eine Saison nach der anderen —
iHannsa war immer noch frei, was sie
l
eigentlich selbst nicht recht begriff.
sphatte sie doch immer gemeint, man
; tönne nicht so wie sie gefeiert werden,
jobne eines Tages einen dieser Mille
Hals glückliche Braut zu verlassen
IAber wieder und wieder machte man
Eihr mehr oder minder leidenschaftlich
den Hof, wieder lag man im- Banne
ihrer Reize — Braut war sie noch
nicht geworden! Häufig stellte sie sich
dor: Wenn Wilhelm käme, um mich
iu werben? Jch würde Nein sagen, tra
tiirlich. Er ist doch ein gar zu nüch
terne: Patron-. Sie hätte ihm ja a
i
radezu ihre Jugend geopfert. Den-z
noch wollte der Wunsch nicht in ihr er
ci--l.-- ts-c. -- Ism- ..- hsi tsfssj :
,...»..., »k, « ......, .«.. »a« »m
seineg Leben-S aus ihrer Hand zu er- :
bitten. Aber er kam nicht, ja ers
wählte sogar unter ihren Augen eine
ihrer Freundinnen, ein kaum hübsches,
ganz einfaches Mädchen, das sich
iibergliirtlich schätzte, seine Frau zu»
werden. ?
Ein Stachel blieb davon in Johan- 7
nas Brust uriick. Ihr. der kleiner-»
sornmerspro igerr Marie, war es alio
gelungen, eine glückliche Braut zu
werden, und sie, die schöne, gefeierte
Hanna, wartete noch immer verge-«
bens auf den großen Momen: irr?
weiblichen Lebens Nun aber mußte es s
werdens Hatte sie denn nicht die
Wahl'-.’ Auch stellten sich wirklich Be
werber ein, aber sie vermochte keinen
kntschluß zu fassen.
Und wieder vergingen Jahre. Hanna
war noch immer zu haben. Inzwi
schen war Wilhelm nach dreijähriger
glücklicher Ehe Wittwer geworden.
Vater eines tleinerr Mädchens. Nun
würde er doch sicherlich kommen, würde
er sich doch gewiß um ihre, Hannaå.
Hand bewerben. i
Sie wartete täglich und stündlichi
darauf, fast mit quälender Ungeduld. s
obgleich ihr Stolz immer sagte: ichs
bin zu gut dazu, die Erbschaft dert
kleinen, sommersprossigen Marie ans-z
zutreten. Doch wrppnete sie sich;
zweckloe, denn Wilhelm warb nichts
um sie. F
Und nun wurde es immer sinsterer i
in ihrem herzes-« Jhr war, als ruhe I
ein Verhängnisz auf ihrem Daseins
das so glänzend und verheißungsvollj
begonnen hatte. Die Rolle, die sie in i
der Gesellschaft spielte. war auch
längst teine erste mehr. Jüngere
Schönheiten hatten sie verdrängt, und ;
z- txt-:(-k--. ABC-Ieh- Ovns kn- th
Ill. sweussvssn »Hu-»He .--. --.- »
spenst ein r einsamen, glückleeren Zu
kunft, da- unbeachtete Verweltens ei
ness alt werdenden Mädchens an sie
heran. Dann raffte sie sich wieder ver
zweifelt auf, machte Anstrengiinaen.
gut auszuselxn, um jeden Preis juan
zu scheinen.
Eben hatte die Saisons wieder be
gonnen: morgen fand ein Ball statt,
dem ihr Vater infolge seiner amtlichen
Stellung heizuivohnen pflegte, und für
übermorgen war sie zu einem Haus
balle geladen. Aug diesem Anlaß hat
te ihr Wilhelm gesagt: »Du bist nicht
mehr jung, meine Liede, denke daran,
dich zu schonen!«
Was sollte sie beginnen? Sie mußte
noch jung scheinen; er— blieb ihr nichts
anderes übrig. Und während ihr Herz
noch zuckte von denn schmerzlichen
Rückblick, stand sie, auf dem Heimweg
begriffen, vor einem- mit Ballvutz an
gefüllten Schaufenfter und überlegte,
wie sie morgen recht kotett ihr Haar
schmücken sollte.
Sie hatet diesmal Glück mit ihrer
Toilette: blaßhlau mit dunkelrothes
Rosen. Born ersten Augenblick an,
als sie in den Saal trat, fand sie
Tänzer nnsd aufmerksame Ritter; fast
tvar es tote vor zehn Jahren. Nur zu
der frohen Stimmung von damals
konnte sie es heute nicht bringen. Das
ganze Ballgetriehe dünlie ihr uner
träglich leer, sie felhft sich als eine
alternde Rosette, die mit den Resten
ihrer Reize junge Gimpel ködern will.
Thränen wollten in ihr aussteigen,
aber sie hatte keine Zeit zum Weinen.
i Sie wanderte aus der Hand des einen «
Tänzers sin die des anderen. Und»
doch fühlte sie sich auch physisch müde. :
gebrochen, angewidert, elend im tief- ;
sten Herzen. i
- Da, bei einer plötzlichen Wenduirg, s
die sie mach-te, stand sie Wilhelm ge- i
geniiber, Wilhelm-, der arundsätzlicht
nie aus einen Ball aingl Er hatte auch!
tein Ballgesicht ausgesteck:. sah ernst (
aus, wie immer. «
»Wie kommst du hierher?« :ief sie H
erstaunt. ,
»Nun, schließlich wollte ich dich ’
doch einmal im Ballstaat sehen. Auch
war ich besorgt um dich —- dii schienst
mik leidend Gnickiichekweisi have ichl
mich geiäuscht.« «
Mit einem Male schwand aller Groll
gegens ihn aus ihrem Herzen-.
»Du hattest recht. ich fühle mich
auch heute nicht wohl hier. Bitte,
setze dich ein wenikx zu n:i:, so daß
kein Tänzer mich holt.«
»O gern, aber ich bleibe dabei daß
ich mich irrte. Gestern habe ich dir un
bedacht ein hartes Wort gesagt. Da
bist noch jung, bist noch schön!«
»Ach, Wilhelm, ich gestehe dir, dass
du mir gesterni wehe thatest. Dennoch
hattest du das richtige getroffen: ich
bin nicht mehr jung — bin so müde.
so gebrochen —- du kannst dir nicht
denken, wie.«
- »Das kann nur eine fliichtige Ver
stimmunq sein. Du bist noch lange
nicht reif zur Entsaguna, bist nochl
immer berechtigt, nach einem glijn-il
zenden Loose zu streben!« »Du bist "
noch eine viel zu glänzende Persön
lichkeit siir ein set-lichtes Familien-«
glück. Ich gestehe dir, das; ich michs
in letzter Zeit mit einer Hoffnung!
trna. von dern Ihnen-is ich- micks kn- :
l
l
i
eben überzeugt habes« « , « !
»Ich verstehe dich nicht«, stammelte -
sie. Träumte sie-? Hatte sie falsch ;
gehört? Sollte auf einmal der große
Augenblick gekommen sein? Ihre
Wangen brannten-—sie wagte es nicht, ;
den Blick zu ihm zu erheben
,.Du verstehst mich wirtiich nicht«
banna3" !
»Nein, Wilh-ims. miknich nich-J- i
»So musz ich wohl deutlicher wer
den. Jch habe in meinen Jünglinge ,
fahren, wie so viele andere. den Zau: ;
ber deiner Schönheit empfunden. Das F
mal-J aber kämpfte ich jede Regung
tapfer nieder, denn es widerstrebte«
meiner innerften Natur, an dem i
Triumph-vagen einer gefeierten Schön
heit zu ziehen. Ich ader war zu schlicht,
zu reizlos, u mdein Herz allein auszu- J
stillen. So hatte ich denn im vorhinein
entsagt und mich später oft dazu be- «
glücktvünscht, als ich Zeuge deiner;
glänzenden Laufbahn wurde· Du !
warst teine Frau fiir mich — am we- «
nigsten, als ich die·meine verlor. ;
Jn den letzten Jahren aber sah Eins
tvie dein Herz sich meinem erschloß,!
und ich sagte mir: sie ist doch ein Weid, I
nicht nur eine Dame-, xvie ich fürchtet:.
Jhr Herz bleibt leer in all dem glän
zenden Treiben und fängt an, sich nach
Liebe zu sehnen. Und von dem Au
genblick an, da ou meinem Kinde den
zärtlichen Blick zuwarsst, sing ich an,
zu hoffen, zu hoffen auf den Auqens
blick, tvo du aufhören würdest, jung
und verführerisch zu sein — wo Dir
das bescheidene Loos an meiner Seite
genügen konnte. Denn ich, Hanni,
ich liebe dich, nicht weil du schön bist,
sondern weil du ein echt weibliche-is
Herz haft, wenn oessen Sinn-sue aitchj
zeitweilig oizrch oen Fiittertrain rek
Eitelteic erstickt course. Aber Der Au .
genblick, von oern ich spreche, if: nom»
lange nicht getonimen". . .. «
Er hatte aefaan »Ich lieIe Ijiil'
Ein nnbeschreibticher Jubel erhob sich .
in ihrer Seele, ein stolzer Niman
wie sie ihn nie als Balltönigin ens
pfungen hatte. Er liebte sie also wirt
lich! Sie dachte nicht var-ari, oaß sie
nur vie Erbschaft der kleinen, fomrner:
sprossigen Marie angetreten habe. Zit
ternd und bebend erwiderte sie:
»O, nicht so Wilhelm. Ich bin eHI
nach den vielen Thorheiten, die ich be: ;
sangen, vielleicht aar ni t mehr werth,
vein Weib zu sein. s nn du aber
Nachsccht mit mir haben willst«. .. i
»Und ou mit mir!« rief er glücksi
strahlend. »Helenchen Jvirv uns bei-I
den helfen!« !
Unv envlich führte Hanna aus dem 4
glänzenden Ballfaal einen Freier fort. I
Der Experimentirkasten.
Onmoriftische Stirqu von W il li. F r e r
t i n g i.c)arinover).
»Strebsame Knaben muß man aufs
muntern und in ihren nützlichen Nei
gungen unterstützen," meinte meine
Frau, und obgleich mir anfänglich der
Preis von 18 Mart und 50 Pfennia
reichlich hoch, auch die hervorragende
Mißlichkeit nicht gan unanfechtbar
schien, so fügte ich rni doch als ver
ständiger Mensch und Gotte schließlich
Gen besserer Einsicht, und am nächsten
eburtstage meines Aeltesten prangte
auf dem Tisch-e neben dem Kuchen ein
Hiidscher Experimentiriasten mit einer
Menge allerliebsber physikalischer Jn
sirurnenie.
Mein Junge bdstelte nämlich unge
heuer gern mit allerlei zusammen-ge
suchtem Handwertszeuge im Hause her
um, und seitdem er einmal ddr den Au
gen seiner Mutter aus-! einer Medizin
slasche und dem abgebrochenen Stiel
ein-er Thonpseise einen etwas kurzath
migen Herdnsball hergestellt hatte, sal)
meine Frau ihren Liebling schon in
dem Glorienschein eines weltumgestal
tenden Erfinderå a la Edisom Als nun .
gar noch sein Zeugniß in Physik eines
einwandsreie »I« aufwies, die unserm;
bescheidenen und besonders währendi
des Somtniersemesters an weniger gute
Censztren gewöhnten Sinne gewaltig
imodnirte, so war es bei meiner lieben
Frau beschlossene Sache, daß ich den
sehnsüchtigen Wunsch Ludwige erfül
len sollte. und das Resultat war die
erwünschte IGeburtstagsiiberraschung
Der Junge er rein närrisch vor
Glück und machte in seiner unbegrenz
ten Dankbarkeit abwechselndesärtlich
ieitgattentate auf die Mutter und mich
Dem lieben Friedrich, der sich mit lie
benswürdiger Dreisiigleit als Mitbe
theiligten an den Gedurtstagggaben
des Bruders betrachtete, imponirte vor
läufig unter allen Apparaten nur die
Sdritze aus »Glas, odn der er sich in
dunkler Voralynung eine amiisante
Verwendung versprach. Er probirte
sie gleich in seiner Kasfeetasse, was na
türlich der derständigere Bruder aus
nxedreren Gründen tilgte und unter
sagte-. Da aber Friedrich sein der
meimliches Anrecht an den Instrumen- i
ten mit Nachdruck vertheidigte und die
OULIVT IUWS HUUUUMH VTLUUVHCJLU l
wollt e, sd entspann sich eine kleine
Balgerei, beider das gläserne Ding unti
en: Haar in Trümmer gegangen wär-.
Ich mußte die Streitenden trennen«
was diesmal mit Rücksicht aus den Ge: »
burtstag sehr sanft und ohne Hatte-l
greislichteiten vor sich ging.
Unter erschwerenden Umständen
wurde endlich der Kassee genossen, denn
während die eine Hand den Kuchen
»zum Munde führte, machte sich die
andere mit irgend einem der Apparat
zxi schaffen. wobei wegen der robusten
Behandlung, die Fritzchen den meist
aus Glas gefertigten Sachen angedei- I
lien ließ, immer auf-i Neue der eben
aestillte Brudersmisr auszudrechen
drohte.
Endlich mai-en sie fort, zur Schule,
und während meine Frau den Kaiser
ttsch adeiiuntte, nackte ich die umherlie
genden Sachen fein säuberlich wieder in
ihr Behältniß.
Meine eigene Schulzeit tauchte wie-i
der aus, als ich die physikalischen Ge
genstände so durch meine Finger gehen
Ließ Ich kannte sie jetzt alle wieder-,
die krausgestalteten ;nstrumente, und
mußte auch ndch ganz gut mit ihnest
umzugehen Da war die Lendener Fla
sche, dieser Glasstab diente dazu, sie
mit Elektrizität zu laden, der Saughc:
der sollte den Lustdruct aus Flüssig
teiten erläutern, und das Irrt-Kohle
Element — nun ähnliche, galdanischr
Elemente kennt heutzutage, wenigsten-s
der äußeren Erschei nug nach, jedes
Kind don der elektrischen Klingelleäi
iung her. Und dann die Magnete, der -
iteine Hohkipiegel, die zierliche Dampf-s ;
-:iaschine, die Spirituslampe zu Vet
suchen auz der Wärmelehre — wie ne-::
LUTI sJLlNk isUIeS gLiJkoclch lDelkI Cis-;
fehlte nicht viel, sd hätte ich seldsr aus.
mein-e alten Tat-: xziieder e:n wenig er
Fräuleiner
Llls ich Ulricaak axiiz deckt Bin-ern
liach Haufe t.rm, maren meine Herren
Söhne natürlich schon mit Feuereifer
un Werke. Die Dampfmaschine pustete
und rasselte unter den Händen Lud
rdigs, während Friedrich es rnit dein
inagnetismues hatte und alle Näh- und
Ztopfnadeln vorn Nähtische durch eif
Isaes Streichen am Magnaten mit die
ser nützlichen Kraft ausriistete. Die
Mutter stand dabei und freute sich desi—
vissenschaftlichen Treiben-L Erst als
sie merkte, daß ihre Naveln nach Fritz
Deus Behandlung nicht mehr recht ste:
Den wollten, verwies- sie den geschäfti
ren Experimentaior mit ungewöhnli
tier Milde auf Stricknadeln, an denen
iichtg zu verderben war.
Aehnlich gina es auch die folgenden
Tage. Jeder freie Augenblick wurde
nit Erperimenten ausgefüllt, und schon
darf eine besonders schlechte Note des
Ueltesten und eine Stunde Nachsitzen
vegen einer von Fritz unterlassenen
Rechenarbeit bedenkliche Streiflichter
ruf die ausschließliche Beschäftigung
nit der Physik.
Aber es sollte noch besser kommen!
Zwar den großen chwarzen Fleck
ruf der Decke unseres « ophatisches im
mohnzirnmer verheimlichte mir meine
Liebe Frau durch klägliche Berwenduna
eines gestickten Tischläufers, den sie
früher als greulich verurtheilt und —
———
obgleich er ein Geschenk meiner Nichte
war —- ganz aus unserm Gesichtskreis
verbannt hatte. Jch sollte nicht ersah
ren, daß Ludwia den garstigen Fleck
erzeugt hatte beim Fällen seines Tin
tenglases, wozu er sich in wissenschaft
licher Weise des im Experimeniiria
sten vorhandenen Saughebers bediente,
anstatt einfach aus der Flasche einzu
gieszem Dahingegen tonnte man mir
einen Strafzettel meines jüngsten
Sprößlingä doch nicht vorenthalten, in
dem stand, der Knabe habe durch
,.Vlenden« mit einem Hohlspiegel gro
ßen Unfug getrieben.
Natürlich war es der nette Hohlspie
gel aus unserm Experimentirkasten, aee
in Fritzchens Hosentasche übergesiedelt
und in der Schule dazu benutzt worden
mar, derschönernde Lichtesfette auf dzm
Gesichte des Herrn Professor-s hervor
zurufen.
Der Lichtspielerei folgte meinerseits
selbstverständlich ein heftiger »Schlag
schatten«, woraus Fritz heulend gelob
te, eS ganz gewiß nicht wieder zu thun.
Diesmal konnte ich mich auf sein Ver-«
sprechen verlassen, da das »wer-us de
licti« dont Lehrer tonsiszirt worden
mar.
Aber noch an demselben Tage sdlgxe
eine zweite Auslage siir Fritzchen, weil
gegen Abend Mutter Müller, die wa
ckere Höckersfrau, die ihren Obst- und
Gemüsekram unserer Wohnung schräg
gegenüber aufgeschlagen hatte, mit der
ihrem Stande eigenen Energie bei uns
eintrat und sich iiber meinen Jungen
beklagte, der sie aus dem sicheren Bei
steck eines Kellerfenstersj wiederholt mi.
Wasser besoritzt habe. Zum Beweise
dessen zog sie mit der einen Hand den
sanft widerstrebenden Missethäter ain
Kragen hinter sich her, während sie mit
Ie: andern die noch auf Stirn, Wan
ae und Kopfnæb perienaert Troper nd
trocknete.
- Die Frau wurde um so leichter zu
friedengestell:, als meine Familie zu ils
rer Kundschaft zählte. Außerdem hatte
sie es ja auch nur sagen wollen, »weil
man sich doch von solchen Bengeln nicht
Alles kann gefallen lassen.«
Mit gemischten Gefühlen betrachtete
ich seitdem den Experimentrrtasten und
die Beobachtung daf; auf den Fenster
brettern die zu voll gegossene Spiritus
lampe unterschiedliche Ringe in die
glänzende Lacksarbe gezeichnet « hatte,
konnte mich nicht freundlicher stimmen.
Aber ich hielt noch ar. mich: Geduld itt
eine Tugend, durch die der Gatte und
Vater fein Glück am häuglichen Herde
zu ungeahnter Höhe steigern kann.
Da geschah e·J an e:n-ein heiteren Au
gustnachmittag. daß ein fürchterliche:
Schrei und e:n tdiisteg Gepolter mich
erschreckte. Ich eilte in die »gute«
Stube, von tvo der Lärm ausging, und
kam dort gleichzeitig mit meiner Frau
an, die ebenfalls im höchsten Schrecken
herbeigelaufen war.
Was wir vorfanden, spottete jeder
Beschreibung Auf dem Fußboden lag
im Scherben das elektrische Element
und hatte seinen Säure - Inhalt über
den schönen Smhrna : Teppich ergos
sen; nahe dem Sopha aber stand Frie
da, unser Hausmädchem und besah heu
lend und scheltend ihre innere Hand
flache. Sie bekannte sich auch als Ur
heberin des alarmrrenden Schrei
es, und zwar tdar dieser die
Folge eines elektrischen Schlage-?
gewesen, den ihr Ludtvig mittelst
der start geladenen Lehdener
Flasche beiaebracht hatte. Auf seine
Frannhiiisko Usttsfcnsthins fis-Ha Ia Har
arbeitöfrohe Rechte aralog an das Glas
gelegt und dann mit der Linken den
Knopf beriihrtx Ludwig hatte arglistis
gerweise verheißen, dass sie dann die
Engel im Himmel würde ssnaen hören.
Hätte der Bösewicht die Wirkung
seiner That voraussehen können, so
wäre die Sache doch wohl anders aus
gefallen, denn mit einem furchtbaren
Auffchrei fuhr das erschreckte Mädchen
nach der Entladung m·:t der Hand
herum und stieß dabei das Zins-Kohle
Element vom Tische.
Das war eine schöne Bescheerung!
Das Mädchen heulte, die Jungen
beulten, meine Frau heulte und ich
war der Einzige, der dem eigentlichen
Ursprunge des llngliicks nachforschen
kennte, denn ich wollte doch wissen, wie
die Jungen mit ihrer Spielerei in den
geheiligten Raum der Staatsstube ge
kommen waren.
Stoßweise nur kam es heraus, daß
sie mit dem physikalischen Krimskrams
hierher übergestedelt waren, weil sie
ursprünglich mit dem Brennglase Ver
suche anstellen wollten und das Kinder
zimmer hatte nur Morgensonne. Die
Resultate dieser Versuche fand meine
Frau denn auch sofort in Gestalt
mehrerer kreisrunder Löcher mit
braunen, verschwelten Rändern, die
von den wißbegiersiaen Knaben mit
Hilfe der lieben Sonne in die Ueber
gardinen von Leinenpliisch gebrannt
worden waren. Dann war man des
Treibens mit-de geworden, auch hatte
der brenzliche Geruch Bedenken erregt
S
und einträchtig begannen die Brüder
das Laden der Flasche.
Den Glasstab reibt man zur co
regung von Elektrizität bekanntlich ask
ersolgreichsten mit einem seidenen Tuch,
nud die klugen Knaben hatten denn
auch mein einziges weißseidenes Is
schentuch, das ich nur bei ganz beson
deren Anlässen im Frack zu tragen
pflege, als dazu sehr geeignet befunden
und einem augenscheinlich sehr energi
schen Gebrauche unterzogen. «
Nun schob jeder der beiden Sünder
in edlem Wettstreite alle Schuld auf
den Anderen. was indessen der wohl
gemessenen Tracht Schläge, die Jeder
bkcyin ihnen bekam, keinerlei Abbruch
t at.
Inzwischen waren die Scherben auf
gelesen und die Säure wurde so gut
es eben gehen wollte, vorn Teppich auf
getrocknet. Er war aber doch gerade
in seinem stahlgrauen Mittelfelde, wo
hin sich der Hauptstrom ergossen hatte,
stellenweise vollständig durchnäszt, und
als wir ihn am anderen Morgen be- -
sahen, zeigte er dort eine freilich nicht
regelmäßige und schöne, dafür aber
um so augensälligere Marmorirung
mit einem rostigen Roth. Die Säute
baue die Farbe zerstört und auch den
Stoff sehr mürbe gemacht. Das ehe
malige Piachtstiick liegt seitdem in
meinem Arbeitszimmer. An die Tisch
deae waren nur einige Spritzer gekom
men, die nkan wenig bemerkt, wenn die
betroffene Seite dern Sopha zugekehrt
wird.
Meine Frau ist im Allgemeinen sehr
fanftrniithigx aber die Verunglimpf
ung ihrer besten Stube verträgt wohi
keine Frau. Glücklicher Weise warm
die Jungen bereit-Z zur Schule, als sie
am andern Morgen die Entdeckung
des Unheils an Teppich und Decke
machte; sie kamen später, nachdem der
erste Zorn verraucht war, bedeutend
milder weg und brauchten es ja auch
nicht mit anzuhören, wie meine liebe
Frau in ihrer nicht unberechtigten Er
regung im letzten Grunde mich verant
Iworilich machte für alles Unheil, das
der leidige Experimentirtasten über
unin friedliches Haus gebracht hatte.
Ein verständiger Mann sollte doch sei
I nett Kindern nicht so gefährlicheSachen
als- Zpielzeug in die Hände geben,
ganz abgesehen von dein Sündengelde,
das der Kasten kostete.
Ja, ja, sie hatte Recht — wie immer!
Ter Experiinentirlasten aber frisiet
senden- auf dein Speicher ein ruhm
l::-.d thatenloses Dasein.
» .--.-..-..--.
Befuch im Hure-m
Einen Besuch im Harem des Groß
vezierk von Marotto schildert eine
Englanderin Mrs. Bishop. »Es wäre
nicht schicklich«, schreibt sie, »Meinun
gen im Einzelnen über den Haushalt
des Veiiers zu äußern, aber ich kann
sagen, daß die Erfahrung jenes langen
Tages meinen Haß gegen das System
der Polhgamsie sehr verstärkt hat, die
Männer sowohl wie Frauen unsäalich
degraoirr und die geistigen und sittli
chen Eigenschaften der dort gebotenen
Kinder zerstört Die ,,Damen« fan
den-. daß die Zei: ihnen sehr lang
wurde. Sie tranken ständig einen
shrupartigen Ausgusz von Thee und
Pfefferminz und aßen ebenso ständig
feuchte Süßigkeiten, und häufig wur
den einer jeden ,,Ti«schse« mit kräftigen
Speisen beladen von Sklaven gebracht,
die mit ihren Herr-innen aus dem Fuße
der Gleichheit zu stehen schienen. Die
Babies wurden genährt; mit anderen
Kindern wurde gespielt oder man er
weichte die Geschwiire auf ihren Kä
psen mit Salbenx oder die Thätigkeit
bestand darin, daß man Nägel und
Fingerspitzen mit Henna färbte, den
Schatten unter den Augen mit Anti
nion verdunkelte und neidischen Zu
schauern Juwelen zeigte. Gelegentlich
klimperte ein lebhafterer Geist mit ei
nem Finger auf dem Clavier, feste
auch- wohl eine Spieldose in Bewegung
oder nabm ein heißes Bad; einige tob
ten :i:it den knabenhaften Eunuchen
und bekamen einige Hiebe von der
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Fußboden zusammengekauert sitzen
waren jedoch dieOauptbeschäftigungerr.
Um 113 Uhr trat el Menebhi ein, und
die niederen Sklavinnen rannten fort.
Er sagte, indem er die Worte mit Ge
sten betonte: »Su!tan, er arbeiten, ar
beiten, arbeiten! woraus ich entnahm,
das-, meine Auoien,; verschoben war.
Kurz darauf gab mir ein Eunuch zu
verstehen, daß der Kaid Maclean
draußen war und mir sagen ließ, der
Sultan wäre mit wichtigen Devefchm
ausTanaer beschäftigt und könnt-e mich
wahrscheinlich erst nach drei Uhr em
pfangen; er fürchtete, ich müßte mir
wie gefangen vorkommen. So gingen
die Stunden triib bis drei Uhr dahin,
nur von der ständigen Wiederholung
unterbrochen: »Sultan, er arbeiten,
arbeiten, arbeiten!« —- was immer
durch einen Chor rohen Lachens he
grjißt wurde.«
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Am ersten Geburtstag
Großmutter: »Unser Kurtchen wird
gewiß ’ma1 ein sehr gescheibtes Kerl
chetkei
Mutter: »Na, gewiß doch; er hat
doch jetzt schon die Berechtigung zum
EinjährigenIs
Sondern-«
Junge Frau: »Was hat man wäh
rend meiner Abwesenheit im Kasfees
kränzchen von mir gesprochen, liebe
Freundin?«
Freundin: »O, nur das Beste.« -
Junge Frau: »Das Beste? Na, dann
foer es wohl nichts Gutes gewesen
ern.«