Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, January 10, 1902, Sonntags-Blatt, Image 12

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    s
Markirte Karten. s
seist-rang von A. Schob-L »
Der Berliner Thiergarten, nach der «
Mange. . !
Mich die große Queralle rollt ein
Its prachtvollen Karossiers bespann- z
U Gefährt Jrn Fond sitzt ein Herr !
II tadelloser Hattung. Er bat ein
Mkwiirdig oerschlossenes Ge.icht, dem s
II silberne Färbung des Haupthaares. .
Useingespitzten Kinnbarteg etwas-«
prochen Vornehmes und Wür- ;
s verleiht.
Reben ihm, ties zwischen die Polster
Itschrniegt, lehnt ein Geschöpfchen, ent
d jung.tnospensrisch, mit Augen,
denen die Sonne nicht untergebt,
sitt einem zart hingewischten blossen
sindergestcht
«Gott! Papa!« ruft die Kleine be
subernlx »Du bist ja grad’ wie der
Miserl Beinahe jeder Mensch grüßt
Dicht Das heißt jeder Mensch, der
Ver ein Reitpferd oder eine Equipage
e schmalen Linien zwischen dem
riqnasrte machen einen Versuch zu
»Wenn man Jahre lang in
Erlin lebt, Jris —" Er lüstet von
M mit ausgesuchter höflichteit
Uhr-L Ein Tandem fliegt vorüber.
Die Kleine zieht das Näschen traus.
M besinn mich gar nicht, daß so vie
le Menschen in unser Haus kamen,
W, vor meiner Pensionszeitt Frei
U da warst Du fast immer verreist,
M Einmal bliebst Du ganze zwei
Inst-e fort! Die Augen wollt ich mir
mweinen!«
Der Blick des Mannes wird plötzlich
er, sahles Grün schimmert sür einen
blick über die Unbeweglichen Zä
- n.
s- kädeuk nicht weiter daran, Dar
1isg!«—-Es soll ein liebtosendes Wort
sein nnd klingt einem Befehl nicht un
ähnlich.
Wenn Du mir oersprichst, nie wie
L- t- I---- t ...... Le-:c-.. ist«-- «
as II cuslsls fULlZUUITsL’cZI, PUPU
schmeichelte die Kleine·
«Rie wieder!« Tsie Stimme des
Icarus ift beinahe beiser, sein Blick
first auf die merkwürdig schlank zuge
zisten Finger, die in elegan:en Hand
n stecken, herab.
Die Equipage treuzt den Reiiweg
U Flora - Bartes Ein Tragoner
Los-unt ihr entgegengesprengt, sein
M streift die helle Mädchengeftalt
— —- ehrfurchtsvoll falutirend reitet
et vorüber.
Mechanisch bat ber silberbaarige
den an seinen Hut gegriffen. Jris
blickt fchelmifch von der Seite auf und
tustl ustig: »Diesmal galt der Gruß
Wsiichlich mir, Papa!«
Ein rascher Blick aus den bellen kal
tes Augen« »Wir haft Da die schnei
Use Bekanntschaft her, Närrchen?
Bat der Reiter nicht der Majoraw
her auf —- wart’ einmal —'«
»Auf Schomburgk Ganz Recht,
Pape-P Und mit einer Wichtigkeit.
die sie entzückend kleidet, erzählt die
Kleine von einer »verirrten Latium
tie«, noch aus Pensionstagen her, bei
welcher der junge Dragoner die Rolle
eines Helden nnd Retters gespielt bat.
,seißt Du, er war auf Manöver in
der Nähe von Fuchsberg —«' fchließt
sie ihren Bericht —- »und beim Ab
schied — beim Abschied hat er die Er
Wsse ausaebetteli sich feinen Dnni
für die Rettung in Berlin holen zu
dürfen. Nun er mich heut’ gesehen,
meinst Du nicht, daß er bald tommen
. wievi«
! Sie versinkt in eine lange Träume
! rei. Jhr Vater betrachtet sie inzwischen
rnit fcharf prüfendein Jnnteresse Er
scheint die Zulunftsmöglichteiten von
fv viel Liebreiz zu ermessen —- —
Laagfam verfinstert sich fein Gesicht
nnd plötzlich liegt eine erbarmungsloie
catfchlvssenheit darauf.
»Noch Haus« ruft er dem Kutscher
zu. Bald darauf hält der Wagen vor
einein villenartigen Gebäude in der
Thiergartenftraße Iris vom
« Trittbrett springt, stößt ihr Fuß gegen
einen harten Gegenstand Sie bückt sich
F und hebt ein Hufeisen auf. Jhr Vater
steckkö haftig zu sich. Er lächelt sie an
dabei und als er sich iin Vestibiil von
ihr verabschiedet, murmelt er »Was
wtte« während er ihre Stirne mit den
Lippen streift.
. Zwei Minuten später steht Jris vor
des Spiegel in ihrern Mädchenstiib
char, Um sich die zerzauste Frifur zu
ustt zu zupr
Uebermiithig gießt sie sich Chrysan
thue du Japan in die rosige Hand
.mfchel und fprth es lustig urn sich
It. Thryfanthernurnl hat nicht ihr
Este Retter bei seiner himmlischen
lipnthie erklärt es sei feine Lieb
Mlmne —?
'· Der Limtenant von Schotnbur hat
PS gemacht im Richter’fchen au
Die irdiesene Pracht und Einrich- ·
Kegel-smpr Luqu welcher
- . wisset M getäusch
· «- Dienerfchaft mußten
tm serv-hun- Les-tin impo
ist MS als die Familie
! MJMMUTUZIA
- a e r,
. » —- Mheitesysei
Melken leidet
M
O
Der hausherr ist dem Gast mit der
leichten Zurückhaltung des vorneh
men Mannes be egnet. Die Freund
lichkeit seiner mahlin hat einen
Stich inis Gequälte nicht verleugnen
können. Wie sie nur zu dem gewar
terten Leidensgeficht kommt, diese
Frau, welche mit s·hrer sie anscheinend
vergötternden Familie inmitten des
größten Luxus lebt? Sie gleicht einer
wunderschönen Raine, die nur das
sorglichste Behiiten vor Eeschjitterun
gen aufrecht erhält —! Und die zwei
beeiickenden Mädchen mit den Blu
mennamen? —- —— Mein Gott, warum
will ej dem jungen Ofiizier hediinten.
als habe ihre Lustigkeit etwas Ge
schraubtes, als flackere in ihren hei
« nen. schweren Augen eine Flamme wie
Jrrkicht —- —
« Der junge Mann athmet schwer:
da geht die Thür auf. Mit einem
kleinen glashellen Schrei läuft ihm
,Jeise entgegen, frisch, erholt ohne eine
» Spur von Kopfschmerzern Jm Au
genblick hat er vergessen —! Die Kleine
hezauhert ihn mit ihrer Muntrteit.
Und ein paar Mal sieht sie ihn so ent
ziiclend geheimnisvoll an — dann geht
der Reiz des Kindlichen unter in der
Ahnung zukünftiger Weiblichteit.
Raimund von Schomhrrg verspricht
es so geen, wiederzutomment
Bei seinem nächsten Besuch findet
er eine Tante im Richter’ichen Hause
dar, eine äußerst respeitahle Erschei
nung mit Hängeloetem einem gütigen
Lächeln und dem Titel »Regierungs
räthin". Der Sohn, der ihr zur Seite
ist, hat sich sein Gesicht bei den Frei
hurger Rhenanen gründlich zerhacken
laß-ern
Der junge Ossizier athrnet auf. Tie
zwei Menschen sind tadellos. Beim
Abschied schlägt der Hausherr ihm
ver, etwa am nächsten Donnerstag
wieder vor-zusprechen — — Er there
ein paar Kameraden treffen.
Ter Lieutenant acceptirt die Ein
Xadung Beim Austictiten aus ieiner
Verbeugung macht er ein fravpirende
Issmsvbnsms Dis Als-man ins-· Inn-i
Schönheiten starren weit ausgerissen
den Vater an, und das Leidensgesicht
riet Mutter ift urn einen Schatten fah
ler geworden —- — —
Nur Jris hebt sich auf den Zehen
shisen und ilatscht in die Hände:
»Gott, Papa. lönntn wir da nicht ein
bischen tanzen?«
«Jris, muß ich Dich erinnern, daß
Du in diesem Jahre bei Gesellschaften
noch nicht anwesend sein sollst —·« ver
weist die Mutter mit einer sonderbar
heiseren Stimme.
»Ich erhan Dir für diesmal, da
zubleiben. Darling,' ruft der Vater
dazwischen.
o i- se
Der hausherr hat sich in sein Zim
mer zurückgezogen Er sitzt an seinem
Schreibtische. rechnend. brütend, und
wieder rechnend. Neben ihm liegt das
von Jris gesundem hufrisen Da
wird leise die Thüre ausgedrückt, irn
Nachrtleid, das halbergraure Haar um
die Schultern hängend, trirt seine
k rau ein. -
Ihre Augen leuchten rni tgespensii
schenr Licht zu ihm nieder.
«Friedtich! Ich tnie’ auf Deinem
Versen — — Erne Angst hat mich er
faßt, eine Angst wie damals —" rnit
tootblassen Lippen murmelt fre ein
paar unverständliche Wortes-Fried
rich, Du hast etwas-vor, ich fühl’s, ei
nen großen Schlag —- —'· Ihr Blick
Mlle has besä- fvifsifkn tun-I des-n
Fund Jrik ihr vorgeplaudert hat«
»Mein Gott! Die Kleine! Es iit ja
nicht möglich-« Dein letztes, Dein lied
ited Kind irillit DJ ali- Mascotte be
nutzen?«
»Wenn TJ Qui-nein rrak ich den
Winter über im Nizzcker Cercie tu
Mon: t’O-r verloren habe — — —!
Die Polizei war mir auf den Fersen
—- eS gab teinen anderen Auen-ea, als
ehrlich zu spielen. —- Toii Glüd ver
ließ mich-, ich hab’ Schuler irie Ho
gel —! Seit e’r!5- zurück ist, schlägt
rnir « .r·.lle zu, die Möalichteit mich zu
rangiren, iit do wenn r:e Sache an
bäl t — —«
Langsarn weicht tie Frau ein paar
Schritte in’g Zimmer zurück. Und
dann stößt sie gedämpii heraus: »Du
willst den jungen Menschen plündern
— Schomburg — den Mann, der
Deine Tochter liebt, der sie liebt-«
Er schlägt ein Gelächter anf, höh
nisch, scheint-end
»Liebt! Liebt! Aber niemals hei
rathen wird! Zurückziehen wird er
sich, sobald irgend ein Aarnerad es
ihm steckt, wessen Tochter Jris ist!«
»Friedrich, urn Gottesroillen, sprich
nicht aus, rufe die Geister nicht!" Sie
preßt de heißen zitternd-en Finger auf
feinen Mund —- - —- Und dann bit
tei sie noch einmal, bitten fleht, droht
und verstummt endlich. Mühe fchleppt
sie sich in ihr Schlamm-net und sinkt
Fischen die seidenen, spiseabedeckten
m OOOO
Cyva etl- ihn kennen lernte,
Miser, da hat
geis- IW feist Leichtlebigteit
die III-s verbindet Sie W hm
RMM Mut kund Plänen keinen
Lebenszweck zu kennen, als den, mit
vollen händen Geld auszustreuem
Da begegnete es ihr eines Tages, —
es war auf der Promenade des An
glais zu Nizza, —- daß zwei Ossiziere,
die öfters ihr Haus besucht hatten, an
ihr vorüber-sahen wie etwa an Luft.
Sie waren in Uniform gewesen — —
Ein fürchterlicher Verdacht stieg in
dem jungen Weib aus, der zur Gewiß
heit wurde. als sie in selbiger Nacht be
merkte, wie ihr Mann sich vom Lager
stahl, ums sich in seinem Zimmer ein
zuschließen. Aus bloßen Füßen, zit
ternd, schlich sie ihm nach bis zur
Thüre, lauschte und neigte sich zum
Schjüsselloch —- — —
Beim Schimmer einer Kerze saß ihr
Gotte vor dem spiegelblant-volirten
Tische und warf Hausen von Karten
durcheinander, nach einem besonderen
System schien’s. Eine eisige Last senkte
sich auf die Brust der jungen Frau —
der Mann, den sie liebte, war ein pro
feisioneller Spieler! Vielleicht Schlim
merks!
Eines Abends kehrte Friedrich Rich
ter nicht zu seiner Familie zurück.
Man hatte ihn als Falschsvieler ent
larvt und verhaftet. Er trat seine
erste »große Reise« an.
Die junge Frau verlor beinahe den
Verstand. Und dennoch! Sie liebte
den Elenden ewiter. Jahre des fürch
terlichsten Martyriums brachen über.
die Unglückliche herein. Die »Reisen«
ihres Gatten wiederholten sich, trotz
dem er sein Gewerbe mit der raffinir
teiten Vorsicht betrieb, trotzdem er seine
nerviis empfindlichen Hände zu den
iubtilsten, nie versagenden Instrumen-,
ten förmlich erzogen hatte. Er genoß
eine Art von Hervstatusberiihmtheit—
fein Satori war der RendezvvuL-Plas
der vornehmsten Lebrwelt. Ter Ruf
Nichter’s hatte sich in den letzten Jah
ren sogar gehoben — ee lag Grund
ver, anzunehmen, daß er nur mehr ge
schickt, nicht saisch spiele. Hatte er
doch bei seiner letzten »Heirntehr«,
tieferschüitert über dar- bersallene Aus
ieben seiner Gattin, dieser iein Ehren
k wort gegeben, sich anständig zu halten!
Ueber die Unglückliche. ihr Leben unter
Qualen Dahinschlevvende, war etwas
wie Abendsrische gekommen. Und nun!
Und nun! Sie trampste die Hände im
Gebet zusammen, — ihre Augen starr
» ten hinein in Finsterniß und Zukunft
E »Mein Gott« schätze das Kind vor dem
Fluch dieses Hauses —" stüsierten ihre
I Lippen.
! e- s- i
Der Donnerstag Abend ist da. Die
Salons der Richter’schen Van stillen
eine bunte Gesellschaft Der Mehrheit
sieht man den Militär an, den Jun
ter
Die schönen Mädchen mit den Blu
mennamen bewegen sich mit den blen
denden Toiletten zwischen den Gästen
Gegen zehn Uhr erscheint der Lieui
tenant von Schomburg —- im Waf
senrock. Ein paar Kameraden in Ci
ril nistern ihn erstaunt.
«-Schomdurg! Bitt Du des Teufels?
Jn Unisorm? Hier?«
Die Stirn des jungen Ofsiziers be
deckt sich mit einer dunklen Röthe. Er
zögert, die dargebotene Rechte des
Wirths zu ergreisen. Da tommt Jriö
aus ihn zugeschweht, ganz weiß, ganz
dustig, in einer Wolfe inzwischen
Kreppx — das helldlande Haar leicht
ausgenommen, ein paar weiße Chry
santhemen dazwischengesteckt — das
Bild holdester Mädchenhastigteit!
Nein, sie weiß nichts, kann nichts wis
sen dan dem, was hier etwa vor
geht — —- —
,t , ,...,s- fli-.—!k-l-!4
Lock Tumult-sitt umk, South-Heu
haben um jeden Prei5. Er zieht einen
Freund beiseite.
»Du iollteft mirtlich nichts wissen?
Unier Wirth —«
»Nun —«
»Ist ter herüchtigte Spieler Rich
ter, der gewandtefte aller Gauner, ein
Held der Ponssette und Volte ——«
Zchombura«s Faust ballte sich-, seine
Brauen schieben sich finster zusam
men. »Wiro hier etwa falsch gespielt?«
Die Stimme teS jungen Menschen zit
tut.
,.Wo denkst Du hin! Tieier grau
haarige Taugenichtg rnit Den Alliiren
eines Herzogg reitet sich jeyt höllifch
zusammen. Die Polizei hält ihn
scharf im Auge — anscheinend wird
hier nur Karambolage gespielt!
Der Kopf fällt Schornhurg schwer
auf die Brust. Ein brennender
Schmerz erfüllt sein Jnneres um die
weiße Blume, oie einem Sumpf ent
sproß, und vie er rein gefährlichen
Boden nicht entreißen tann. ohne sei
nen Namen zu besudeln. Er geht zu
Jris hinüber, er spricht init ihr so
lieh, so mild, daß ihr plötzlich die
Thränen in die Augen treten.
Nach Aufhebung der mehr als apu
lenten Tafel schlägt einer ver Kava
liere so ganz nebenbei ein kleines Jeu
por.
Der hat-there schiebt hie Achseln in
die höhe. »Sie wissen, meine herren,
daß ich es in meine-n hause nicht gern
Nit- lvenn espielt wird. Aber Geistes
Wille — ottes Wille -—« und«rnit
ausgesuchter höflichseit öffnet er eine
Thiir. Wahrhaftig! Das eleganteste
Qillardsirnmer. Auf der Estrade
sammet polsterte Bänke, eingelegte
Schritts e rnit Queues und Wert-Uh
ren. Die Mitte des Raume- nimmt
ein großes Vtllarv ein — her Wirth
tritt heran, ein Druck seiner Dank und
die Bande ist verschwunden, ein grü- F
ner Tisch steht det.
Man drängt sich unt diesen Tisch
die betten schleppen Stuhls herbei
nehmen Plan. Auch der Lieutenant
von Schotnburg ist unter ihnen er -
wird zurn erstenmal in seinem tadello
sen Leben spielen. Der Rittnteister
von Kottwis beißt einer Zigarre die
Spitze ab und wirst einen Hausen
Bantnoten auf den Tisch —- — rnan
fängt an, sich gehen zu lassen.
Der hausherr heilt die Bank. Sie
sieht schlecht irn Anfang Der Ban
lier versieht teine Miene, er versteht es,
zu verlieren.
Und dann tritt plönlich ein raub
thierartiger Zug in sein Gesicht. Er
ruft nach Jris. Wie ein hütender
weißer Engel steht sie da unter den
Spielern. —- — —- Erschrocken blickt
sie hinein in diese ihr so fremde Welt.
Das Glück schlägt plötzlich um, die
Bank gewinnt — gewinnt —- — —
Vor den Augen des-» Banliers erhebt
sich gleich einer Fata morgana die
Möglichkeit, alle seine Verdindlichteio
ten enzulösem
Mit Adlersschärfe folgt Schem
burg’s Blick jeder Bewegung Rich
tere. Und plöhlich wird der junge
Ofsizier todtenbleich. Er hat eine
Bewertung gemacht: die seinen trali
lenartig zugespinten Finger des Ban
tierö gleiten blitzschnell iastend iiber
den Rand jeder Karte hin, die er er
hält oder austheilt. Schomburgs
Hand zuckt —- — da sieht er til-er der
steinernen Spierlervhhsiognrmie Rich
ter’s das traumhast vermischte weiße
Gesichtchen dan dessen Tochter aus
diimtnern; er sieth Iris-· Augen schim
mern —- -—— Er lann den Elend-n
nicht entlardenS —- —
Da bemerlt er, wie aus seines Nach
bars Stirn langsam die Zornader
schwillt. Er ist ein junger Geni editi
»tier berühmt meaen seines Geigen
spiels. Auch se: ne Fi nner besitzen eine
subtile. nerdciie Empfindlichleit. Und
mit diesen Fingern hat er«5 erkannt,
daß — —- Er thut einen dröhnenden
Schlag auf den Tisch, das-, rag Geld
emporspringt und die Karten tanzen!
»Meine Herren, hier wird falsch pe
sdielt! Tie Karten sind martirt —- —
unser Lin-in —-· «
Mit vornehmer Ruhe hat sick Nich
tet erhoben. »Was erlauben Sie sich
Hetri —««
«S-paten Sie Ihre Komödiantew
tnisse!« ruft Amtin schneidend het
iibet. .Reulich schon. nach dem Wett
kennen. hab’ ich’s bemettt, daß Sie
sie Pousiette anwandten —- Die Pr
lizei ist in ver Nähe, ich hab’ sie be
stellt!«
»Sei-usw tust der Spieler zusam
menbtechend. Und Dann rasst et sich
noch einmal aus — et tastet nach dem
Tisch —- wie durch Zauberei versinlt
die Platte mit dein Gold, den Matten,
den gezeichneten Ratten. Ein Villatt
steht da. Futchtbatet Lärm. Trium
vbitend hält Avtiwiy ein halbes Du
tzend Karten empor. »Das geniiat,
Sie wieder einmal festzulegen, tückfiils
liget hallunte!«
Nach dem Alartntuf des Genieossi
ziers war Jtig wie von einem Blitz
jchlag gefällt rückwärts überaesunten.
mit todtblassetn Gesichtchen, die Au
gen wie vor einern plötzlich blendenden
Licht geschlossen
Mit drei Schritten ist Raimund ne
ben ihr gewesen, hat sie ausgesungen
und htniibetgettagen in einen stillen
kühlen Raum.
»Jeiså« Et»betet» den Kanten bei
k -
Aus-s QU UZYUIÄ II( LLI augclh Ul«
sie gleich wieder schaudern: zu schlie
ßenL
,,Jrl:s, JEES Um Gottegwillenk
Ich bin’s ja, Raimund von Schem
burg -—!«
Sie richtet sich aus« ,,Verzeihen
Sie mir!" ruft rre außer sich. »Ich
halss ja nich: gewußt, daß ich gestand
rnartt bin! Tie Reisen des Vaters —
o mein thi!" Sie fängt an zu schlach
zen. Der Himmel rnrer Reinhen ist
für alle Tage zerstört. —
Da faßt Schornburg iltre beiden
Ländchen. sEr iit in diesem Angen
liete zu jedem Opfer fähig.
»Mein Süßes! Mein sileinobk Jch
hab’ Dich ja über Alles lieb! Laß
Dich unter rnein Dach retten —-!«
flüsterte er heiser vor Freuee iider sei
nen Entschluß.
Iris führt zufammen, wie von ei
nem großen Glück getroffen. Und
dann leuchteten ihre Augen zu ihm
aus.
Aber das tapfere lleine Herz der
unglücklichen Tochter des Spielers
thut harte Schläge. Sie tann teinen
Schatten in das hanc des edlen
Mannes schleppen, seine ritterliche
Erscheinung nicht in den Sumpf ihrer
Familie hineinzerren. —- Ein lurzer,
fürchterlichet Kampf, dann ienlt Iris
die leuchtenden Angen. Mit behenden
Lippen stammen sie eine Lüge —- aus
reinster Liebe! " hr herz sei nicht
mehtßei —- —- . ritt« ruft Schorn
brtr schmerzlich nnd beugt sich iiber
«n —- «Jrii!« Langsarn schüttelt
sie den Kopf und zieht ihre eiskalt ge
wordenen blinde aus den seinen —
Dtiiben spielte sich inzwischen ein
turbulenter Austritt ab. Die Gäste
haben sich zerstreut, die Polizei hat
den entlaevten Spieler absesiihrt, un
gerührt von dein herzzerreihenden
— - --W---,-.
Flehen der Gattin, der Töchter Rich
tet’s.
Iris schleppt sich ächzend aus dem
Prant des ersten Stockwerts hinaus
iee ihre Mädchenstubr. Vor der Ein
samkeit hält der heldenrnuth neit dem
sie ihr Lebensglück don sich wies, nicht
Stand. Bereweiseind lauert sie in ei
ner Ecke. Sie hat nur noch eine Sehn
sucht — die zu sterben! Aber ihm ein
solches Leid qnthun, den Eltern einen
Vorwurf machen durch ihren freiwilli
gen Tod? Nimmermehrt —
Jn den Nachmittagsstunden des sol
genden Tages tritt Jris aus der Billet,
bloß. düster, unscheinbar getleidet, in
der Hand ein schmaies Bündel.
Sie ist entschlossen, hinauszusliehen
in die Weit, sich irgendwo zu verstecken
und ihr Brod redlich zu verdienen.
Ueber dem Thiergarten liegt der
rothe Sterbeglanz des scheidenden
Jahres. Wehmüthig gedentt Iris je
nes Tages, an welchem ihr unter den
mit grünem Laub rauschenden Bäu
men Raimund begegnete —
An jenem Tage hat ihr Vater sie
zuerst Masrotte genannt —!
Ein Regen goldrother Blätter stillt
über sie her — Herbst ist es geworden
—- um sie —- in ihr!
LetzteStunden vor der Ubfahrt.
Von Hans Oswaid.
Das Pslaster ist seuctt, wie mit
Thränen benetzt. Und die nächtliche
Stille und Finsterniß lauert in den
Straßen. Große Schwärme Aur
wonderer ziehen iiber den haibduntlcn
Bahnhossplatz. Die duntlen Fenster
der hohen Gebäude sehen wie ausge
trcnnte Augen aus die Menschen
herab, die in die hell erleuchteten Hal
len bineindrängem Männer und
Frauen und ganze Schenken Kinder
dazwischen Alle tragen sie Bündei,
Listen oder Päckchen in den Armen.
Selbst die Kleinen, Die taum taufen
gelernt haben.
Als sie die Halle durchquert, zieht
sich eine breite, feuchte Spur hinter
ihnen her. Thränens Abschiedgthrä
nen? Jammer, daß sie die Heima:h,
das Land, in dein sie geboren sind,
verlassen?
»Aber ais» ich hinter ihan hineinge
gcslkcpcll Uill III skll OIUHWIIIUIIJUFH
ver sie von Brernen nach Bremerdaven
führt, sehe ich teine vermeinten Augen,
teine trüben Gesichter. Rir ends trott
net Einer Thriinen. Und einer sieht
hinaus, um die deutsche Stadt, in der
sie die ledte Stunde in Europa ver
bracht. noch einmal zu sehen, noch To
lan e zu sehen, rvie es nur geht.
- er Zug geht vorwärts. Da sagt
Einer laut: »Endlich!«
Und in die verschlasenen, zerzausten
Köpfe ivrnrnt iiir einen Augenblick
Licht und Lu i. Sie sehen einander
an und seubzen alle Ieise: »Endlich!«
Ein heimlichek, vertrautee Lächeln
hascht iiber vie müden Gesichter.
Sämmtliche BBiinte waren besetzt.
« m letzten Autheil aber mach:e mir ein
pamilienvater Platz: zwei seiner Jn
aen mußten aufstehen und sich zu den
Anderen setzen. Die Familie nah-n
den ganzen Raum ein. Der Vater,
sieben Jungen im Alter von siins bis
neunzehn Jshrem ein Mädel ovn
zwölf Jahren und die Mutter rnit ei
nem Kind von zwei Monaten an ver
Brust. Die Jun en trugen alle die
slachen russischen öden, dazu Faden,
und in die Schaststiesel hatten te ihre
Pasen gestopft. Silber der Vater hatte
o gar nichts Russischek in seinem Ge
sicht. Das Gesicht tvar wohl knochig,
aber schmal, die Nase sprang hart her
aus unter den dicht zusammengeroach
senen Brauen. Der Sprache nach
schien er ein Süddeutscher. Bald ie
doch tam es heraus: Sein Großvater,
ein Sachse, war nach dem iiidiichen
Rußland eingewandert. Dort hatten
seine Nachkommen wie ihr Vorfahr
Handwerk unr Bauernwirthschaft gi
trieben.
Jch fragte den Auswandcrer, rib
es ihm nicht weh thue, seine Heimatl
erde zu verlassen, in·«e Fremde, Unbe
kannte hinein zu aehen.
»Mir heule net! Mir heute net!«
antwortete er lächeind, »nee mir heute
ne:.« Er schüttelte vergnügt den
Kopf. »Wir verlieren ja dier niich:.
Heimath —- Heimath is uns Rußland
nie gewesen. Drangsaiiri haben se
une, bis usss Blut. Sehn Se, ich
war drüben Tischler. Und das Land
und das Vieh besaraten meine rau
und die Rinden Wir hatten zehn ühe
und immer vier, sechs Pferde. Und
wir haben gewiß aearheitet. Aber es
ging immer mehr rückwärts. Was
wär denn das auf- meinen Kindern
geworden? Taglöhner, nur Taglöh
ner! Und wag iit das drüben? Das
reine Bettelpaa. Das hat nichts an
als ein zerrissenes hemd und, wenn’s
hoch sammt, noch eine zeriedte Dase.
Das weiß nichts davon, was ed heißt,
selbstständig u sein, fiir sich zu den
ten und zu schaffen. Das laßt sich
stoßen und treten und ist zu jedem
Schindluder zu gebrauchen. Nein,
dazu waren mir meine Jungens doch
u schade. Lieber weit weg und die
iil ie am Eigenthum verloren —
aber Vieh soll mein Kind nicht wer
den. . . . Die Plackerei, die ich drü
ben ehaht habe, das war nach das
Wen ste. Jeder Russe haßt und be
neidet ja uns Deutsche. Er tann
nichts und will von uns lernen —
aber er tann es meist nicht« Ja, wie
Deutschen haben alle unteren Wein
der gehabt —- der Rasse hat sich ’n
SFnapi getauft. Und so heißt er sie
alle raus, die was können, die· Deut
; schen. Das sind nicht so wenig, das
« eht in die Hunderttausende, du mer
en von da, wo ich her bin, bei Orten-.
Na, jeht wollen sie mir meinen Selte
Fen auf fünf Jahre zu den Soldaten
i
i
! are-. Was ist kk pskm zwa; —- in
F ilnf Jahren? Der hat heimlich über
idie Grenze gemußt und wartet tun
schon drüben auf uns. Also ;- was
solle mir heute? Ren mir, mir her-if
! net.«
Nicht- Einer der Zwischenderklet
weinte. Die Meisten waren hinten
iiber gesunken und schliefen. Nur die
Kinder waren munter. So munter,
wie die Kinder mit ihren Abenteuer
wiinichen nur immer sind, wenn es
hinaus aeht in’s Ferne, Fremde, nie
Erschaute. Die Tochter des Deutsch
russen hatte sich bereits mit einem
tleinen Polenmädchen bekannt emacht.
Mit einer Puppe spielten re beide
Keine verstand ein Wort oon der An
deren. Aber sie lächelten und verstan
: den sich doch. Auf der Wand-er ahtt
gibt es eben keine Sprachgrenzen Kin
der kennen die überhaupt nie. »
i Alle schliexen so ruhig und still, bis
3ber Bahnho non Brernerhaben mit
j feinen elektrischen Glastugeln aus dem
s Moraendunkel tauchte. Und dann das
Jauchzen!
»Da —- dori. das Schiff!«
Mit einer merkwürdigen Geschwin
diateit kletterten Alle aus den Wa en,
trondem sie mit Kindern nnd Miten
bepaat waren. Dann drängten sie in
die Wartehalle des Lloyd und durch
die Controle. Und während sieh das
Dunkel lichtete, wanderten sie tm
Gäniemarsch vorn Bollwerk inauf auf
das Verdea des Schiffgtolo ales, aus
dessen Schornsteinen bereits Dampf
und Rauch stieg. Der feuchte Seewind
frgte über den Luni nnd färbte die
grauen, verschlatencn Gesichter roth.
Der Teutichrusse und feine Famiiie
lächelten mir Abschied zu. Das junge
Mädchen, das mir neaiich erzählt, hier
habe es keine Verwandten mehr, aber
drüben eine Schreiten eine’ reiche
Schwester, —- der alte Mann, der zu
seinem Sohne wollte, die ihren
Schlachzizen eniiauienen Polacken —
die weitiäliichen Grabenarbeiter —-,
Alle ginaen mit itrablenden Augen an
mir vorbei, der ich daheim blieb.
Der Dampfer ging mit der zurück
weichenden Fluth hinaus-. Weit drau
bsn »reine-»t- » di- Kniiitmnnssoeriers
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vie aus einem Saiondarnpser hinter
heriaenen uno auf See hinüberginqem
Und als der Saiondakntsier heimsnht
nach Brenierhaoen. da weinten die
Passagiere oee zweiten Kaiiite ani cau
testen. Die oon der ersten Kajiite stan
den aus dem Pronienaoendeck nnd
miniten meist vergnügt ihren zurück
bleibenden Verwandten. Noch von
seen leuchteten oie Hunderte von wei
ßen Taschentiichern per zweiten Ka
inte.
Aber vom Zwischendeck wehte nicht
ein Jbschiebazeichem . ·
I — ....--..
Ein schlechter Dienst
Köchin ibei einer neuen herrschasm
»Was, in der Woche dreimal Braten?
sensstlisk
A. izu B» der eine längere Reise
unternimmt): »Warum benutzen Sie
denn den Bliyzug nicht?'«
B.: »Ich fürchte, es tönnie einschla
gen!"
Unetssrieie sie-lik.
haussrau (beim Abschied des
Dienstmädchens): Wie —- Sie wei
nen?. i .. Wenn Ihnen ver Abschied
so schwer fällt, weshalb haben Sie
denn oa geiiindigt?«
Dienstmädchen: »Ach, mir thut nur
meine Nachsolgerin so leidi«
Ta bieibt mir ja iein Liebhaber treu!« "
YNOIXIMIIL
Fremder Herr izum Bedienten):
.,Melden Sie mich beim Herrn Baron,
ich heiße Gustav Müller und bin Di
reltor der Steinbruche - Berufögenpls
senichaft.«
Bedienter tmeloei): »Herr Gustav
Müller, Tireiior der Einbruchsbes
rufegenossenschaft!«
Meinst-fallen.
Bierwirth lzu feinen Sie-rnng
sten): »Ja, meine Heeren, glaubenSie
mir. ich hab’ mir's sauer werden lal
sen.'«
Stammgast: »Ach, es war schon
sauer, wie Sie es triegten2"
Aulis-e Schlsflslsernnk
Hausknechi: »Ich habe mich leider
ganz umsonst bemüht, den Fleck aus
Jhrem Rock herauszubringen«
Hotelgafn »Umsonst? Dann brau
che ich Jhnen also lein Trinkgeld da
Iür zu gehen?« » q
Wiss Mast
»Wie sieht denn der neue Bräuti
gam von unserer Freundin Anna ei
gentlich aus? Ei soll ja wohl ein rei
cher Schneidermeistet fein?«,
«Jaroohl, und so sieht er ehen auch
aus, wie ein gemästeterswirnsiadeni«
III fo!
Leben Sie mit Jhrern philharrno
niiehen Streichquartett, ich he ein
unübertrossenes in meinen o er Jun
gen zu hause«
»Nicht möglich! Sind die Buben fo
musikaliich?«
Reine Spur; ich meine nur, weil
sieh her ihnen immer ein Streich an
den andern reihi.« ,