W Ver äriltäuterx Eine merkwürdige Geschichte von Rein hold Maurice von Stern. »Wie war eigentlich die Geschichte mit dem Zeiltänzey von der Sie mir et mal sprachen?« sagte ich zu meiner Freundin. Wir saßen auf der Veranda des groszen Hotels und tranken unseren Lasset Vor uns glitt der riesengroße Strom. Und meine Freundin erzählte, wäh rend ich auf die blauen, verdammen den Höhenziige blickte, die sich am jen seitigen Ufer wie Wolken lagerten: »Es war in einer kleinen Stadt in Böhmen, wo ich mich als siinsjiibrigeg Kind mit meinen Eltern aus der Durchreise befand. Jch kann mich nicht mehr erinnern, was an Diesem Tage in dieser kleinen Stadt eiaentlich los war. Ein Fest? Jahrmarkt? Jch weiß es nicht. Nur dessen erinnere ich mich, daß aus den Fenstern und von den Dächern Fahnen wehten und daß auch die Thurme mit schwarz-gelben Fahnen geziert waren. Die Straßen waren voll Menschen und der Marltplaß bedeckt von Zelten, Bu den, Karoussells und dergleichen. Hau sit-er ntit Feigen, Orangen und farbi aen Ballons standen an allen Ecken. Die Leiertasten machten einen gewal tiaen Spektakel, der aber bisweilen von fernem, dumpfem Donner über tiint wurde. Ec- wurden Vorbereitungen gemacht, aus denen man ersehen konnte, daß sich ein Seiltänzer aus dem Thurmseil s produciren werde. Das Seil wurde’ atn Thurm der Stadtkirche nnd an einein hohen Padpelbanm vor dem Thore befestigt. I Ich bettelte so lange, bis sich meine : Eltern bereit erklärten, mit mir der« Produktion beizuwohnen. Jn allen ; Straßen waren Vlatate angebracht,« sin denen der Seiltänzer ans dem ge- ! spannten Seil mit der Balancirstange ! abgebildet war. Jch erinnere mich, daß » diese Plalate aus rosa Papier gedruckt ; waren. ; Während des Mittagessens im Gast s hause dachte ich nur an den Seiltänzer. » Endlich schlug die ersehnte Stunde« und wir begaben uns aus den Marti- ; scn , , , platz, wo scholl eine kreiuuniue »me- ! schenmenae versammelt war. Es mußte j gerade etwas sehr Komischeg vassirtl sein; denn es war ein Kreischen und ein ! Gelächter zu hören. Jn einer Ecke des i Marttdlatzeg schienen die Menschen i gewaltsam zurückgedrängt zu sein. l Mit einemMale hörte man die dum- l vsen Schläge einer Paute und eine Art-— s sprache, von der tein Wort zu verstehen l war. Dann began das Einsammeln. s Als der Seiltänzer, dem der Schweiß ! über die hettischen Wangen rann, sich » seinen Weg bis zu uns gebahnt hatte, ? war ich voll Staunen und Bewunde I rang seiner avselgriinen Tritots undi goldenen Fransen. Jch erinnere mich genau, daß der Mann rothhaarig war und Sommer-sprossen hatte. Als mein Vater ihl eine Krone in den Teller wars, machte er eine Ver beugung und lächelte gezwungen. Mir ruisksiel dieses Lächeln, da ich es siir spöttisch hielt. Jch weiß nicht warum, aber es schien mir, als ob er mir einen scheuen, sinsteren Blick zugeworfen i have. Und plötzlich mußte ich ihn mir blutend und mit zerschmetterten Glie dern aus dein Pslaster liegend vorstel len. Und wag noch viel inertwitrdiaer ist, ich hatte dag- unbestimmte Gefühl, das-. er meine Gedanken erracherr habe und von mir sortzutornmen trachte. Er verschwand bald daran im Ge wühl. Plötzlich verstummte das suminende Geräusch der Menge. Es wurde tir chenstill. Der Seiltänzer trat aus dein Thurm aus seine Plattsorrn Das Seil sente sich in leise widvende Beweauna. Dann wurde es auf ein Zeichen ange zogen, daß es prall gespannt war, und der Seiltiinzer begann mit kurzen, bei nahe trippelnden Schritten, in den Händen die schwankende Balancir stange, auf dem Seil in der Richtung auf das Thor und den Pappelbaum zu laufen. Jn der Mitte kniete er nieder und verbeugte sich vor dein Publikum, dag wie unsinnig Beifall klatsckne. 65 donnerte, und die bunten und schwarz gelben Fahnen schlugen ihre Schnipp chen, so das-, er, von allen Seiten in flatternde Fahnen einaebiillt, seinen gesahrvollen Weg fortsetzte. Mir klopfte das Herz so gewaltig, aafz eg mir fast den Athem benahm. Erleich tert seufzte ich, als er die Plattiorni beim Pappelbaum glücklich erreicht hatte. Als die Musik drunten einen munte ren Marsch anstinnntc, setzte er sich nach dem Takt in Linnean-im während er die Stange in kühner Weise uen deln ließ. Die letzte Strecke legte er iin schnellsten Laufschritt zurück. Wieder knatterten Beifallssalven zu ihm hin aus, und er verbeugte sich nach allen Seiten. Und nun begann der zweite Lan ohne Balancirstange. Jch hörte, wie inien Herz vor Angst schlug, und blickte nicht mehr zum Seil hinauf, sondern auf das Pslaster unter dem Seil, wo an einigen Stellen kümmerliches Gras wuchs. Am donnernden Applaus, in den sich das Gewitter mischte, erkannte ich, daß der Mann glücklich wieder beim Pappelbaum angelangt sein müsse. Nun kam mit einem Male eine große Ruhe und erwartungsvolle Neu aier über mich. Wird er glücklich ohne Balaneirstange zum Thurm zurückkeh Sonntags XVI-M i Beilage des ,,Ncliraska Staats-Anzeigcr und Herold«. J. P. Wiuvolph, Herausgehen Grund Island, Nebr» den 27. Dek. 1901 Jahrgang 22 No. 17 ; ren? Mir war, als müßte er mich unter den Hunderten von Menschen erkennen und in meinem Herzen lesen » könn-: .n Jch empfand brennendes Mitleid mit ihm und hätte ihm zu rufen mögen, daß er den Lan unter lassen solle. Er trocknete seine Hande blickte um sich und griff in den Kragen seines Tritotheindes, als ob er ihn lockern oder etwas Beengendeg befeiti gen wollte. Bevor ich es nur bemerkt hatte, daß er sich wieder in Bewegung setzte, war er schon in der Mitte des Seiles ange langt, wo er fein Taschentuch fallen lief-, und es wieder unter neuem Beifall der Menge aufhob. Alsdann verbengte er sich und machte wieder die mißmu thige, charakteristischeAbwehrbeweguna in der Halsaegend Es begann furcht bar zu donnern, und ich sah viele Frauen ihrenRegenschirm aufspannen· Plötzlich bemertte ich, daß das Seil schwankte, gleichsam einwärts knickte, nnd daß der Seiltänzer zuerst stolperte und dann mit den Händen in die Luft griff, als ob er sich an unsichtbarer Habe halten wollte. In diesem Au genblicke schrie ich mit ganzer Kraft meiner geltenden KinderstimmU »Um Gotteswillem er fällt ja!« Gleichzeitig sah ich die apielariine Gestalt mit aus gebreiteten Armen fallen und, mehr mals sich überschlagend, auf das Pfla fter stiirzen. Man hörte einen dumpfen Ton, den ein einheitlicher Aufschrei der Menge verschlang. Ich hatte den Fall mit einem Jucken meines Körpers bealeitet und ich glaubte, das; dieses stricken auch nur eine unbewußte Theil erscheinnna der allgemeinen Beweanna war. Während ich noch den Donner llllU UUV Uciuuultc urs. wenige uuuc und die Fahne iiber mir gleichsam treisförmig zufammenflattern sah. verlor ich das Bewußtsein Der Seiltiinzer ist todt vom Platze fortgetragen worden. Das ist die Geschichte, die Sie zu hören begehrten. Es ist mir heute noch . nicht ganz klar, ob der Mann infolae meines Ausruses stürzte, oder ob ich » den Schrei ausstieß, weil ich ihn tdirl i lich stürzen sah. Jch fürchte fast, ich i bin dieses armen Menschen « Ver bängniß aewesen." Ich biillte mich in den Rauch meiner Uiaarette und bemerkte: »Wohl mög- s lich, liebe Freundin. Und ich fürchte fast, das-, es nicht der einzige Mann ge wesen ist, dessen Verhängnis-, Sie ivaren.« Da leuchtete-i die blauen Nirenaugen und blickten unschuldig und träume risch in die Ferne . . . Dir erste Eraniliis.;. Novellette ddn Saphirs Baiiditz. Vor einigen zwanzig Jahren lagen zwei Villein No. 5 und 7, dicht neben einander, draußen in der Pappel Allee, ganz neu, auf Spekulation hin gebaut, und fast gleichzeitig verkauft. Sie waren ganz gleich, und mit den burbauinuinrandeten Beeten in den simalen Gärten, mit dem niedrigen chengitter, das fte gegen den Weg ab grenzte, und den beiden Thuiabiiuine » ts: ...... k-c...- H- -(.-.. ---c- W mit Untguukh sue-tu In wuc- qup Hsu miliengriibern aug, als nach sonst wag. Jn No. 5 zog der Prokurist Brandt ein, in No. 7 Hauptmann Lousen Beide waren Wittwer und Beide hat ten nur ein Kind. Der Proturist einen Sohn von zwölf, dreizehn Jahren, der Hauptmann eineTochter lzwischen sechs und sieben. Beide waren aute stopenhaaener im Herzen der Stadt geboren -— nnd wie eg Leuten acht, die in ihrer Kind heit nur aus Pslastersteinen aespieli haben und weder Gartenerde noch grii ne Bäume gekannt hatten, so wurden sie plöhlich Gartenliebhaber und sana tisrhe Gärtner. Früh und spät wurde in den schmalen Gartenstreisen geara ben, gesäet und gepslanzt, die Gut declung einer verirrten Unkrautpslan ,ie, die ängstlich aug einein Beet hervor liigte, war eine toilltommene Veran lassiing zum Inten, and die beiden Hausbesitzer waren nahe daran, in ihrem stillen Sinn zu fluchen, wenn ein an und siir sich sehr ivilltoinniener Stiege-muß ihnen das Sprengen am Abend unmöglich machte. Als gute Nachbarn tslauderten sie täglich mit einande-, iiber die Decke hinüber - « nur eine niedriae Dornenheclc trennte die beiden Gärten, - tauchten abwech sslnd ihre Friedengpseise in ihren ge genseitiaen Lauben nnd tauschten re gelmässig ihre Zeitungen aus die die gleiche politische Färbung hatten. Proturists Carl, der zum Winter ais Kordettentadett mit in’g Mittelländi sehe Meer fahren sollte, spielte väter lich mit hanptmanns Anna; die Dienstmädchen liehen sich an Sonn und Festtagen Bier und Butter, ivenn sie vergessen hatten, sich am vorherge henden Abend damit zu versorgen, und selbst der Hund Leg Prokuristen be gniigte sich damit, zn knickt-en, wenn er dem scheetigen Kater des Hauptmann-« auf neutralent Gebiet begegnete. JmD Winter wurde das vall sortge » setzt. Die Nachbarn tarnen häufig den ; Abends zusammen, spielten Piquet, » tauchten und tranken Toddy, philoso- s phirten und politisirten — Alles irn : schönsten Einvernehmen — und wenn ( Briefe von Carl kamen ---- ans Cadiz, ( Malta oder dein Piräug — ging der Prokurist regelmäßig zum Hauptmann ( hinüber, und las sie laut vor. si- e it- l Es war an einem Tage Ende März. « Auf der Nordseite des Hauses-. lagen i noch große Schneehausen, aber die ; Sonne schien warm, man betarnFriihi lingsahnungem nnd der Prokurist ging in seinen Garten hinauLs. Er nahm die Tannenreiser von den drei bochstäms l rnigen Rosen, legte die Matten bei Seite, damit die zarten Schößlinge der Hyazintben Sonne bekämen, und ging Dann zur Hecke, um nackt-zusehen, ob l nicht eine Eranrbis ausgesprungen sein sollte. »Guten Morgen, Hex-: Prokurist!« tönte eLi von der anderm Seite der Hecke. »Er-ten Morgen, Herr Hauptmann! — Meine Eranthikp sitzen voll von Knospen; in einigm Tagen springen sie aus. « ,,Pal)!« antwortete der Hauptmann »Meine sind schon ansgefvrimaen.« Der Protnrist beugte sieh übcr die i Hekte -— ja, es hatte seine Richtigkeit damit: es war ordentlich gelb driibesi in Dem Beet les Hatiptinirnns, gelb von Ekanthis, so das; es einem ordent licb in Den Augen weh that. Ter Proturist ging ins Hans, aber nach einer halben Stunde tcrn er wies I Der hinaus. Der Hauptmann war noch in seinem Garten beschäftigt. — ,,.L)ören Sie mal, Herr Hauptmann, ich habe hin nnd her überlegt, weshalb meine Eranthis weiter zurück sind, wie ihre, uno setzt weiß ich es: der Ahorn baum hat Schuld; der beschattet mein Beet.« »Ach wag, das bischen Schatten!«j »Ja, es muß aber Doch daran lie geni« »So lanzae er teine Blätter hat, kann « er Doch wahrhaftig nicht s« »Ja, es wiro natürlich noch schlim mer, wenn er erst angsprinat.« antwor—- s tete der Protnrift bedenklich und ging I wieder in’g Haus. l i Der Ahorn stand ans der Grenze, aber mehr auf dein Boden des Haupt- , manns, nnd im vergangenen Sommer hatten Die beiden Nachbarn sich man-« ; cheö Mal gemeinsam über bessen schöne, I gesunde Krone gefreut, und sich wir-I zwei große Kinder in Ida-J Nest, Das « ein Hänflina sich darin aebaut batie, aetheilt; aber seit jenem Frühliciastaae wurde ec· dem Proturisten mehr unb mehr klar, baß der Ahorn seinen Grund ganz fürchterlich beschattete,E unb der Schatten wurde mit jedem Tage größer --— er sah ihn sogar, wenn die Sonne nicht schien. ,.Dieser Ast muß jedenfalls fort!« sagte er eines Abends zum Hans-: mann. »Meine Leotoyen tönnen gar nichtU Darunter gedeihen.« »wa, oann numen ne ei- Dtetoen lassen!« antwortete der Haupttnanni »Sie können es doch nicht sein, ums dere toillen man den herrlichen Baum l atnpntiren sollte!« »Ja, das konnte man leicht von an ! derer Leute Levtonen saaen,« meinte-! der Protnrist nnd wurde bitterer nnd s bitterer. Jn dieser Nacht schlies er, nicht, und zeitig am nächsten Morgen I siigtk » Den Ast ah, legte itm iitiek die ! Hecke, hiniiber in den Garten desl Haupttnannsj nnd schlich sich dann da- . von. Eine Stunde später tvar der Ast zn s dem Prokuristen hiniiber aetnorsent morden nnd lag in einem Beet von l Gladioletn wo er drei, vier von den i zarten Stenaeln geknickt hatte-. s Seit diesem Tage grüßten die beiden : Nachbarn sich nicht mehr, der Protnrist i beste seinen Hund auf den Fiater des i Hattpitttanns, nnd die Dienstmädchen warfen den sie-of in den Nacken, wenn sie sich begegneten Bevor der Protttrist seine Sommer Ferienreise antrat, zn seinent Bruder nach Jütland, sprach er tnit einem Rechtsantvatt das muß man nie thun ----- und in dem Lande der Jiiien bekam er von diesem Rechtsantvalt die befriedigende Mittheilttng, daß der Hauptmann, nachdem eine Ztvangsun tersuchung vorgenommen worden war, den Ahornbaum hatte fällen lassen müssen. Einen Monat später kam der Pto kurist von Jütland zurück, und wäh rend er in der Droschke saß, die ihn vom Bahnhof nach Hause fuhr, freute er sich die ganze eZit aus den Baum, der nicht mehr da war. Aber er sollte etwas Anderes zu se hen bekommen. Auf der Seite des Hauptmanns war neben der Dornenhecke eine hohe Mauer errichtet worden, so hoch wie das Bau gesetz es überhaupt zuließ Wund da die Villa des Hauptmanns siidlich von der des Prokuristen sag, so war dieser sozusagen jegliche Sonne genommen worden, nichi allein dem Gartenstrei fen zwischen den beiden Grundstücken, sondern auch dem Hause selbst. Der Proturist wollte ausziehen, aber er gab es wieder auf: den Triumph wollte er doch de mHauptmann nicht gönnen. Il· si- III Jahre vergingen. Der Prolurist sah seinen Sohn nur selten —-- er war ja aus der Ofsiziersschule — und er war darum viel allein. Er wurde stontorchef s— sast zur selben Zeit, wie oer Hauptmann Oberstleurnant wurde -- aber er alterte vorzeitig, und seine Freunde sagten, er sähe aus wie ein Mann, der auf der Schattenseite des Lebens wohne. Dann wurde der Sohn Leutnant, und dag war natürlich ein großes Er eigniß. Er bekam sein erstes Kom manda und kam wieder nach Hause, besuchte die Schießschule, tam viel auf Balle und in Gesellschaften, aber wohnte immer noch draußen beim Vater. »Ich sehe, Du griiszt die Tochter von diesem Oberstleutnani,«., sagte der Kontorchef eine-J Tages zu seinem Sonn. Jst das absolut nothwen Dige »«L)lber Papa, man fiilsrt doch nicht ; striea mit iunaen Damen.« anworteie · ber junge Lentnant uno lächelte ge zwangen. »Aber den Vater brauchtest Du doch wenigstens nicht zu grüßen!« »Er ist doch Offizier.« »Das ist wahr — Offizier, aber tein Gentleman!« Der Oberstleutnant war auch älter geworden — selbstverständlich —- aber an Sonnenschein fehlte es ihm nicht. Er war bei seinen Vorgesetzten gut an geschrieben, wurde zit ausländischen Manöbern toinmandirt, bekam hohe Orden ss— die Rosen gediehen in seinem Garien, und Anna, seine Tochter, war eine vollständige Schönheit geworden, frisch und bliiheno. Aber eines Winterg s— sie war da mals achtzehn Jahre ss fing sie an, wie der Vater sagte, abzutlappem sie verlor ihre Farbe nnv ihren Humor. — »Du tanzt zu viel, mein Kind!« sagte ver Oberstleutnant. »Das kannst Du nicht Veriraaen!« Sie schüttelte Den Kopf nno lächelte, aber es ivar nicht »sehr ate« Das alte Lächeln. Uno Der Oberstleutnant svetulirte uno spetulirte, uno ariimte sich, unb bevor der Winter noch vorbei war, Its-er iein Haar fast weiß geworden s- st- si An einem Frühlings-tagte zeitig am Morgen, wurde der Konkorchef durch einen ganz ungewöhnlichen Lärm beim Nachbarn geweckt: es klang, als ob ein Fest vorbereitet würde, sv wurde ge hammert und gettopst. Er richtete sich im Bett aus; im sel: ben Augenblick ertönte ein Krach, und ein Sonnenstreisen voll und warm, brach durch dac- Fenster und legte sich drinnen wie ein Teppich auf den Fitszs luden, wo seit vielen Jahren tesn Sonnenschein nehr aeioesen war. Er stürzte an’g Fenster und sah hinaus-; inan mar im Begriff die Mauer einznreiseem der mittlere Theil iaar schon gefallen! Kaum war der stontorchef angekier :et, als der Oberstleutnant its-J O,-im mer trat. Die beiden Mcinner niafiei sich mit den Blicken, sie hat ein sah ia so lar lage nicht in die Augen gesehen »Gott, wie ist er alt getoorren;« dachte rer cberstleutnanh nnd de-· Kontor elxes ertappte sich selbst data-is, .oie e: die t:-eis3en Haare des Oberstlentnants lett. chtete Keiner von ihnen wollte anfai Ier t, aber schließlich faßte der Islerstlenc nant einen kurzen Entschluß nnd sagte-: »Die Mauer wird jetzt eingerissm Jch kann es aus die Dauer nicht ertragen, daß Sie « oder Jhr Haus — mir mein bischen Sonnenschein rauben, und Sie oder Ihr Haus — sind aus dem besten Wege da«iu!« »Jch!« rief der Kontorchef zitternd. ,,Habe ich Jhnen vielleicht die Sonne genommen? Ich —« »Ja, Sie,« antwortete der Oberst leutnant ruhig. ,,Denn mein Sonnen schein war Anna, und die gehört mir nicht mehr.« Der Kontorehes riß die Augen anf, und hat später eingestanden, daß er s wohl sehr dumm ausgefehn hat »Sie . gehört Jhnen nicht mehr?« fragte er »Nein. Sie ist hier drüben mit all ihren Gedanken, mit ihrer ganzen Seele. Wenn ich Jhnen Jhre Sonne , genommen habe, so hat Jhr Sohn sich Jjetzt dafür gerächt. Aber wenn die; ; Mauer fällt, kann es noch tvieger ge: i nug Sonnenschein für uns beide Alten geben« s Und darin mußte der Kont orchef z später dein Oberstlentnant Recht geben. Deiitarlil.iiid’s lärirasitmid Wie der Schatz im Juliusthurm revi dirt wird. 120 Millionen Mart in Gold. Wie alle alten Voll-er den Traum vom Paradiese iräumten, fei eg, daß sie es in die Vergangenheit oder in die Zukunft verlegten, so wußten sie auch von einem irgendwo verborgenen gro fzen, ftrahlenden Schatze zu erzählen, den nur ein Glückelind finden konnte. Bald war es eine Höhle, bald eine Halle, die von eitel Gold erglänzte. Ein wunderbare-r Ring besaß, wenn man ihn dreimal drehte, die Kraft, das schwere Thor zu sprengen, oder man mußte eine dem Spechte abge jagte Springwurzel schwingen, wo ran mit furchtbarem Krzrchen und Ge Prassel die Pforten fich öffneten. Bis weilen auch erzählt die Sage von einer alle Jahrhunderte einmal er bliihenden Wunderblume, die dem Suchenden den Zugang zu den Herr lichteiten weist. Und wag alles schaut dac- entzückte Auge dann vor sich ang nefinsisestt staff-n mir frei- Risiken-n l l erzälilerin von Tausend und einer Nacht das Wort: »Von Gold waren die Wände, die Decken und der Boden der Halle, von Gold waren die Tische und sonstigen Geräthe, die den Raum erfüllten; und überall lagen Haufen glänzender Goldmünzen aufgeschichs tet.« Aehnlich raunen es sich die aros ßen nnd die kleinen Kinder im Harze zu: Nähe dem Brocken liegt die Höhle, »wi) die Zwerge in ihren mächtigen Gemächern wohnen, wo Gold liegt wie Sand am Meere, wo die Edelsteine an den Wänden blitzen nnd die Zwerge ihre Spiele nnd Schmaufereien hal ten.« So schwelgt die Vollsphantasie in der Schilderung des Goldglanzegund der Wonnen eines durch leine Sorge um das tägliche Brod getriibten Da seins. Der Bediirftigteit bedeutet Gold dag- Gliict. Man träumt sich hinweg aus- der Niedernng in die Höhe, aus der Hütte in den Palast. Man ahnt, das-, Stieichtlntm Macht ist nnd Herrschaft iiber andere verleiht. Was dass Leben versagt, will man in Gedanken genießen, eine Welt, die schöner, beseligender ist als die Wirt-« lieb-kein Jst Dass Traumbild Wahrheit ge wurdens Ec- aiedt in Deutschland einen Ort, der einen Schatz birgt, wie ilm der VolksgeisL der die Sagen spinnt, nicht glänzender erdichten könnte. Da liegt dag rothe Gold in gemiinz ten Stücken von zehn nnd zwanzig Mart, zusammen 120 Millionen. Wes nige baden die Schätze geschaut: denn nnr einmal im Jahre öffnet sich die Pforte, die zu ilmen stinkt Doch eg ist Lein Ziiiiberberg, sondern ein fester JUUUH ’ - Uck assuclustdlljllllll lll III-Pult dan und eLs bedarf keine-J Rinqu nnd keiner Wunderblume, um ihn zn erschließetn sondern sechs triiftiaer Schlüssel, die ein Kurator und ein Rendant zur Stelle brinaen. Der Lefsnuna wohnt ein Mitglied der Rieichgschuloentommission bei, undalsJ solches konnte dies-mal -— Mitte Of tober dieses Jahres —-— ich den Thurm betreten. Die erste eiserne Thiir qeht ans. Ein Stillleben aus dem Thierreich bietet sieh dem ijberraschten Auge-. Ganze Sihwiirme bon Marienwiirmeben ni» ften dort in einer Spalte nnd fahren, plötzlich durch dass helle Tages-licht aufgestört, wirr artheiimnder, um sich einen nenen schiiszenden Winkel zn suchen. Jetzt dreht sieh oie zweite Thiir in ihren Anqeln. Sie besteht nicht ausz« Eisenplattetn sondern aus«-L tsiseiistiibeth welche. während sieh das Geschäft der Revision ooll«3ielit, dem Lichte nnd der Luft Zutritt lassen. Endlich knarrt die dritte Thiir, und wir sind im Inneren des Thurme-. Da stehen sie, die schmucklosen Holz kisten mit ihrem goldigen Inhalt, ne ben- nnd iibereinander arrsaestcipelt Fiinszehn Stapel mit je dreißig stiften unten nnd zweiundzwanzig Stavel zu ie dreißig, sechs Stapel zu je fünfzehn im oberen Geschoss» zu welchem eine hölzerne Wendeltreppe, empor führt. Die Kisten mögen-je anderthalb Fuß in der Länae und einen halben in der Breite messen. Ihr Gewicht beträgt je etwa 87 Pfund. Jede dieser Kisten M enthält 100,000 Mart, theils in Zeiss-. theils in Zwanzig-Markstiicken, welche sich aus zehn Leinenbeutel gleichmäßig vertheilen. 1200 Behälter mit je 10(),000 Mart - das ergiebt die Summe von 120 Millionen, welche durch das Gesetz vom 11. November 1871 aus der französischen Kriegsent schädigung sitt die Zwecke einer küns tigen Mobismachung zurückgelegt worden sind. Man zählt die Kisten und prüft die Siegel. Das Mitglied der Reichs schuldentommission bezeichnet einige Behälter, die probeweise gewogen und gestürzt werden sollen. Ein Unter beamter und zwei Arbeiter holen die so bezeichneten herbei und setzen sie aus eine Decimalwage Das Jstgewicht stimmte mit dem auf einem Zettel auf der Auszenseite verinertten Sollgewicht noch immer überein. Soweit sich eine Differenz herausstellt, beträgt fie nur wenige Gramm und ist durch den ver schiedenen Feuchtigteitsgehalt der Lust bedingt. Nun aeht man daran, eine der ge wogenen stiften zu öffnen· Die Eisen vleche, welche sie umschließen, werden mit einem Stemmeisen gelöst, die nicht eben dünnen und kurzen Nägel mittelg- einer Zunge entfernt, der Destel öffnet sich, die schweren Leinerp beutel sind in unserer Hand. Wir stellen sie auf eine zweite Wage, zu welcher besondere, der Münzschwere annepaszte uno geaichte Gewichte ans-· gefertiat find. Auch hier ergiebt sich teine Differenz. Gleichwohl begniiat man sich noch nicht mit dieser Probe, sondern löst Dai- Sieael von einem wiederum be liebig aiigqewiihlten Beutel und schüt tet den Inhalt auf die Wagschale. Da liegen sie nun, die aleißenden Metall scheiben mit ihrem verführerischen Reiz und lachen Die Umstehenden an, alg wollten sie sagen: Greift nur zu! Die Umsichenden lachen auch Und be rechnen scherzend, wie weit wohl die Zehntnnsend reichen würden. Die titoldsiiiete werden in den Sack zurück neschiittet, und derselbe hat sich in seinem nochmals- sestgestellten Ge sammtgewicht nicht um eine Unze ver mindert. Die Holztiste wird wieder verna nelt, dann versiegelt und zusammen mit den iibriaen von den beiden Ar neuern genau an oresetoe Oreue z riictgeiragen, von welcher sie gehokk worden war Ein Protokoll verzeich net, wag alles vorgenommen wurde , und schließt wie stets, so auch diesmak mit der beruhigenden Versicheru - daß zu Bedenken keinerlei Anlaß vir gelegen habe. Die bescheidenen Ste rinker«zen, welche mit dem durch d Eisenstäbe hsereinsallenden Tageslicht geweiteifert haben, das Dunkel des . Thurnieg zu erhellen, werden ausge löfcht, die drei Eisenthüren wieder ge hörig verschlossen, und die Jnventur ist beendet· Doch halt! Zur höheren Sicherheit muß noch ein Gang gemacht werden, hinab in den Keller nämlich, der an den Juliusthurm grenzt. Wer weiß, vielleicht könnten von hier aus Unter minirunggversuche gemacht werden! Die Mauern des Thurmes sind zwar mehr alsJ zwei Meter dick; aber schlech ten IJlenschen ist alles zuzutrauem Darum durchschreiten wir gebückt den Keller bis an die dem Thurm zunächst gelegene Wand, überzeugen uns vor- E schriftemäszig das-, sie nicht zerstofzem zerschunden oder durchlöchert ist, und lehren, ersiillt den dem erhebend-en Bewußtsein unsere Pflicht bis- zum Tiipfelchen auf dem i gethan zu haben. ins Freie zuriick, wo uniJ Von dem durch stastanienlsiiume aeschmiiclten Uebungsdlatz frische Luft entgegen weht. Tie gleiche Untersuchung der Fiel lerwand wird täglich ddn einem Osfi ner voraenomm n, und einmal im Jahre-, in der Regel im Frühjahr, er scheinen um lleberslusz zwei von den ir)....t:..... . Nu .«'. ... — i...-.»4»... ..... ohne Begleitung eine-S Mitgliedes- der Liieichgscbuldenlommission, um sich Ebenfalls von der llnversehrtheit jener Wand »Hu überzeugen Ueberdies be wacht Taa und Nacht cin Milliar poslen, der alle zwei Stunden, im Iliinter jede Stunde, aliaelöst wird, die Stelle, wo der deutsche Reichs lrieaskfchatz ruht. Durch solche Si lierljeitgdorlelsrunaen dürften alle la jterlmsleu klieaiingen im Reime erstickt derden Ob es »jiueckiiiiis-,ia ist, 120 Millio icn ungenutzt lieaen zu lassen und 4,5 Millionen Mart jährlich au Zinsen zu verlieren? Die Gegenwart mit ihrem entwickel ten liredilwesen wird dariiber anders realen, als die L eraanaenheit gedacht hat. Teutsiljland ist jedenfalls der kiujiae Nroszslaai, welcher eitle derar "iqe T-cl)at3satnuiluna besitzt. Beieiner unfauareiiljeu Lljiobilmachunn wird sie n einigen Tagen erschöpsl sein, denn Die Siostem die im Jahre 1870 allein Iiir Preußen täglich ls Millionen Mark )clruacn, sind seitdem mit der Ver ueljruua der Präsenzstärke des Heer-Z lud der Mrieggschisse ganz erheblich iewaclssen Wie viel ljätle Deutschland heute, Denn während der dreißig Jahre von - diesen lzll Millionen Hin-Z aUsZins ielouuueu wäre? Da haben sie einen Mann einge sperrt ins Narrenhaus, weil er rief: , »Ach bin der reichste Mann der Welts« -— Woher wissen nun die Leute, daß dass - Mannes Wahn ihn nicht wirklich reits machte, glücklicher als materielles Reichlhum es zu thun vermag? N ?. l«l