Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 27, 1901, Sonntags-Blatt, Image 16

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    —,
ENGEL der jkimsicewtiss
Roman von Gez- Tws THE-Weint
Autorificte deutsche Uebnsetzunq von F IS IHHZ .
zwide se "
Wmfffff
(9. FortfehungJ
Bei-n zweiten Läuten der Direct
ldcke verließen Viktor und Dudley ihr
» immer, nnd im gleichen Moment trat
nach France-Sen ans dem ihrigen. Mit
Blicken der Bewunderung wurde sie
von ihren Vettern begrüßt Sie trug
eine Rose von rothetn Sammet mit
piereckigein Haliausschnitt und weiten,
liber den Ellenbogen herabreichenden
Vertrieb Sie sah aus wie ein herrli
chei lebend gewordenes florentiniiches
Zith, nnd ganz besonders wurde das «
blendende Weiß ihrer Haut durch die
satte Farbe ihres Kleides hervorgeht
ben. Selbst aus den alten Welldory
der bei Tisch nufwartete, machte ihre
bestrickende Schönheit wider seinen
Willen Eindruck
»Kleider machen Leute, sagt das
Sprichwort, nnd der Putz thut aller
dings viel bei den Frauenzimmern,«
vertraute er nachträglich Suse und der
Köchin an; aber diese Francesca ist ein
wirklich schönes Weil-, es läßt sich nicht
abstreitern Die seliqe Frau Welldon
inne schön in ihrer Art, wenn sie auch
ein Temperament hatte wie eine Ti
aerkihn Aber diese Francesca ist et
was ganz anderes als die gewöhnliche
Schönheit. Nach meiner unmaßgebli
then Bridatansicht ist eine Frau, wenn
se schön wie diese, nicht verantwortlich
zu machen, für das Unheil, das sie an
richtet, und solch eine müßte um der
öffentlichen Sicherheit willen so früh
wie möglich weggeheirathet werden«
»Sei-In oder nicht schön«, wars Suse
spis ein, »so ist sie doch fünfundzwani
Fig Jahre-alt geworden, ohne einen
·
Mann gekriegt zu haben
.Sie sind siebennndzwanzig, Suse,
und haben auch noch leinen. obgleich
man in Ihrem Falle nicht i en kann,
das Sie es an Bemühungen - dreiseits
Ellen fehlen lassen!«
Jtn Speisezimmek übte Francesca’s
bslendeude Erscheinung auf die versam
ntelten Familienmitglieder gleich be
strickenden Zauber aus, wie es der Fall
sei Welldon gewesen. Dudlen sowohl
wie Viktor waren fast unfähig, den
Blick don« ihr abzuwenden; und die
kleine Beity befand sich in einer wah
ren Extafe von Bewunderung. Selbst
Frau Nevelsworth geruhte. sich über
die Tollette ihrer Nichte wohlgefiillig
auszusprechen
»Du bist eigentlich viel zu elegant
fiir solch bescheidenen ruhiges Diner
mit Deinen Verwandten!" meinte sie.
.Es ist aber ein wirklich loslbares Ge
wand. Was ist denn aber das für ein
faßliches Ding. das Du am Arme
hast«-F
Das «,häßliche Ding«, dac- einzige
Schinuckstiick an Irancesco. war ein
Armband von emaillirtem Gold, das
sich in Gestalt einer Schlange um ihr
linkes handgelent wand.
»Das ist mein einziges bischenGold
schmuck, den ich besitze, liebe Tante. Ich
trage dasArmband stets »für’3 Glück.«
.Gliick?! Nun, es ist ja ein ekliges
fiel-til mit einem großen häßlichen
Kopfe —- ein gräßliches Ding zum
Ist-Ists- I«
Is-,
»Mein Vater schenkte es mir kurzei
Zeit vor seinem Tode«, erklärte Fran-- i
cesca mit liebender Stimme, »und ich !
hoffe es zu tragen, so lange ich lehe!«
Viktor, neben ihr sitzend, sah sich das
Kleinod an, wo es sich doppelt uni den
blendend weißen Arm seiner Cousine
schlang. Ohne dem Vorurtheil seiner
Tante beipflicbien zu wollen, fühlte er »
sich doch von einem Schauetbeben ;
durchkieselt, wie er die realistische Fär-— ;
bunq der Emaillearbeit, das stumpfe ’
Grün und die braunen Tinten, wie es
gewissen Arten von Nattern eigen, so
getreu reprodncirt fand. Jnsonderheii
der Kopf mir feiner dunkelm Krone
und gelbgesorenielien Kehle erschien
zum Entsetzen lebenswahr.
»Es ist gräßlich!« rief er. »Sie sind
zu schän, Irancescm solch ein häßlicheg
Sämnckstiick zu tragen!«
»Ich kann das weitveebreitete Bor
uriheil gegen Schlangen nicht begrei
fen«, erwiderte sie gelassen. »Sie sind
oft ganz niedlich und anmuthig und
nur in seltenen Fällen giftig.«
« »Wir werden Sie nach dem Schlan
genäause im Zoologischen Garten füh
,.ren. Consine, und anen die große
Beherrscht-ang- zeigen«, mischte sich
Indien in? Gesproch. »Aber da Sie
eine Liebhaberin von dergleichen
Schmucgegenständen sind, werden Sie
H denkt Winlich zum Gürtel ha
iai Max
« R Mut das eine krankhafteBotg
Mc redete M siedet-works in
. . wieder dazwischen
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fffffffffffffffvvsvavffvs
Sommer im White Starshotel wohn
ten. und sich als Lieblingsthiere Frö
sche hielten? Ganz fürchterlich blaß sa
hen sie alle ausl«
»Aber zwischen Fröschehalten und
blassem Aussehen liegt doch tein ver
wandter Zusammenhang, Betth«, pro
testirte Dudley: und bei der vertrauli
chen Nennuna ihres Tausnamens flo
gen die Blicke sowohl seiner Tante wie
auch seiner.Cousine rasch hinüber zu
dem jungen Mädchen.
Bettn lachte erröthend.
»Aber Ungesundheii und Bläsfe ge
hen gewöhnlich Hand in hand, nicht
wahr?« versetzte sie. »Und Frau Re
delsworth betrachtete Fröschehalten als
ungesund.«
»Allons donc!« rief Viktor. »Dann
sind alle kleinen Schuljunaen als un
aesund zu betrachten. und die sehen
doch nicht blaß aus! Jn der Schule
hatte ich selbst ein paar weiße Mäuse
in den Rocktaschen, glänzende Käfer im
Huie und eine Eidechse oder Schild
kröte in den Hosentaschen Ich liebte
Thiere, sehen Sie!«
Kranke-sen liebt Thiere aber nichi,'«
konnte die alte Dame, die gegen ihre
Nichte wegen ihres sonderbaren Ge
schmackes in Schmuckaegenftönden zor
nig gesinnt zu sein schien, zu bemerken
nicht unterlassen. »Hunde, wenn ich
mich recht erinnere, mag sie nicht«
«Wilde Hunde maq ich nicht. ge
wiß«. räumte Franeesca sanft ein, »be
strebe mich aber, nicht merken zu lassen,
das; ich mich vor ihnen fürchte.«
»Da wir gerade von Hunden spre
chen, fällt mir ein.«· ergriff Frau Re
velsworth wiederum das Wort, »daß
ich Briton seit zwei Tagen nicht gese
hen habe. Nun ist er doch sicher za
rüttgelomrnen Warum denn die ge
heimnißvallen Mienen? Jst der hund
vielleicht aestohlen worden, oder ihm
sonst etwas begegnet, das man mir
vorenthalten hat? Bettv, sag« mir so
gleich die reine Wahrheit!«
»Der arme Briton ist nicht ganz
munter!« stotterte Betth.
Aber Welldon, aus den seine Gebie
terin einen sraaenden Blict richtete, fiel
an dieser Stelle gleich mit der Thitr
in’«s Hauf-.
«Briton ist gestern Abend trepirt,
gnädige Frau! Als Sie von Ihrer
Spavzinfahrt lamen, fand ich ihn schon
todt.«
«Briton todt?!« rief die alte Dame,
sich blaß, erregt und zornig von ihrem
Stuhle erhebend. »Und warum ist
mir das nicht gesagt worden? Und wie
ist es denn zugegangen?«
«Gestethvrmittag wurde er tranl,«
berichtete Beiw. »Wir fürchteten uns
aber, es Jhnen zu sagen. Herr
O’Meara hat sich sehr viel Mühe mit
ihm gegeben, hat auch den Thierarzt
kommen lassen, der ihn in Behandlung ;
genommen hat. Aber er muß sich mit «
anderen Hunden herumgebissen und
auch etwas gefressen haben, das ihm
schlecht bekommen ist. Er verendete
gestern zwischen fünf und sechs llhr.« -
»Und Da ließest mich meine Mahl
t
scucu g(lu(lj(ll, Ulfllc «le cllUUT Fu HK 4
gen! Das war gesiihlloes und salichk
Jch will das arme Thier sogleich ie
hen!« ·
,,Sein Kavaver ist heute auf dem »
Wirthschaståhose eingeqraben worden,
Frau Revelsworth Wir wollten Sie T
ja nur schonen.« »
»Ich will aber nicht in Der Weise
geschont werben, daß man mich in Un
lenntnisz erhält über bas, was in knei
nem Hause vorgeht l'« erklärte sie schars
Sie hatte sich nicht wieder gesetzt
und saltete jetzt mit vor Erregung be
henden Händen ihre Seroiette zusam
men, legte sie aus den Tisch und schritt,
ohne noch ein Wort an die übrige Ge
sellschaft zu verschwenden oder auch
den Braten aus ihrem Teller nur ge
kostet zu haben, majestatisch aus dem
Gemach.
Betth hatte sich gleichfalls erhoben,
und, bei den anderen sich slüchtig ent
schuldigend, eilte sie ihrer Principalin
« nach.
; Aufregung ist nachtheilig siir sie,·'
wisperte sie beim Verlassen des Zim
mers. »Ich muß sie zu beruhigen ver
suchen.«
Die beiden jungen hetren staner
gleichfalls auf und sahen einander un
entschlofsen an. Francesea ließ sich
dagegen durch die Vorgänge im Ge
nuss ihres Dünn- nicht stören, sie bat
den « sustvartenden Haujhosmeisier
ganz ruhig, ihr vie neuen Kartoffeln zu
reichen
»Von welchem Nasen wäre es denn,
wenn wir fasten würden, urn ihr zu
folge-IF tot-note sie sich auf Französisch
are ihn TM »Ja einer halben
kiffen nnd fiå dsdnteh den dd zuse
-znnen hat« nnd durch Dei-eben sinnen
wir ihn weh nickt-i wieder in? Leben
zurückrufen«
»Das arme kleine Fesntein setth
wird die ganz-e As Aber den Kopf
betomment« meinte five-. als er und
Dndleh ihre Pkäse wieder einnahinen.
»Sie ift to gut nnd theilnehmend, die
lleine Betty.«
»Sie wird ja auch demgemäß ge
schätzt, freue ich mich, sagen zu tön
nen.« bemerkte Innres-en . ch habe
ihren Verehrer auf Station ingiton
gesehen —- ein schöner, anziehender,
junger Mann. Bitte, noch etwas
Sparael!«
»Ihr Verehrer? Hat sie denn einen
Verehrer?«
»Er wohnt an der anderen Seite dee
Angers, glauh" ich, und-hat der Tante
Pferdeftälle gemiethet. Sie ist auch
solch niedliches hübsches Ding. daß ich
mich für ihre kleine Herzensangelrgens »
heit aufrichtig interessier. Sie dürfen »
sie aber nicht« damit necken, das würde ’
sie, glaub· ich« nicht gern sehen.« «
»Es wird einein ein bischen bange,
nach dem tleinen Zwischenfall wieder
zur Tante in den Salon zu gehen.«
äußerte Dudled. «Doch es wird sich
nicht andere thun lassen.'«
Der Vorfall hatte dem Anschein
nach die Jnsassen von Reoelswortd
Hause in zwei Lager getheilt -·— die
Herrin des Hauses nnd Betth in dem
einen, Francesca und die beiden jun
gen Männer in dem anderen.
.Tante Margaret sollte die ftnubige
nutzlose Bibliothel in ein Billardzims
mer umwandeln lassen," warf Fran
cesra ietzt hin, indem sie ihren Teller
mit Dessert füllte. »Mit fiinfziq bis
sechzig Pfund Sterling ließe fich die
Geschichte herstellen.«
»Wer soll ihr das denn beibringen?«
fragte Viktor mit einer komischen
Grimasse.
»Jch,« erklärte Francesra.
Sie war io anmuidia und großartia .
in ihrer ruhigen Selbstbehereichunas
ihrem sanften Wesen. und ersichtlicher
rnasIen im Genusse, den das Diner ihr
spendete, wie auch srei von allerFurcht
vor ihrer gestrengen Taute, daß ihre
beiden Vettern sie mit Vers und Be
wunderung anblickien. Sie hatte bei
Tische stanziisisch zu sprechen einge
siihri, welche Sprache sie fast in glei
chem Grade beherrschie, wie die jungen
Herren selbst, so daß Welldon’s und
Susen’s Gegenwart in keiner Weise
genirtr.
»Noch allein.« fuhr sie sort und rich
tete ihre glänzenden blauen Augen,die
solch magneiischen Zauber aus Dudlen
übten, aus sein Angesicht, .nach allem
sind wir doch die Erben des Vermö
gens — wir drei ——und es ist nur recht
und billig, daß während unseres hiesi
gen Ausenihaltes auch ein bischen siir
Unterhaltung und Annehmlichkeit ge
sorgt wird. Die Zeiten Onkel Jsaals,
der eiaenhändig arbeitete, Geld und
Besißthurn zu erwerben. sind doch ietzt
nicht mehr. Unsere Tante hat zum
Schaffen nichts gethan, hat uns nur
lornrnen lassen, als sie nicht mehr an
ders tonnie. Warum also sollen wir
uns vor ihr in den Staub demüthi
aen? Ich für meine Person kann nicht
heucheln und bin der Meinung, daß
Tante Margaret, indem sie uns nach
vielen Jahren mühevollen Ringens
und herben Kämpsens nun uns sich ver
sammelt, blos einen Akt der Gerechtig
leit zur Ausführung gebracht hat —
sonst weiter nichts."
f »Jetzt endlich.« dachte Dudled, «zeigt
J
i
e ikas in ihrer wahren wenaltt"
Aber trotz seiner nicht ehen allzu
hohen Meinuan von seiner Uoustne
war er unfähig, den Blick von ihr ab
;umenben. Ihre Kühnheit, Ruhe, ihre
ernifckse Offenheit schienen seinettthani
taiie zu umstricken und mit Zauber
banven zu umschlingen. fait in gleichem
Grave. tvie ihre einzige Schönheit es
aeivirtt Die Art und Weise, mit der
fie sie, eine arme Vetoanvte, vie im
Hause einer reichen, selbstherrlichen als
ten Frau das Gnaverthroh genoß -— es
fertia gebracht hatte, im Zeitraum von
nur wenigen Stunden ihre Indivi
dualität zur Geltung zu bringen und
sich ihre Stellung zu schaffen, setzte
ihn wahrhaft in Erstaunen
»Es steckt Härte und Grauiaxnteit in
ihr,« war Dahin-'s innere Augiegung J
»aber, heim Jupiter· sie ist doch ein he- «
wundernswerihes Geschöpr
XllL
Ehe noch 14 Tage verstrichen. seit
j Francesca mit ihrer Mutter in Mel-eis
I
wotth Hause sich installirt, da teat
schon in voller Deutlichkeit hervor, daß
es mit her unumschräntten Herrtchaft
her beiahrten Befrherin vorbei war.
Francesca benahm sich stets höflich
gegen ihre Taute, stets rüctsichtsvocl
und außerordentlich geduldig, urn nicht
zu sagen verächtlich indifferent unter
den Geißelungen ver furchth aren un
ae der alten Dame. An der ache
aber, vie sie durchzusehen sich vorge
nommen, hielt sie unerfchtitterlich fes,
mochte es sich handeln, mir was es nur
wollte, um Gurt-erobe, Speisen. oder
Ausfüllung her Muhestunden oder
iouit etwa-. hm sechs-ihrer
Rückkehr m
Tische ihre Taste is Wan
PMB-TM M
jzlietwkin- ««
« Wer-Is
i
lebete nnd Erzieljvngsschriften und
dergleichen drin. die keiner liest, .da
alle neu angefchasfkeu Bücher oben be
halten werden. Ei wäre das so hübsch
fiir die Junge-IF
.Bielleichi,« erwiderte Frau Neuli- «
wprtls in eiiigsatlastischem Tone, s
«willft Du als junge Dame, die es mit H
dein Fortschritt hält, als Meister-Bil- i
lardfpielerin auftreienW ·
»Das durchaus nicht, Tante Mars !
-aaret," gab Francesra mit einemsbeg i
Izaubernden Lächeln zuriielx »ich habe
» sehr selten nur zu spielen versucht. Es
ist aber wunderschön, in einem hause. s
» wo beeren sind, ein Billard zu haben. ·
TEO macht ihnen ier Heim anziehen: «
der.'
»Gebt es noch andere Verbesserun
gen, die Du sitt mein Haus, das Du
aber als das Deinige zu betrachten E
fcheinst,« fragte die Tante mit lieseins .
i
les-. W ask-w a- ßsp ja up- ge
I
t
l
!
schneidendem Nachher-C »in Vorschlag
drinnen lönntesi?«
Ein derartiger Gedanle iit mir nie ·
in den Sinn gekommen, liebe Taute! »
Ader gewiß würde ich mich außeror -
dentlich freuen, wenn ich das lleine Z
hinterste Stäbchen in dieser Etaae « - ·
das neben Betly’§ Bude zu einem
Bläschen siir meinen Stickralimen be
lommen könnte. Jn dem Raume itt
nichts weiter. als Lumpen, und in «
meinem Schtaszimmer ist nat leiu -
Platz. meine Handarbeit und sonstige
lleine Gegenstände dort unterzubrin «
aen."
»Das Zimmer lannit Du, wenn Du
es haben willst, betommen,« sagteFrau ;
Revelsworth ziemlich verdrossen.
»Dann herzlich, liebe Tantel Und
Du wirft es mir auch taveziren und
nach meinem Wunsch mödliren lassen.
nicht Imer
»Wenn Du Geld hast, es zu bezah
len?«
»O, ich hab’ lein Geld!« rief Fran
ceeca mit heiterem Lachen. »Ich wür
de im Vertrauen aut Beine Generati
tiit, date Du die Rechnungen bezahlen
wirft, die Kaufleute eriuchen müssen,
sie an Dich zu schicken.«
»Generiis bin ich nicht, nur gerecht!«
»Weil wenn die Gerechtigleit beim
Ausmiibliren meines Zimmerchens in
nehält.' versetzte Francesca mit under
·toiiitlichrr Beharrlichteit, »dann muß
ich vermuthlieh nächstens anfangen, in
der Umgegend Unterricht in Franzö
sisch, Jlalieniscki, feiner Kunststicterei
usw. zu ertheilen. mir Geld zu verdie
nen, wie ich es sonst zum Broterwekb
gethan habe. Jeh tann mir aber taum
denken, daß eic Dir angenehm sein
würde, wenn ich Karten auf-schielte:
»Fräulein Jrancesca Reveliworth in
Revelsworth hause erbietet sieh zur
Annahme von Schülerinnen im Alter
don acht bis fünfzehn Jahren —-— wür
de auch aui Wunsch in die häutet der
Eltern iomtnen«.«
»Du hist unverschämt!«
»Bitte um Entschuldigung; das ist
nicht meine Absicht, Tante Margaret!
Ich brauche aber unbedingt Geld, und I
wenn Du mir nicht ein wenig spenden
willst, dann bleibt mir nichts anderes
übrig, als es mir zu verdienen.'«
Ihre Stimme tlang io iiiß und
wohlthuend, die Sprechweise so sanft
und lieblich, daß jede Rauheit verloren
ging. Und das war teinegwegs das
erste Schartniiyei. das während der
Mahl-seiten zwischen Tante und Nichte
stattfand. Zu anderen Tagesitunden
trafen sie sich nur selten, da Frau Ne
belsworth ihre frühere Lebensweise
Vclocctskli UND Vli- chcli Willng ill
ihren Gemächern blieb, nach dem Lun
cheon in ihrer Fensternische ini Sen
nenichein ein lurzeg Schläschen hielt .
und die übrigen Nachmittage-stunden (
mit idrer Zpazieriaitrt im tsselidageik
ihren Büchern, dem Ideenetnnen nnd
der Gesellschast der tteinen Beim aus
füllte
Während der Stunden nach dein
Diner im Satan strirtte sie entweder
oder lauschte der Musit, over unterhielt i
sich bei soichen Gelegenheiten, wenn
France-ca und Viktor zusammen
Schnitt spielten, und Bettn neue Roten
drohte, mit ihrem Neffen Indien« zu s
dein sie ausrichtige Zuneigung gesaszt
hatte. Dudley war englisch, Dudlen
Haar ein echter Repeleworth, besaß viel k»
aesunden Menschenverstand und hatte
ein gesundes Urtheil, und es lag in sei
ner schönen Erscheinung, seinen ruhig
bumorvollen Bemerkungen etwas, das
seiner Tante in hohem Grade wohlge
siel. Jn ihrem Gemüth aber wuchs
mit iedem Tage das gegen ihre schöne ;
IRichte gesagte VorurtheiL Sie sand
) pyraneesra sehr schön, konnte nicht um
I hin sie zu verwundern, siirchtete sich »
I sogar ein wenig vor dem Mädchen, oh
Fgleich eine derartige Empfindung in
I ihr jeden anderen in Staunen verseät
haben tviirde aber sie tnißtraute
I in allem, und auch nicht ein hauch von
Sympathie bestand zwischen ihnen.
Entweder besaß Francesra ein mu
stergiltiges Temperament oder die
I denkbar grösste Selbstbeherrschun .
i Seine scharfe Beobachtun sgabe rna
«- te Dudleh mehr geneigt, i r die letztere
Eigenschaft weit eher als die erstere
zuzuschreiben Frau Revelsworth hatte
stets etwas an ihr aus usehen und zu
tadeln, nnd that dies tets in der rück
haltitasesien Ieise im seisein der an
dere-. Und daß sie ranceseei’sbe Nut
.ter mit Mutes-der eheachtung
see-tem- ließ Ich ebnes s nicht cui
etuteageginscast erblich indes
NUMMSMMHIHOWOM
W--».-—»»s—,-—.« —.-»W»-.-.--- ; H
Tdot folch heftige Abneigung ost,
daß sie sich fest, rod ran dato d bei
nahe fchon zwei W Mitbewohnes
tin ihres Haufei war und wiederholt
urn den Besuch der Herrin gebeten
heite. noch nicht zu überwinden der
Pwcht hatte, diesen Wunfch zu reinl
en.
»Wie geht’s Deiner Mutter. Fran- -
ceicuim oersiiurnte sie nie, in Beobach
jung der hiiflichteit, deirn Luncheon zu
fragen.
»Dann bestens, Tante Margaret.
wie immer, und fie würde fich herzlich
freuen, Dich kennen zu lernen, wenn
Du Zeit hättest, nach oben zu korn
men.«
K Frau Redelsworth hatte aber nie
; eit.
»Es thut mir leid, Du darfst es
alauden, Betten gefühlloo zu erschei
nen." pflegte sie zu dem jungen Mäd
chen zu äußern, »obgleich ich mir gar
nichts daraus mache, was die Leute
sagen und denken. Wenn ich mir aber
das Affengesicht der Auslönderin der
aegentoärtige und Sufe und Welldon
höre. was sie fich für Gerichte von
Knoblauch und Wurft und Maccaroni
und Zwiedeln ouf ihrem Ofen zufam
menvanicht —- ich wundere mich nur,
wie Franresca es leiden und ihr mit
dem ausländischen Zeu den Willen
lassen tann! —- dann ist es mir eine
Unmöglichkeit, mich mit dem Gedan- j
ten vertraut zu machen, derentwegen ;
mich der Befchwerde des Treppeniteis »
aens nach oben zu unterziehen. Pud!
Ich glaube, den ganzen Tag wäre ich »
außer stande. wieder etwas zu genie
ßen, wenn ich den Knoblauchduft, das ;
Olivenöl und all das andere Zeug ge- ;
rochen hätte. Und mein Appetit iftt
ieit einigen Tagen ohnehin nicht mehr, I
wie er ionit war.« i
»Es muß wohl an dem ungetvöbns :
lich heißen Wetter liegen, Frau Revelss i
soortb. Wohl nochniernals hat das l
Lmkmcmclck III Olcsck Zachszcll —
vor Juni —- so hoch gestan»den.'
»Es liegt nicht am Thermometer,
Kind!« siel ihr die alte Dame mit
Schörse in’s Wort. »Es ist vermuth
lich anno Domini —- weiter nichts!
Ich war aber terngesund, bis mir die
ses sremde Pack in’s Baue kamt«
»Warum schassen Sie es sich nicht
wieder vom halse, wenn es Jhre Ner
ven erreat und Sie ärgert?«
»Ich hah’ fte hierher eingeladen,« er
tliirte sie, aund muß nun auch bis zum
Schluß aushalten. Meinen Nessen
Dudleh hab’ ich sehr gern, und was
seinen sranzöiischen Bruder anbelangt,
io ist der« abgesehen von seiner hien
verbrannten Vernarrtheit in seine
Cousine, ganz harmlos. Aber was ich
Dir von allem Anfang an gesagt s-—
dieses italienische Mädel benimmt
mir die Lust. Ich empsinde es in
Wirklichkeit —-— physisch wie seelisch —
daß ich nicht mit ihr in einem Hause
athmen tann. Zweimal schon with
rend der lentverslossenen siinf Nächte 1
bin ich von solch seltsame-n Erstick: i
ungegrsiihl aufgewacht. Jch seyte I
mich dann hoch im Bett und trank ein
vaar Schluck Wasser, da verging es
wieder· Ader siir eine Frau meines
Alters ist es vermuthlich eine Art An
zeichen, daß das Vers alt und arbeits
miide wird.«
Betty ließ den Blick in schmerzlicher l
Verwunderung aus ihr hasten. Es lag «
in den scharfen blauen Augen der alten ,
Dame solch ein gespannter Zug, den z
sie nie zuvor darin bemertt, uns die 7
Linien aus ihrem Antlitz traten in Fee i
itarlen «-onnenbelruchtuna vom irr- .
terieniter tieser und zahlreicher her »
vor, als sie sriiher zu sehen gewesen
Bis- hierher hatte sie die Last der Jahre
tapfer getragen, heute aber sah sie ver
braucht und alt aug. «
»Wenn Ihre Gefühle in Beina nui
France-»Im derartige sind,«' rieth Beim
»dann würde ich sie doch ioeaschieten.«
»Ich oars nicht ungerecht sein.«
»Wenn Sie aber ihr und ihrer Miit
ter ein Jahresgehalt aussehen, dann
ioiiroe es nicht ungerecht, nicht halb so
ungerecht fein, als solche Gefühle gegen
sie zu hegen. Ich halte sie siir herrlich,
da sie so gut und liebevoll zu ihrer
Mutter ist, ihr hano und Fuß be
dient, wie sie es doch thut. und lein
Mädchen und feinen Arzt annimmt.
einzig nur, um Ihnen die Kosten zu
ersparen! Und wissen Sie, theuereFrau
Revelsworth, manchmal —-— ohne es zu
beabsichtigen, bin ich überzeugt, stellen
Sie ihr Temperament aus eine harte
Probe. Selbst ich, von oer Sie doch
betanntlich meinen, baß ich lein Tem
verament habe, wäre unfähig, die Din
ae, die Sie ihr sagen, in Ruhe hinzu
nehmen«
.Sie ist mir zu unsympathisch! Aber
trotz ihrer scheinbaren Geduld haßt sie
mich," betonte bie alte Dame. »Dnrch
nll’ ihr liebenswürdiges Gethue hin
durch lann ich es in ihren Augen lesen.
Rede mir nicht dazwischen!« riet sie
als Vetth die Lippen zum Widersprei
chen öffnete. Jzch kenne bie italienis
’ lche Natur lese meine Zeitungen
und weih. wie das Gesindei aus Sas
isron hill (bai italienische Viertel in
iLonboM es treibt. Bei benen heißt es:
»O ich oergebe Dir, unb es hat nichts
zu bebentenl« und sowie Du den Blick
we alvenbesi, da stoßen sie Dir oas Sti
let in den OW· Das ist italienisch
iiber die ganze Welt Franeesea mag
sehr liebeniwwbig unb langrniithig
Mi- tniichte sie mich teoh alledem
Ist-· ssfknåiräesergittein lie ist mir zu schlau,
«the sennung offen an ben Tag zu
» -.---« e--»
Einige Tage nach Franeesea«5 Bitte
urn das Billardgiinrner iiir die Jungen
nnd ein .Restchen« siir sich selbst-L er
schien eine Anzahl Arbeiter aus Our
biion, unt siir dies und jenes Maß zu
nehmen. Einer derselben sagte, seine
Anweisungen lauteten, nach Fräulein
France-Lea Revelsworth zu fragen.
Beim Erscheinen der jungen Dame er
klärte er, beauftragt zu sein« ihre Ze
iehle wegen der Tapeten sür ein Zim
mer, das sie ihm zeigen werde, einzu
holen.
Jeden Schein von Verwunderung
isnterdriiciend, priiste Francesca die
ihr vorgelegten Tapetenproben, wies sie
aber alle iuriiet und befahl dein Man
ne. ihr unverzüglich ein Muster ganz
neuer Zeichnung, die sie in London ge
sehen, zu besorgen.
»Wie lann ich aus einer antiien ei
chenen Fensterbant sitzen, ans der Laute
spielen, und in einein Stickrahrnen
iticlen bei einer Weint-thun die wie
1898 aussieht?« wandte sie sich an den
Mann, ihre brennenden blauen Augen
fest auf ihn richtend. »E. wäre das
ein zu iächeelicher Anachronisrnns·
Das Gemach muß fiorentinisch nnd
so inittelalterlich aussehen, wie der be
stiniinte Preis es nur zuläßt.'
Unter diesen aus ihn gehesteten Au
gen würde der Tabezierer in alles und
jedes gewilligt haben. Da einer der
anderen Arbeiter ---— ein Töpser « zu
fällig ungewöhnlich intelligent war
iiir einen englischen Handwerker, so
verstand er ihre Angaben nnd baute
unter ihren Anweisungen einen höchst
esieitdollen Kainin mit einein durch
brochenen Aussage, über dein ein Rab
inen eingesetzt wurde zu einer ihrer ei
genen Stickereien — - einer Reproduk
tion von eineinZeitungghvlzschnitt don
Bnrne Jones’ ,.(.5irce", die Zauberin
in dem Akte darstellend, wie sie den
Wein der unglücklichen Seeiente ver
gistet, deren schiffe man im Hinter
grunde über das wogende Meer bei
usisrgkm stem.
Die zwar nur oberslächliche Kunstschw
lung, die sie als Kind Durch ihren Vas
ter in den Masern und Bildergalles
rien Italiens erhalten« kam ihr ven
noch sehr zu stattem dabei besaß sie
tiinstlerischen Geschmack und auch hin
reichendes Talent, ihre Ideen malerisch
zu gestalten. Nach Verlauf von noch
nicht zwei vollen Wochen gab sie in ih
renr »Ah-stehen« ein »At horne'«, zu dein
Frau Reveltvortb, Bettv, die beiden
Brüder, wie auch Hereinan OMeara
eingeladen waren.
Jn dein »Nestchen« war ungefähr so
viel Raum, dasz sie alle Sechs beauem
sitzen konnten. Franceeca hatte Wun
der geschassen. Das Fenster. das die
Aussicht, wie das in Bettn’S Bude,
nach dein Wirtbschaftshase hatte. war
mit bunten Busenscheiben in achtet-i
gerBleieinsassung ausgefüllt, das wohl
Licht hereinliesz, aber die Aussichi ver
schleierte. Der Fenster-sitz war ver
breitert und mit stampfen, schweren.
mit Goldbrolat überzagenen Polstern
bedeckt. Der weiße Firnisanstrich Der
den Umsassungsrand und Fries ent
stellte, war Jnit dunkler Eichensarbe
überstrichen, und der Zuschauerraurn
mit Tapete auggesiilli worden, die
der sp ähnlich sah, dasi man sie ans
fasseei mußte, wallte man sich von dem
Material überzeugen Ein Spiegel
in einem langen» schmalen Eichenralp
men hina schräg an ver Wand. Be
hänge von sturnpseni Goldbroiai
schätzten pag Fenster und die Thür:
ein massiver SchaulelstuliL ein Sessel«
ein hoher Sticlrabrnen, zwei merkwür
dig aesornite altrnodische ScheineL den
Pinsels-eine nach aus allein Eiehsenholt
gearbeitet, und zwei kleine Tischchen
von demselben Material bildeten daä
Illohlenjentz die Ausstattunq desl
Raume-« orroollstiindiaten einLrovards
sell aus den dunkel polierten Dielen.
nnd von der Decke, die aleichsalle mit
Ilitrttaoldtavete taveiiert mar, hing
eine Hängelainve von orndierteni Sil
Oer und rothem Glas-.
Schüsseln von aetriedenenr Kupfer
zum ileberauellen mit rothen Roset
gefüllt, und ein altem Verirrt-Por
zellan täuschend ähnlich sehendesThee
serviee gaben der Einrichtung noei
ihre letzte liinstlerische Vollenduna
Und im vollen Einklange mit der mit
telalterlichen Ausstattung stand dii
Erscheinung der Gastckeberin selbst
Franeesea tru eine Theerobe von ih
rem venetiani chen Liedlirrgsroth die
ihrer herrlichen Gestalt zum Entzücke
paszte; das lose Soinenjahot war ir
der Taille von einer emaillierter
i Schnalle festgehalten Mit vollendeter
Grazie machte te die Donner-tin
i
I Die alte herein des Hauses besant
sich in wiihnlich gedrückte
Stirnmung. roar konnte sie nich
unterlassen, ein paar Bemerkungen zr
« machen iiher die Narrheit, an dieDecki
i Tapeten zu kleben und zu Fensterschei«
l den Scherben von zerbrochenen Glas
z slaschen zu verwenden, auch rvollte si
z wissen, weshalb ihre Nichte arn heller
s Tage im Maskenkvstiirn umhergehe —
; doch vrallten alle Bemerkungen an der
-, gelassenen Anmuth ihrer Nichte ab
i Und das Benehmen der schönenFrani
ieesea gegen die drei herren war wirk
lich eine Meisterleistung Ohne jeg
liche Mühe hatte sie sich zur Dame ih
s tee Huldigungen und zu ihrer Königi
demacht —e Stellung. die zu be
udten siir sie leicht enug, da liiiioi
reits bis iider die hren und Dud
Elev zum Theil in sie verliebt war, unt
Zeremon, obschon seiner Betty treu
dennoch von den Reizen ihrer Pan
i theesreundin« sich blenden ließ.
Gortsesung folgt.)