Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 06, 1901, Sonntags-Blatt, Image 18

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E; Autotifirte deutsche Uebersetzuin von F JL Hi N d
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(6. Fortsetzung)
«Lasseu Sie uns über die Brücke
get-ein« rieth er, »bis hinauf zur
Schleuse, es stehen dort Bänke, da
können wir zusammen plaudern. Jch
mischte so gern erfahren, wie und wa
rum Sie das Gespenst spielten. Es
ist ein Glück, daß ich starteNerven ha
be, sonst hätte ich hübsch erschrecken
können!'«
»Was aber veranlaßte Sie denn,
zu solch’ ungewöhnlicher Stunde aus
eustehen und herumzuwandern?'.
orschte seine Begleiterin. »Mein Mo
tiv sollen Sie augenblicklich erfahren,
wenn es auch als ein recht dummes er i
scheint. Jch wollte nämlich alles Nä- i
here über das Gespenst ausfindig ma
chen. Betty und ich waren bis Mi-t
ternacht ausgeblieben, miteinander
plaudernd, und —- aber Sie werden
lachen. weiß ich —- ich dass aber
ganz deutlich in seinem Brolattleide
den Korridor hinabrauschen hören.
Bettn erzählte mir die Geschichte dec
Geisies —- daß Mistreß Katharine
Pensold, Ehrendame der Köniain
Elisabeth, im Hampton-Court-Palast
gwesen und daß sie die Eifersucht
r Königin erregt und aus diesem
Grunde don ihr fortgeschickt worden
sei. Zu ihren Eltern zurückgekehrt
habe sie eine sehr harte Behandlung
von ihnen erfahren, und habe sich vor
Gram ganz a zehrt, und wäre
schließlich eines bsitorgens im Flusse
gerade hier, wo jeyt die Schleuse ist« .
ertrunten gefunden worden. Hier
, vielleicht,« meinte sie, oor dem Thore
· der Schleuse, jäh innehaltend und mit
weitgeössneten, träumerischen Augen
fis-v dass Inst-II fis-Sond- im Ghin-;
des Morgenlichts dunkel erscheinende
Wasser blickend, »hier gerade muß sie
dor dreihundert Jahren in ihrem stei
fen Brokat und der gefalteten Hals
ttanse, durchweicht und beschmutzt
vom Wasser und Unkraut, mit der
Fluth schwi mend, gefunden worden
sein. Könne Sie sich dies Bild dor
stellen?«
»Sie hesizen zu viel Einhildungs
Kraft, liebe rancesca; Sie sind ganz
Phantasie.«
»Jawohl,« nickte sie beistimmend
mit jenem halben Lächeln in den Tie
fen ihrer blauen Augen, »ich bin, wie
Sie sagen. voller Phantasie· Und in
der Nacht von dieser Mistreß Katha
rine Vensold träumend, machte ich um
4:30 Uhr diesen Morgen mit dem Ge
danken an sie auf, so lebhaft an sie:
denkend, daß ich nicht mehr ruhen;
konnte, aufstehen, mich ankleiden und
nach dem Spatzimmer schleichen muß
te, mir ihr Bildnis daselbst anzuse
hen. Als Sie an die Thür kamen, er
schrak ich ganz fürchterlich. Jch wußze
ja nicht, wer es war, und um mich»
vor dem Eindringlich zu schiihem der
suchte ich, den Riegel dorzuschieden
Nun jedoch bin ich ganz entzückt! Das k
war’s ja gerade, was ich gewünscht
hatte — einen ruhigen Spaziergang
in der kühlen Morgenluft —- mit
Jhnen.«
Viktor war halb Franzose und
kühn: mit zärtlicher-i Drude, der un
verkennbar erwidert wurde, hob ers
ihre zarte Hand an seine Lippn. Aber «
sein englischer Bruder hatte dasselbe«
gethan am gestrigen Abend. I
»Nun Sie Jbre Geschichte erzählt
haben,« sagte er, ihre kühle, weiche
wand in der seinigen noch festhaltenb,
»Iin ich auch die meinige berichten.
Stundenlang konnte ich keinen Schlaf
finden vor Denken an Sie; lange nach
Mitternacht muß ich ein bischen ein
gefchlummert sein, aber lurz oor fünf
Uhr machte ich jäh auf mit dem siche
ren Gefühl, baß Sie in meiner
Nähe find.«
»Ich? Wie konnte henn das fein?«
»« as Gefpenfterzimkner liegt neben
dem meinigen, hat einstmals einen
Theil desselben gebildet, glaube ich.«
»Wirll«ich!« rief sie mit gut gespiel
ier Ueberraschung. »Davon hatte ich
reine Vorstellung!«
»Ich erwachte,« fuhr Viktor fort,
»weil mein herz cnir fagte, daß Sie in
her Nähe seien. Mein Eifer aber, die
Ursache der sonderbaren Laute, die ich
vernahm, zu ergründen, war mir
felbft unbegreiflich. Sie sino mir
schon fo werth, theure Cousine, daß ich
schon lange, lange zuvor, ehe ich Sie
fand. Jbre Nähe fühlte.«'
Während dieses Gefpriichs hatten
fle otn Ihetnfeufey gegenüber dein ho
hen Thurme der Hampton - Kirche,
eine Bank erreicht. Francesca ließ sich
herauf nieder und machte an ihrer
Seite fiir Viktor Plas, fich itn sieben
les Mandel wähnend-, nahm hiefer
ih- eite.
. -.,Ith hin gern im Freien zu dieser
« seit, so alles fo ruhig und
, ks.« lispelte Zimmer-. »Das
» die W De ist«
, Ists-IT M c:ssiue, heu
. We W He.
· , s ZU E
, »Nein, diese kümmert mich nicht!
« Aus die Vergangenheit nur bin ich ei
fersiichtig. An der Zukunft kann ich
vielleicht auch Theil haben!«
»Vielleicht!« nickte sie lächelnd.
»Lassen Sie mich, während wir sie
miteinandr planen, Jhr schöne weiße
band wieder halten — ah, was ist
denn das? Sie haben ja Blut an den
Händen? Der Hund muß Sie gebissen
haben!'·
Mit Ungestüm entriß sie ihm ihre
Hand.
»Ich habe mir den Finger an einem
Nagel in jenem Wandschrank geritzt,«'
erklärte sie ausstehend und dicht am
lußuser niederknieend, »und meine
ände sind kohlschwarz von Staub.
Ich muß mein Taschentuch anfeuchten
und die Finger verbinden.«
»Lassen Sie’s mich thun!« H
»Nein, nein —- ich ziehe vor, mein
eigener Doktor zu sein !« s
Sie schwenkte die Hände tm Zinssc«
hin und her, dann wickelte sie ihr
naßgewickeltes Taschentuch um den l
Daumen ihrer linken Hand, dabei be
obachtet von ihrem Cousin, der ganz
entziickt von der vollkommenen Art-!
muth jeder ihrer Bewegungen war.
Sobald Francesca fertig, half er ihr
zärtlich wieder aus die Füße.
»Seyen Sie sich wieder her,« bat
er, »un! weiter don der Zukunft zu
sprechen.«
»Dort drüben schläat die Thurm
uhr sechs,« bemerkte Francesca. »Wer
den uns die auten Revelswortbser nicht
vermissen und sich wundern, wo wir
sindk
»Sie werden denken, wirwärenjtw «
samtnen entstohen uno ich wnnichtex
nichts sednlicher, als daß es der Falls
wäres« i
»Lieber Viltor,« scherzte sie, »Sie’
müssen sehr eindruckssiihig sein! Ber- «
liebt sich denn Jhr Bruder auch sos
leichts« l
»Dudleh —- Dudlen sich verlieben? !
Der ist ein wirklicher holztlotz, eint
unempsindlicher Stein, wo es sich unt ;
hübsche Frauen handelt. Einmal, ist
wohl wahr, vor süns oder sechs Jah- ;
ten ——« »
»Ja, warum halten Sie denn in-?
ne?« s
»Nun, fre ist todt, und so dars ich v
oermuthlich seht sprechen. Aber über«
diesen Punkt versteht Dudlry teinen
Spaß, lann Durchaus nicht leiden,
wenn davon gesprochen wird. Jch
war damals eigentlich noch ein Junge,
glaube aber, Dudleh liebte sie. Sieg
war sehr niedlich, sanst und liebens
wütdig.«
«War sie hübsch —- so hübsch zum
Beispiel. wie Sie mich sinden?«
»Nein, nein! Sie war ein bischen
hübsch, nicht schön wie eine Göttin!
Und sie heirathete einen anderen und
starb bald. Das ist die einzige Liebes
Jeschichth die ich von Dudleh weiß.«
.,Wiirde er es Ihnen erzählen, wenn
er sich verliebte?«
«Gewiß,« behauptete Viktor, »wen!
sollte er es denn sagen ?« s
«Manche herren behalten ihre Lie- T
besangelegenheiten sür sich. Jhr Fall T
ist das aber voraussichtlich nicht?« !
«Bis fest sind es keine wirtlichen '
Liebesassairen gewesen, nur FlirtaJ
tions. Was ich für Sie eine-find- ift s
etwas ganz anderes-«
»Und haben Sie Jhrem Bruder ac
sagt, was Sie für mich empfinden?«
Einen Moment schaute Viktor ver
legen drein.
Allerdings habe ich ihm gesagt, wie
schon ich Sie fände. Jch konnte es T
nicht für mich behalten.« ?
»Selbst wenn- ich Sie —- Sie ein
bischen gern haben sollte,« hauchte «
Francesca kaum hörbar, »dann würde :
ich doch fürchten, es Jhnen einzugeste- (
hen, weil Sie es Jhrem Bruder wies (
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l
versagen könnten. Jch kann nicht lei
den, der Gedanke ist mir gräßlich, daß
herren gegenseitig ihre Ansichten über »
mich austauschen könnten· Das könnte i
mich einenherrm zu dem ich« uneigung «
hegen möchte, hassen machen.« ;
»Aber kein Wort, das Sie mir sa
gen, soll weiter geplaudert werden« aus
Ehre!« ries Viktor. »Lieber würde
ich sterben, als Jhnen in irgend einer
Weise Verdruß bereiten. Geben Sie
mir nur Jhre Wünsche kund —- spen
denSie mir nur ein bischenhossnung.«
»Am ossen kann ich Sie nicht hin
dern," agte sie mit lieblichem Lä
cheln. »Was kann ich denn aber noch
mehr sagen?«
»Sagen Sie, daß Sie keinen ande
ren liebent«
»Ich liebe keinen anderen. Da, nun
ist's getraut-erri« ·
»Und Sie lieben nnch?« · ·
»R nicht. Run, ich kenne Sie Ia
kaum, iitpr!«
»F aber liebe Sie!« · ·
. ie sind ein Mann, und die Liebe
der Man-set wirdtketchtee gewonnen.
Ein I M —«
Mk W er . »
is sit-i Im , ; Mist-schon
Diese Mg ts; Sie Mitk
hause kamen und ch sah Sie auf der
Schwelle stehen da ward et mir beiin
ersten Blick klar, daß ich nie zuvor ge
liebt. Mein Herz schien in der Brust
. u fchmelzen, als meine Au en den
Ihrigen begegneten, nnd Ihre timme
bewegte mein ganzes anere in einem
Grade, daß mir die Thriinen in die
Augen traten. Und ich sagte mir: Vit
tor, das hier ist die einzige Frau in
der ganzen weiten Welt fiir Dich.
Herz und Seele gehören ihr! Und als
etc nachher zu uns sprachen, zu Dud
leh und mir. da liebte meine Zunge
- am Gaumen, als follt’ ich zusammen
« knicken. Die Begegnung mitJhnen war
für mich sehen Sie, von solch hoher
- Bedeutung, sie bedeutete, daß ich mein
Leben in Jhre blinde legte!«
· MeinenSie dies alles wirklich so?«
" fragte ste sehr sanft ihn mit seltsam
lächelnd-n Augen anblickend.
- Statt der Antwort neigte er sein
E Haupt iiber ihre Hände, die leicht in
) einander geschlungen auf ihremSchoße
lagen, und bedeckte sie mit leidenschaft
Y lichen Kiiffen
Ueber seinen geneigten Kopf hin:4
weg nach dem jensettigen Ufer blickend,
bewegte sie zugleich den Kon mit einer
Geste der Ungeduld und des Gelang
tveiltseins, versuchte jedoch nicht« ihm
ihre Hand zu entziehen.
»Sie werden mich lieben lernen,«
murntelte der junge Mann mit vor
Gemütserregung fast erstickterStitnme,
»ich werde Sie dahin bringen, mich
zu lieben!«
»Wir werden ja sehen. Sie ver
gessen aber, Viktor, daß ich älter bin
—- zwei Jahre älter als Sie. Und
Sie wissen nichts von mir!«
»Ich weiß, daß ich Sie liebe. Das
aeniiat!«
»Wissert aber nicht, wie ich in Wirt
lichteit bin.'«
»Sie sind ein Engel, wissen Sie.«
Francesca lachte leise
»Es giebt zwei Arten Engel, wis
sen Sie."
»Ein Engel vom himmel!«'
»Und doch habe ich dabei großen
------ l« Its-O- C- c------h
Ihr ganzes Sein ist es, das mich be
zauberti Als wir Jeßekn Abend nach
Ivss so Its ------- »v
fast halb sieben UhrW Lassen Sie uns
noch ein Stückchen den Fluß weiter
hinuntergehen und dann umtehren, so
daß wir ge en sieben Uhr in Bebels
worth Hou e eintreffen. Jch muß
ziemlich zeitig heute Vormittag nach
London fahren, folglich werden Sie
nicht mehr viel von mir sehen, bis ich
am Abend zurücktomme.«
»Erlauben Sie mir, Sie nach Lon
don zu begleiten!« bat er. »Sie sind
zu schön, allein in London zu sein.«
Mit voller Entschiedenheit schüttelte
Francesca ablehnend den Kopf.
»Ich habe Eintäuse zu machen,« er
klärte sie. »Sie würden mir nur im
Wege sein.«
«Grausames Mädchen!«
«Sie werden mich sicher noch genug
sehen während des ganzen langenJah
res, das wir zusammen inReoelsworth
Hause orrleben werden!"
«Lange, lange bevor das Jahr zu
Ende, müssen Sie mein Weib sein!«
ries er stürmisch.
Sie sah ihn mit leichtem Lachen an.
»Wer kann wissen, was ein Jahr
mit sich bringt!« erwiderte sie.
IX.
Eine Stunde nach beendetem Früh
stiick fuhr die schöne Francesca per
Omnibus nachKingstom bei dieser Ge
legenheit oon Betth begleitet, die einige
Bücher in der dortigen Bibliothet um
zuwechseln hatte, und stieg dann, nach
dem ste das junge Mädchen geküßt,
und versprochen, so bald wie möglich
am Abend zurückzntehren, in den nach
Londan sahrtenden Zag
Auf Dkk cllllloll Alllgfloll Halle clll
hübsch acwachsener junger Mann, der
Fräulein Betth respektvoll gegrüßt,
nachdem er zuvor vor den Bücherstäns
dern herumgebummelt und nachher
that, als spiele er mit feinem Hunde,
Francegcas Aufmerksamkeit gefesselt.
»Ist das ein Verehrer von Ihnen-»
hatte Franregra gefragt, woraufBettn
ihr sehr gemessen antwortete, es wäre
blos Herr O’Meara, der an der ande
ren Seite des Anaers wohne und Frau
lIztezdelksworths Psekdestiille gemiethet
a e.
»Der Herr ist sehr schöns« erklärte
Franceeca »Iol(h’ hübsche, gesunde,
blühende Gesichtsfarbe, lockiges,
schwarzes Haar und prächti e, weiße
Zähne! Jch interessire mi fiir Lie
besangelegenheiten. Er ist Jhr Lieb
haber —- nicht wahr?«
»Möchte es vielleicht gern sein,« er
widerte Beitr-.
»Wenn ein Herr, der so hübsch, wie
jener, sich in mich verliebte, dann
würde ich ihn sicher nehmen,« äußerte
Francesca.
»Nun, einer, der weit hübscher ist,
hat sich in Sie verliebt,« trumpfte die
kleine Betth sie ab, »so wird sich’i
ja zeigen, was Sie thun werdens«
»Sie meinen doch nicht meinen Cou
sin Viktori« Er ist wohl seht nett,
aber hübsch finde ich ihn gar nicht«
»Ich ebenfalls nicht. Jch sprach von
Dudley.«
» »Sie glauben demnach, Dudleh sei
. in mich verliebt?" forfchte raneesca,
? ein n nachdenklichen Blick au die kleine
; Be werfend. »Er hat mir nichts
! davon gesagt.« · ·
»Sie haben ihm noch nicht Zeit dazu
gelassen, enthe nete die andere trocken.
»Doch- dss ht Zuc-«
i
»Seien Sie nett zu dem hübschen
jungen Mannet« mahnte France-ca
vgl Ton fmfäeå ausser-le der Zug
n an m ewegung zu
ji«-us »F beohachtet Si- sp kah
rend « « .
»Ist mir einerlei.« erklärte Bette-. l
·Aer doch hatte es etwas fiir sich.
einen Verehrer zu haben.der einen Blict
ubrrg hatte für falch’ unbedeutendes
Personchen in einem fchlichten. blauen
. Sergetletde und einfachem Matrofen
I but, wenn eine Göttin von fiinf Fuß
neun Zoll in feidengefiittertem, hell
braunem. Sommerunihang nnd hoch
modernem Vate, die Beachtung felbft
der Gepacktrii er und Lachmotivbeaw
ten in ihrer nachften Nähe auf sich zog.
Und wieberemonOCllteara nach Fran
cescasAbfahrt, erröthend und lächelnd,
sich ihr näherte, gab fee ihm beim Hin
rezchen ihres zarten händchens fein
Lacheln zurück, und fand nun auch,
daß er wirklich fchöne "hne habe,
wenn er fanft auch nicht o hübfch fei,
wie Dudleh Revelswarth
»Er-ten Morgen, Fräulein Bettnt
Wollen SieEintäufe in der Stadt ma
chen? Und darf ich Jhre Packete tra
gen?'·
»Dürfen Sie.«
»Und was ift denn an dem Gerücht,«
fragte er in feinem weichen, irifchen
Accent, als er mit Bettn aus dem
Bahnhofsgebäude heraustrat und an
ihrer Seite nach dem Marttplatze zu
fchritt, während fein Hund um Bettes
berumwedelte und ihre Hand lieblofte,
»daß Frau Redelswarthsk Jnferat in
den »Morning News« bereits einen
ganzen Schwarm von Verwandten
nach Revelswarth Haufe gelockt habe ’
»Die Dame, die eben nach hier be
aleitete, war eine davon. Drei sind
es in allem, nicht ganze Schwarme,"
berichtiate Bettn »emeffen.
»Bereits drei zliegen um den Ho
niatopf!«
»Allerdings. Finden Sie die Dame,
die mit- dein Zuge fortfuhr, nicht sehr
schön?«
»Das ift sie verinuthlich s-- panter
artig fchön. Mein Genre ift das aber
nicht, wie Sie recht gut wisseni Jch
liebe etwas Niedliches und Zierltches,
fa etwas wie ein meißner Porzellan
figiirchen —- etwas ——«
»Die beiden anderen find junge Her
ren.« unterbrach ihr Betty fteif.
»h«orte ich schon. Ein schonet, gro- -
ßer. junger Mann, und ein kleiner
schwarzer, fremdländisch aussehender
Bursche, nicht wahr? Sah sie gestern
Abend aus der Brücke Und das ist
auch der Grund Jhres heutigen lusti
gen und muthwilligen Aussehens?
Endlich haben Sie nun doch jemand im
Hause, den Sie necten und mit ihm
slirten können —- Jemand, der sich
in Sie verlieben wird —s«
»Sie haben sich beide schon inFräw
lein Francesca Revelsworth verliebt-—
die Dame, die Sie vorhin sahen.«
»Ich kann das nicht glauben!" ries
Heremon »Noch meinem Dafürhalten
iit sie wirklich großartig schön; aber
ebenso leicht könnte ich mir in den Sinn
kommen lassen, mich in den Mont
Blanc zu verliehen. Was ein Mann
an einer Frau liebt, ist etwas Niedli
ches und Nettes, so was zum Küssen,
etwas, was man ans herz drücken, un
ter den Arm und in Obhut nehmen
kann, etwas —««
»Sie sind Cousine und Cousins,«
fiel ihm Betty wiederum rücksichtslos
in’s Wort. »Die Herren sind Stief
briider, Söhne von Dudleh Redew
worth, und Francesea ist die oerwaiite
Tochter don harold Redelsworth Sie
ist in Jtalien geboren und erzogen;
ifhre Mutter war eine italienische Grä
in.« «
»Ganz unstreitia ist sie eine präch
tige Erscheinung,« erklärte beremom
«doch durchaus nicht mein Geschmack,
wie ich bereits sagte. Was mir an ei
nem Mädchen aesällt, ist Niedlichteit
und Liebenswiirdigkeit, dazu hell
bemtflp Arm-n —-—«
»Kommen Sie mit in die Biblio
thet,« schnitt ihm Betty wiederum das
Wort ab, »und helfenSie mir ein paar
neue Bücher für Frau Reoelgxoorth
augivählen!«
»Schön. Etwa- Belehrenoes —
was? Wie wär's mit diesem »Stra
ziergänge eines Geistlichen in West
morelano«? Das ist ihr Fach, nicht
wahrs«
Beim schüttelte den Kaps.
»Zu langweilig,« entgegnete Bettv.
»Frau Reoelstvorth mag die Prediger
nur auf der Kanzel. Gegen den-Ohn
pfarrer hat sie sonst nicht-, den Vitar
dagegen haßt sie. Sie giebt auch,
außer einem Shilling jeden Sonntag
in’s Becken, sonst nie etwas zu Kir
chencollecten, wenn sie’s umgehen
iann.«
«Auch recht — dann vielleicht »Das
höhere Leben« von Professor Den
horit? Schlägt das mehr in ihr
Fach?" «
Betty sah den jungen Jrländer ver
ächtlich an.
»Den-en können Charaktere nicht
beurtheilen,« spöttelte sie· »Ja einer
Minute will ich Jgnen ilar machen,
welche Art von Bis ern Frau Reinli
toorth liebt. Da sind ein paar viel
versprechende Titel: «Der Sklave der
Leidenschast«, yEine eseylose Liebe«,
»Eine Todfiinve«, « inei Nachbars
Frau«. Ich werde diese aue mitneh
men,« wandte sie sich in geschästsmii
kiäern Tone an den Kommis. der mit
i et Belusti una dem kurzen Zwie
ges räch zuge set hatte
emon brach in ein helles Lachen
aus.
«Glauben Sie wirtlich,« fragte er
mit gebaut-pfui Stimme, während der
junge Kommijsplkch entfernte, unt die
ausgesuchten Werte zusammensu
packeiy »daß diese Dame ellckiichtilvs
sen Vorgehens solche Art literarischer
Erzeugnisse lieth «
»Ur-di thut He das! Siejltist ch
gee- ein teu, missen Sie willen. te
liebt es wenn i ihr vorlese, dazwi
schen »Mumpih.« »!Sumi " oder
»Purer Unsinn!« oder »Der Mann
inusz verriictt feint« eine Minute u:n
die and-e re auszurusem Oder, wenn
sie selbst liest, dann schreibt sie An
meriungen von gleichen-i Sinne die
ganzen Seiten herunter rnct Bleistisr
aus den Rand.«
»So das ist also Frau Redew
wortb, die sich das Geschreiosel aus die
Ränder leistet!« ries Heremom »Ich
habe mich schon ost gewundert, wer in
aller Welt so einfältig sein könnte. j
»Es sind das Leute mit scharf aus i
geririigten Ansichten, die sie allen an-!
deren Leuten tund thun wollen« äu
sserte die kleine Bett-s weise. »Frau
eoelsworth hat sich ihre bestimmtes
Meinung über jedweden Gegenstand-!
unter der Sonne gebildet, und will
daß die ihrige allein Geltung haben
soll. Das ist auch die Ursache, warum
die Leute sie so streitsiichtig finden.
Sie liebt den Widerspruch, auch über
Religion, und wenn ich ihr ein Buch
vorlese, dem sie nicht widersprechen
oder das sie nicht als abgeschmackt und
lächerlich erklären kann, dann glaubt
sie, von der Bibliothet siir ihr Geld
nicht genug bekommen zu haben."
»Und sind denn die Familienmit
alieder alle von dem Schlage?« fragte
Heremom »Das Zusammensein von
dier solchen. wenn es der Fall sein
sollte. würde in einem hause sich so
laut gestalten, wie in einer Menage
rie.'·
»Ich glaube, jeder hat seinen
Kods,« meinte Bettv, »ausgenomnien
vielleicht Viktor, der zu autherzig und
selbstloa zu sein scheint, sich geltend
zu machen."
»Der ist also Ihr Lieblings« rics
Heremon eisersiichtig
»Er hat mir schon destandem mich
sehr gern zu haben,« versetzte das juni
ge Mädchen schadensro?.
»Sieht seiner Under chiimtheit ganz
älnlich.«
..Jawobl. Er meinte, ich erinnerte
ihn lebhaft an seine Mutter.«
»An feine Mutter? Ein Kind ivie"
Sie? Welcher Unsinn!«
»Sie ift sehr niedlich und hat sich
eben wieder verheirathet. — Ah, da
sind ja die Bücher! Sie wollen sie fiir
mich bis zum Omnibus tragen, nicht
wahr, herr O’Meara?"
»Bis an Jhre Wohnuna will ich sie
Jhnen tragen, selbstverständlich! Jch
have Ihnen etwas fehr Wfichtiaes mit
zutheilen, Betty."
»Dann kann es jeht nicht gesagt
werden. Da ift mein Omnibus!«
»Der Kuckuck soll den Omnidus ho
len! Ich werde Sie zurückwndelnk
Zum Schein ströudte sich etiy an
fangs ein wenig, dann willigte sie
gnädig ein. Jhre Einlaufsexveditio
nen endeten meist in dieser Weise. Der
Bernhardiner sprnaa ihr gleich in’S
Boot nach und tauerte sieh zu ihre-i
Füßen nieder, wie wenn das so feine
Gewohnheit wäre. Nachdem auch das
Bücherpaiet sicher im Bug unterge
drachi, entledigte sich lHerecnon feines
Sergeiacketts und feste mit ein paar
träitigen Ruderichläaen das Boot in
der Richtung nach hampton Court zu
in Bewegung.
»Und nun auf das zu kommen, was
ich Ihnen zu sagen habet« begann er
unvermittelt und legte sich vorwärts
auf die Ruder, jede Linie ihres Ge
sichls scharf prüfend.
»Verschwenden Sie Ihren Athem
nicht. Jch weiß schon, was es isi.«
»Was denn?'«
»Daß Sie mich liebent«
Nichts dergleichen. Fraaen wollt
ich Sie, ob Sie mich heirathen woll
ten, was doch etwas ganz anderes ist.
—— t! .. III-.- «-1.»
i
i—
JLIUUI lkol Ulc Ulcllgc leuhkusclh Us(
näan nicht heirathet, und man heira
i et —---"
»Die MengeMädchen, die man nicht
liebt?« ergänzte Bet:n, als er inne
hielt.
»Natürlich nicht! Wie Sie einen
quälen können! Was ich sagen wollte,
ist. daß eine Menge Mädchen Herren
heirathen, die sie nicht zu lieben be
haupten. Es wäre mir gräßlich, ein
Mädchen zu nehmen, das die Werbung
selbst beforgte und seine Liebe zu mir
immer auf den Lippen führte! Jenes
,,Sich-nichts-aus-einem-machen«, wie
Sie es stets behaupten, würde nicht
eine Woche lang anhalten, wenn Sie
meine Frau wären-«
»Ich werde aber nicht Ihre Frau
werden-"
»Nun, Bettv, haben Sie denn chon
einen don den Revelsworths in's iige
aefa t?"
« as ist eine plumpe, grobe Frage!
habe ich Jhnen nicht schon eiagt, daß
sich beide in Fräulein Säbel-worki
verliebt haben?«
Allerdings —- aber beide können
sie sie doch nicht heirathen ; und wenn
ich Sie mir nicht auf der Stelle sichere,
dann könnten Sie wohl geneigt sein,
den anderen zu nehmen«
»Den sie nicht mag und übrig läßt's
—- Dante schönstend-«
»Was-en Sie doch nicht grob! Ja
solchen "llen, weiß ich, thut die Nahe
sehe vie, alles! Man ewiihnt sich an
bie Gesichter der Men chen. Ein jun
ger Mann in London, ein Bekannter
von mir, bekam t« lich zweimal ein
Seidel don einer chenkmainsell tre
benzt, Jahr aus, Jahr ein, und das
nbe voin Liede war, da er der Per
gin, als fie ihre Stelle t« ndigte, einen
Oeirathianirag machte.« I
»Oui«-eh dann eine andere ihm sein
pier bracht-i«
VermuthliI aber er trant ei nun
u haufe. et , quälen Sie mich
och nicht iot as eiet denn der
Londoner oder das S ankmädchen
iini anti«
— s iaftpae ich wissen
. ie haben eine zu get-sandte
s Zunge m ist gen-ißt Nun, part ich
» denn nach Redeltworth Hause kommen
und die alte Frau Geldsaet um die
Erlaubniß bitten. das wir uns der
ldben dürfeni'·
»Sie heißt Frau Redelsrddrth und
nicht Frau Geldsack,« dertples ihn
Betty würdet-all »Und die-Ansrage
bei Frau Redelsworth hätte leinen
Zwei-, da ich mich nicht mit Ihnen
verloben und verheirathen will.«
»Warum aber nicht? Warum ge
ben Sie mir immer wieder eineanrbf
Wir passen doch so gut zusammen.
Haben beide sür einander das richtixte ,
Alter —- sechs Jahre mehr auf der
rechten Seite —- fmd beide heiteren
Temperaments und liebreichen Cha
«1atters, haben beide gleichen Ge
schmack dieselbe Passion für den Waf
sersport und Reiten, siir hunde und
Pferde und das Leben im Freien;
meine Mutter hat Sie sehr lieb; ich
bin seit drei Jahren bis über die
Ohren in Sie verliebt, und —- und
Sie sind aanz mein Geschmarlt"
»Sie aber nicht der meine,« ertlärte
die ileine Betty underhohlen. »Ich
habe Sie zwar recht gern, Herr V
Meara, doch nicht in der Weise, wie
Sie jür mich fühlen. Und Jhrer
Mutter würde die Partie auch nicht
recht sein. Jch bin doch sehr unbedeu
tend. nur Gesellschafterin, und werde
später auch nie mehr Renten haben.
als jährlich zweitausend Pfund Ster
ling, und —-"
,,Gerade genug als Nabelgeld. Nun,
ich habe ja bei Lebzeiten meiner Mut
ter jährlich auch nur tausend Pfund
Sterling. Und meine Mutter ist ddn
allem in Kenntniß gesehn Sobald ich
erfahren hatte, es wären männliche
Redelsworths aus der Bildsläche er
schienen, da sagte ich ihr, ich würde id
rasch wie möglich die Sache mit Jhnen
in’s Reine bringen«
»Was sagte denn Jhre Mutter dar
aus?«
»Sie sagte, ich wäre ein Narr; das
saat sie aber ott.'«
»Ich tiinntet rnich niemals in Sie
---s:-l--—l« -:- -- -. -.---ka.—ss·t..
stillst-ku- til-I sss III lllllclssclucUclI ,
zeugunq. »und ich werde nie einen
heirathen, den ich nicht liebe! Der sind
wir an der Landungöstelle und dort
steht Joe Wellbon -— ich qlaube er
wartet aus mich! Nach seinem Ge
sichtsausdruck zu schließen, ist etwas
paisirt. sürcht’ ich."
»Was der Junge sük ein boshnjt
nusfchauender Kobold ist!« äußerte
F
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Z
Der schlanke Bursche in netter Pa
gen liore, im Alter zwisisen siiny ehn
und sechzehn Jahren, den rechten Wem
die Hand verbunden in einer Schlinge
tragend, stand, aus Frnul in Man
nington wartend, in der Nähe der
Landungsstellr. Die unschmeichelhnste
Bezeichnung »Kobolo« verdiente er
taum. Der Sohn eines sandhaarigen
Mannes von jiidischer Abkunft und
einer Vollblutzigeunerin, sah Joseph
Welldon mit seiner olioenfarbigen
Haut, den glänzenden schwarzen Lo
den den großen oon langen Wim
pern umsäumten und oon dichten
Augenbrauen überschatteten Augen «
der vorstehenden Nase, den dunkelro i
tben Lippen recht pittoreepk und un
englisch aus. Sein Gesicht verrieth
Schaluheit uno Klugheit, und seine
Bewegungen waren ungemein anmu-ss
thia und lebhaft. Jm Herrschaft
han« ging es ihm nicht besonders gut,
sein Vater suhr ihn bei all und jeder
Gelegenheit an, die Dienstleute be
handelten ihn mit Verachtung. seine
Litetsieterin traute ihm nicht bis über
Den Weg, nur Fräulein Bettn Man
ninaton tvar oie einzige Person, don
coelcher ihm etwas Erinuthiauna zu
Theil wurde.
»Was ist oenn los-?m ries Betth, als
sie aug dem Boot sprang und den
anastoollen Hin-a aus dein Antlitz des
Knaben deutlicher sah.
»Briton ist"E, Fräulein Bettv. Sie
missen doch, das-, Sie ihn heute morgen
nicht fanden, als Sie ihn zu einem
Zoazieraanae suchten? Ich sand ihn
nachher zusammenaetauert in einer
Ecke des Stalles hinter oem Eselnw
aen und --- und er ist ganz schlecht.«
»Schlecht? Was meinst Du denn?«
»Er ächzt una winselt und ioill sich
nicht bewean und scheint ersticken zu
müssen. Sie wissen doch, er mag mich
nicht leiden, und ich siirchte mich, ihn
anzuriihrem habe aber doch gesehen,
daß sein Maul blutet, und er sieht —-·
nun, er sieht schlecht ausl«
»Zum Sterben, meinst Dut«
Der Bursche nickte bestätigend.
»Joe,« rief Betty, »das hast Du
angrichtet!«
»Da — wußt’ ich doch, daß Sie das
saaen würden, und so wird es au «
von ieoem anderen geschehen! Aus die
sem Grunde ivaat’ ich eh auch keinem
zu sagen, und tam hierher, um Sie
zuerst abzusangen Aber so wahr
Gott lebt, Fräulein Betth, ich hat«-«
nicht gethan, tann’5 beschwören, daß
ich so wenig davon weiß,tvie Sie selbst.
Ich ahnte schon, daß Sie es denken
würden, weil ich immer sagte, ichs.
wollte Briton schon ’roas auswischem
weil er mich gebissen, als ich ihn neckte.
Jetzt aber bin ich ganz unschuldig.«
Unterbessen war heremone auch
her uaetommem und Betth bat ihn, sie
nach dein Stalle zu begleiten
»Was wird Frau evelstvorth sa
gen, wenn ihrem Briton etwas pas
sirt?« seufzte sie unterwegs. »Er ist
solch’ antei, treuej, anhängli s
Thier! Und überdies hab’ ich tene
Borstelluna, wie er sich in dieser Weise
verleht haben tann.'«
Gortsehung solaU
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