Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, December 06, 1901, Sonntags-Blatt, Image 11
Eise tin-, tin-He Haut-. Von S.Barinkav. Eine liebe-. linde Hand älnnn sm- tiiele Wunden lteilenf lsllnckliett, wer ein Wesen fand, Lein nnd Pein nnr ilsni in theilan Eine liebe-, linde Hand For-le alle Erdenfrendcih can-or irrte-, das-, im Unverstand Wir nnm Zeit nnd straft vergeude-il Tat-um aclne Gold nnd Tand Nicht zu ltocti in dieiern Lotsen .. Eine liebt-, lind-: Hand Zollft vor n rein dn erstrebt-its -4»...«— Das Ehrengefchenl. Humoresle von Friedrich Thieme. Der Schriftsteller Apollonius Roo bett, Verfasser zahlreicher durch fcharfsinnige Erfindung ausgezeich: neter Krirninalromane. feierte fein fünfunbzwanziges Berufgjubiläuni. Von allen Seiten regnete es Gratultr tionen und Gefchente, nur die Staats behörden nabmen, wie dies inDentfch lano Schriftstellern nnd Publizisten gegenüber gebräuchlich, von oem Ehrentage leine Notiz. Es war gegen zwölf Uhr Mittags-, der Strom ver Gratulanten hatte fich verlaufen, und Apollonius Roobert saß in feinem Solon, mitten in einer Laube von Blüthen und Blaltpflanzen und inn geben von einem ganzen Museum von silbernen Löffeln, goldenen Tassen, Cigarrenetiris, Stickereien, Vorkom feln, Gemäloem Photographien n. f. w» noch ganz athemloes von ven Reden, Die er gehalten nno angehört hatte, nnd ließ den Blick fchmunzelnv und beseligt über all vie Herrlichkeiten hin fchreiten, als Das Mädchen eintrat und einen lHerrn inclcete, der ihn zu fprei chen wünsche Natürlich war er angenehm, und aleich darauf trat er ein« ein elegant getleideter Herr von aristotrattsiyen Alliirem dem ein Dienstmann ein gro ßes, sorgfältig verschnürtes Patet nachtrug. Der Träger stellte seine Last auf einen Stuhl und entfernte sich, der Fremde aber schritt mit höf licher Verbeugng auf den Jubilar zu und hub un: »Mein Name ist Schulze. Gestatten Sie mir, Ihnen die Glückwiinfche ein-es Ihrer eifrigsten Verehrer darzu bringen, der Ihnen nicht nur manche genußreiche Stunde verdankt, sondern auch noch in anderer Weise zu hoher Dantbarkiet verpflichtet ist. Erlau ben Sie mir, Ihnen als Ausdruck mseiner Bewunderung und Dankbar teit dieses bescheidener Geschenk zu überreichen.« Der Jubilar, tief gerührt« ergriff idarcn die dargebotene Hand. »Herzlichsten Dank siir Ihre lie benswürdige Absich:. Ich habe ja gar nicht die Ehre, Sie zu kennen, und weiß wirklich nicht« wodurch und in welcher Hinsicht eg mir gelungen ist, Sie zu besonderm Dante zu der pflichtm« »Und doch ist es der Fall,« erwi derte der Besucher begeistert. »Ich der dante Ihnen viel, ja eigentlich alles, was ich mein nenne ----- erzeigen Sie mir die Ehre, meine tleine Gabe huld reich anzunehmen, Sie werden in dem beiliegenden Briefchen alle nähere Aufklärung sinden.« Apolloniug accepiirte in liebens iviirdigster Form, und der Fremde empfahl sich niii höflichen Worten. Neuaierig öffnete der Jubilar so gleich das Paket, und siehe, der herr lichste uno tostbarste Taselauisatz blitzte ihm entgegen, den seine Augen je bewundert hatten. lsine Arbeit in reicher Vergoldung, eine sinnige Lllle gorie darstellend, mit wahrhan kunst vollen Figuren und zierlichen Säulen aus gediegen silberner Unterlage das Herz lachte ihm im Leibe, er rief unverzüglich seine Frau und seine bei den Töchter herbei, und alle drei ju belten laut vor Enthusiasmus und Verzückung Dbenan lag ein isouveru der Judi lar risz es auf -- aber siehe, beim Turchlesen besivölkte sich seine Penta stirne. »Was gibt’g denn, Männchen?« »O« dies ist ein seltsamer Vorfall! Hört einmal. wag hier geschrieben steht: »Hochverehrter Herr! Empfan gen Sie anbei ein kleines Ehrenge schenk mit der Versicherung meiner glühendsten Dankbarkeit Jch bin von Beruf, was man einen internationalen Spiyhuben nent, habe in meinem Gewerbe glänzende Erfolge aufzuiveis sen und bin stets glücklich den sahn denden Händen der Polizei entgangen. Alles das s— meine Erfolge, meine bisher unangetastete Freiheit ver tsanle ich der Lektiire Ihrer ausge zeichneten, geistvollen Romane. Ich war stets der Erste, welcher ein Exem plar eines neu erschienenen Wertes aus Jhrer Feder erwarb, und indem ich ohne Verzug die von Ihnen erson nenen Kunstgriffe zur prattischen An wendung brachte, gelang es mir nicht J nur, mir im Lause der Jahre ein an- j sehnliches Vermögen zusammenzustehs l len, sondern mich auch stets der Ber solgung zu entziehen. Jn Jhrer Schule bin ich geworden, was ich bin, Ihre-nf Unterricht danke ich meine Ge schicklichkeit. Es ist daher nicht mehr als billig, daß ich darnach trachte, mich zu revanchiren, indem ich Jhnen Aufmerksamkeit erweise, indem ich Sonntags - CElsttt Beilage des ,,Ncbraska Staats-T)luzeigcr und Herold«. , ; J. P. Windolvh, Herausgehen Grund Islanty Nebr« den di. Tec. 1901 Iahkgjnig ZZNIL Hf I ) .nung Ausdruck gebe, daß Ihrer Spenderg nicht tennen,« seufzte Apol ans aufrichtiaeni Herzen der Hoff scharfsinniaen Feder noch recht viele Romane von gleich werthvoller Erfin dung entflieszen möchten. Jn glühen der Verehrung und Bewunderung Jhr ewig dankbarer Friedrich Schulze, in ternationale Hochstapler.« Das war ein talter Wasserstrahl auf den Enthusiasmus der Beschauer-, der Jubilar selbst war recht tleinlaut, und man erörterte die Frage, wag in diesem Falle zu thun sei. ,,Zuriictgeben tönnen wir das Ge schenk nicht, da wir die Adresse des loniuS, »das beste wäre wohl, die Gabe der Armenkasse zur Verwer thung für wohlthätige Zwecke zu über weisen.« »Aber es ist ein so wunderbarer Tafelaufsatz,« slötete Olivia, die äl teste Tochter. »Es wäre schade da ruin!« »Wir brauchen ja niemand von detkn Ursprung des Geschenteg etwas zu sa aen,« warf die Mama mit einem bit tenden Blick auf den Gatten ein. »Und wenn die Sache dann doch heraustomtnts Dann sind wir un sterblich blamirt.« »Ach, sie kommt sicher nicht her au5!« »Bebalte ihn doch, lieber Papa.« »Es ist die tostbarste Spende, die Du erhalten hast.« So redeten die Damen hin und her, sie vereinigten ihre Bitten Und Lieb tosunaen, bis der Papa schließlich balhnackmpbenn sann-? So will irb ieuch einen Vorschlag machen- Wir ! acceviiren das Geschenk und um einer I möglichen Blamsage zu entgehen, lese i ich heute Abend unseren Gästen den I Brief selber vor als einen ausgezeich neten Witz, ben sich ein Verehrer und . Freund an mir erlaubt hat.« »Ja, ja, Du hast recht, so soll es sein!« Der Abend lam, und mit ihm die zahlreichen Gäste, welche der Schrift steller zur Feir seines Jubiläumg ge laden hatte. Unter allen Geschenken ragte der Tafelaufsatz, welchem der lihrenplatz auf der Tafel angewiesen war, königlich hervor, er erntete die meiste Bewunderung der Jubilar und seine Damen strahlten im Entzücken des Besitzer-, ein Dutzend ber Gäste plagten fast vor Neid, und alH nun Apolloniug Die Geschichte der reichen Spende zum besten gab und das Bi let vorirug, wurde der Scherz mit un aeheurem Beifall und fröhlichem Ge lächter begrüßt. Da erhob sich plötzlich einer der tite ladenen, Der Rechtsanwali Plaido riuo, und sagte: »Lieber Freund, der Aussatz ist allerdings ein Meisterwerk der bildenden Kunst, aber es ist Zu fall oder Tücke, er besitzt eine auffäl lige Aehnlichkeit mit demjenigen, wel cher in derslossener Nacht dem Regie rungspriisidenten d. Steifhals gestoh len morden ist.« «11nmöglich," rief Apolloniuc3, un ruhia werdend. »Veraleiche doch selbst einmal Das entwenden-Kleinod ist ganz detail ; lirt in der polizeilichen Belanntma Jchung der heutigen Abenbzeituna be schrieben, worin vor dem Ankauf ge warnt tvird.« Der Anwalt zog die Zeitung aus Ver Tasche. Er las mit erhobener Stimme die einzelnen Ertennunggzeis chen vor und sie fanden sich sänimtlich L —.. -- ist ----- kx-—l .-.---.. Ull Uclll Uc,l-IIIHLIU,IIII lUIFULt »Kein Zweifel, er ist eg,« betonte der Anwalt. »Aber Herr Rechtsanwalt, es giebt sicherlich noch mehr Tafelaufsätze die ser Art,« machte Frau Rodbert den Versuch, ihr kostbare-Z Eigenthum doch noch zii rekliimiren. »Woh! möglich — -- doch hier ist noch ein Umstand angeführt, der zur siche reii Erkennung des Diebstahlobjektg dient. Der gestohlene Aussatz enthält in seiner Mitte eine goldene Kapsel, die sich öffnet, wenn man iiiis den Knopf der Arnispange der die Tanz« tiinst versinnbildlichenoen allegori scken Figur driickt.« Zosort brachte der Jubilar die an: gegebene Manipulation zur Ausfüh rung, und siehe die Kapsel sprang wirklich iiiis und ein kleiner Zettel fiel heraus, deii der Rechtsanivalt aus nahm und mit lauter Stimme vor lag: ,,Diesen Tiiselaiisscitz habe ich, um Jhiten eine iini so größere Ehre zu er weisen, unter Benutzung des Kunst grisss gestohlen, welchen Sie in Ihrer neuesten Kriminalnovelle geschildert haben!« Schüler: »So ein Unsinn, sich im mer «mit der Weltgeschichte abplagen zu müssen; fertig wird sie ja doch nie!« Seheud im ewigen Dunkel. Erzählung von G e o r g E n g e l. 1. Präsident: »Der Angeklagte ist her einzuführen« Und von zwei Gerichtsdienern sorg fältig unterstützt, schreitet ein kleiner, weißhaariger Herr in den Schwinge richtssaal und läßt sich dann langsam nieder. Das glattrasirte, vornehme Antlitz, dessen weiche Züge die gute Erziehung verrathen, trägt er hoch aufgerichtet. Ein Murmeln geht durch den Saal, dann wird es wieder todtenstill. »Der Mann ist blind,« sagte der Präsident und schließt unwillkürlich die Augen, und während fein Wort verklingt, schauert unten auf der Bank der Zeugen ein junges-, Mondes-» ganz in Schwarz qetieioetes Weib ängstlich zusammen, und ihr scheuen-, hilsefle hender Blick heftet sich minutenlnng aus den renunqglosen Greis dort oben. Jmmer schneller schlägt ihr Herz, dass wilde-, ungestüme in ihrer Brust, im: mer mehr Augen scheinen sich auf sie zu richten, und immer räthselhaster sprechen die todten Sterne deg Blin den zu ihr. Ih- »xc» Ists-nig-. n. --—4«-s».:-IJ Is v-» sysu ssq ------ , su- nasses-ON eine ruhige, llare Stimme. Präsident? »Sie sind der Senator Karl Christoph Valenus".3« Der Angeklagte: »Ja, Herr Prä sident.« Präs.: »Wie alt?« Angetl.: »Es Jahre.« Präs.: »Sie sind blind?« Angetl.: »Ja." Präs.: «Können Sie sich erinnern. wann Sie dieses Unglück traf?« ?lngetl.: »Vor zehn Jahren.« Präs.: »Eben so lang-.- sind Sie auch verheirathet?« ?lnqetl.: »l5ben so lange« Präs.: »Jhre Gattin war die Toch ter Jhree besten Freundes-. Jch lese aus Ihren Alten, dasz Sie oon der Dame während Jhrer langen Kranks heit gepflegt, baß Sie Dieselbe dann qeheirathet nnd in glücklicher, unge trübter lfhe gelebt haben?« « Tag schöne blasse Weib nus der Zeugenbanl lehnte sich entlriiftet ;uriirl und schließt die Augen. Etwas, wie eine Lähmung rinnt durch ihren Kör per, und nur noch wie durch einen Nebel hört sie die Stimme ihre-J Gat ten »Ja. Herr Ptiisid ee ist alles-, wie Sie sagen. Präs: ,,21ngetlaqter, Sie, bisher einer der hochqeachtetsten Männer der Stadt, stehen hier vor den Geschwores nen, um sich wegen Todtschlageg zu verantworten. Eines Abends haben Sie sich selbst dem Untersuchung-Stich ter gestellt und bekundet, ’daft Sie Jl) ren jungen Freund, den Baan von Liebritz, während er mit Ihnen speiste, hinterrücks erschaffen hätten. Damals berweiaerten Sie jede Aufklärung iiber diesen räthselhnften Fall. Be harren Sie auch heute noch bei Ihrem Schweinen s« Angeli. lfestti »Ich habe die Tth auf mich nenommem Herr Präsident Alles weitere überlassen Sie mirs Platz ,,;«lngeuaaier, naben Sie nat auch die Folgen Jltreg lfittsiitlussecs klar gemacht? Wenn Sie nnss den Schleier nicht liisten, wenn wir nicht etwas iiber die Motive erfahren, die Sie zu Jlsrer unseliaen That aetrie ben, dann, Herr Balenu5, mus; der Spruch verlränanißooll siir Sie fallen. Aber noch einmal lassen Sie sich er mahnenk Alle sind überzeuai, das tiefinnerliche Gründe regsam gewesen, daß es vielleicht sogar ein mißverstan denes Gebot der Ehre war, welches-« Sie beherrschtr. Herr Senator, Sie sind erblindet, keine Farbe leuchtet Ih nen, ewiae Nacht unigiebt Sie, ein solcher Mann greift nicht aus« gemei ner Mordaier zur Wasse. Sprechen, erklären Sie s-—« Angekl. (unsichers: »Sie werden Nichts weiter erfahren, Herr Präsi dent. Ich bitte Sie noch einmal, koni inen Sie zum Schluß. Dann spricht der Vertheidiger, kurz und knapp, der Staatsanwalt, die Ge schworenen ziehen sich zurück nnd schreiten dann langsam wieder in den Saal. Der Obmcinn verliest das Ur theil: »Schuldia — mildernde Umstände sind zugebilligt.« Und »schuldig, schuldia,« lreischt es wie mit tausend Stimmen vor den Ohren der blonden Frau dort unten. Mit weit geöffneten Augen starrt sie aus das silberne Kruzifix. Nein, das ist nicht mehr der Widerschein des flackernden Lichtg, der Heiland bewegt sich und schüttelt die Faust gegen ste, und vom Kreuze dröhnt es: »Schul dig, schuldig.« Präsident: »Der Angeklagte ist zu zehn Jahren Zuchthaus verurtheilt.« 2. Fünf Jahre oerstrichen, da erhielt der Landesgerichtspräsident eines Ta- » ges einen berste-gelten Brief aus dem Zuchthaug zu N. Er enthielt die lurze Mittheilung des Anstirltsdireltors, daß vor wenigen Tagen No. 54, der ehemalige Senator Valenug, gestorben sei. Unmittelbar vor seinem Hinschei den habe er einem Beamten das bei folgende Schreiben siir den Präsiden ten dittirt: »So ist Alle-J gekommen! Es ist lange, lange her, wohl fünf zehn Jahre. Jch erwachte und rieb mir die Augen, aber seltsam, Alles blieb Nacht, und doch wußte ist, es mußte Tag sein. Jch griff an mein Bett, es war da — ich tastete nach meiner Uhr, sie lag an ihrem gewohn ten Platz und tictte rasch und laut — hastig wars ich mich tvieber in die Kis sen und preßte meinen Kopf gegen die Wand. Noch immer glaubte ich, das; Alle-Z ein häßlicher-, schwarzer Traum sei, allein während ich Die Augen ge schlossen hielt, pochte mein Herz so wild, so ängstlich, das-; ich nach kurzer Zeit in die Höhe fuhr. Wieder Nacht, aus-« der Nichts emportauchte. Einen Augenblick blieb ich ganz still. Es mußte ja wiederkehren, dag sehnsüch tia erwartete Licht, ich fühlte ja seine Wärme, empfand ja, daß leuchtende, heiße Sonnenstrahlen aus meiner Wange spielten. Bevor ich mich gestern zur Ruhe gelegt, hatten Gäste bei mir geweilt. -——- Jch wußte es ganz genau, ich hatte sie doch aeseben mit beiden Augen erfaßt, meinen alten Freund und Lilli seine Tochter! Lilli hatte ein blaues Kleid getragen. Also blau! Dch mußte es doch gesehen haben, dasz eg- blau war. O, wie mich diese Er tenntniß beruhigte! Wenn ich gestern noch die Farben unterschied, dann mußte mein jetziges Unoermögen ganz natiirliche Ursachen haben. Gewis-« ich war nur früher erwacht, und es war noch Nacht; eine ganz besonders finstere, undurchdringliche Nacht! Da durchzuckte mich ein schrecklicher Gedanle. Jch will Licht anziinden - Ita, das ist es- ——- Licht -- dann werde ich sehen. Zitternd tastete ich nach dem Leuchter. Ich rifs ein Streichholz an, es ;erbrach. Das zweite flammte auf. Woher wußte ich dag! Weh -- ich sah es nicht, ich fühlte ja nur die tleine Flamme, fiihlte sie, bis sie mir den Finger verbrannte. Bewußtlosi ris-, ich noch eine an, und noch eine-, die ganze Schachtel brannte, und Doppelt start stieg mir der Geruch des oersenas ten .5;-lee5 in die Nase. Eine unaeheure Wuth packte mich, Ich springe ane- dem Bett, werfe mich mitten aus den Estrich und ich schnelle wieder empor. Nacht, Nacht. Nacht — Ich schreie, briille ftundenlana, end lich fahre ich wieder empor, ich fühle, das-. eine weiche Hand auf meiner Ztirn ruht und höre oon einer Stim me zum ersten Mal dac- entscheidende Wort: »Er ist blind.« s » Sie sasz neben mir. —s—— Zwei Mo nate hatte ich getobt und aeraft, jetzt erwachte ich zu neuem Bewußtsein Lilli saß neben mir, als das heftiae Fieber oon tnir entfloh. Sie beuate sich iiber mich, und plötzlich umfina ich sie und drückte sie schluchzend an meine Brust. O, ich toar ein rasender, wahnwitziaer Thor! Kurz oor mei nem llngliict hatte ich mich mit Lilli oerlobt, jedoch war ich Egoist genug, ihr Opfer anzunehmen. Es war in dem großen, schönen, tiefen Garten, hinter meinem Haufe. Das erste Mal saß ich wieder in dem rohrgeflochtenen Stuhl und lauschte, wie die Nachtigallen fangen. Und wieder saß Lilli neben mir und ihre Hand ruhte in der meinen. Da kam noch einmal die Erlenntniß über mich: Verlaß mich, Lilli, Du bist fo schön und jung und ich bin ein blinder Greis geworden. --—- Jch will Dein Opfer nicht« Sie driiclte mir die Hand und schwieg. »Du kannst mich ia nicht lieben, Lilli.« Sie warf sich an meine Brust und ichlnchzle laut: »Mitleib fiilile ich mit Dir, qrenzenlofeg Mitleid, das mir das Herz zerreißt -- ich kann Dich nicht lassen.« Da triumphirte ich, ich Thor, der ich Das Lebende an Das Starke leiten wollte-. Jch Thor, ich Thor — ich war blind! 4. Die Jahre schlichen Dahin und aus Nacht und Nacht ward für mich jeder neue Tag. Einsam lebten wir in Dem großen Hause, nur zuweilen besuchte uns der junge Baron Liebritz, ein Gutsbesitzer, mit dem ich geschäftlich l verbunden war. Am meisten entzückte er mich durch sein prachtvolles sonores Organ, und so geschah es, das-, er mir vst Stunden lang vorlesen mußte. Eine Zeit lang kam er täglich, dann seltener, zuletzt blieb er gänzlich aus. Jetzt erst, nachdem ich ihn nicht mehr bei mir wußte, empfand ich eine starke Sehnsucht nach ihm, und eg drängte mich, wenigstens viel von ihm zu sprechen «Lilli, beunruhigt Dich dieses selt same Verschwinden nicht auch?« fragte ich eines Tages meine Frau, die scheinbar mit irgend einer Arbeit be schäftigt am Fenster saß. Sie antwortete nicht gleich, dann aber sagte sie ruhig: »Nicht doch, Christoph, er wird be schäftigt sein.« Allein ich war noch nicht befriedigt, sondern mußte mich noch länger über meinen Freund unterhalten. »Er ist ein schöner Mann, Lilli?« fragte ich weiter, »nicht ivahr?« Sie antwortete immer mit der glei chen Ruhe und Güte. »Ja, er ist sehr schön, Christoph·« »Wie kommt eg, daß wir noch nicht darüber sprachen; gefällt er Dir denn?« Jch hörte, daß sie ihre Häkelei »zu sammenpackte und gleich darauf ent gegnete sie rasch: »Mein Urtheil ist ja nicht mask aebend; aber auch ich halte ihn fiir einen achtungswerthen Charakter und freue mich namentlich, wenn Dir sein Umgang zusagt. Vielleicht kommt er auch bald wieder.« Fast schien sie eg geahnt zu haben. Schon Nachmittags, alg ich aus dem Trital »macht- Mai-htt- icsb hi Stimme des Baron-Z zu vernehmen. Freudig ries.ich ihn, allein nur Lilli lockte mein Ruf herbei, welche mir ver sicherte, daß ich mich getauscht haben müsse. Am Abend kam er wirklich. Meine Frau hatte schon vorher über stopfschmerzen getlagt und sich zeitig iuriictgezogen So waren wir allein. Er setzte sich inir gegenüber und such e sein langes Aus-bleiben zu entschuldi gen. »Geschäft-: leere Etliissfliichie,« spottete- ich d tonlich, »Sie haben sicher lich Jhre Zeit besser angewandt — vielleicht ist ei gar eine Liebe?« Der Baron schwieg einen Auan blirt dann gab er unsicher zu: »Ja es ist eine Liebe, Herr Sena tor!« ,,Also doch ——-« Jch lachte über meine gute Idee und verspottete ihn nach Kräften Endlich fragte ich, warum er mich, seinen Freund, nicht schon früher ins Vertrauen gezogen hätte »Weil es eine gefährliche Neigung ist« gab er zuriict und seine tiefe Stimme bebte --—, ,,e5 betrifft eine verheirathete Frau « Jch fuhr aus »Aber sind Sie denn toll, Baron? Und dasz oertiinden Sie so offen? Hoffentlich weis-, doch die betreffende Dame noch nichts ovn ihrer Liebe?« »Ja, sie weiß eg »Und sie liebt Sie svieder?« »Ja, ja!« »Und s-—--?« ,,Weiter nicht-M brach er ab unI erhob sich »Wir wollen wieder zu unserer Lettüre zurückkehren« Spä ier als gewöhnlich verließ er mich. Allein, ich fand auch auf meinem La « get reine mune, nnmer wieder ver folgte mich der Gedanke an Die selt same Eröffnung meines Freundes-, und noch unausgesetzt durch ihn be schäftigt, saß ich am nächsten Morgen am Kaffeetisch Ein höfeg Geliist reizte mich, mich mitzutheilen Lillc ineilte wieder an ihrem gewohnten Platz, ali- ich das- unselige Wort an hob: »Jetzt weis; ich, warum uan der Baron so lange vernachlässigte. tkr liebt eine verheirathete Frau! Hättest Du das geglaubt, Lilli«?« Etwa-J stlirrenoeg fiel zu Boden. ich erschrak, und ich fühlte förmlich, wie sie mir in die leeren Augensterne blickte. Dann stammelte sie etwa-J und huschte an mir vorüber. llnD durch die Flucht Der weiten Zimmer hörte ich deutlich, wie eine weibliche Stimme tief und leidenschaftlich aus schluchzte Aber nein, ich mußte mich getäuscht haben, denn schon nach wenigen Minuten lehrte sie zurück, setzte irgend eine Erquickung vor tnir nieder und vermochte über meine Mit theilung zu scherzen· Erst als der Diener mit den Zeitungen erschien, er hob sie sich und schritt in den Garten hinab. Jch blieb mit meinem alten Auf wärter allein. Mir war so seltsam ruhig zu Muthe, und doch rieselte mir Etwas talt den Rücken herab, und in den Augen brannte Etwas-, entsetzlich, quälend, wie glühendes Blei. Jch W konnte den Gedanken nicht los wer den, er peinigte mich, sie hatte gie schluchzt. Und dann kam die »Ent scheidung Jch rief meinen Diener, gab vor, der Baron hätte wegen ir gend eines verlorenen Gegenstandes geschrieben und bat ihn, stch zu erin nern, wann mein Freund zuletzt da gewesen. »Aber Herr Senator,« sagte der Alte lächelnd, ,,ler Baron kommt doch fast täglich.« ,,Täg——?« ich begann plötzlich so laut zu lachen, daß der Diener um mich besorgt wurde, aber ich beruhigte ihn und schickte ihn fort. Nachmittags fand ich nach langem Umhertasten in meinem Schreibtisch den Revolver, der schon seit Jahren geladen an seinem Platze tag. Gegen Abend klagte meine Frau plötzlich über erneute Schmerzen und zoa sich wieder zurück. Eine halbe Stunde daraus tam ,,Er«. Der Diener stellte uns eine Lampe aus den Tisch und der Baron setzte ohne weisere Einleitung seine gestrige Vorlesung fort. Schon gegen zehn llhr erhob er sich und wollte sich kurz oerabschieden. Jch hielt ihn zurück; jetzt mußte es geschehen! »Warum berauben Sie mich so früh Ihrer Gesellschaft?« sragte ich, mich gewaltsam beherrschend, »aber müssen Sie etwa zu jener Dame?« Jch hörte seinen raschen Athemzug, dann sagte er heftia —--s ,,Errathen!« »Werden Sie ertvartet?« Jch klam merte mich dabei an den Tisch fest und merkte, wie die Lampe auf dein Holze «s,urcric. ,,Ja,« sagte er unsicher. »Zum ersten Mal ——-« Eine Spanne Zeit blieb es still zwischen uns Beiden, dann streckte er die Hand geaen mich aus und wünschte mir ruhig »Gute Nachtt« Nun würde er gehen! Langsam er hob ich mich und stieß absichtlich das Buch zur Erde. ,.Heben Sie es aus-« befahl ich kurz. Willig bückte er sich danach, und gleichsam zum Dank klopfte ich ihm leise auf die Schultern. »Wie einen breiten Rücken er hat,« dachte ich noch, dann drückte ich los — —- — si- -s· si ,,Meine Tage gehen zu Ende. Jch sterbe im Zuchthau5. Jetzt erst weiß ich eg, die Menschen sind Alle blind, erst der Tod macht sie sehend!« ——..—-.. Wie lange lebt ein Hinqerichtetert Bielfach ist die Frage aufgeworfen worden, wie lange nach Bollzug des Hinrichtunggakteg noch das Bewußt sein im Körper des Gerichteten lebt. Auf eine merkwürdige Weise hat der französische Gelehrte Belpeau dieFort dauer des Bewußtseins nach der Guil lotinirung festgestellt. Er besuchte den zum Tode derutheilten La Pommeray in seinem Gefängnisse Und bat ihn, der ebenfalls Arzt war, um folgendes-: »Ich werdr Jhrer Hinrichtuna beiwoh nen. Wenn dag Fallbeil gefallen sein wird, werde ich sofort Ihren Kopf er fassen, und wenn Sie dann noch einen Schimmer don Bewußtsein haben, so wenden Sie Ihren Blict mir zu.« Der Berurtheilte versprach, die Bitte zu er: füllen, und in der That sollen sich, als Belpeau sofort nach der Hinrichtung den ston deg Gerichteten aufhob, ihm die Augen dieses Kopfes zugewendet haben... Ein Verbrecher wurde in Piemont garrotiert, kam aber wieder zu siclz und wurde schließlich begnadigt. Als man ihn frug, was er gespürt ha be, sagte er: »Eure-n starken Schlag und dann nicht«- mehr.« Bor zwanzig Jahren lebte in Bar eeldua ein französischer Flüchtling, der in Utarseille als ziommuuard zum Lode verurtheilt und erschossen wor den war. Illig die Soldaten abmari schirt waren, bemerkte der Etationås chef des Bahnhoseh an dessen Mauer man die Berurtheilten gestellt hatte, daf; einer sich noch bewege; er schaffte den Mann in seine Wohnung und dort wurde er wieder in’g Leben zurückge rufen. Lllg man ihn später fragte, wag er empfunden habe, saate auch er dasselbe lvie jener in Piemont Gardi tirte: ,,Einen starken Schlag und nichts Iveiler.« Jnteressani ist, daß dieser Mann in Barcelona von einer Pension lebte, die ihm ein französischer Ztaatkniantn ve la Gueronniere, aus zahlen «ies3. Als dieser Staatsmanm Damals französischer Botschafter in KonstantinoveL während des Krieges von 1870 in Marseille landete, wollte ihn der Pöbel li)nchen. Ein Unbekann ter aber stieß ihn gegen eine offene Thür, die er hinter ihm verschloß. Dieser Mann ivar der in Marseille zum Tode verutheilte Feommunard, dem de la Gneronniere ans Dank fiir diese Rettung eine lebenslängliche Pension augsetzte --. ,- .. Eine heitere Kriegsgeschichte aus dein Transvaal erzählt die »Deutsche Zeitung fiir die Niederlande«: Jn der Nähe von Felertsdorp im Trans vanl wurden vierzehn Mann des 13. Englischen Husaren - Regitnents von Den Vuren gefangen. Da die Buren an Kleiderinangel leiden, wurden den Gefangenen diesUnisornien bis auf das letzte Stück Wäsche abgenommen nnv vann wurden sie in das englische Lager geschickt. Am anderen Tage wurden 48 Mann desselben Regimentö Italien in Gebrauch gekommen zu rächen, doch auch diese fielen in einen Hinterhalt und erlitten vasselbeSchick sal lvie ihre Waffengenossen. Seitdem wird das 1:-3. Englische Husaren-Re giment nur noch dag »Regiment der Adamiten« genannt. « HLVMWHHRFWKM FHT - »