W Die GEsEaftekitn Moderne Geschichte von Freiherr von Schlicht. Es war ber erste diesjährtge große isffentliche Mastenball Jn einer Ni sche saß einsam bei einer Flasche4 Rothwein der Rechtsantoalt Dr. Sie ber, langweilte sich entsehlich und! überlegte alle Minuten dreimal, ob er nicht lieber nach haus gehen und bei seiner Frau gemiithlich plaudernf wollte. Aber das ging nicht, denn Um sich frei zu machen und seiner Frau, die sehr eifersiichtig war, auch nicbt den lesesten Grund zu geben. mit ihm unzufrieden zu sein, hatte er sich von seinem Freund, dem verwittweten Bauratb Te elmann auf einer offi stiellen Einfa dungslarte zu einem Herren- Diner bitten lassen, die beiden Freunde hatten sich derabredet, aber im letzten Augenblick war Teaelmann durch ein Telegramm, das ihm nacb auswärts rief, verhindert worden, ficb zu betheiligen. DMothweinflasche war leer! .,Ob icb noch eine trinle?« fragte er sich, ..bier bleiben muß ich noch s- Te aelinanng Herren-Diverg- bilden den Schrecken aller Fbefrauem weil die Männer meistens sehr spät und fast immer in einer etwas sehr angeheiter ten Stimmung zuriiellommen. Kehre ich feer früh und total nüchtern nach Hang, so wird meine Frau mißtraus ifcli. Es hilft nichts, ich mufz weiter trinken-" Er winkte den Rellner herbei: »Den selben Vers noch nial.« o Jn der Laune, in der Dr. Sieber sich selbst befand, begriff er nicht, wie man auf einem so langtoeiliaen Fest überhaupt vergnügt sein könnt-. »So ganz allein Beim Glase Wein Das lann doch nur Ein Gatte sein« sann da eine heitere, lustige Stimme nach der Melodie der Fledermaus Fast lzornig-i wandte er sieh um« ein bunt fchillernder Schmetterling ftand vor ibm. . »Seid-r Falter, verbrenne Dir Deine Fliigel und Deinen Mund nicht,« lagle er ärgerlich, ich bin nicht zum Scherzen ausgeleg«t.« »Dann hättest Du zu Hause bleiben sollen,'« gab sie lullig zur Antwort, »nur um zu «zechen, kommt man doch nicht hierher, im übrigen gebt esmich ja auch nichts an.« Und schnell eilte sie davon. Er fah ibr nach, wie sie sich durch den dichten Schwarm wand, ihr bun les Gewand, die lleinen schillernden Flügel, die sie auf den Schultern trug, ließen ibn sie auch noch in der Ferne erleniren Sie gefiel ihm mit einem Male. Langsam erhob er sich von seinem Platz nnd folgte den Spuren des Schmetterlings-: »Wenn ich Glück habe, slieat mir der lleine Käfer noch einmal in den Weg,« dachte cr, »wenn nicht, werde ich auch nicht an gebro chenem Herzen sterben-« Trotzdem suchte er mit den Augen nur sie, und endlich, nach sast einer halben Stunde, fand er sie. wie sie oben im Rang allein an einer Säule lebnte und auf die Paare zu ihren Füßen herabbliclir. »So ganz allein nicht mal beim Wein Das lann doch nur ·ne Wittib sein« versuchte er zu singen. Er war lein großer Sänger, und unmusilnliich wie er war, summte er die Strophen nach einer ganz falschen Melodie. Sie wandte sich um und sal) ihn lustig an, dann fragte sie etwas svöt tiich: »Nun, haben Sie keinen Durst mein-T« »Steig, stets«« gab er zur Antwort, »viele Gaben enthielten mir die Geil ter bei meiner Geburt vor, einen ge nüaenden Durst nicht. Es schmeckt mir auch itnimr, nur dann nicht, wenn ich allein bin.« »Und da haben Sie sich aus den Weg gemacht, utn mich einzusanqenk« fragte sie neckend, ,,da werden Sie aber wenia Glück haben.« »Warum das-?" fragte er. »Weil mein Herz nicht mehr frei ist,« erwiderte sie lustig, »ich liebe einen anderen, sehen Sie, dort geht er,« und sie zeigte aus einen klinen sehr dicken tan sehr trummbeiniqen Herrn, der in der Tracht eines Sul tans an ihnen vorüberging. »Der Geschmack ist verschieden,« erwiderte er: »Aber wie ist es? Wol len wir stehen bleiben oder wollen auch wir versuchen, ob wir Platz siir einen Walzer sinden?« Sie williate ein und. schritt an sei nem Arm die große breitfcreppe hin unter. Nach den Klängen der Musit tanz ten sie gleich daraus, so gut es bei ber Fülle ging, und er war von neuem von der Anmuth ihrer Bewegungen entziicM Dann suchten und fanden sie in einer Nische einen kleinen, leeren Tisch, der aerade nur zwei Personen Plah bot und ihnen sichere Aussicht gab, eil lein zu bleiben. Er nahm seine Magie ab. und sie solate aus sein Zureden seinem Bets spiel: er sah in ein iugendsrisches, hübsches Gesicht mit leuchtenden, seu-. eigen Augen. »Nicht aus jeder Raupe entpuppt sich ein so hübscher Schmetterling, wie» Sonntags Blatt Beilage des »Viel-Instit Staats-T)lu3cigck und Herold« J. P. Wittdolpy, Herausgehen Grund Wand Nebr»deul) Nov.1.«)l Jahrgang 22 No. ll I Du einer geworden bist,« sagte erJ ,,inich wundert, daß nicht irgend eins Sammler Dich fiir immer einsing unv « hDich siir alle Zeit in seinem Haus be- » ielt.« i «Versuchk hat es schon mancher,«" sagte sie lustig, »aber es lam noch nicht : der Rechte. Wer mich siir immer ha- T ben will, der muß von mir geliebtj werden. Einen Mann, den ich nicht . wirklich liebe, heirathe ich nicht, lieber bleibe ich srei.« ,,Bravo,« lobte er und schenkte ihr den schäumenden Sekt in den Kelch, »Du hast recht. nichts ist schrecklicher, als ein unglückliche Ehe, davon kann ich viele Bänve erzählen« »Das tonunt davon,« sagte fie, »wa rnm haft Du geheirathet?« Er sah sie einen Augenblick verwun dert an, dann lachte er plötzlich laut ans: »Ach sv,« erwiderte er dann, »nun verstehe ich Dich erst, Du meinst ich hätte von meiner eigenen Ehe ges svrochenäk Nun, da tannst Du ruhig sein, ich bin sehr glücklich. Was ich vorhin sagte, bezog sich daraus, dasz ich in meiner Praxis sehr viel von un aliicklichen Eben höre, ich bin nämlich Rechteanwalt.« »Hier in Berlin.’-« ,.’tlllerdings.« Sie schwieg einen Augenblick, dann fragte sie anscheinend ein klein wenia zögernd: mKennst Du hier einen Rechtsanivalt Dr. Sieber?« Ein Rechtsanivalt darf sich durch teine Frage aus seiner Ruhe und Si obern-it brinaen lassen. so saate er denn jetzt auch ganz ruhig und ge lassen: »Dr. Siebel-, Dr. Sieber —---- aller dinaS, dem Namen nach tenne ich ihn, ich alaube,.ich hin auch einmal im Gericht mit ihm zusammen getroffen, wie sieht er doch noch aus?« Er be schrieb gerade das Gegentheil seiner eiaenen Erscheinung: »Nicht wahr? Er ist sehr groß, schlank und hlonD?« »Ich tenne ihn nicht,« erwiderte sie, »ich kenne nur seine Frau-« Das Seit alas zitterte unwillkürlich in feiner Hand. Das hatte er nicht erwartet, das hätte nicht kommen dürfen. Wer war feine heitere und hübsche Gesellschafterins Er wollte es wissen, und so fragte er anscheinend ganz aleichaiiltig: «Woher tennen Sie die Dame denn?« Wieder schwieg sie einen Augenblick, dann faate sie heiter: »Da Sie die Familie ja doch nicht kennen, mich also auch nicht verrathen werden, tann ich eg Ihnen ja ruhig anvertrauen; es ist auch weiter nichts Schlechtes und nichts Böses. Ich habe von morgen, vom l. Februar an, bei Frau Dr. Siedet eine Stelle als Gesellschafterin anaenotninen·« z Der Schreck lähinte ihn fiir einen Augenblick Sein erster Gedanke war, I sich unter iraend einein Vorwand zu» entfernen, sein zweiter, sich ihr vorzu stellen und ihr sofort zu kündigen, denn unmöglich tonnte er ein junges Mädchen ins Haus nehmen, Init dem er aus Dem Mastenhall Bekanntschaft aefchlossen hatte. lir räufperte sich ein paar Mal, dann meinte ei: »Wissen Sie, auf dies Geständnisi Jhrerseits war ich nicht vorbereitet. Fiir eine Gesell-« fchafterin hätte ich Sie nicht aehalten. « Sie thun mir eigentlich leid, dafi Sie eine so schwere Stellung annehmen milssen·« . Sie iuette Die Achseln: »Was soll man machen? Arbeit schändet ja nie manden. Jch freue »sich auf meine neue Stelluna sehr, ich werde tvie ein ffamilienmitalied gehalten, Die Frau Doktor iit eine sehr liebenswürdige Dame. und er soll auch sehr nett tein.« »Das stimmt,« pslichtete er ihr bei und setzte dann schnell hinzu: ,,Da:s stimmt vollständia mit dem überein, mag ich über den Rechtsantvalt aehört habe, aber iiber die Frau iinb Sie, nach allem, was ich iveiß, ganz falsch unterrichtet.« »Sie tennen die Frau nicht,« suhr . er fort, »aber ich tenne sie, ich will es Ihnen nur gestehen baß ich mit der Familie sehr besreunoet bin, d. h. mit ihm, enn mit ihr liifit sich überhaupt nicht ertehren. Die Frau ist nervög, wahnsinnig hestia, unaerecht in ihrem Urtheil, herrisch, launisch, es ist nicht cnit ihr auszutommeir Jch weiß, bas; die jungen Mädchen, die sie sich als Gesellschafterin engagirt, es nie län get als höchstens drei Taae bei ihr cushalten.« Er schämte sich una sein schlechtes Gewissen veranlaßte ihn, auch sich selbst etwas schlecht zu machen; so sagte er denn, onhe ihre Frage dirett zu beantworten: »Das schlimmste ist, baß der Mann bei jedem Streit, so weit es sich um Angestellte in dem Hause handelt, stets aus seiten der Frau steht. Jch rathe Jhnen deshalb dringend, nehmen Sie die Stelle nicht an —-- nach drei Tagen sind Sie doch entlassen, und zur Empfehlung für die Zukunft dient Jhnen das nicht« Einen Augenblick schien sie noch ganz verwirrt, dann sagte sie: »Ich dante dem Zufall, der uns hier zu sammensiihrte. Wie ich hierher kam, interessirt Sie ja weiter nicht -— ich wollte eine Freundin, bei der ich wohne, begleiten und mußte schließlich allein gehen. Was Sie mir gesagt haben, soll nicht umsonst gewesen sein --—-- Gott sei Dank geht es mir nicht so schlecht, daß ich jede Stellung anzu nehmen brauche, ich werde gleich mor gen sriih der Frau Doktor abschrei den. Vertlagt tann ich deswegen hof fentlich nicht werden?« »Das allerdings,« gab er zur Ant wori, »aber Frau Dr. Siedet klagt nicht« die ist es schon gewöhnt, daß » ihr ejungen Mädchen iui letzten Augen blick striten. Eins aber möchte ich Sie noch bitten: sagen Sie in Jhrem Briese nicht, das; Sie Jhre Kennt nisse einem Kollegen des. Rechtsan waltg Dr. Sieber verdanken —- selbst verständlich miißte Sieber nach mir recherchiren und ich lijme dann viel leicht in des Teufels Küche." »Deinen Sie ruhig, meiner Diskre iion können Sie sicher sein.« Es war verhältnismäßig noch sehr früh, als sie beide aufbrachen, unt ihre Wohnungen auszusuchen Dot tor Sieber fühlte sich, seitdem er munte. wer der Schmetterlan war. in seiner Nähe etwas recht sehr unge miithlich, und er war glücklich, als er die Hausthiir hinter sich abgeschlossen hatte und sich in seinem schönen, reich eingerichteten Haus befand. »Was wird meine Frau sagen, wen das junge Madchen morgen oder richtiger gesigt, heute Mittag nicht toinmtk vSie wird, nervös wie sie ist, rasen.« Und er behielt recht: sie raste vor Zorn und Aeraer wirklich. und sie beruhigte sich erst, als auch ihr Gatte das Benehmen der Gesellschafteriu unerhört fand und sofort eine Stras anzeige gegen die Zünoerin zu er lassen versprach Am Abend desselben Tages schentte der Rechtsanwalt seiner Frau einen niit tleinen Perlen nnd Diamanten be setzten Schmetterling, den sie sich schon lange als Haarschinuct gewiinscht hanc ,,Wie kommst Du nur da,3u?« fragte sie aus das höchste verwundert, »ich bin ganz starr über Deine Freigebiateit, wie tominst Du nur dazu-» — — - »O - Um einen Trunl Wassers. Novelle von Nataln von Eschstruth Die heifze Tropensonne aliihie aus die Straßen der chinesischen Stadt hernieder. Nur vor dem Gerichtggebäude herrschte Leben, Lachen, Johlem Schreien und Schwatzen. Eine dichte Schaar von Zopfträ ’ gern Weibern und Kindern umstand I den Richtpfahl, an welchem ein un l glückliches Opfer chinesischer Gerechtig teit seine namenlosen Qualen litt. ( An den Steinpfeiler festgekette» den s Hals von einem eisernen Ring um i schlossen, hing ein Chinefe an dein Marterpfahl die Strafe fiir einenl M: Utkt Ll -t. Clkussuqs IsUdsZUunclls Drei Tage und drei Nächte mußt-: er die Pein ertragen. Anfänglich "tanoexr seine Füße aus drei überein ander gestellten Ziegelsteinen fest, an jede-n Tag aber ward ein Stein sort genommen, so daß der Ungliickliche beim dritten Sonnenaufgang nur noch tnapp mit den Fußspitzen den Unter arund berührte, und die ganzeSchwere reg Körpers an dem harten, scharfen Halsringe hing. Wollten ihm mitleidige Seelen oder Anverwandte während dieser Zeit Nahrung oder Trank reichen, so war es ihnen gewährt, und der Sträsling sristete sein elendes Leben; erbarmte sieh aber niemand seiner Qualen, so starb er den surchtbarsten Tod, und die Menge um ihn her johlte und lachte uno verhöhnte voll grausamen Behagen-z seine letzten Zuckungen. Durch das Stadtthor herein zog eine kleine Karawane, und einer der Kameeltreiber blieb lachend stehen und fragte: »Was sür einen Teufel habt ihr da aus Rosen gebettet?« — »Es ist der Kwamscheng — der Kuli —- der verfluchte Bösewicht!« antworteten die Nächststehenden i Da klang ein«leiser, eiliger Schritt auf dem schmutzigen Holzpflaster. Jn- der europäischen Kleidung der Diatonissin trat hochathmend und er z schöpft vom schnellen Gang ein junges ; Mädchen durch die Menge und bahnte sich den Weg zu dem Dulder. Sie trug an dem Arm ein Körbchen, wel sches weich gekochten Reis und eine Flasche voll Wasser, gemischt mit einer belebenden und stärkenden Essenz, ent hielt. Mit einem Blick tiefstenErbarnieng, j in welchem sich bei dem Anblick des ge ’» quälten Mannes das Entsetzen spie gelte, trat sie an den Steinpseiler,? schwang sich aus seinen Sockel empor - nnd hielt dem Berschmachtenden das Wasser an die Lippen. Kwamsrhenas trank in langen, durstigen, schier uner- - » sättlichen Zügen i Jltel)r, mehr! ein leises Stdhnen unbeschreiblicher Wonne ——- der Blick des Siräslingg traf das Antlitz seiner -L3aniariterin, ein wunderlicher Blick, wild, rollend, durchdringend, als wolle » ei das blasse, enaelsqute Gesichtchens der Diitonissin verschlinqu --— Schwester Johanna hob ihm uiit zitternden Händen den Löffel voll ( Reig- an den Mund, aber Kivawsrheng j tniss die Lippen zusammen und schloß i jählingg die Augen. »Ich toniine heute Abend wieder « nnd erquicke dich!« sagte sie in chinesi schek Sprache, ,,oder soll ich früher bei dir sein, leidest du großen Durst?« « Keine Antwort. —-- Und alg die süße, weiche Stimme noch einmal staate, rang eg sich rauh und zornig sp-- -.«-— Ed« ....... ts- le« UUII ILIULII QDPFLII »k.7kcs, - Sie stieg von dem Stein herab und l schritt, leise seufzend, durch die Menge i davon Ein leises Murren hatte sich bereit-J erhoben, als die Dialonissin bei dem ISträfling erschienen war, ein paar Fäuste hatten sich erhoben die schlanke Gestalt von dem Pseiler herabzurei sten. Aber die beiden Soldaten, wel che als Wache daneben standen, streck ten die beiden Schwerter vor und mehrten sie ab. — Der Abend lam« und da es in der Stadt eine große Hochzeit gab, wo sich rie Gasser vor dem Hause stauten, blieb der Platz um Kwanischengg Uliarterpsahl derbältnißmäszig leer. Abermalg zuckten und trampften sich die Glieder des llngliicklichen, sein Blick stierte wie in Verzweiflung die Straße hinab, welche Schwester Jo hanna beute Mittag gekommen war. Kommt sie wieder? Hatte sie sein ,1,orniger Fluch fiir immer verscheucht? Nein, sie hatte ihm kein Gift ges reicht, wie er gewöhnt. Das Wasser, welches so seltsam schmeckte und auf oer Zunge brannte, hatte ihn wunder bar gestärkt und erquickt. Die fremde tTeuseiin hatte ihm Gutes und nicht-s Böses gethan. ; Die Zunge klebte ihm am Gaumen: » er hatte kaum noch Kraft, einen » Schrei auszustoßen Wird sie kommen? Wird sie — ? ( Plötzlich schlagen die mageren Arme l i i i irild um sich, wie in freudiger Ver «tiickutig. Ja, sie kommt, sie naht, sie schwingt sich zu ihm empor. ,.Wasser s-- Wasser!« Wieder schlingt er in gierigen Zü gen das köstliche Naß hinab, und als . er die brennende Gluth gelöscht, i röchelt er: ,,Reis!« — Sie lächelt, hebt den weichen Brei an feine Lippen und fiittert ihn, und alg er gesättigt ist, nimmt sie den wei chen Schwamm und wäscht nnd kiihlt seine blutenden Wunden am Hale Einer der Wächter tritt mürrisch hinzu: »Speisen kannst du ihn, waschen aber darfst du ihn nicht!« Mit traurigem Blick unterbricht Schwester Johanna ihr Zamariter wert. »Ich komme morgen friih wieder,« sagt sie zu Kinan-schena, »es ist gott lob der letzte Tag!« »Sie hofft aus einen dankbaren Blick, ein ertenntilches Wort von ihm. Umsonst. Der Shinese schließt trotzig die Augen und preßt mit finsterem Gesicht die sLiPpen lzusammen. Schtveiaend wendet sich die Diato nissin und geht. Auch am folgenden Tage Pflegt und erquickt sie den Sträsli., dessen Qualen ihren Höhepunkt erreicht ha ben. Halb bewußtlos hängt er in dem eisernen Halsring, und nur mechanisch schliirst er das belebende Wasser« Sein Auae blickt wie gebrochen, und doch ist auch jetzt noch sein Ausdruck finster nnd haßerfiillt, wenn er mit auf slackerndem Bewußtsein das milde Antlitz der Diatonissin trifft. Als die Sonne sinkt, löst man das Halseisen des Verbrechers, und weil Kwamschengs geschwollene Glieder ten Dienst versagen und seine Kniee unter ihm zusammenbrechen·, so stößt man den Taumelnden mit rohern Ge lächter zur Seite. daß er gegen die Mauer schlägt und halb ohnmächtig in den schmutzigen Graben rollt. -— Schwester Johanna hat es mit an gesehen. Das Entsetzen über solche Grausamkeit schnürt ihr die Kehle zu sammen. Sie wartet einen Augen blick, bis sich die Menge verlaufen hat, dann tritt sie an den Graben und rich tet den Bewußtlosen in ihren Armen aus. Wieder speist und tränkt sie ihn. reibt.ihm die erstarrten Glieder und spricht ihm Trost zu, und Kwan scheng starrt sie finster an und sagt höhnisch: »Gieb dir nur keine Mühe, ich werde doch kein Christ!« »Das verlange ich auch nicht von diri« »Warum bist du sonst zu mir ge kommen zu mir, den die eigenen Verwandten und Freunde Hungers sterben lassen wollten Z« fragte er zäh: neinirschend. »Weil mich deine Qual jammerte!« sagt sie schlicht. »Und nun stiitze dich sest aus meinen Arm und versuche, ob » du aehen kannst; ich bringe dich in das Missionghaus und pslege dich dort aesund!« Er richtet sich ächzend aus, hängt schwer auf ihrer Schulter und versucht wankend die ersten Schritte. -s So bager und sleischlog seine Gestalt auch ist, scheint sie dennoch von der eisernen Festigteit und Zähigteii zu sein, wie sie den meisten Kulig eigen Rivan schena erholt sich erstaunlichl schnell, und alg er an der nächsten F Blklltzellccce allgetllllgl lsl, stokzi er Schwester Johanna plötzlich zurück· »Ich gehe nicht mit dir! Jch werde i tein Christ!« stößt er ingrimmig her- s vor, wendet sich kurz um und schleppt I sich an den Häusern weiter, ohne auch nur einmal nach ihr zurückzuhliclem «- s Wochen sind vergangen. Beunru-k hiaende Geriichte über einen Boxerauss I stand, welcher in nächster Nähe von ! H. ausgebrochen, werden von chinesi- I . schen Christen in die Missionganstalt E H getragen. Man glaubt anfänglich i nicht an eine Gefahr« so sehr auch i wohlmeinende Chinesen den euroväisj schen lvlaubenegenossen angerathen,, bei Zeiten zu fliehen. I Als Schwester Johanna von einein I Krankenbesuch heimkehrt, steht eine H vermtiminte Gestalt an der Mauer des Anstaltgartens s »Die Borer sind morgen hier: wenn I die Christen sich retten wollen, sollen! sie fliehen!« sagt eine barsche Stimme. ; Johanna lächelt· »Die taiserli-- s chen Trnvpen schützen unS,« sagt siei freundlich, »und ViresKönig TsusLij rieth ung, zu bleiben. Jch dante dir 7 fiir deine freundliche Mahnung!« ! Sie tritt in dag Haus ein, und die z Gestalt des Chinesen verschwindet j hinter dein Gebüsch. Nachts flientj ein Stein mit einem daran gebunde- j nen Zettel durch ein Fenster des Bet- ! saalg. « ! ,,Flieht sofort! TfusLi ist ein Ver: s räther! Die Borer werden Euch ! tödten!« l Man hält einen kurzen Rath, glaubt aber völlig auf die Lohalitiit fisk- IUZ«---(IRni.-- vorfmpn m hist-fort Der nächste Tag bringt oie Bestäti anna, daß ein Bot-erhausen nach der Stadt marschirt. Schwester Johanna hat eine zu Too erkrankte christliche Uhinesin zu« Pfleaen, sie verläßt die Station und eilt durch oie engen, schmutzigen Gas i sen ihrem Zchiitzling zu. l Sie bemerkt nicht, wie oie gros-,e,i hagere Gestalt eines Chinesen ihr; schattenhast folgt, sie hört nur böse,z kränkenoe Worte, welche tnan ihr auf f Der Straße lzurnft, und athmet hoch ans, alg sie die Hütte der Kranken er- I reicht hat. Nur kurze Zeit erst weilt sie an Dein Lager der Wöchnerin, alg derenMann mit allen Zeichen großer Aufregung über die Schwelle stürzt. »Die Boxer sind in der Stadt! Die Mission nnd die Kirche, sowie alle Europäer und christlichen Chinesen sollen niedergemetzett werden! Lauft schnell nach Hause, fremde Frau, sie verbarritadiren euer Haue-, und die Regierungstrnppen kommen euch wohl zu Hilfe!« Bleich und regungslos, mit zittern den Lippen steht Schwester Johanna. Mechanisch greift sie nach ihrer Hau be, welche sie der Hitze wegen abgelegt." Das Weib des Chinesen umklammert ihre Hand. siLasz sie hier, Mann,« steht sie bebend, ,,oerstecte sie im Haus! Draußen fällt sie gar in die Hände der Mörder, und sie hat mir »—-k-c-M;«x .».,... « .,...., ·. - » »L...-k;».. g doch das Leben gerettet!« —- Der Chi nese schüttelt finster das Haupt. »Nein,« sagt er mitsprühendem Blick, ,,sie soll fort! Glaubst du, ich will mit euch allen den langsamen Tod sterben, wenn sie die fremde Teufelin hier finden? sSie war gut zu dir und dem Kind, darum liefere ich sie den Boxern nicht aus, aber im Hause dulde ich sie nicht!« Schwester Johanna umkrampft mit blossem Antlitz das goldene Kreuz auf ihrer Brust; ein kurzes, inbrünstiges Gebt, und sie tritt in den kleinen, schattenden Garten hinaus. Da wird sie rücklings von zwei Ar men gepackt und nach der Hinterthiir gezerrt, sie fühlt ein Tuch über dem Kopf, fühlt, wie sie gefesselt und ein gewickelt wird, ——— sie will schreien — unmöglich, der Athem vergeht ihr, halb ohninächti;; bricht sie zusammen. Man hebt sie aus einen Karten, und fort geht es in rasender Eile. Als sie die Augen wieder öffnet, be findet sie sich in einemd unklen, keller artigen Raum. Vor ihr steht ein Mann und löst den großen Sack von ihrer bebenden Gestalt. »Hier trink!« sagt er. »Komm wie der zu dir, - du bist in Sicherheit!« Sie starrt den Sprecher an und reibt sich die Stirn. ,,.itwan:sscheng?« murmelt sie. Er nickt mit sinsterem Blick. »Hier L«-4 liegen Mittellinie UruuuuiuukH »Hu steht Speise und Trank. Kleide dich um und iß. Und bleib’ hier in dem Keller und wage dich nicht an das Tageslicht, —— es gilt dein Leben.·« Er wendet sich kurz um, schlägt die eiserne Thür hinter sich zu und ver riegelt sie. Johanna ist allein. Mit einem leisen Schrei der Angst sinktdie Dialonissin in die Kniee und ringt die Hände im Gebet. Tiefe Stille rings umher, ein Tag oder deren zwei mögen vergangen sein, da steht Ftwanischeng wieder vor ihr »Sie sind alle todt —- lebendig ver brannt oder enthauptet!« sagt er ruhig. »Meine Brüder und Schivestern?« schreit sie auf. Er nickt. »Die fremden Teufel, Kirche und Mission sind zerstört· Nun rauben und plündern sie in der Stadt.« »Du hast mich gerettet, Kroati scheng?!« Er treu-it die Arme iiber der Brust. »Ich that’g! Warum? Hättest du mich zum Kaiser von China gemacht, hättest du mir den Himmel ans die Erde geholt und die Geister meiner Todten von den Dämone ebsreit — ich würde dich mit den Vorern zusam men gestern dennoch in Stücke gehauen haben! Aber du hast mir Wasser ges reicht, alg ich im Halsring hing, du hast mich trinken lassen« —— er athmet tief auf »und diese Wohlthat war noch größer als mein Haß gegen die Fremden. Sieh, ich habe im Tempel der Sonne gelobt, das-, ich dir das der gelten will, trotz meines Zorneg gegen dich. Nun magst du hier in dem Kel ler bleiben, bis die Borer abgezogen sind, ich bringe dir Speise nnd Trank.« Johanna barg schaudernd das Ant litz in den Händen. »Und wag dann? Ach ich bin nun ganz verlassen hier.« »Wenn die Straßen wieder sicher sind, bringe ich dich an die Rüste, wo noch andere fremde Teufel hausen.« ,,.tiwan scheng, dac- wolltest du?« schluchzt sie und will dankend seine Hand fassen. tsr stößt sie rauh zurück. »Ich thue eszi nicht ans Erbarmen, sondern weil ich esJ geschworen habe! Ich möchte dich zertreten, wie einen Wurm, und aedente dennoch daran, daß du mir in jenen schlimmsten Höllenstunden Was-: ser gabst!« Spriclit’5 und schmettert gehend die Thüre hinter sich ill. Drei Wochen lang hat Schwester ! Johanna in inrein unterirdischen Ver stert zuaedrachh dann hat Klvan schena sie einei- Taaeg anaeschrieent »Mach·d ich auk es ist Zeit!« Bei Nacht n d Nebel eilten sie aus nnd davon. Er hat sie auf seiner uneirädriaen starre aefahren, hat ihr Speise und Trank zusaniinenaestoh ten. hat ihr schliesslich mit Tüchern das Haupt ninwielelt, ein Räucherfaß neben ihr ausaehänat und sie als Pest-— traute durch unsichere Städte und Törser geschleppt Und nach langer, lanaer, niiihseliaer Wanderung haben sie endlich das von den Verbiindeten eroberte Tientsin erreicht. » »Nun aelr und verlas-, inich!« hat er sie anaeschrieen. »Und du, ztioan schenaZ O, toinni mit, dass wir dir danten tönnen!« Rauh und ioild hat er ausgelacht. »Ich aehe »in den Vorern und haue die meisten Teufel in Stücke!« Noch einen Stoß aeaen ihre Schul ter, daß sie durch das Thor taumelt, und Kivansschena ist ini Dunkel der Nacht verschwunden. ,-. .- , Die bejahrteWittwe, welche in einem Fasse iiber den NiaaaraFall kugelte, hat Einladung zur Ausstelluna von 17 Dirne Museen, eine Einladung, eine Rede zu halten und einen Heirathsank trag erhalten. Der Mann, welcher das Letztere gethan hat, denkt vielleicht richtia, daß er aus die Art unterstützt werden kann. Es giebt Leute, die-kein Glas Wein trinken können, ohne Wasser aus die Mühle ihrer Widersacher zu leiten.