Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, October 11, 1901, Sonntags-Blatt, Image 12

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    · ---0-.-0-—
IRS-vors Marie Stahl.
—-.-.-.--.-,
, — hm —«
Mi röufperre sich noch einmal un!
Fieber-te alsdann ganz leise einig»
- eru von Kommt a Vogerl geflo
sei-« vor sich hin.
Gsnzlich erfolglos-.
Vetter Friedrich ging an ihr vors
über-, wie es schien ohne sie zu sehen.
hat man je so etwas erlebt?
Nein. Ein solches Benehmen staat
beispiellos da in Molli’s achtzehnjährii
get Lebenserfahrung!
Sie, die in dem Rufe stand. sog-en
Knaben in Pumphöschien und alten
Männern die Köpfe zu derdrehen, dir
bereits einem Fabritbesitzer mit zwölf
tausrnd Mart Jahregrente einen regeli
rechten Koti- gegeben datte und zur Zeii
einig-e Leutnants und Reserendare
schmachten ließ, sollte auf diesen lang
beinigen, semmelblonden, großohrigen
Vetter Friedrich nicht den geringsten
Eindruck machen?
Zierlich geschützt, mit blendend wei
ßer Küchenschiirze, saß sie oben auf der
Leiter, die nach dem Obstboden führt-,
ein Körbchen mit Aepfeln im Arm, ge
rade als er hier vorbei, wie üblich um
Die Mittagsstunde, nach dem Kornspei
cher gehen mußte.
Und er sah sie nicht einmal!
»Komm man runter, Mollichen,
weißtr. wegen »dem« brauchst’e nich
aui’n Appelboden zu steigen!" ries eine
Stimme von unten herauf, und gleich
darauf tauchte Arno, der Tertianer, aus
der lnarrenderi Stiege empor, die nach
den unteren Räumen des Wirthschasw
gebändes fülicte.
Arno brannte natürlich lichterloh iiir
Keusine Molli. trotzdem er oier Jahre
jän er nur, alr- sie.
» ummer Junge!« gab sie ungnädig
zurück, »was- fällt Dir ein? Jch bin zu
meinem eigeusten Vergnügen hier auf
den Boden gestiegen, um mir einige
Aepsel zu holen«
»Na. da hätte ich mir aber ’ne bessere
Sorte ausgesucht, als- die allen grassirk
nen Musiipvei. Die seinen Eßäppel
liegen alle bei Mutter-c auf der Vor
rathstammer«. beharrte Arno und kam
langsam die Leiter heraus.
»Geh’ fort, laß mich hinunterl« he
fahl Molli, ärgerlich das feine Näschen
hebend und die Spitzenröclchen zusam
menrafsend.
Aber Arno stand oor ihr und rührte
sich nicht.
«Kommft Du mit mir in den Gar
llIP Wir wollen frische Blumen fiir
Dich aus rein Treibhause holen«, schlug
er vor.
»Nein, ich bin gewöhnt, daß man
mir Blumen bringt. ich hole mir tei
ne!'« entgegnete Moli sehr schlechter
Laune· »Wenn Friedrich nicht solch
ein entsetzlicher Stockfisch wäre, würde
er einsehen, daß es seine Pflicht ist, ei
ne junge Dame, als seinen Gast, mit
Blumen zu versorgen.«
»Da lannst’e lange warten!« he
merkte lachend Arno. »Weißt’e, was
er von Dir gesagt hat, als Fräulein
Emma ihn mit Dir neckte und meinte,
eine schönere Braut als Dich lönne er
doch nicht finden? Die ist mir ja viel
zu eitel, die den t, wir Mannsleute sind
Je die Pudel nur zum Apportiren
«.hat er das gesagt?« rief Molli. in
dem das Blut ihr in den Kopf stieg.
»Das soll er büßen! Er soll noch ap
portiren lernen!"
ghre Augen blitzten vor Zorn.
ie gab Arno einen Stoß, daß er ei
nen Sprung von der Leiter machen
mußte. Ohne ihn weiter zu beach
ten, lies sie an ihm vorbei, der wie ein
Gesederter aus dem staubigen häcksel
herauskrahbeltr.
·- i i
Täshkitfisp
Mollis Stimme klang sanft und be
cheiden
»Was wünschest Du?"
Friedrich ivar zii sehr Kavalier, um
diesem Ruf nicht auf das Höflichste zu
folgen.
»Lieb» Friedrich, töiintest Du mi r
nicht die Anfangsgriinde vom Stat bei
bringen? Und vom Wbift? Eis wür
de Onkel gewiß freuen, wenn ich
manchmal mit ihm spielte.«
Friedrich fand diesen Wunsch, dem
Ontel einen Gefallen zu thun, riefig
nett von Molli.
Das Hätte er ihr garnicht zugetrautk
Er erbot sich sofort, den Lehrer zu
machen, und so saßen denn Beide den
Rest des Abends an einein kleinen
Tischchen in einem der behaglichen
Schmollwinkel in Tante Alivinens
Wohnzimmer, beisammen.
Sie begriff recht schwer. Wenn der
gute Fr iedrich seine Lektion noch so
gründlich erthcil te, sie machte imi: ier
wieder Dummheiten wenn sie ausspie
len sollte, nnd jedesmal sahen ihn dann
die großen, sanstschimmernden Kinder
augen hilflos und fragend an.
Er mußte sich immer wieder zu ihr
heriiberbeii en und helfend eingreisen
Jede-mal ftreiften ihn dabei ihre fei
nen, weichen Hände und athmete et den
Duft ihres wirren, seidigen Gelocks.
act hatte ini Anfang ein paar Ma
gerlith nnd ungeduldig werden wol
Ider das verging ihm bald Dis
Kinderaugen sahen ihn dann s
Mick ichan und der kleine siisie Muni
I Mai- Mmd sich weineriich. Da
- »sich-IMM- Friede-ich's bat Malli int
, Maus-« Man-ice os- ist
TE ? MVI III
l sank-taufen arm-i ums iß so wire
g dabei, er wirft mich immer Ani«
l Und Friedrich rniihte sieh stunden
I lang mit ihr auf dem Eise.
F Auch hier war sie etwas ungeschickt
» er mußte sie sehr diel seit seinen starken
, ; Armen stiitzem iiidren und oft auffan
J - gen, wenn sie schwanlte.
" Dabei lernte er sie von einer ganz
neuen Seite kennen. Sie war efiigig
, s und fchmiegsam. Auch zeigte e leb
- hafte Bewunderung fiir lerne Kraft
und Gewandtheii, die lie wie etwas
» Phänomenales anstaunte.
- Der gute Friedrich, der sich noch nie
im Leben fiir etwas Besonderes ge
halten, tam zum ersten Mal zu dem
wohlthuenden Bewußtsein, daß er doch
ein »foricher Kerl« sei.
Arno hatte unterdessen Selbstmord
gedanlen und war nur nicht mit sich
einig, auf welche Art man wirlungsvoll
dramatisch und zugleich angenehm aus
dem Leben scheiden könne.
Friedrich wurde plötzlich merkwürdig
nachdenklich und zerstreut, obgleich er
sich sein Leben lang nicht viel mit des
Gedankens Blässe abaequiilt hatte und
der pünktlichsie Mensch von der Welt
war.
Nachdem er zweimal den Herab-Iden
schliissel stecken ließ und einmal eine
wichtige Bestellung an den Fleischee
vergaß, der ein Stück Vieh abholen
sollte, bemerkte er selbst, daß er sich
in einem außer-gewöhnlichen Zustand
befand. »
Das Essen schmeckte ihm nicht, wie
fonsi, und er war merkwürdig reizbar,
trotzdem er im Ganzen Nerven wie
Stricke hatte.
Fräulein Emma weinte bittere
Tbränen, weil er eines Abends ihre
Puffer ledern fand. und als Arn- be
UUUIZTIN JJCUUI Jcl ccllc Uctslksc III
tette, betarn er eine schallend-e Ohrfei
ge, die ihn so verblüffte, daß er die
ernstliche Besorgniß äußerte, Friedrich
zeige Snmdtome von Geistesstörung
und würde wohl nächstens ins Irren
haus kommen.
Zum Glück kam es anders.
Onkel Gisberts Geburtstag wurde,
mit einem großen Fest gefeiert, zu dei
sen Vorbereitungen Molii schon vier
zehn Tage vorher bei der guten Tante ,
. eingetroffen war unter dem Vorwand,
»helten« zu wollen.
Die hilfe bestand aber in der aller
dings anerkennenswerthen Leistung, «
daß sie den Ontel und die beiden Vet
tern angenehm beschäftigte und sich
sehr von Tanie Alwine verhätscheln
und pflegen ließ.
Jm Tanzsaal war es — denn na- F
tiirlich wurde Onkels Geburtstag zu
Ehren flott getanzt —- als Friedrich,
zum ersten Mal ganz deutlich zum Be- E
« wußtsein tam, daß der höchste Reiz
« des Lebens für ihn darin bestehen wür- .
de, Molli in die Arme zu nehmen mit
dem unbestrittenen Recht des Eigen-«
thümers.
« Er hätte dem Lassen dem Leutnant,
der gerade mit ihr tanzte, die Knochen
entzwei schlagen mögen.
T Sie sah heut zuctrig aus in dern
weißen Spinnwebtleidchen mit der ei- ;
, nen weißen Kamelie in dein goldenen
Haar.
Jn der nächsten Pause iin Treib
haus nebenan hinter der großen Fä
cherpalme, legte er tief athtnend die
;,große feste hand auf ihren rosigen
Arm und fragte wie aus der Pistole
, Igeichossen
«Molli liebst Du mich?«
I Das war nämlich kük ihn m wich
tigste zu erfahren, denn daß er sie lieb
te das wußte er ja jetzt.
Molli lachte hell auf.
Dann richtete sie sich zu stolzer
Höhe aus sah ihn von oben herab an
und sagte :
»Du bist aber lornisch, Friedrich!««
"’ aus dem hallet-bot mit dem Nikolaus
)
I
)
«
-
t
sie-U esse-. tau- aga tm nasse-,- .
»Willst , Illlllllltcuc cl, »I- III tun-II
heiligster Ernst!«
,,O«, lachte sie, »ich denke ja gar nicht .
daran, Du weißt doch, die Männer sind «
ja fiir solch ein eitles Geschöpf, wie ich l
bin, nur zum Apportiren das« s
Und dann ließ sie sich den ganzen·
Abend von dem Leutnant heftig die
Kur schneiden.
Friedrtch hat den Schmerz dieses
Abends wieder überwunden und sich
! auch wieder mit Molli ausgesöhnt,
ebenso wie Arno.
Sie haben später eingesehen, daß es
« zu den schönsten Jugenderinnerungen;
, gehört, einmal rasend in seine Cousine «
: verliebt gewesen zu sein und sich ihret
i wegen todtichießen zu wollen«
; Es ist ader nicht sehr gefährlich und
l
man schenkt ihr später eine silberne
Zucker-date zu ihrer Hochzeit oder eine
Rototo-Pendiile.
--.·-—- --— -—-——
tollste Mohn.
—--..—
Ein herrlicher Sommertag !
Jn weiten wogenden Wellen wiegt
i sicb das Korn. Von den Decken und
i Rainen beriiber dringt ein Duttmeer
« von süßem ital-traut und nickendem ho
7 nigtler. Und über all der Pracht die
lachende Sonne des Hochsommers.
Durch die große Stille des Sonn
I tagsmorgens schreitet die junge Wittwe
Beegler, dem armen Taglöhner, nach
rien drei Linden aus der DR vor dem
z Dorfe. Ueberall ein heimt S Zirpen
z st Kntttern zwischen den hol-nen,
uberall Lerchentlang Sie gehen sum-n
I durch den Mor n, jedes seinen etsenen
. Gedanlen n "ngend. Unter den «
' n Linden bleibt die Bäuerin
E den Kronen und zieht den Duft der les
? ten Bism- eiu. Dann duckt ne via
schlankem kraftvollen Burschen an und
- zeigt tnit der Band nach einem Acker.
i .Ritlas. meinst Du, daß mer M
- schneide kann ? —- Daj va. wo der
Mohnilect drin is ?«
z Der Taglöhner räusperte sich verle
gen und antwortet mit einem kurzen:
I »Ich dent’ t«
· «Du hast mer im Klee so gut geholfe’,
ich dent’, Du hilfst mer auch jetzt wie
der ? —-- Was K«
Die warmen Worte machten ihn ganz
zum Kinde.
»Ei ja. gewiß l«
Und er nahm seinen breiten Stroh
hut ab.
Aus dem Thal tatn der Klang einer
Morgenglockr. Er riß die Augen auf
und das ganze Kornfeld lani ihm ver
ändert vor, es hatte eine neue, glänzende
Farbe.
»Wie schön doch !" rief sie. —- »Es
steht gut ! — Aber fo ein Hof ist für
ein Weibsmensch doch zu viel," setzte sie
dann noch mit Nachdruct hinzu.
Und ihr vielsagender Blick streifte
ihn.
»Ihr mißt Euch ’n Knecht nehme’·
Ter Mohnilect da dürft’ nett fein.'
»O mei. gewiß nett ; aber die frem
de« Leut i« Sie seufzte tief. baß sich
ihre volle Bruft unter der Knopsjacke
mächtig hob.
»Ich mein, Villers-, tncin Seliger
wär’ Dir nct gut gewisse-? —- Warum
nur?«
Er rieb sich mit Born rauhen Arr
tntsl die1 kleinen Schweißtropfen von
der Stirn und erwiderte- bann klein
laui: »Ach, das war also!«
»Wie dann?«
Ein. zwei Schrittes tarn dir Bäuerin
mit dir-sur Frage näher auf ihn zu und
stand nun dicht vor ihm, von strahlt-us
dein Gold übergossen
—Fncit dnä darbi« sont-s ess- betrieb
«Nillas!«
»No, es war a so! —« Heut’ it- Sonn
tags« .
Da wandte sich die Bäuerin mit ilnn
dem Dorse zu und besprach noch die
ses und jenes unterwegs. «
Der Himmel wölbte sich am nächsten J
Morgen in mildem Blau und in wun- j
dersamen Weisen musizirte es in den :
Lüsten, im Grase, im leuchtenden 1
Walde. Jn den Linden rauschte der !
Morgenwind. Das ganze Feld war·
lebendig und zwischen den goldenen
Aebren stachen die rothen Röcke der
Weiber und die wisiszenhemdärmel der
Männer malerisch hervor. Ueberall
tauchten arbeitende Gruppen aus und
nieder, die Sensen klangen und die
Sicheln blinlten.
Mit wuchtigem Ausholen mähte
Nillas schon von dem ersten Lerchen
triller an. Die alte Magd, welche die
Hallerhöserin geschickt hatte, vermochte ;
ihn laum zu folgen, um das Kornj
auszunehmen lir achtete nicht aus die
Sonnengluth. Mit einer wahren Wutb
schritt er vorwärts, der rotbe Mohn,
der ihm so grell in die Augen stach,
sollte vor dein Mittagessen, das die
Bäuerin nun bald bringen würde, noch
weg. Dabei dachte er immer an die
Worte von gestern. Ja, was hatte er,
der arme Bursche, bloß mit dem
Hallerbauer oorhaben lönnen? Beide
hatten sie ein Mädchen geliebt und der
Reiche hatte gesiegt, wie überall Er
dachte schon lange nicht mehr daran.
Nun schnauste er und liesz die Sense
ruhen und seine Augen siarrten theil
einwärts. Er überlegte-, ob er die
Magd nicht erst noch einmal an den
Born schicken sollte, Wasser zu holen.
. .. Daß ihnen die Bäuerin nichts her
ausgebracht hatte, lalten Rassen Milch
oder so etwas? Sonst geschah das
doch? Er verschmachtete bald, trotz
des Grashalm-L den er beständig
laute . . . .
»Anngert. hol’ Wasser.«
Die Mund litsb fiel-i das ais-it nasf
einmal sagcsn, zudem sie schon langei
zum Umsasen müde war.
Nitlas sah ihr nach bis sie zwischen
den nächsten Feldheclen verschwand und -
ließ sich dabei den Wind über die breite
braune Brust blasen.
»Ei, ei!«
Er erschrak Die Bäuerin stand hin- s
ter ihm, ohne dass er gehört hätte, wie ;
sie über das Kleeseld gekommen war. !
Nitlas verzog sein Gesicht zum Lä- «
cheln, daß sein weißes Gebiß blitzte.
Die Hollerhiiferin stellte den Korb hin. «
»So weit schon?«
Er nicktr.
Ueberall lag es wie schimmerndes
Gold über dem Gefilde.
»Man könnte auch bei die Linden
gehe’,'« sagte sie trocken. »hier brennt
’ö ja schrecklich«
Und der stramme Bursche in seinem
groben hemde wandte ihr sein gutmü
thiges Gesicht zu und ging dann neben
ihr durch die Stoppeln. Er hatte den
Korb aufgenommen und schleppte ihn
dienstsertig mit bis unter den wohligen
Schatten der Linden.
Ueberall die große Stille.
Da durchschauerte es ihn, er ließ sich
nieder.
»Mei- wird so schlecht!«
»Nitlas, Will-ist« rief die Bäuerin
angstvoll. Der Arbeiter suhr sich über
die Stirn und stöhnte:
»Wasser, Wasser!«
Sie setzte sich zu ihm und lächelte
ihm Luft zu und als dann Annqert ge
kommen war, kühlte sie ihm Stirn und
Schläfe mit Wasser und schickte die
Magd heim, um Essig holen zu lassen
....GroszeStille»..
Plbhlich fuhr die hollerhssetin aus
Heer Bersunkenhelt auf; denn Nillas
«
öffnete die Augen und fah tief tief in
« die ihren.
j »Wie ist« fragte sie jauchssend
; »O besserf —- Er trank nun. «Der
Lohn aber, der rothe Mel-n —- Er
· ärgert wicht— Ich wollte ihn fort ha
«ben bis Ihr komi. — —
»Und da basi Du Dich iiberschasst. «
k Sie strich ihm über die Stirn. Dann
. sah sie in ihren Schooß und stammelte:
»Weißt. intt dein Mohntlert das dürft«
nett sei, netti —- D tbiitesi ? nett tei
de. nett? — Nitlas wenn Du auf den
Hallerbof iäinsi?«
? Sie war feuerrotb geworden
« »Ich vermietb mich nett!« stieß er
rauh hervor.
»So auch nett, Ritlas —- —— «
Da hatte er sie verstanden und drück
te einen langen Kuß auf ihre Lippen.
Ringsurn flutbender Glanz und vor
ihm der rothe, stammende Mohn.
Us
Ciirtii tite Innrknnilirii.
Ueber die türkische Frauenwelt
wird von jeher gern und häufig ge
sprochen. Die Vorstellungen, die sich
mit ihr verknüpfen, sind io romantisch,
und Hakenh seidene Schnur, Dolch
und schauerlichi Ereiutionen an den
Gestaden des Bogporuo spie-litt darin
die Hauptrolle Jn jüngster Zeit ist
noch ein anderes Element dazu gekom
men, die Frauen-Ernanzipation, die
sich freilich dort mebr in Fragen der
Mode und der Bewegungsfreiheit als
auf geistiqu Gebiete abspielt. Doch
hierüber itt an dieser Stelle oft genug
und neuerdinqs berichtet werden, heu
te tvollen wir von einer Masse tiirti
scher Frauen reden. von der nur wenig
die Rede gewesen ist« die aber darum
eben nicht zu den schlechteste-n zahlen
Noch immer isi vielfach bei uns die
Annahme verbreitet, daß die türtiichen
Frauen den ganzen Tag weiter nichts
vorhaben, als sich dem fiißen Nichts
tbun hinzugeben Die große Anzahl
der die Tiirtei besuchenden Fremden
hat dteie Ansicht viwroreuei uno ziva r
jedenfalls in Untenntnisz ver Sachlage-,
weil sie bei ihken Reisen nur aus die
Frauen gutsituirtrer Türken achteten.
Unter diesen gehört allerdings zur Ta
gesordnung der Müßiggang, weil de
ren Männer es niemals zugeben wür
den, daß sie sich böuslich oder sonstwie
nützlich bcthiitigen Dies entspricht
nach der dortigen Sitte auch nicht ihrer
Würde, und die Vornehmhrit des Hau
ses lönntk dadurch b im Volte nur eine
gewaltige- Einbuße esUrliibin
Andere aber ist es in dieser Hinsicht
bei den mittteren und unteren Klassen
der tiirlischen Bevölkerung hier cr
beitet bie Frau so gut wie der Mann
unb ist demselben genau so wie bei uns
die wirthschaftliche und sparsame
Hausfrau. Jn den lleinen Städten
und aus bern Lande, wo die Männer
in Anzahl und Reichthurn in Minder
heit vertreten sind, muß die überwie
gende Frauenzahl sogar tüchtig und
ehrlich arbeiten. Der Türle selbst ist
etn Feind jedweder Arbeit und zwingt
sich zu dieser nur dann, wenn die größ
te Noth vorhanden ist. Das weibliche
Element ist daher schon von tleinaus
an Arbeit gewöhnt; es ist deshalb flei
ßiger und augbauernder als sein
männlicher Widervart.
Was nun bie gewerbliche Arbeit der
tiirlischen Frauen und Mädchen be
trifft, so findet sie in der Pusmachered
Stickerei. Teppichlniipferei und in den
verschiedenen Zweigen der Textilindu
strie reichliche Verwendung Die Ar
beitszeit ist nach unseren Begriffen sehr
lang und der Lohn sehr knapp. Aller
dings ist die tiirlische Frau mit Aus
nahme ihrer sprichwsrtlich gewordenen
Pudsucht anspruchslos und bescheiden,
da sie nur einen engen Gesichtskreis hat
und fast gar leineVergniigungen kennt.
Unter diesen Umständen kann man
verstehen, daß diese Frauen mit einem
durchschnittlichen Tagewerdienste von
2—-4 Piastern (den Piaster zu 17 Ps.
nach deutschem Gelde gerechnet) aus
kommen.
Der Putz der morgenländischen
Frauen hat aber für viele derselben auch
sein Gutes. denn er dient den Arbeite
rinnen, wie schon vorher lurz erwähnt,
cls lohnender Erioerbszweig· Es giebt
in den Städten ost mehrere Gäßchen, in
welchen Laden an Laden weiter nichts
als Putzmacherei betrieben wird. Aber
trotzdem die türkischen Frauen sich un
geheuer viel putzen, so ist ihnen doch sel
ten die Gabe eigen, zu ermessen, was
einer Frau gut steht-Mit ihrernPariser
und Wiener Chic ist es daher nicht weit
ber, und deshalb hat auch die türkische
Putzmacherei noch niemals am Welt
ruhme gesehn
Dagegen besth die türlische Stiekerei
WeltrenomrMr. Sie ernährt die große
Anzahl ihrer Arbeiterinnen schon besser
und verschafft vielen eine behagliche
Existenz. Es giebt Firmen, welche 100
lsiö 300 und noch mehr Stickerinnen be
- schästigen. bei welchen die gewöhnliche
; Arbeiterin durchschnittlich 2 bis 4
» Piaster, die geübtere 5 bis 10 Piaster
- und die Meisterin 15 bis 20 Piaster pro
JT gorhiilt. Die von dem Alusndlandisv
gestellten Wünsche nach b - .gerer Arbeit
haben aber in den letzten Jahren dieser
i Branche ungeheuer geschadet. Die Sti
s derinnen konnten nicht mehr die Sorg
salt anwen·den wie sie bei den werthvol
i leren Gattungen nöthig ist Der Ex
I part in diesem Artikel mußte deshalb
7 merklich zurückgehen
l Nach der Sticke ret dürfte die Tep
pichkniipserei als wichtigste Frauenar
beit rangiren An dieser ne men auch
die Männer, und zwar insofern An
s then, qu sie im Finden ver wou- de
sorgen und die zur Verwendung tem
surenden Stve vorher zurichten. Dir
Teppichtniip erei wird aber tin Ber
bäitniß zur Stielerei geringer bezahlt.
Es giebt Arbeitsstätten die fiir 5000
geschlungene Knoten nicht mehr als lz
bis 2 Piasier zahlen Die gewöhnliche
ZArbeiterin verdient durchschnittlich-. «
iPiaster unb die bessere geübtere .) Pia
-ster pro Tag.
i vaohl in der Tiirlei. wie auch in
, Kleinasien werden die Frauen auch bei
» der Seidrnprodultion beschäftigt Sie
" besorgen das Abbasveln der Coman
den und verdienen täglich durchschnitt
lich 2z bis 5 Piasten
Fabrilarbeiterinnest nach unseren
Begriffen giebt es in der Türkei fast
nicht. Nur die Tadairegie der atta
manischen Fabriten beschäftigt viele
Frauen und Mädchen; so sind z B. in
der Fabrii an: Goldenen Horn all sin
iiber J(,)O0 thätig Jbr durchschnittli
kcher Tageslehn schwankt zwischen 2
E und 4 Piastern.
7 Jn den Vertausslöden lennt man
keine Visriäuferinnen und in den Gast
wirtdfchaften feine Kellnerinnen Auch
Köchinnen giebt es wenige, weil diese
Beschäftigung wie auch das Platte-i,
vielfach von Männern ausgeübt wird.
" Das Streben nach enem höheren
Berufe ist den türlischen Frauen doll
ständig unbelannt, das Lehrsach aug
genommen. So lange die Industrie
im Reiche ieine allgemeine Verbrei
, tung gefunden bat wird natürlich auch
die eigentliche Franenbewegung da
selbst nicht Fuß fassen können. H. R.
CO- —
Jdriititiii.
W-W..«-—-—-.—
Pariser Humoreske von X a n r o s.
-—.....—
Ein woblaelleideter herr. der trotz
: seiner graumelirten Haare einen recht
netten Eindruck macht, tritt in das Po
lizeibureau. Seine offene Physiogno
mie, seine erstaunten und fröhlichen,
« blauen Augen deuten sofort daron bin,
daß er teine blutigen Enthüllungen zu
machen, teine verzweifelte oder zornige
Anzeige zu erstatten hat. Er wendet
sich mit fast leiser Stimme on einen
Wachtmeister, der idm ontwortet :
»Der Herr Leutnant ist augenblicklich
mit einer dringenden Diebstadlsongele
genbeit beschäftigt, doch wenn Sie den
Setretär sprechen wollen . . . .«
; Der herr nimmt mit Freuden den
. Vorschlag an, dielem Beamten gegen
E ijber gestellt zu werden, Und folgt dem
; Wochtmeister. Dabei mochte er eine Be
. wegung, als wenn er sagen wollte :
l
l
- LI« bei meiner Angelegenheit genügt
tos volltsmmen."
Er tritt in das Bureou des Selte
; täto und wendet sich mit liebenswürdi
. gem Lächeln dem Tische zu, an dem die
! ser schreibt.
Doch der Setretär scheucht ihn mit
einem trockenen : »Setzen Sie sich l'«
F zurück, und der Herr fällt auf einen
« Stuhl neben der Thür, während das
I freundliche Lächeln mit blitzartiger
: Schnelligteit von seinem Gesicht der
i schwindet.
! Der Setretär ist gerade dabei, ein
Protokoll zu lalligraptnren; dabei ziebt
er die Augenbrauen in die höhe, wie ein
Mann, derseine ungeheuer wichtige Ar
teit erledigt oder sich über die Orthos
gropbie gewisser Worte nicht tlar ist.
Von Zeit zu Zeit wendet er sich an einen
I gräßlichen Strolch, der von zwei Poli
I zisten eingerahmt wird mit denen er
eine samingornitur zu bilden scheint-—,
wie ein Aschbecher zwischen zwei Kan
delabern. »Wie beißen Sie?«
Der Gefragte tmit dermaßen tnar
f render Stimme, daß man sich versucht
fühlt, ihm etwas Oel in den Mund zu
f Ichmieceu): »Juki« Aipcwuse - Piu
l
mart. genannt das Sumpfbubn, here
Präsident t«
l
l
x
l
»
Dck Leucht HOUWCUDD J »Und lll
l
die Verhaftung des pp.Jules-Alpl)onfe:
Plumart. genannt das Sumvfhuhn, auf
Grund feiner Auf-sagen erfolgt. lkzu
den Poliziftem : Es ist gut, Sie können
ihn wegbringen.«
Die Polizisten gehen mit dem interes
fanten Mitbiirger ab, der dem an der
Thür siyenden Herrn ein liebenswürdi
ges Lächeln zuwirft, das nur iiihl er
widert wird.
Der Setretär fzu dem Herrn. indem
er ihn mit einem Blicke ansieht« ato
wenn er feine Züge mit den letzten Mör
dersignalements dergleichen wollte) :
»So, ietzt tönnen Sie Ihre Aussage
abgeben.«
Der herr (troß feines reinen Gewis
fens etwas unangenehm berührt) :
»Mein Gott. mein Herr. es handelt sich
um eine sehr einfache Sache (zieht Pa
piere aus der Talche), eine Unterschrift,
eine einfache Unterschrift, die bestätigt
werden loll.«
Der Selretiir lmißtrauisch) : »Eine
Unterfchrift, die bestätigt werden soll ?
iEr nimmt die Papiere, durchfliegt sie
in der Hoffnung, darin etwas für den
herrn Kompromittirendes zu finden :
« dann sieht er durch das Kouvert, fest
über eugt, es verberge sich darin ein nie
derf metternder Beweis. Als er nichts
finden konn, entschließt er sich endlich
zum Sprechen.) Sie heißen ?«
Der herr lmit freundlichem Lächeln):
»Marie - Aima - Armand - Ist-ele
Poncein.«
Der Seltetiir bohrt feinen Blick bis
in dieSeele deiUngliicklichen, als wollte
e-. sich fragen, ob dieser sich nicht über
ihn luftig macht ; er sieht ihn fo dro
hend an, daß der arme Mann mit Nach
ftcht heilchetkdern Lächeln erklären zu
usilssen glaubt : »Meine Pothen haben
sich das Vergnügen gemacht, mit diese
I
i Namen zu geben; ich war damals noch
s anz tletn . . .. Aber wenn Sie sest die
- iite und die Freundlichkeit haben woll
s ten, mir«ineine Unterschrift zu bestäti
i
l
i gen . . . .
Der Selretiir (die Unterschrift mit
: augenscheinlicheni Mißtrauen betrach
, tend) : »Das ist Ihre Unterschrist ?«
. Ter herr (eisrig) : »Wiinschen Sie,
; baß ich sie vielleicht noch einmal in Jä
; rern Beisein niederschreibe it«
Der Setretiir : »Wo3u denn ?«
Der Herr : »Nun, damit Sie sie ver
gleichen und auch sicher sind, dasz es
meine Handschrift ist.«
« Der Selretär (ironisch) : »Das ist
auch ein Beweis ! Als wenn es so schwer
wäre, eine Unterschrift nachzumachen.«
, Der Herr everbutzy : «Erlauben Sie
mal ! . . . .«
Der Setretiir tfeierlich): »Gott sei
Dant verlangt das Gesetz andere For
malitiiten, und Sie müssen vor allen
Dingen Jhre Jbentitiit nachweisen: wo
» sind Jbre Zeitgen?'«
Der herr tmit einer Bewegung, als
wenn er dein Selretär sagen wollte:
»Seirn Sie unbesorgt, ich habe Alles
vorhergesehen.'« —- Dabei lsieht er meh
rere Converts ans der Tasche, die er
, woblgesällig aus dem Bureau ausbrei
tet«t: »Hier, mein Herr, sind mehrere
aus meinen Namen lautende Coiiverts.«
Der Setretär sahne auch nur hinzu
sehen): »Na, und weiter-«
d Fee Herr (verbutzt): .Jch glaube
o « .«
Der Setretiirz »Das ist wohl sehr
schwer, sich Briese an eine angebliche
Adresse schielen zu lassen, wenn man
sich mit dem Portier verständigt?«
Der Herr sini Gesiihl seiner lin
schuld): »Aber Sie können sich doch
leicht überzeugen, daß ich bei der ange
« gebenen Adresse auch wohne.«
Der Setretär tarob): »Halten Sie
die Polizei vielleicht siir ein Auskunsw
- bureau?«
-.«-x m- ., ,s-«.
Ost »Den Ringmle »Ju; woru
« sagen, Sie brauchen mich nur von ei
nem Mamien nach Hause begleiten zu
« lassen.'·
" Der Selretär taußer stch): «Jeht
, soll ich Ihnen auch noch meine Beamten
. zur Verfügung stellen! Die Polizei ist
; ja auch nur sür Sie da, sie ist nur siir
Sie geschaffen. Ausschließlich, um«
· Sie nach Hause zu begleiten und siir
, Sie Besorgungen zu machen!«
I Der Herr (vollstöndig verdutzi):
" »Vielleicht ziehen Sie es vor, sich selbst
zu überzeugen« -
Tier Setretär louslpringend): »Ich?
Ich? Sie verlangen, daß ich mich auch
noch in Unkosten stürzen soll? Warum
nicht gleich der Herr Kommissijt oder
; der »Herr Priifett, lagen Sie es nur!«
T Der Herr ttlugcrweiie einen anderen
Ton anschlagend): ,,ilebrigen5 habe ich
noch andere Beweis-Rücke. Hier ist mein
Trauschein, meine Steuerquittung."
Der Setreiiir sdie Veweisliiicke mit
T einer Bewegung entrüsteter Ungeduld
« zuriickstoßend): »Was soll ich denn da
’ mit ansangeii?«
. Der Herr (oerdutzt): »Na, das sind
doch ofsizielle Dotumente."
—- Der Setretän »Nun, was weiter?
. Die tann man doch gesunden oder ge
; stohlen haben...«
! Der Herr (entriistet): »Gestohlen, ge
« stohlen? Sie-— behandeln mich als
Dieb?«
Der Selretiir: »Nein, aber ich ten
j ne Sie doch nicht; ich habe Sie nie
H gesehen.«
Der herr: »Aber wenn ich doch
i meine Jdeniitöi beweise . . .«
f Der Setretär (briilleiid): »Sie be
; weilen mir gar nichts — roo sind Jhre
· Zeugen?"
! Der Herr (ziehi nach längerem Be
j sinnen aus feiner Briestosche eine ge
i stempelte Photographie hervor): »Na,
i
l
I diesmal werden Sie mir wohl glauben:
H» m Js- sIhkmmmmtähkts eins die
Stabtbabn; ek- ist meine Photographie
s dabei . . .«
! Der Setretiir (unerichiitterlich):
k »Na, was beweist basi«
Der Herr lverbustn »Was das be
I weist?«
s Der Setretiir: »Ist im Gesey von
; Stadtbahn - Abonnementstarten die
Rede?«
Der herr (schiichtern): »Es gab ja
damals noch teine Stadtbahn.«
Der Setretär (triu1nphirend): »Na,
i sehen Sie wohl! tsalbungsvoll:) Das
Gesetz schreibt vor: Jn Gegenwart
zweier siir die Jbentität bürgenber
Zeugen —- holen Sie also zwei Zeu
s gen!«
Der Herr (eigensinnig): »Aber eben
haben Sie sich doch bei dem herrn, der
da neben ben beiden Polizisten saß, da
raus verlassen. daß er Jhnen seinen
richtigen Namen sagte —-- und ich, der
ich ein ehrlicher Mann bin . . .«
Der Setretiir tohne darauf zu ant
worten): »Wollen Sie zwei Zeugen
holen? Ja oder nein?«'
Der Herr (verzweise!t): Aber wo soll
ich denn diese beiden engen austrei
ben? Dazu müßte ich a erst den gan
zen Tag umherlaufen«
Der Setretärt die Achseln zuckenb):
»Als wenn das so schwer wäret (Lie
bensmärbigJ Gehen Sie zu dem
Kneipenwirth da drüben und been Ge
miisehändler an der Erle, Sie brauchen
Jhnen nur ein Glas Bier zu spenbiren,
kann bestätigen sie gleich Jhre Identi.
i ät.«
s Der Herr (verbuht): »Aber die Leu
te tennen rnich doch gar nicht . . .«
Der Selretiit Cinit erhobener Ruhm
»Was thut bas? Sie haben schon mehr
at- tautenb Personen als Zeugen ge
gjnh die sie ebenso wenig konnten als
e.« .