Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 20, 1901, Sonntags-Blatt, Image 15

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    WW
Zso mein-er sownersrilchr.
Ein Jagebnchroo T.Bergrniiller
--...—
ö. August.
Da sxxe ich nun zwischen Wald nnd
Wies: m meinem griinurnrauschten
Höreschent O, es isi nichts tösti et,
als von I.«!orgenlnft nnd Morgenleht
geweckt zu irerden. O. es ist nichts
köstliche-; als Sommerlust und Som
merluir zu athmen und sang und glück
lich en .oa »dem durch die herrlicheGots
tesnartw Vl« .-: arm, wie traurig, wie
rüstet bist Du, serne Großstadtt
6. August.
Meinetlmgebnng hat sich etwas ver
ändert. Mein biederer Hauswirth hat
noch eine Pensioniirin ins Hans ge
nommen. Alle Hüttlein sind schon be
setzt -—— und eine Kranke heißt keiner
gern willrommek..
Jbr Vater bat sie hergebracht der
sieht fast so o 'ra[ aus toie das Mädchen.
Der nlssch ed schien ihm von seinem
Kind sek, r schwer zu werden »Daß Du
Di eh gut erholsi, meine Anne-Marie,«
hat er viele Mal gesagt, ,,rott)e Wangen
sollst Du bade-m wenn ich Dich holen
wan und lustig sollst Du fein !'«
.Lnitig und ganz gesund t« sagt sie
mit großen, nassen Augen, »ganz ge
sund — leb lvokiL Vater, leb wohl. t«
Jch bin diesen Tag in ganz eigener
Stimmung. Jch hab mir just alle jun
gen Menschen so gesund und glücklich
gedacht wie mich selbst. Das arme
Madchen toll s auch bald werden, wenn
sie diese reine Lust und diesen Frieden
athmct. Jch will ihr alle schönsten Wege
und Mädchen zeigen, ich will sie aus
dem Was· er tudetn, ich will ihr fröh
liche Geschichten erzählen O, sie soll
bald lustig werden, nnd einen lustigen
Kameraden kann ich hier brauchen, seit
der Wilhelm sort ist
7. August.
Mit den guten Vorsätzen bin ich ein
geschlafen, nnd heute hab' ich gar nicht
mußt. wie ich mich ihr nähern sollte.
Hn der Stadt, ans den großen Gesell
ctasten ist mir's immer so leicht gewe
senAbei den gepützten, schönen Damen.
Lc:-re: in Vormmag mncsusgeroanoerr
rnit der Hängematte und hat sich ein
Miit-then gesucht. Ich bin in der Nähe
herumgeschlichen, nnd als ich denke, dasz
sie zurückgehen wird, tomme ich nnd
frage. ob ich ibr Tuch und Matte tra
gen dürfe. Sie hat mich dankbar ange
sehen.
Sie geht ein wenig gebückt, und ich
sage ihr. das wäre nicht gesund Da
liiclzelt sie und neigt den Kon zurück.
Sie hat so schönes, dunkles Haar, daß
ich denke, die schweren Flechten im
Nacken tönnten ihn ihr immer so zu
riielneigen, das sieht bei ihr gar so lieb
aus.
S· August.
Da hat der liebe Gott heut einen
Tag ausgehen lassen, um uns Erden
kindern das Her-i zu bezaubern. Fast
alle Sommerfrischler des Dörfchens
haben beschlossen, einen gemeinsamen
Gang nach dem Lerchenherg zu machen;
der liegt zwanzig Minuten von uns
entfernt. Das ist ein heidetrautbewach
sener, weiter Hügel, welcher sein haupt
stolz emporreitt über die Wälder und
Wiesen und einen herrlichen Rundblick
gewährt. Dort weht die Lust sorein
und sonnig, und man vernimmt nichts
als ein paar ferne Voaelstimmen. aber
im Frühlinn ist sie ersiillt von endlosern
Lerchenjnbw und wer sich alsdann da
droben ins Kraut wirst, der fiihlet und
höret nichts als Licht und Gesang.
Wie eH wohl zugehen mag. ich bin
nicht oon ihrer Seite gewichen den gan
zen Tag. Wir sind ein wenig zurück
geblieben von der Menge, welche den
Hügel erstiirmt. Wir gehen ganz lang
sam und genießen Wunder um Wun
der.
O. sie verireht die Natur besser als
ich. Jch lenne doch- hier alles, und heute
ist es mir, als wandelte ich diese Pfade
zurn eriten Mal. Sie spricht ganz leise,
und mein Ohr trintt den Schall ihrer
Worte und das Gestiiiter des Waldes,
und beides tht mir zrtm Herzen, wie
neue, swnnderfelige Musik. Schon
schauen wir iiber das Dörfchen und die
grünen Witsfcl hinaus- ; immer tveite:,
immer reicher enthiillt sieh rings die
Landschaft unserm entziictten Blick.
»O toie schön t« sagt sie und bleibt
mit gesalteten Händen stehen.
Jeh sehe ihr ins Gesicht. Die Sonne
ielt darauf, und ihre Augen leuchten.
leuchten so eigen —- und sie aihmet
ehnclL Sie steht ganz verklärt, und ich
- ehe sie an und solge wieder ihrem Blick
L und sehe die Sonne sunteln auf dem
Grün der Bäume, dem blühenden
heidetraut und dem Wasser, das fern
drunten durch dieBiische blitzt. Allesrist
Petaucht in Sonne, Sonne ; alles fun
elt und glüht und dustet tn athemloser,
heiliger Stille.
« So hab’ ich niemals aus dem Let
- Mderg gestanden, und es ist mir, als
II die ganze Welt betet und sie und teh
uden allein auf der weiten, weiten
Es de und beteten mit
« « Ich sehe sie wieder an, und ihre Wim
« z sind naß nnd ihre Wangen —- und
- hab« ihre hand Ienommem und wir
d hetmtteh so hinunter gegangen,
F s den Anderen zu begegnen — und
Band hat gezittert, und sie hat
W nimmer angesehen. —
« St. August.
weiß nicht, warum sie nicht auf
»amt, ich hätte sie doch so gern
stg hab’ sie überall gesucht
seiundetn Da habe ich mir
I das Boot losgeb: -i den und ;iii allein
hinaus gerudert bis drüben unter die
s Vöschung , dahab' ich's an etneni
i Baumstanim befestigt und hab mich
quer aus eine Bank gestreckt, und das
Boot hat leis’ geschautelt, wie iiber mir
.die niederhangenden Stimmeng Jch
ihabe zwischen den grünen Blättern hin
geschaut in den wolienlosen him
I niei und habe tindisches Zeug gedacht;
hab’ mir Luftschlösser ge aiit und der
ieise Wind, der über die Wellen tanzt
hat sie umgeweht, ais-r immer neue und
schönere gauteln mit vor, und aus al
len schaut ein liebes, blasses Mädchen
« antlitz mit dunklen Flechten im Nacken
und ivinlt mir zu. Aber ich hab’3 nicht
lange ausgehalten und bin zurückge
rudeit. ——- Sie ist noch nicht da, und
ich weiß nicht, ioo sie bleibt·
Jch sehe mich vor unser Haus iind
sehe eine Weile aus die Straße — aber
, sie kommt nicht.
Es dauert nicht mehr lange bis
Abend, die Bäume werfen schon lange
Schatten aus den Weg. Mir ist unru
hig zu Muth, und ich gehe wieder dein
Walde zu. Wohin ist sie nur gegan
gen? Es wird ihr doch nichts zugesto
ßen sein? Und in meiner ängstlichcn
z Vermuihiing und Besorgniß empfinde
« ich es ais arausame Qual, die Stelle
nicht augenblicklich ahnen und erreichen
Izu köi. nen uin ihr zu helfen.
- Da tommeii zwei Doistinder, jedes
i mit einem Körbchen rotiier Beeren am
; Arm, mir entgegen und wollen mit
2 scheitern Gruß vorüber. Ich halte sie
an iind frage, ob fie nicht im Walde
irgendwo einem Fräulein begegnet
seien
J Die Kinder nicken. Ja, da drüben,
wo der Weg hinunter biegt nach der
i Wintelwiese, hött’ ein Fräulein sie ge
i fragt wo es ziiriickgiiige nach N, sie
hätte den Weg oersehlt. Sie ist sehr
i miide gewesen und mit den Kindern ge
gaiigen bis zu dem Bänichen dort am
Teich —- weiter liiitte sie nicht getoiint
Bei dem Bänlchen bin ich bald ge
wesen Da sitzt sie, die Arme auf die
Kniee gestützt iind das Gesicht in den
Händen
f »Fräulein Anne- Marie. l" sage ich.
i
Mun richtet sie lich ersoireai anr, uno
ich setze mich an ihre Seite. Die Sonne
geht hinter den Winseln unter und
wirft ihre letzten rothen Strahlen zit
ternd aus den Teich. Und immer rö
ther und goldener siirbt sich das Was
ser, und immer röther und goldener
wird der Himmel, und zahllos glitz
ernde Flämmchen tanzen umher, um
slackern uns unstat, huschen durchs Ge
tist und verliischen dann in der feuchten
Adendlust.
Des Himmels Auge ist erloschen,
aber ein Paar andere, mildere schauen
mich wieder an. Ein unbeschreibliches
Glücksgesiihl bewegt meine Seele. Jch
möchte sie fragen und össne doch nur
den Mund, um ihn stumm wieder zu
schließen — warum auch sragen ? Sie
ist ja wieder bei mir, und es ist mir,
als würde sie nun immer bei mir sein,
immer — und ich würde sie nie wieder
vermissen.
Jch neige« mich zu ihr nieder und
streichle ganz, ganz leise ihr Haar ·: ein
stilles, inniges Lächeln huscht rrm ihren
Mund. Sie sieht sehr blaß und über
müdet aus, aber ihre Augen glänzen
mir entgegen wie gestern. Ich sehe so
gern in diesen Glanz, aber es zittert et
was darin, was mich so eigen berührt.
Jch fühle, dass, ich es ahne, das; ich es
weiß, was es ist, aber ich will es nicht
ahnen, ich will es nicht wissen, —- heute
nicht, auch später nicht —— sie ist ja bei
mir, und ich bin so glücklich.
Jch nehme ihre Hand nnd geleite sie
langsam nach Hause. Das Abendleuch.
ten ist der ersten Dämmerung gewichen,
sie umschlingt weich und zärtlich jeden
Baum, jeden Strauch; sie breitet sich
iider das Wasser, sie ersiillt die Lust.
Jetzt saae ich ihr, das-. ich sie überall
Macht hätte. und daß ich siir sie fürch
i
te, wenn sie allein ginge ; sie dürfe es
nie wieder ihm-» ganz gewih nicht, ich
« möchte sie ja so gern iiberall beliiiten
nnd beschützen! Sie neigt leise das-.
Antlitz, und der Abendstern und die
ersten Lichter des Dörfchens werfen
. ihren Schein spiegelnd ins Wasser.
»Morgen Abend müssen wir Boot-H
sahren,« rnse ich aus, »wenn dir Sterne i
ausgehen una der Mond eniporsteigt !«
»Mnrgen Abend, ja morgen Abend!«
flüstert sie.
10. August.
Aus dein Bootsahren ist nichts ge
worden. Heute Abend haben sie den
Arzt sitt Arme-Mark geholt. Mein
Gott, so schlimm steht es mit ihr ?
Jch habe lange bei seinem Wagen
gestanden und aus seine Rückkehr ge
wartet, um ihn zu befragen, aber Wirth
und Wirthin tamen mit ihm, und ich
brachte kein Wörtchen heraus, sondern
schlich mich fort, das Wasser entlang,
weiter, weiter, hinaus in die Felder.
11. August
Unsere Wirthin sagt mir heute
Morgen, basz ich schlecht aussehe. Jch
’ habe nicht gesazzzxn diese Nacht, daher
witd«s sein« »
Ich srage, wie es Anne-Marie geht
und was der Arzt gesagt hat, und sie
siin t an zu reden, und ich wende das
Ge icht ab, damit sie es nicht sehen soll,
weil mir’s triib wird vor den Augen.
Es stände gar nicht so schlimm mit
dem Fräulein, sagt sie. heute Nach
mittag dtirse sie schon ausstehen und
morgen wieder bis in den Garten ge
hen. Sie hätte manchmal solche Zu
sälle auch zu hause —- die tngen im
mer bald voriiber. Aber it ermor en,
hätte der Arzt gesagt, solle sie ihr Ba
l
— —- . I
s
s ter holen —- es wäre doch besser-, wenn i
sie zu Hause wäre —- man könne«
F manchmal doch nicht wissen — —- .
; Da wende ich mich um und sehe, wie l
- die Frau mit dem Schürzenzipsel nach s
i den Augen fährt.
Z 12. August.
I Wie das dr draußen heut’ funkelt.
i und dustet! Der gestrige Gewitter
regen hat alles erfrischt und VetjiingL
Jch hab’ einen weiten Morgenspazicr
gang gemacht, und in der Seele ist
mir’ss wieder leicht geworden, eine stille,
freudige Hoffnung erfüllt mein ganzes
’ Wesen.
" Als ich zurücktomme, steht unsere
Wirthin schon vor der Thüre, als hätte
» sie auf mich gewartet. Anne - Marie
s wäre schon in den Garten gebracht, und
. ich möchte zu ihr gehen, sie selbst hätte
darum gebeten. »Aber hübsch ruhig
sein und nicht viel vlappern !« fügt die
besorgte Frau nochmals hinzu.
Jch gehe in den Garten ; mich
diintt’s, eine Ewigkeit bin ich genaue-»ein
Ein seltsam Gefühl hat mir’s Herz
schlagen lassen, so heftig, daß ich oft
habe stehen bleiben müssen.
Sie ruht im Schatten der Bsiume in
einem Armstuhl und streckt mir ihre
Hände entgegen ; sie sind heiß, und ich
habe sie lange gehalten und ihr ins Ge
sicht geschaut. Sie trägt heute rothe;
Rosen auf den sonst so blossen Wangen, :
und ihr Mund zuckt in schmerzlichem
. Lächeln. i
s »Ich möchte Jhnen heute schon Lebe- !
s wohl sagen !« sagt sie mit leise zittern- l
i der Stimme und gesenkten Augenf
l
!
i
f »Morgen früh gehe ich für immer fort
f von hier —«
! »Anne-Marie I« »
s «Morgen früh,« widerholt sie, .-unds
; Gott miige Sie beschütsen ein glückliches »
Leben lang! — Leben Sie wohl, fiirs
i immer, immer — wir werden uns nicht
s mehr wiedersehen —- in diesem
i Leben !« — ;
. Da saszt es mich wieder wie ein wil
i der Sturm, und ich drück’ ihre Hände,
; daß es sie wohl grausam geschmerzt
« bat? und ruse in der Anait meiner
l Seele, »Ich lass’ Dich nicht !
i Ich hat)’ mich vor ne insJ wrag ge
» worfen und ihre Kniee umklammert —
! und hab’ wieder ihre zittern Or Hände
i gefaßt. »O Anne-Marie, Du darfst
nicht gehen —- es ist so einsam ohne
Dich — und ohne Dich ist kein Leben
i —- LlnneJJJiarie i«
L Da sieht sie mich an, so groß, so klar,
i daß ich mich meines Bangen-H schäme,
ein nie getanntes Gefühl bemächtigt sich
meiner wie eine selige Erlösung, und
ich schlnchze und weine in ihremSchooß.
Da spüre ich ihre Hand auf meinem
Haupte nnd sehe wieder zu ihr auf un
ter Thränen. Jhre Augen sind auch
naß, und ihr ganzes Antlitz ist verklärt.
So sehen wir unf- an. lange, lange,
und ich fühle, daß ich Dich nie verlieren
werde, daß Du ewig sein wirst, Anne
Marie, nnv ich werde unfterblich sein
mit Dir ! Deine Hand ruht auf mei
nem Haupt, Du giebst mir den Segen
der Ewigkeit ! — Du willst fortgehen,
Du willst sterben ? —- O Anna-Marie,
wie kannst Du sterben ? » Dem Tode
gehört das Vergänglichk, aber ich liebe
Dich ewig ! Anne Marie ! So, Deine
Stirn will ich küssen ein einziges Mal,
daß Du mein geb-kniest —- Sieh mich
I noch einmal an, Anne-Marie! Ach,
i diese Augen wollen sie zudriicken und
i begraben ? Sie werden mich doch an
: schauen immerdar —- Anne-Marie ! —
- Scheiben willst Du von mir —- schon
heute? Du wirst mich doch niemals
verlassen —- niemals — niemals ! —
Ich klappe daf; Büchlein zu. Zu ePfü
ßen zittern die Wellen im Sonnenlicht,
und von drüben winkt das alteWirths
haus aus grünen Vüschen herüber.
Dort ist es gewesen. Jch stütze den
Kopf in die Hand, das Wasser rauscht
leise herauf, und der Wind schwirrt
durchs Laubdach —- niemals — nie-«
mklz i
« -»- .
MM——
Ein sätiltuniim
Stizze aus Schottland von Z e r g u s
M a k e n z i e.
—-«..-—
Ter schöne Maientcig neigte sich ch
nem Ende zu. Die Arbeiter der Fabrik
gingen nach Hause. Irrtan White, der
Schmied, schritt mit seiner Schnupf
tabaksdose die Brnorstraße entlang
Da begegnete ihm der Schuhmacher An
drew Willox, ein dicker, gutmüthiger
kleiner Mann
Na, Jeern5, der Regenschauer hat das
Gras ein wenig ersrischt, sagte Willor.
So ist's, Andrewl Und die beiden
stützten ihre Ellbogen auf die Mauer
und blickten sinnend iiber die grüne
Fläche. Sie waren die besten Freunde
und zugleich die bittersten Gegner. Der
Schuhmacher war so demokratisch ge
sinnt, wie es nur ein Schuster sein
kann, und der Schmied als Vertheidi
ger des Gesetzes und der Ordnung war
ein Konservativer vom reinsten Wasser.
Es war schwer zu sagen, worüber sie
sich nicht gestritten hätten. Und doch,
pflegte Andrew Willox zu sagen, ist kein
so großer Unterschied zwischen Jeenis
White und mir: er beschliigt die Füße
der Pferde und ich besohle die der Esel.
Wir sind nicht so nseit auseinander, wie
man denken sollte..
Jeems steckte seine Schnupstabals
dose in die Tasche, denn er hörte einen
Schritt und bemerkte einen etwas nn
zuverliissigen Anhänger seiner eigenen
politischen Grundsätze. Guten Tag.
Saunderö, redete er den neu Hinzu
kornirenden an, einen buckligen kleinen
—- -———1
Mann mit scharfen, hellen Augen und
Backen, so roth wie ein Apfel.
Guten Tag, Schmied; der Regen
kam ganz zur rechten Zeit und wenn
wir jetzt warmes Wetter bekommen, so
werden wir bald mähen können.
Seht mal, Andretv, sagte der
Schmied und streckte seinen Arm nach
Osten hin aus« da kommt ein Anhän
ger eures neuen allgemeinen Wahlrechts
den Weg herunter. Ohne Zweifel seiI
ihr stolz auf diesen Zuwachs- Zu de:
Wählerrolle.
Dir Versuchung war zu groß für den
Schmied, als daß er hätte widerstehen
können. Erst gestern hatten die zwei
über den ersten Punkt der Verfassung
das allgemeine Wahlrecht, gestritten,
und nun, als Jamie Will den Weg ent
lang gehinkt karn, dachte der Schmied,
er diirfe sich diese günstige Gelegenheit
zu einem kleinen Seitenhieb nicht ent
gehen lassen, indem er den armen
schwachsinnigen Menschen als typisches
Bild der neuen Partei bezeichnete.
Der Schuhmacher sagte: Ach, das ist
ja der lahme Jamie Will, der gute
Junge-. Jhr maciitet mir schon Angst,
Jeemc3. Ich glaubte, es lvkire der flu
chende, betruntcne Kerl, der Pächter
Lens, ein großer Schurke und bekannter
Konservativen Jamie ist wenigstens
ehrlich und gutmiithig, der arme Kerls
Wenn ihr die Regierung des Landes
blödsinnigen Menschen anvertrauen
wollt, so könnt ihr Jamie gern haben.
Jamie ist wirklich nixät ganz richtig,
sagte Saunders.
Ach, Saunders, wenn man alles gani
genau wüßte, so würden wir schließlich
alle verdreht sein.
Besonders die Demokraten, fügte
der Schmied hinzu.
Jamie Will war mit seinem ver
lriippelten Fuß bis in die Nähe oer
Gruppe herangehinkt.
Na, bist du wieder angelangt? fragte
Saunders HilL
Ja wohl, Satinders, ja wohl! Ja
mie, ein magerer, blasser Mann in ad
geiragenen Kleidern, an dem alle-s die
Unkoste- Illkmnib krinnroirfmpio linZ hin
Hände auf feinem Stock ruhen und
feste feinen lahmen Fuß auf den Bür
gerfteig, während er den andern in den
Rinnftein stellte. Es war dies die
Stellung, die ihm am meisten Erleich
terung verfchafftc.
Na, Leute, sagte er, indem er den
Schmied und den Schuhmacher ansah,
beklagt ihr immer noch Mangel an Ver
stand in der Welt?
· Nein, Jamie, sagte der Schmied, wir
ärgern uns über den Mangel an Geld.
Mit dem Verstand, den wir haben,
könnten wir fchon auskommen Nicht
jeder sitzt so im Reichthum wie ihr-l
ch könnte sehr gut etwas von eurem
old gebrauchen.
Wie ging es dir in Dundee, JamieI
fragte Saunders HilL
Ausgezcichnet gut, ganz aus weich
net!
Was fagen sie dir dort?
O, der Banquier meinte, daß er nicht
Geld und Papier genug für mein Gold
in der Bank hätte, und er gab mir ei
nen Schilling, daß ich wir-de r nach Hau
se kommen konnte.
Jch muß mich über dich wundern,
sagte der Schuhmacher hitzig. Du
weißt sehr gut, daß all dein Gold nur
ein Haufen morscher S eine ist,
Schwefellieri und dergleichen. Und
Saundlsrs, der ist noch schlimmer als
du, weil er dich in deinem Glauben be
sciirktl Wann werdet ihr Vernunft an
nehmen?
Jhr bleibt doch immer derselbe, Ans
dra, sagte Jamie lächelnd. Wann
werdet ihr Vernunft annehmen?
Mein Gold ift alle Tage besser als
euer Sozialismu5. Da ftichelt unl
ivecht ihr für ein paar Pfennige an
einem alten Schuh herum, und ich
bringe an einem Vormittag eine Mil
lion in einem Klumpen Gold nach
Haufe-.
Flkmnpen Gold! Jamie, was bat
dein Gold dir geniitztf Ex-« hat dich
Zum Haufe hinangaisbraebL
Man sagt, Mann-: Jamrson war
,
recht hart zu dir, fügt-» der Schmied
l«.in::i
tkr wir eis. wenig hart meinte Ji
m it, er sitzto mir-I aitsztr der Jii !)-,·-.’i it
an tit Lqu O«: sca ti, das Hing wir
ani Einst-Elen.
Ihr hattet zwanzig Contner Geld
ist-i Eüch auf dont Boden, sagte Zaun
dier
Zwanzig Centner Gold, Sannder52
schrie der Schuhmacher entrüstet.
Steine, wolltet ihr sagen!
Nein, nur etwa fünfzehn Centn:r,
und alles Gold! Aber die Decke senkte
sigjp ich nehm s dem Maurer gar nicht
u si.
Bezahltet ihr denn die kiethe, Ja
mie?
Miethet Jch habe ihm in den letzten
zehn Jahren an jedem Zahltaae so viet
Gold gegeben, daß man das aanze
Dorf übergenug dafür hätte taufen
können. Glaubt nur nicht, daß ich oon
Wohlthätigkeit gelebt habe.
Jamie Will suchte das ganze Land
rings umher nach Steinen mit Schwe
selties ab, von dem er überzeugt mar,
dasz es Gold sei. Nichts war imstande,
sihn von diesem Wahn abzubringen
Er wanderte Meilen weit auf der Su
che nach dem Erz. Jeden Abend be
gegneten ihm die Einwohner von Gier-»
wenn er von einem langen Gang-. nach
Hause kam mit einem Sack voll Steine
aus dem Rücken oder aus einein starren,
wenn der Sack zu schwer war Er
hatte die höchsten Vorstellur am von
seinem Reichthum. Wenn er nur nach
London kommen könnte, so meinte er,
F
J
Mgkde er lekgknhttt hoben. sein Ver
Msgen zu verwerthen; da dies nhkk kjjk
; ihn außer dein Bereich der Möglichkeit
lag, so that er das nächste Beste: er
steckte einen großen Stein in den Sei-L ,
wanderte vom Glen nach Dundee. er
hielt dort den Bescheid, daß die Bank
nicht einmal Zeit habe, sein Gold an
zusehen, und zog anderen Tages, ge
tröstet durch den Schilling. den der
Vanquier ihm gegeben, mit seiner kost
baren Last wieder heim.
Seine Bekannten quälten ihn auf al
lerlei Weise. Einige zeigten ihm gol
: dcne Ringe — zuiiieiit aus Messing ——,
· die sie aus den Goldllrimven, die er ih
- nen geschenkt, hätten machen lassen.
Dann beklagte er sein hartes Geschick,
das ihm nicht gestattete, ans den Men
T gen Goid, die er im Hause hatte, etwas
anse:tigen zu lassen. Einige dachten,
— ihn von seiner thörichten Jdee zu heilen,
indem sie ihm sie auszureden versuch
' ten; aber anstatt ihn zu liiriren, zeigten
sie nur klar ihre eigene Dummheit, so
· dachte er. Andere lobten seine Guid
llurnpen und gingen zu seinem großen
Kummer damit durch. Denn wennir
mit Befriedigung an den Reichthuin
dachte, den er besaß, so erinnerte er sich
doch gleich daraus voll Betrübniß des
großen Haufens, dessen man ihn schon
beraubt hatte. Jn seinen Augen wa
ren die Bewohner von Glen zumeist
Diebe und Räuber; selbst der Schmied
hatte nicht allzu rechtschafer an ihui
gehandelt. Sein letzter Kummer war
die Lieblosigteit des Maurers Janieson,
der ihn an die Lust gesetzt hatte. Jah
relang wohnte er in einer Dachtamincr
urd häuste Steine aus Steine auf de
ren Fußboden aus, bis der Miether un
ter ihm mit Schrecken bemerkte, daß er
sichere Aussicht habe, eines Tages Ja
mie und sein Gold auf sich herabsinken
zu sehen. Nun wurde das Gold hin
ausgewoisem und Jamies Verlust war
groß. Die Nachbarn stahlen seine kost
barsten Schätze vor seinen Augen, und
.i- -.. III-. t-: h-- KLJZHJ lässlbssim Osvh
!
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Hu- kt »so-, »k- syps pvuoss »p-.»-v», »Un
er bei ihr noch nicht einmal Unterstütz
ung, Aber trotz der großen Verluste
trar sein Reichthum unermeßlich. Jetzt
lebte er in einer hölzernen Hütte in der
Heide, trelehe die Nachbarn ihm gebaut
hatten. Es war eine talte Wohnung,
trenn der Wind über die Heide blies.
Um den Zug abzuhalten, baute er Heide
und Torf gegen die Ostwand aus; das
war gut gegen den Fing, gab aber An
laß zu neuen Beschwerden in Gestalt
ron Feuchtiqicit und Rheumatismuz.
Na, Janne, sagte der Schuhmacher
rauh, was nützt die all dein Gold?
Angenommen, es wäre Gold,- und nicht
ein Hausen alter Schutt- und Schie
sersteine; was hast du voi. deinem Reich
thum? Frag den Schmied, ob er dir
nur sein Pferd geben will sür all das
Gold.
Was hast du wieder heute Mittag
ausgeklauth
Jeh brachte ein schönes Stück nach
Hause. Dabei zog er aus seiner Tasche
einen in Papier gewickelten Stein her
vor. Dies ist nur eine Probe; ich habe
noch einen großen Klumpen davon zu
Hause.
Er hütete die Probe ängstlich mit den
Augen, als sie in des Schmied-Z Hände
überging, denn er hatte kein große-J
Vertrauen zu ihm.
Du tochtest wohl Suppe davon,
Janiie ?
O nein, Schmied, ihr wißt recht ge
trau, das geht nicht«
Doch! Kocht Steine mit Butter und
ihr könnt euch an der Subpe delettiren.
Aber ihr hattet wahrscheinlich keine
Butter.
Der Krüppel entgegnete nichts. Er
nsar halb verhungert, aber er wußte sa,
das-. eines Tages der Welt die Augen
ausgehen würden, und wer war dann
der Reiche!
Hör, Jamie, ich will kir sagen, Warv
du thun sollst. Als ich fort ging, stand
cser stohltepf nich am Feuer-; sag met
ner Frau das-. ich diast berietkicktd iaate
VIIIle
JanIie sah ihn an und lächelt-: Er
zünerte und blickte die Umstehentcn an.
Elia, mach dris; du hin kommst, ehe der
Firhl talt wird, fügte de: Zehntnnacher
hinzu.
seh wußte wohl, daß dein Beklen
schlimmer ist al-: dein Beißerh Schuster
Ell-er irh will tingehem damit wandte
e: sich dem Hause- gegenüber zu·
Bist du es, Jamie? fragte die Schu
sterfr.iu, als Jamie bei ihr eintrat. Wie
gehts dir denn heute, armer Schelm?
Ziemlich gut, Frau. Der Schuster
sagte, ieh sollt euch mal besuchen. Darum
trixim ich einen Augenblick herein.
Das ist freundlich von dir. Wäh
rend sie sprach, setzte sie den Kohltops
ans Feuer und Jamie wußte nicht, was
er noch sagen sollte. Er war so
hungrig.
Ver einer halben Stunde haben mir
gegessen; aber wenn ihr einen Augen
blick warten wollt, geb ich euch einen
Teller heißen Kohl.
Die Schustetsrau kannte seine Le
bensweise nur zu gut. Tagelang lebte
er ohne Nahrung und war dadurch an
so abwechselndes Feiern und Fasten ge
wöhnt, daß er bei einer Mahlzeit Vor
rath sür drei Tage essen lonnte. Sie
konnte ihm heute anshelsen sie hatte
sür zwei Tage gekocht. Nachdem er or
dentlich zugelangt, nahm sie wahr, daß
es sich nicht der Mühe lohnen würde,
den Rest für den andern Tag aufzuhe
ben. Mehrere Teller voll nahm er zu
seinem eigenen Vergnügen zu sich, und
dann aß er den Nest noch der Wirthin
zu Gefallen.
Jeh dank euch vielmals, ihr kocht den
besten Kohl, sagte er herzlich. Zögernd s
I« . . . «. «, .. . ...... .. .-.-—..-.M
langte er in seine Westentasche. Sollte
er ihr das kostbare Exemplar-, das Hun
derte werth war, geben?
Die Frau sah es und sagte: Nein
Jamic, laß gut sein heute; siehst du
nicht, daß ich schon mehr davon habe,
als ich mein Leben lang brauchen kanns
Und sie zeigte aus eine Reihe glißeni
der Steine, die auf einem Brett, dem
Tellerbort, ausgestellt waren.
Ja, aber diesen müßt ihr auch noch
nehmen; und indem er den Stein auf
die Tellerbort legte, fügte er hinzu: Jch
dank euch herzlich! Der Magen hing mir
ganz schief, als ich hereintam. Aber der
Kohl hat einen anderen Menschen aus
mir gemacht· Dank euch, Frau.
Hört mal, sagte er, indem er sich wie
der zu der Gruppe draußen gesellte, die
Schustersrau locht einen großartigen
Kohl! Und sie hat mich so gefüttert, daß
ich über Sonnabend genug habe und
keinen Hunger verspüren werde. Aber
ich muß fort nach dem Berg. Die Sonne
toinmt schon um die Ecke und ich mag
gern die vergoldete Spitze des Catlaw
sehen, ehe der Himmel dunkel wird.
Jamic Will ließ Demokraten und
Konservatidehinter sich vom tausend
jährigen Reich träumen, das sie von ei
ner neuen Regierung erhosften. Als er
sich westwärts auf den Weg machte,
sagte der Schuhmacher zum Schmied:
Jst’s nicht eine Thorheit, Schmied, daß
so ein armer Kerl hungert und sich
plagt, Steine und Schutt sammelt,
weil er glaubt, daß es Gold ist?
Und Niemand kann ihm diesen
Glauben nehmen, erwiderte der
Schmied.
Der Lahme war glücklich, als er die
Chanssee erreichte, zu deren beiden Sei
ten sich Ginster und Heide und blühen
de Felder ausbreiteten. Das Lied der
Lerche in der Höhe klang nicht fröh
licher, wie das in seiner Brust. Nur ei
nen Augenblick gedachte er der Gefähr
ten, die er soeben verlassen, und bemit
leidete sie· Er konnte nicht begreifen, daß
sie so thöricht waren, ihre Tage mit
schwerer Arbeit zn vergeuden, da sie
doch nur zuzulangen brauchten, um den
Reichthum einzuheimsen und Darun
weise nach Hause zu schaffen. Aber es
gab ja viel Wunderliches in der Welt,
und je länger er lebte, je mehr ward es
ihm klar, daß er in einer tollen Welt
lebte. Er vergaß die Thorheit seiner
Nachbarn, vergaß sogar den Lerchenge
sang, die weichen Lüfte, das sanfte
Grün der Felder Und den Duft der
Tannen. Er vergaß alle äußern Dinge
iiber dem Glanz einer innern Vision,
eines seltsamen, goldenen Traumes.
Die beiden großen Bilder, die ihn be
schäftigten, waren der Tempel und das
neue Jerusalem; die Gesetzes-Lade Und
der Thron, die Schüsseln, Löffel und
Deckel, die Leuchter, Ketten und die Ge
fäße waren von reinem Gold. Der löst
liche Glanz jenes Goldes durchleuchtete
seine Phantasie und machte sein Herz
beben. Sein Gold würde ebenso sein,
wenn es geläutert und geschmolzen
wäre. Aber der Glanz des Tempels war
nichts iin Vergleich zu dem des neuen
Jerusalem: hier war ein Meer von
Golde Die Stadt war von hellem Gold,
und die goldenen Gassen leuchteten wie
strnstall
Er wanderte auf den« Hügel entlang;
er tam durch das Ernste-Dars, ohne sich
dessen bewußt zu sein. Sein Geist durch
wanderte die goldene Stadt mit den
lrystallhellen Gassen. Er sah alles in
Gold, eine Pracht ohnegleichen. Das
Lächeln eines glücklichen Kindes spielte
Um seine Lippen. Er erstieg den Cat
law, um sich dort niederznseßen und zu
träumen. Hinter ihm lag die Monri
InontHeide mit den schwarzen Tan
nen. Er saß still und schaute in die
-n-»»i ins-I Tut ins Fmanssn høksrktmnnh
Der Himmel erstrahlte in großen Flä
chen Golde5, die glühten und erloschen
und wieder ansgliihten. Er saß
regungsilescs und wagte tanin zu athmen.
Tag Gold war iiberaug herrlich, hell
wie Glas-, wie tlcregz Glas! murmelte
er. Dag- Gold wechselte, bewegte sich,
Verwandelt-; sich inPurpur und war nur
zu sihnell hinter dem violetten Schleier
o.:-srlnnunden, der am westlichen Him
mel hing.
Als das helle Otold erloschen war,
sprang er Von seinem Sitz herunter und
sagte zu sich selbst: Das muß wohl ein
Strahl gewesen sein von der Gasse, die
ich heute Abend gesehen. O, ist das
herrlich! Und dabei quälen sich die thö
richten Leute im Glen ihr ganzes Leben
lang siir nichts-. Sie sehen nicht das
Gold in den Steinen nnd am Himmel
und streiten sich um ihre Politik.
Aus seinem Wege heimwärts sah er
immer die weiten Ebenen von Gold,
nnd als er sich in seiner sreudlosen Hüt
te niederlegte, fiihlte er sich als einen
Bewohner des himmlischen Jerusalem
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Falsclsverstandem
Hausfrau (zn ihrem erst kürzlich ein
getretenen Dienstmädcheu vom Lan
de): ,,Resi, mein Mann ist nicht wohl
——- legen Sie ihm heute Abend eine
Flasche ins Bettl«
Resi: ,,Weis5,toein oder Rothwein?«
Stilbliithe.
tAus einem Hintertreppenroman.)
Sein gest-steter Charakter war der
Gummischuh, der seine Seele im
Großstadtsumpse rein erhielt.
Von der Schmiere.
Schmierendirettort »Ich sag’ Ih
nen, einen Heldendarsteller hab’ ich
jetzt, der kann abendsiillend röchelnl«