Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 13, 1901, Sonntags-Blatt, Image 9

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    M
Frauengrdßr.
Willst Du das Weil-. in ganzer Größe
sehn,
So sich es nicht umstrahlt von Glückes
Glänzen,
Wenn nnnmioöllt die Freude-isterne
steh n;
So sieh« s, wenn Dornen seinen Pfad be
lriinzeih
So sieh das Weil-, wenn gns des Glückes
Soch
Wenn von der Luft es hieß das Schicksal
scheiden
i emi- wie der Mann in Tbat nnd Han
deln groß,
So ist«s das Weib im Dulden und im
Leidenl
L, sieh das Weib in ovfeksrend qer
Pflichti
Im Arm des Weibes rnbc der Mann, der
lranle;
Aus ibrem Ang« die treue Liebe spricht,
Und ein Gebet ift jeglicher Gedanle
Rein Stündleim wo sie fein dem Liebsten
blieb l
Sie mag sich gern um ihn des Schlafs
berauben.
L, sieb ein Weib voll opferfreud ger
Lieb l
Ein solches sieh nnd lern an Engel glan
benl
Ein kranles Weib, des Todes Beute
halb;
Kaum trägt den Körper noeli der Fuß, der
matte
ilnd dennoeb ibielet inn die Livven salb
Ein freundlich Lächeln, naht besorgt der
Gatte;
Nur im Verboignen still die Thräne fällt-,
T« av, sie dein Liebsten ibren Schmerz ver
beble
Ale- siiiniain in des Gemiitbes Welt
Ter nnersosrsiinem herrscht die Frauen
seele.
Enul Nitierszbanä
s---.-—
Mord.
Eine Traaöhie aus dem Leben.
Von Max Wundttr.
Wer ihn so gehen sah, hätte ihn fiir
einen hohen Sechs-tiefer halten müssen,
fo aran war sein Haar. so tief gefurcht
die Ziiae seines Gesichts, so geheuat die
Haltuna des fonft großen. stattlichen
Mannes und so oltväterlich in Klei
duna und Gehahren. Trotzdem stand er
erft in der Mitte seines fiinften Jahr
zehnts. Er war Provisor und seit
Jahren die rechte Hand des Kronen
apotheiers in einem akmseligen Vor
stadtvierceL Er galt fiir einen Son
derlina. suchte keinen Verkehr und hatte
sieh oöllia in seine Genantenwelt ein
aesponnen, in der « scheinbar wenia
Sonnenstrahlen für sein Gemiith eri
ftirien. Sein Chef jedoch schätzte ihn
hoch, nicht nur weaen seiner Tüchtig
teit im Geschäft, sondern auch ven
Menschen in ihm.
Ja. zugegeben. der Provisor war
ahiveifend, verbifsen. foaar worttara
im höchsten Grade. Aber ein aoldenes
Herz ichan in ihm, das heißer und
leidenschaftlicher pulfirtn als Ferner
stehende jemals vermuthen konnten.
Deo Anothetenhesitzer kannte die Ge
schichte des Mannes und wußte, daß
ein herhes Schicksal hier seine Verhee
rende Wirtnna aeiiht hatte. Jn ein
blühennes, sonniaes Dasein war ein
flammender Blitzstrahl gefahren nnd
verfenat und verdorrt stand nun alles,
was sich zu aeeianeter Reife entfaltet
hätte. Der Provisor selhfi hatte ihn
zuweilen einen Blick in sein Innere-s
thun lassen, und das hatte beide nur
noch näher aneinander aefiihrt. Die
Menschen freilich beariffen nicht« wie
der Apotheier mit diesem verschlosse
nes, wunderlichen Menschen anatom
men konnte.
Der Provisor theilte seine Tages
stunden zwischen der Officin und sei
nem Wohnstiihchen. Er aina fafi nie
aus, förrnfich hinausgejagt hatte ihn
heutzoer Ehrf. «
»3ie gehen mir jetzt auf ein Paar
Stündchen spazirein Herr Braumannx
ich wünsche es. Sie werden hier wahr
haftia schon bei ledendiaem Leibe zur
Mumie, wenn Sie diesen Gisten und
Dünsten nicht mal den Rücken kehren·
Sie sind wohl schon an drei Wochen
nicht aus der Bude gekommen. Wer
soll denn das aushalten? Das Wetter
iit schön; wer weis-, wie schnell es sür
ein halbes Jahr mit den schönen Ta
gen vorbei ist. Und zu thun wirko
um diese frühen Nachmittaasstunden
nicht viel geben. Also . .. nicht wahr,
Sie gehen ein bischen?«
Da war er gegangen Die lange
Straße hinaus, wo die Häuser immer
älter, niedriger und hausälliaer wer
den, mit tleinen Gärtchen vor den
Fenstern. Er athmete ordentlich aus.
Wie dat- wohl thut! Ein so herrlicher
Spätsommertaa mit seiner melancho
lischen Weichheit, mit seinem Treiben
zum Freuen und Geniestem und doch
dieser bangen Todesahnung in der
Luft ..... diese Stimmung griff
mächtig an sein Herz und brachte
tänast Vergessenes in seiner Seele zum
Ettlingen.
O, die Natur hatte gut lächeln in
ihrer Wehmuthx denn all das Käst
liche, was sie jetzt sich anschickte zu bes
araben — stand es nicht in neuem
Lenze zu neuer Freude aus? Aber der
Lenz seines Glückes war unwieder
bringlich dahin; der tam nicht wieder.
Just in dem Auaenblicte, da er sich am
reichsten und alüctlichsten wähnte, wo
der Frühlina um ihn und in ihm
blühte und sproßte mit seinen tausend
Seligkeiten, da zuckte der mörderische
Strahl, und eine Wüste ward das
blühende Gesilde.... um eines Wei
bes willen! «
O, wie hatte er sie geliebt, seine
blonde, süße. kleine Frau. seinen tan
zenderh neckischen Sonnenstrahl, dessen
sprudelnder Uebermuth ihm so wohl
thatt Wie war es nur möglich, daß
I
Sonntags-—- Etat-I
Beilage des ,,Nebraska Staats-Anzciger und Herold«
J. P. Wind-wh, Herausgehen
Grund Island, Nebr» den 13. Sept. 1901.
Jahrgang 22 No. 2
sie ihn verrathen konnte? War sie nicht
sein Alles, fein Ahgott? Trug er sie
nicht aus den Händen? Er war reich
zu nennen, nicht allein an Glück, son
dern auch an irdischem Gut.
Er besaß damals schon, trott seiner
dreißig Jahre, eine gut gehende Apo
theke als Eigenthum —- in Wieshaden
war es ——, und so hatte er es ia dazu,
seiner sBetty die meisten ihrer Wünsche
fast ohne Bedenken zu erfüllen. Und
doch verließ sie ihn. Eines Tages war
sie fort, ohne Abschied, ohne Erklä
rung. O, jetzt erst aingen ihm die Au
gen auf.... er begriff alles.
Zugleich mit ihr war sein Jntirnus
und Studienfreund, ein Mensch, dem
er einstmals durch sein hilfsbereites
Eingreifen die Existenz gerettet hatte,
verschwunden. Er hatte sich nach den
Universitätsjahren zumeist mit finan
zieller Unterstützung Braumanns, für
den Bühnenaefana ausgebildet und
rauschende Erfolge errungen. Bo
rowsti hiefi er. Machte ihn die Treu
losiaieit der Frau, die er üher alles
aelieht, unsäglich trauria. so erfüllte
ihn die Gesinnungslosigleit des Man
nes, der ihm fast alles verdanlte, mit
bitterer Menschenverachtung Er war
zu stolz, nach dem Weihe tu forschen;
der Ekel hinderte ihn, sich um Bo
rowsli zu bemühen. Ueberdies war
seine Thatlraft gelähmt. sein Lebens
muth dahin. Er lieh alles gehen, wie
es gehen wollte. Die Apotheke verkaufte
er, um nicht länger in Wieshaden sein
zu müssen. Der Verlauf war kein
Geschäft für ihn . . · ihm war alles
gleich.
Ein Wunderleben beaann siir ihn.
cfr ariff bald dies, bald jenes an —
nichts aliicite ihm: er war eben nur
mit halber Seele dabei. So kam er
um sein Vermöan ; ein in doppelter
Hinsicht armer Mann stand er nun da.
Lanasam nur erholte er sich wieder
von dem Schlaae. Mittellos. acbeuat
fing er an. mit seinen Kenntnissen und
seiner Arbeitskraft hausiren zu aehen,
bis sein nothdiirftia ausaeflicltes
Wrack in dieser Vorstadtapotheke vor
Anker aina. Es war ein Schattenle
ben, das er sent lebte, zehrend von den
schmerzlichen Erinnerunaen, ohne Ge
aenwartssreude und ohne Zukunfts
hossnuna, das Leben eines vertrockne
ten, einsamen Sonderlings.
Er war diese würzige, weiche, er
schlaffende Lust nicht aewöhnt: er fing
an. müde zu werden und kehrte zu
rück.
Jn den Straßen der Stadt nisteten
schon die Schatten der Dämmerung
und wuchsen und reckten sich.
Wenige Schritte por seiner Apotheke
blieb er plötzlich wie aebannt stehen,
als sä« 1 seine Auaen eine Vision. Ein
Weib in oerschossenem Kattunrock,
ärmlicher fast als die Aermsten dieses
armseliaen Viertels, kam aus der
Apothete und haftete in entgegengesetz
ter Richtuna die Straße hinauf. Merk
würdig, wie ihn alles an dieler bei
nahe zerlumpten Frau an Bet y erin
nerte« Wuchs, Gang, Größe, die s arbe
des Haares lebensvoll stan sie
jetzt vor ihm, das schöne, lustige. falsche
Weib. Aber es war wo l tein Wun
der.... allzuviel hatten Ich feine Ge
danten soeben mit ihr beschäftigt
die lächelnde Wehmuth des Spätsom
mertaaes war schuld daran.
Kopfschiittelnd trat er ein. Eine un-·
erklärliche nervöse Unruhe hielt ihn ge
packt, ein dumpfes, dibrirendes Em-:
psinden, über das er sich keine Rechen- »
schast geben konnte. Bettv! Betthl Er
sah die Gestalt von draußen vor seinen »
Augen, und diese Gestalt trug Bettys
kindliche Züge.
»Ah, nun ists doch gut," empfin-:
ihn der Chef, »daß Sie kommen, Herr i
Braumann. M Nachen Sie sich nur
aleich über dieses Recept dort her; es ist
mir lieb, daß ich mein Experiment im
Laboratorium nicht zu unterbrechen
brauche. Das Recept hat Eile; ein
Menschenleben steht auf dem Spiel,
wie es scheint.«
Dem Provifor war es lieb, sofort
dringende Arbeit zu finden; denn so
konnte er wenigstens seine thörichten
Gedanken meistern.
Der Chef hatt-e sich wieder in sein
Laboratorium zurückgezdgem Fast
zerstreut nahm der Prodisor das Ne
cept in die Hand Einer der tüchtig
sten Aerzte des Bezirks hatte es ac
schrieben Braumann sah aus den er
sten Blick —- es war eine Krisen- Mir
tur, gleichsam ein Gewaltstreich gean
eine gefährliche Krankheit. Es iam
alles aus genaue Abwäguna der Be
standtheile an; eine Abweichuna von
den Mischungsderhältnissen konnte
den Tod brinaen, das kleinste skuviel
von dem furchtbaren Gift muL te ihn
herbeiführen.
Er setzte sich zurecht und war wie-;
der ganz bei der Sache ganz Provi- J
»for. Es war ruhia aeworden in:
ihm, die dummen Gedanken von vor
hin hatten ihn verlassen.
Da siel sein Blick ganz zusällss aus
die Zusasznotiz von der Hand desj
Arztes ..... »Für Herrn Concertsän
·er Borowsli.« Des Provisors Ge
icht wurde aschfahl: die Augen, tief
in den Höhlen, nahmen eine unheim
liche Starrheit an; ein seltsames
Zittern ging durch seinen Körper.
Schweiß trat auf feine Stirn, die
Pulse schienen zu stocken.
Sie war’5. s «««
Und er machte sich an die Arbeit,
mechanisch, automatisch, fast wie ein
Schlafwandelnder.
Allmählich löste sich dieler lethar
gische Zustand und ging in eine fie
s berhafte Aufregung über. Irre Lich
ter flogen über die Augen, die Brust
arbeitete, die Gedanken in ihkn fingen
. an zu jagen, zu springen, wie eine
wildgewordene Schafherde durch ein
ander zu stürzen. Er sah sich in seiner
glücklichen Zeit, er sah den Räuber
seines Friedens, seines Glücks, seiner
Hoffnungen auf dem Krankenbette, er
sah jenes ärmliche Weib; fah Betty
aus dem Laden treten und die Straße
hinunter eilen sollte er jetzt dem
Mörder seines Lebens den Trank be
reiten, der ihm die Gesundheit wieder
geben konnte?
Ietzt nahm er die Phiole mit dem
entsetzlichen Stoffe aus dem Schrank.
Seine Kniee zitterten so, daß er den
Behälter schnell auf den Ladentisch
stellen und sich auf einen StuhT setzen
mußte. Er erhob sich wiedr. Sein
Gesicht war verzerrt, ein düstern-.
milder Zua lag in dem unruhig fla
» ckernden Auge. Die Zähne auf einan
der gepreßt, mit einem höhnischen,
;tveltverachtenden Lachen Um den
Mund, vollendete er seine Arbeit. . .
Eben hatte er das Fläschchen zuge
s tortt und den üblichen Papierstreisisn
daranaebunden, als die Frau von
vorhin eintrat.
Braumann stand hinter dem hohen
Schreibpulte und starrte mit gläser
nen Augen auf das Weib.
,,Betth! Betty!« schrie es in ihm:
aber seine Lippen blieben trampfhaft
geschlossen.
Ja, sie war es in der That: doch sie
schaute nicht auf mit ihrem verarän1
ten Gesicht, aus- dem eine Welt von
Entbehrungen und Leiden sprach.
Sschiichtern ftammelte sie einige Worte-.
Eine furchtbare, heroische Ruhe
war plötzlich über ihn aetommen,
Ohne hinter seinem Pult hervorzu
treten, schob er ihr die Flasche hin,
wvrtlos, ohne «in zucken, und doch
wußte er in diesem Augenblick ganz
genau ..... er wird, er muß sterben.
Dann beugte er sein Gesicht nieder,
. scheinbar sehr beschäftigt, auf die Ge
schäftsbiichen
Die Frau fragte betlommen nach
dem Preis.
,.75iinfzig Pfennige!«
Sie athmete auf und legte das
Geld hin. Offenbar hatte sie-gefürch
tet, daf; man« ihr mehr, vielleicht die
letzten Groschen abverlangen würde.
".f«1astia empfahl sie sich.
Mit ieuchender Brust stand der
Vrovisor da und starrte ihr nach.
Schnell war die Ruhe, iiber die er sich
selber gewundert hatte. verflogen.
Ietzt, jetzt gab es kein Zurück mehr!
Das furchtbare Verhängniss ging fei
nen Gang Aus ihren Händen wir-I
er jetzt den Todtentrant empfangen.
Das ist die Rache! Das ist die Ber
geltungi
-
Da zuckte ein Wort in seinem
Geiste empor-, an das er bisher noch
mit keiner Silbe gedacht. Wie ein
areller Blitzstrahl fuhr es durch die
Nacht seiner wahnwitziaen Gedanken
..... Mörder! Mörder!
Braumann prallte zurück schlua
mit den Fäusten gegen die Schläft-«l
taumelte und sank zu Boden. Und
dabei kam ihm noch merkwürdiger
Weise der Gedanke ein: »Noch ist es
ja nicht zu spät! Dumuszt nachlaufenz
gewiß holst du sie noch ein!«
Dann schienen seine Vorstellungen
in eine fokmlose Masse auseinander
zuflieszen, bis sein Bewußtsein völlig
erlosch.
Der Chef hatte den Lärm gehört
und kam herzugeeili.
»Um Gotteswillen, was ist denn
passirt?«
Er rüttelte und schüttelte seinen
Provisor.
Der schlug die Auqen auf. Sofort
war ihm die Situation wieder klar.
«Gift!« stöhnte er. »Gift gab ich..
Barmherziaer Gott« schnell, schnell,
ehe es zu spät ist!« Und mühsam er
hob er sich. um keuchend auf einen
Stuhl zu sinken.
,,Gift?« schrie der Apotheler. »Der
Frau doch nicht etwa?«
Braumann nickte und deutete auf
das Recept.
Jm nächsten Augenblick war der
resolute Chef aus dem Laden, um bei
dem Arzte die Adresse des Patienten
zu erfahren. «
Braumann sah sich mit müdem,
fast irrem Lächeln um.
Er war allein. O, er wußte, der
, Chef kam zu spät. Ein Morder war
er! Ein einziger Augenblick Rite ihn
zum Mörder gemacht. Es war nicht
mehr zu ändern. sAx -.hisch wie einer«
der sich in das Unabänderliche geschickt
hat, trat er zum Giftschranh Ein mü
des Lächeln lag um seine Züge. Was
folls noch? So oder so was ver
lor er denn? Er schüttete einige weiße
Kristalle in die flache Hand und der
schluckte sie. Dann ging er in das
Hinterstiibchen und legte sich auf das
Bett. Wenige Augenblicke darauf
stellte sich der Todeskamps ein. Es
ging schnell. Als der Chef zurück-"
kehrte, fand er seinen Provisor als
Leiche vor. I
Der Gang war umsonst gsoesen
Er kam zu spät, wie Braumann vor
ausgesehen hatte. Zu spät, dort wie
hier« Erschiittert stand dex Mann
und konnte den Zusamemnhang nicht
begreifen.
»Er war doch sonst ein so vorsichti
ger Mensch! Daß ihm das auch bas
siren mußte!« sagte er. Und die Zei
tungen berichteten anderen Tages von
dem verhängniszvollen Jrrthum eines
Apothekeraehilfen, der zwei. Men
schenleben zum Opfer gefordert. Nie-l
mand ahnte, welche Tragödie sich da
abgespielt hatte!
Der Handel mit Menschenhanren, einl
blühendes Geschäft in Frankreich.
Letzthin hat in Limoges (Franl
reich) wieder der Haarmarlt stattge
funden, der sehr gut auch von auslän
dischen, besonders belaiichen und ame
rilanischen Käuserm besucht war und
bei dem für mehr als 820,000 Waare
umgesetzt wurde. Die Preise waren in
diesem Jahre sehr hohe, weil die neuen
Damencoissuren viel Material erfor
dern. Der Haarhandelt datirt in
Frankreich schon sehr weit zurück. Friii
her beschränkte er sich aber ausschließ
lich ans gewisse Theile der Normandie,
der Auoerqne und der Bretagne, in
denen Käufer im Auftrage von zwan
zig oder fünfrindzwanzia Häusern
herumreisten. Es handelte sich damals
meistens um Tauschgeschäfte: im Nor
den gab man bedruclte Kattune und
.f)auSaeräthe, im Centrum und Süd-K
Musseline für das Haar, das sich die
jungen Mädchen und Frauen abschnei
den ließen. Nur selten wurde in Baar
aeld bezahlt und nie mehr als zehn
Franks per Kilogramm (etwa einen
Dollar per Pfund) geaeben. Das
Haar wurde dann zur Verarbeituna
nach Paris, Bordeaux, Marseille und
Lhon versandt. Vor Ungefähr hundert
Jahren wurden die auf diese Weise er
worbenen Haarmassen jährlich auf
200,s)0 Pfund aeschätzi. die einenWerth
von 53100,000 repräsentirten. Die
Reiniaung, Kräuselung nnd Zuber-ei
tuna des Materials brachte den Han
delswerth Per Kiloaramm auf Pilz. ;
Diesen Preis bezahlten die Friseurhj
um Perriicken anzufertigen, was ihnen ;
" einen schönen Verdienst brachte, da sie l
« für eine Perriicke, zu der höchstens 1s5 ·
l
l
. Pfund Haar erforderlich war, PS for
derten.»
-.-.- essen-»P
Die Aussuhr war unt diese Zeit sehr
beträchtlich, besonders nach England
und den Vereinigten Staaten. Heute
kann die Ausfuhrzifser französischer
Haares auf nahezu eineMillion Francs
veranschlagt werden. Das Pfund wird
heute je nach Farbe und Länge mit
81520 bezahlt. An dem Haarhandel
sind übrigens auch andere Leute, als
die Reifenden, die die Zöpfe aus den
Jtärtten von Limoaes, Beaucaire u. s.
w. auslaufen, betheiliat, besonders die
Pariser Linnvensaminler. Diese suchen
niirnlich aus dem Schutt das ausge
ksmmte Frauenhaar zusammen und
machen damit aute Geschäfte Es sollen
aus diese Weise jährlich gegen SOAOO
Pfund in den Handel gebracht werden.
».-.»—..-.-—-—
Julev Bei-ne erlebt als alter Mann alle
seine Romanr.
Ein Vormittag Jules Vernes.
Jules Verne sitzt in seinem Studier
zimmer und arbeitet. Sein alter Die
ner Phileas tritt ein und meldet: »Mr.
Leopold Stapley«.-——Verne (erstaunt):
»Ein Besuch? Jch lasse bitten.« ——- Es
erscheint Herr Stapley: ,,Verehrter
Meister. Jch habe soeben die Vorbe
reitungen fiir eine fünfwöchige Reise
im Lustballon beendet und fühle das
Bedürfniß, Ihnen die Hand zu drü
cken.« —- Verne: »Da haben Sie sie
(Händedruck). Jst Jhr Ballou lenk
bar?« —- Staplet): »Wie ein alter Pu
del, natürlich, wenn es keinen Wind
giebt, oder wenn es nicht regnet oder
sonst keine atmosphärischen Störungen
» eintreten·« — Verne: »Ich verstehe.
I Auf Wiedersehen!« —- Herr Stapleh
" geht, und Phileas tritt ein und mel
det: »Ein Journalis.« Dieser begrüßt
den Meister. Journalist: ,,Verehrter
Meister, ich komme, Ihnen zu halt-i
gen. Jch reife diefen Abend nach dem
Mondc.« —— Verne: »Bitte sehr. Be
nützen Sie mein Beförderungsmittel?«
— Journalift: »Gewiß, die innen
ausgehöhlte KanonenkugeL Wir ha
ben Zwei diefekbe Jdee gehabt und
machen die Tour in entgegengesetzter
Richtung. Jch reife von der Erde zum
Mond, mein College reift vom Mond
zur Erde. Sie verstehen? Wer früher
ankommt.« — Verne: »Aus-gezeichnet!
Auf Wiedersehen mein Herr! Größen
Sie meine Freunde auf dem Mond.«
—- Der Journalift geht ab und Phi
leas meldet: »Herr Claudicaut.« —
Verne: »Ja, aber jetzt möchte ich doch
meinen Spaziergang machen.« —Der
Besucher ift indessen schon eingetreten.
Claudicaut! »Verehrter Meister. Jch
gondle heute Abend mit einem unter
feeifchen Boote ab, um 20,000 Meilen
unter dem Meeresfpiegel zu durchrei
fen. Wünschen Sie mir Glück.« —
Verne: »Mit Vergnügen! Geben Sie
nur acht, daß Sie nicht naß werden«
— Claudicaut geht ab, und Phileas
meldet: »Die Kinder des Cavitän
Grant.« —- Berne (fpringt wiithend
auf): »Genug. Jch empfange Nie
manden mehr. Das fehlte mir noch,
daß ich alter Mann alle meine Ro
mane erleben follte!« --
Der Rokainransche das neueste atistotras
tifche Laster in England.
Tragifche Ereignisse der letzten Zeit
haben in England die Aufmerksamkeit
auf die Zunahme der tödtlichstenForm
des Narlotismus, derKotainsucht, ge
lenkt. Sie ist noch nicht Isehr lange
in England bekannt, jetzt aber ständig
im Zunehmen begriffen. Vor 14 Jah
ren kam diese Gewohnheit aus New
York, aber noch 1894 waren in Eng
land sehr wenige Fälle bekannt. Jetzt
liat sich die Kokaineinspritzung inLon
don fast eingebürgert, und zwar unter
ren klügsten Männern und Frauen. »
Sie kann eine Zeitlang so geheim aes
l
t
halten werden, daß selbst die nächsten
Freunde keinen Verdacht haben; denn
sie hat nicht das Abstoßende des ge
wöhnlichen Rausches. Jbre Haupt
opfer sind Aerzte, Schriftsteller und
Polititer; je künstlerischer das Tempe
ratment ist, um so größer ist die Ge
fahr. »
Die Kotaineinspritzuna ist die sie-E
fährlichste Form der Trunkenheit. Bei
den meisten narkotischen Mitteln hat
man eine schnelle Warnung vor dem
kommenden Uebel, aber bei Gebrauch
von Kokain fühlt man sich wieder jung
und kräftig der Schmerz ist getödtet,
die Unruhe scheint aus dem Leben
fortaewischt zu fein. Man hat das
tttefijhl der Befriedigung nnd Spann
kraft, deg Behagens und Vergnügens.
Aber das Vergnügen vergeht noch
schneller wie beim Odium, und das
Opfer wird fast unvermeidlich zu ei
ner zweiten Einspritzung getrieben.
Jn vielen Fällen werden zwölf bis
zwanzig Dosen genommen. Dabei ist
Fiotainahydrochlorat sehr theuer. Eine
Unze kostet en arog 25 Schilling, en
detail gewöhnlich das dreifache. Jn
einem bekannten Fall giebt ein Mann
täglich zehn Schilling fiir sein stokain
aug.
Die erste schädliche Wirkung ist oft
genug nicht körperlich, sondern mora
lifch Dar- Kolain wirkt nicht heftig
oder brutal; das Opfer erscheint sogar
sanfter und verfeinert. Seine künst
lerischen Empfindungen sind geschärft.
Aber wenn der Betreffende big dahin
peinlich ehrlich war, stiehlt er jetzt oft
ohne Scham. Er scheint oft auch die
Bedeutung der Wahrheit zu vergessen.
Wie und warum diese Zerstörung des
moralischen Gefühls zu Stande
kommt, ist noch ein strittiger Punkt
der Pschologie; aber die Thatsache ist
nicht zu leugnen. Viele Fälle von
Kleptomanie sind dem Kokain zuzu
schreiben, und manche der scheinbar
unertlärlichen Verbrechen, die wohl
habende Leute begehen, finden hierin
ihre Erklärungen. Diesen moralischen
Wirkungen folgen nach einiger Zeit
körperliche, eine unbeschreibliche Ge
miithsdepression, Schlaflosigteit und
Widerwillen gegen Nahrung. Darauf
folgt oft genug vollständiger geistiger
Zusammenbruch, manchmal auch
Selbstmord.
Die Kotainsucht ist so gewachsen,
daf; sie in England eine neue Industrie
gezeitigt hat, die Gründung von »Hei
men« siir wohlhabende Narkotiker.
Viele annonciren regelmäßig in me
dicinischen Zeitschriften, andere be
kommen ihre Patienten durch Aerzte.
Die Kokainsucht ist ein ,,aristokrati
sches Laster«; sie ist nicht ins Volk ge
drungen. Leute, denen die gewöhnliche
Trunksucht abstoßend ist, greifen zu
diesem verfeinerten Mittel. Einige
Dosen Kokain befähigen die Dame der·
Gesellschaft, die Saison durchzutnas
chen, und sie kann diese Gewohnheit oft
genug monatelang durchführen, ohne
daß irgend jemand ihr etwas an- — s»
merkt. Die Kokainfucht bringt unver- ’"
Ineidlich den Tod, wenn man dabei be
harrt. Gewöhnlich gelingt es dem
Opfer nicht, sie zu besiegen; nur abso
lute Oberaufstcht eines stärkeren Wil
lens kann eine Heilung erzielen
—-.———
Das Kunststück, ans ,,alten« Kartoffeln -
»neue« Kartoffeln zu machen. «
Es gibt kaum ein Nahrungsmittel
mehr, das nicht schon verfälscht wor
den wäre, von der Butter an bis zum
Symp, Gelee, Honig, Kaffee, zu
Eiern, Erdbeeren aus Gelatine, die so
überaus ähnlich hergestellt werden,daß
sie sich schon oftmals unter die einge
machtenFrijchte verirrt haben. Warum
sollten nicht auch die neuen Kartoffeln
J künstlich hergestellt werden? Und sie
werden es thatsächlich. Jn Calisor
nieu hat sich sogar die Herstellung die
ser Kartoffeln zu einer ansehnlichen
Industrie entwickelt. Die unterneh
menden Landwirthe sind gewöhnlich
fremder Herkunft, besonders Portu
giesen, Italiener, auch Chinefen, und
sie machen die besten Geschäfte. Durch
ihr besonderes Verfahren, alte Kar
toffeln zu neuen zu machen, bringen
sie letztere mindestens zwei Monate
früher aus den Markt, als es die na
türliche Entwicklung der unentbehrli
chen Bodenfrüchte gestatten würde, und
heimfen dadurch einen vielmal größe
ren Nutzen ein, als ihnen das Natur- s
product bringen würde. Das Verfah
ren geschieht auf folgende Weise:
Spät im Jahre, wenn alle Ernten aus
dem Boden genommen find, pflanzt
der Landwirth eine Sorte guter und
nahrhafter Kartoffeln. Die Zeit für
den Versuch ist so gewählt, daß noch
eine Entwickelung kleiner Kartoffeln
vor dem Eintritt des ersten Frostes
stattfinden kann. Die Kartoffeln
« .,i-.-.-,-—mk.—»esi. ..
us-. - »
sj te--».—-I-sht«e"»:- END-Wen USE-se tsEW E" ( « M
MAX-By
werden ausgegraben, auf dem offenen
Felde in Haufen zusammengeschichtet
und bis zum Frühjahr oder bis zu der
Zeit, wo die Begehrlichkeit nach neuen
Kartoffeln sich meldet, auf dem Felde
gelassen. Zu dieser Zeit werden die
Haufen auseinander genommen und
die Kartoffeln nach der Größe geord
net. Auf das Feld wird ein großer
Kessel gesetzt, der mit Wasser und ei
nem Zusatz von Lauge gefüllt ist,
welch letzterer gerade genügt, um die
Haut der in die kochende Lösung ge
tauchten Kartoffeln leicht zu kräuseln.
Ein Löffel und ein Drahtkorb bilden
die weiteren Geräthe, unter deren Be
nutzung die alten Kartoffeln mit er
staunlicher Schnelligkeit in neue ver
wandelt werden. Das Eintauchen ei
ner Kartoffel, wie alt sie auch sei, in
eine sol ehe Lange bringt die Wirkung
hervor, daß die Haut der Kartoffel
vlatzt und sich kräuselt, gleichzei iig wird
sie harter und fester, und die Aehnlich
keit mit einer neuen Kartofsel ist so
groß, daß es schwer wäre, aus einem
Korbe mit wirklichen neuen Kartoffeln
die gefälfrhten herauszusindein Nach
dem Eintauchen werden die Kartoffeln
in eine andere Wanne gethan, dann
zum Trocknen an die Sonne gelegt,
und die Arbeit ist fertig. Glücklicher
weise gibt es ein Mittel, den Betrug
auf-zudecken, aber man muß sich schon
die YJtiihe geben, schärfer zuzusehen.
Die itartoffel wird ausgeschnitten und
der Querschnitt sorgsam von außen
nach innen betrachtet Dann sieht
n an bei der gefälschtenW aare in ei
nem kurzen Abitande von der äußeren
Haut eine gelblich weiße Linie, bis zu
der die Wirkung der heißen Lösung
während des Eintauchens gedrungen
ist. Wenn diese Prüfung noch kein
sicheres Ergebniß liefert, so muß man
eine oder zwei der Kartoffeln in kaltes
Wasser werfen und sie dann langsam
zum Kuchen bringen. Dann entwickelt
.»-»...«-«.»-» »s-« «I »w
sich ein schwacher Lauaengeruch und
außerdem hat das an den Kartoffeln
hastende Wasser eine seifige Eigen
s«liast,die man beim Heraus-nehmen der
siartofseln an den Fingern deutlich
spüren kann. Ein Jrrthum ist bei
dieser Untersuchung aus-geschlossen
Sollten die californischen Kartoffel
kiinstler ihren Handel bis nach Europa
ausdehnen, so gibt es also jedenfalls
ein Mittel, den Betrug nachzuweisen.
Die Kölnische Zeitung, der wir diese
Elltittheiluug entnehmen, braucht der
aesälschten Kartoffeln wegen nicht so
in die Ferne zu schweifen. Schon vor
vielen Jahren kam ein deutscher Pfif
sikus auf den Gedanken neue ,.alte«
Kartoffeln herzustellen. Er entfernte
die Schale der alten, und ersetzte sie
täuschend aus Papier, um neue Malta
Kartoffeln früh aus den Markt zu
brinaen. Die Sache soll sich aber nicht
rentirt haben.
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Wieder eine americanische (.5rbin,
welche ein französisches Adelsschild
vergolden will: die Tochter des fru
beren Vice - Präsidenten Morton
Millionärinnen find unser lostbarster
Exportartilei. F M «
Wozu ist eigentlich das .,Jnterna
tionale SchiedsaerichtssTribunal« im
Haag von den Weltmächten mit soviel
Wesen in’s Leben gerufen worden?
Keine Nation kümmert sich um das
selbe, weder die Enaländer, noch »un
sere eentrial - americanischen Bruder
oder die Gallier in ihrem Zerwursnisz
mit der Türkei. Viel Geschrei und
wenig Wolle, darf man auch hier sa
gen. . .