Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 13, 1901, Sonntags-Blatt, Image 15

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    W
Znniiinitasr tim.
Lebengbild den E. Schiisser.
»Mus; eJ denn sein, Santa, giebt ed
keinen anderes answer-« Diese Wor
te sprach leidenschcsttich erregt ein inn
ger Ossizlcc is der kleidsainen rumäs
nischen ·?trt;tieiie-Unisorm zu einem
jungen, kaum dcn tiinderschuhen ent
wachsenen Mädchen.
Er war bildhijbsch. die elegante,
lrastoollc Gesxalt schlank und bie sam,
das edetgeschnittene Gesicht stral) te in
siidlicher Schönheit, belebt von einer
Seele, welche es durch den beständig
wechselnden Ausdruck geradezu unbe
schreiblieb machte
Jn Rumiinien sind die Frauen sast
durchweg nicht so hübsch wie die Män
ner. Doch Santa besprach eine Aus
nahme von der Regt-i zu machen; vor
läufig war die Gestalt noch ein wenig
zu klein und zart, die dunklen Augen
blidten sast unnatiirlich groß aus dem
schmalen Kindergesicjtchen Aber ge
rade dieses Unentwictelte und Einbli
che der ganzen Gestalt, vereint mit der
bräutlichen Würde-, die sie sich geben
wollte-, machte einen bezaubernden
Eindruck.
»Es mus; sein, Janco, sonst tviirde
ich auch nicht gewagt haben, Vaters
Gebot zu trotzen. Wenn er ahnte, daß
Du hier bist » in unserer Wohnung!
Jch darf gar nicht daran denken. Aber
sehen mnszte ich Dich noch einmal, und
denn wollte ich Dich auch noch bitten,
Janco, recht bald — nein, lseute noch
--- abzureisen!" Und sanst setzte sie
hinzu: »Um meinetwillen! Bin ich
erst verheirathen nnd ist eine Zeit ver
gangen -—- ein Jahr —- dann kommst
du zurück, dann wollen wir alles nach
hoient'·
,,Ungenirt können wir dann mit
einander plaudern, denn dann hat mir
der Vater nichts mehr zu sagen und
Niemand sonst! «
Sie lachte aus: »Dann bin ich ja
Fran!«
—- . --«« - s-«
»Aber Santa, ich bringe es nicht
über mich, Dich einem anderen Manne
zu überlassen, ich lann es nicht!«
«Dentst Du denn, daß es mir leicht
wird?« Jhre Stimme klingt leise und
trauri »Aber Du hast ja lein Geld,
Janc , ich leider auch nicht, das ist eben
unser Unglück!« Ein halberstorbendes
Lächeln umspielt ihren Mund
Eine Weile ist es ganz still in dem
nur dürftig möblirten Salon, dessen
verschiimte Armuth überall durchhlickt.
Der Offizier ist tiefernst, ein wirklicher
Schmerz, der erste in seinem jungen
Leben. prägt sich in seinem Antlitz aus,
dcxn er liebt Santa, liebt sie mit der
ganzen hingebenden Gluth und Lei
denschaft seines Volkes! Das fühlt er,
doch ebenso bestimmt weiß er, das; er
sie nie heirathen wird —- nie heirathen
kann!
Und Santas hübsches Kindergesicht
spiegelt deutlich den Gedanten wieder,
während sie ihren Janco, den lieben,
herzigen Jugendsreund, traurig be
trachtet· Wie schade, daß auch er arm
ist« wie glücklich könnten wir sonst mit
einander werden. Doch nicht einmal
kommt ihr der Gedanke, alles von sich
« u ltversen und ihm zu folgen, sei es
Hut in Noth und Armuth! Denn wo
von sollte man leben? Und arbeiten?
Nein, das ist zu viel verlangt —- von
einer Nuniänin. Verliebt sein —- ja;
— heirathen —- niemals — ohne Geld!
—- ,,Weißt Du, Jan-of das Schweigen
hatte schwer aus ihr gelastet, »eigentlich
ist es ja noch ein Glück siir mich, daß
Monsieur Brosteanu mich zur Frau be
gehrt, er ist sa, so reich.«« »
s) Oft-.
»Die-set Brosteanu — dieses Scheu
sat,« stäszt er hervor.
»Ja, schön ist er freilich nicht,« sagt
Santa ruhig, »aber er hat mir ein
Reitpferd versprochen, eine Lage und
so viel Schmuck, wie ich will Aber
lieben, lieben werde ich nur Dich biH
an mein Lebenkende!« setzt sie warm
hinzu·
Janco, seiner selbst nicht mehr mäch
tig, umfaßt die schlanke Gestalt, Preszt
sie an sich, als wollte er sie nie mehr
lassen, und bedeckt ihren nicht wider- «
strebenden Mund mit heißgliihenden
Müssen.
Die silingel wird heftia gezogen
Santa erhebt —- sie weiß, wer Einlaß
begehrt. Ihr Gesicht wird blaß, ste»
preßt die Lippen fest zusammen und!
sieht mit weit geäffneten Augen ver- ;
zweifelt vor sich hin. s
Dann läst sie sich aus der Umarmung J
und stürzt hinaus. »
Und mit der Miene und Haltung ei- «
ner Fürstin lehrt sie im nächsten Mo
ment in den Solon zurück, an der
Seite des häßlichen Brosteanu. Ja,
häßlich war er; zwar eine Hünenge
stalt, doch dick und ausgeschwemmt, das
Gesicht ausdrnelslos und von wilden
Leidenschaften durchfurchtl
Als sie ihn jetzt neben dem schönen
Geliebten sieht, da bäumt sich noch ein
mal das Weib auf, und beinahe hätte
sie laut geschrieen: ich sann nicht« ich
kann nicht! —
Aber das währte nur einen Mo
ment. Die Beherrschung des jungen
Weibes, das fast noch ein Kind ist, ist
bewundernswerth
»Monsteur Nelescu verabschiedet
sich, da er an die Grenze versetzt ist,
fort von unserem schönen Bucurescii
Nicht einmal bei unserer Hochzeit wird
er zugegen sein. Giebt es denn dort
auch Korsosahrten?« Sie sieht den
Geliebten schelmisch, schnell lächelnd
sti. »
- Eis- ceichtcg Gemach nt nun tml
«W
Gange. Dach sobald als möglich ver
abschiedete sich Nclescu
Noch einen letzten kaurigen Blick
tauschen die Liebenden.
Das Brautpaar ist allein; zum er
sten Male. Und als er jetzt seine wul
stigen Lippen aus ihren frischen Kin
dermund presst, da kenn sie es trotz
aller Beherrschung nicht verhindern,
dasz sie heftig zitternd zusammenfährt
und in Thränen ausbricht· Der glück
liche Bräutigam ist etwas erstaunt,
doch schnell tröstet er sich --— das kommt
von den Nerven, giebt sich aber bald
« wieder. Und mit einem heißen Blick
T streift er Sanias iindliche Gestalt.
s Und es gab sich schnell.
Schon am nächsren Tage war es ja
« so herrlich, als si-.l mit ihrem Vater
T und Bräutigam zur Korsofahrt nach
I der »Chaussee« fuhr, die Straßen vol
; ler Sonnenschein· Der Wagen in ra
: sendem Galopp fuhr an dem königli
i chen Schloß vorüber, die Strada Vic
« toria entlang und draußen war Früh
i lingsluft, Menschengewiihl und über
schäumende Lebensfreude.
Auf der Chaussee eine bunte, leben
k dige Fluth, Wagen reiht sich an Wa
E gen, geputzte Damen, elegante Herren,
s Scherztvorte, von einem Wagen zum
i andern geworfen, werden oft mit ei
Z nein ganzen Blumenregen beantwortet.
I Auch Santa hat schon einige Sträusz
I chen. Ach, wie schön ist doch das Le
i ben! Und so wird es jetzt immer blei
i ben — immer!
Noch einmal steigt das Bild des Ge
liebten vor ihr aus. Ein Reiter in
brauner, goldgestielter Uniform kommt
ihr entgegen.
Janco? «
Nein, eine Aehnlichteit hat sie ge
täuscht, der ist wohl schon weit fort von
all diesen Herrlichkeiten, die sie nun
- täglich genießen wird! Genießen —
ohne ihn.
Nach der glänzenden Hochzeit hat
das junge Paar den Sommer in »Si
naja'« oerlebt, und nun kehren sie in
ihre prächtige Stadtwohnung zurück.
Sie sind beide froh, denn eigentlich
war es doch herzlich langweilig dort.
Die Leidenschaft des Monsieur Bro
steanu ist vergangen; Santas Kälte
hatte ihn erniichtert.
!
s
Und Santa?
Sie hatte ja nichts Anderes als Gat
tin erwartet, sie wußte ja, wie alles
kommen würde. Nervös ist sie zwar
geworden, leicht gereizt, in ihren glän
zenden Augen liegt eine eigenthiirnli
che Erwartuna, ein unendliche-s Seh
nen. Sie will es sich selbst nicht geste
hen, und doch tann sie den Augenblick
nicht erwarten, ihren Jugendfreund
wiederzusehen
Warum hat sie ihn auch aus ein vol
les Jahr verbannt?
Jetzt sind erst acht Monate verslos
sen.
Wie, wenn sie ihn riese, da er nicht
ssreiwillig kommt?
Schon ist sie entschlossen.
Da hält sie eines Tages eine glatte,
goldgeränderte Karte in den Hän
den: «
Janco Nelescu
Jda Stein,
Vermählte.
Ein jäher Schreck erfaßt sie siir ei
nen Augenblick, doch gleich iit sie wie
der Herrin ihrer selbst, und ruhig plan
ksett sie mit dem verabscheute-n Gatten
iider die unerwartete Heirath des ser
nen Juge-ndsreundes«.«
«-««-- -
Ulgellttlkh Matyke iyt oleietoe ja uucy
wenig Sorge. Janco hat eben gehei
rathet wie sie; hoffentlich ebenso reich.
Aber vergessen wird er seine lleine
Santa deshalb ebenso wenig, wie sie
ihn, dessen ist sie gewiß.
Und so war es auch, Janco hat seine
Jugendliebe nicht vergessen.
Dies hat ihn zwar nicht gehindert,
inzwischen die Tochter eines österrei
chischen Gasttoirth5, der in anänien
steinreich geworden war, zu heira
then.
Sie hatte sich in den schönen, elegan
ten Lssizier verliebt, und der Vater
hatte Geld genug, seiner einzigen
Tochter den Mann ihrer Liebe zu —
lausen. Aber seine Liebe gehört darum
doch nur seiner Santa!
if O O
Nach einem Jahr sahen sie sich wie
der, in äußerlich zwar veränderten
Verhältnissen, doch mit der alten, hei
szen Liebe im Herzen. Sie vermochten
nichts gegen die unsichtbare, geheim
niszoolle Macht, die sie zu einander
trieb -—— und sie wollten auch nichts da
gegen thun.
Madame Brosteanu —- Moesieur
Nelegcu sieht man überall zusammen,
im Theater —- aus der Chaussee —
in Gesellschaft; zuweilen begleitet ihn
eine blasse, blonde Frau, die er aus
mertsam behandelt. aber die ihn nicht
hindert, die jetzt dollerbliihte Santa
mit leidenschaftlichen Blicken zu be
trachten. Sie ist meistens allein, ihr
Gotte hat »geschiistlich· so viel zu thun
Was ist natürlicher, als daß der lang
jährtge Freund ihr Ritterdienste lei
stet?
Und aus einem Nachmittags-Spa
zierritt sehen sie Monsieur Brosteanu,
der, wie gewöhnlich, ,,geschästlieh ver
hindert« gewesen, sie zu begleiten, in
dechsellschast der seschensranzösischen
Chansonette. die allabendlich im
»Jtablissement Hugo« Triumphe sei
er .
Madame läßt ein leises »Aha« er
tönen. Jhr Gesicht ist einen Moment
dunkelroth, die Flügel der seinen Nase
beben, eine lang zurückgehaltene Lei
denschaft bricht aus den Austern laaert
— 1
sich um den kleinen, leichtgeöfsneten
Mund.
Monsieur Brofteanu gilt als glück
licher Ehe-nann, er wird vielfach um
feine junge, liebenswürdige Gattin be
neidet, die es so glänzend versteht, ein
Haus zu machen und ihn gar nicht hin
dert, seinen eigenen Vergnügungen
nachzugehen. Er ist zufrieden, das ift
die Hauptsache
Santa ist die verlörverte Glückselig
keit. Eine unbändige Freude am Le
ben strahlt aus den glänzenden, dunk
len Augen«
Sie hat ja nun alles, was sie er
strebte. Die beiderseiti e Heirath ge
stattet einen ungenirten gesellschaft
lichen Verkehr. Täglich sind sie zu
sammen — der elegante vornehme Of
fizier und die reizende heitere Frau —
und Niemand findet etwas dabei. —
Nur die blonde Frau, die sich immer
mehr von der Gesellschaft zurückzieht
— freilich ohne vermißt zu werden —
ift die einzig Bedauernswerthe.
Sie versteht eben nicht —- rumäni:
sehe Liebe —- rumänisches Leben!
—»- .. ..»-« ..«.
Mein Onliekdkr General.
Von L ouisåDuniisn Autorisirte
Uebersetzung von G u st a v
S t'e f s e n s.
Jch erinnere mich — und wohl noch
viele Andere erinnern sich jenes Aben
teuers, von dem man lange Zeit nur
halblaut sprach und das ihn in der
ganzen Armee berühmt machte...
Mein Onkel, der Generalmajor, war
damals Kommandant der Festung
Domboff, die an dem kleinen Flüßchen
Wolsta liegt.
Die Truvven waren unzufrieden·
Jch weiß nicht recht, was eigentlich los
war. Einige Leutnants und Unter
ossiziere behandelten die Leute un
glaublich streng. Da war ein gewisser
Kapitän Kolossosf, ein wüthender Ball
doggenkops, den ich noch immer vor
mir sehe, und der sich durch seine Un
gerechtigkeit und Brutalität allgemein
verhaßt gemacht hatte. Trotzdem ver
stand er es nicht einmal, sich Respekt zu
verschaffen, und seine Leute waren die
lotterigsten im ganzen Regiment.
Ueberhaupt wehte in jenem Jahre ein
böser Wind. Jn mehreren Garniso
nen des Westens hatten sich schlimme
Vorsalle ereignet, Revolten und der
gleichen. Der Kaiser hatte das ersah
ren und soll gesagt haben: »Ich wün
sche, das-, die Disziplin besser beobach
tet wird.« Alle Welt hatte bei dem
- kaiserlichen Worte gezittert, und die
i Vorgesetzten noch mehr als die Solda
ten.
Dann rührte es sich auch wieder in
den Nachbarstaaten. Schlimme Ge
rüchte waren im Umlauf. Es mußte
deshalb thatsächlich eine exemplarische
Strenge herrschen.
Jn Dombosf hatte mein Onkel eine
schwierige Stellung. Er fühlte wohl,
daß die dumpfe llnzufricdenheit der
Soldaten begründet war; doch noch
dringender empfand er die Nothwen
digteit, die Ordnung aufrecht zu er
halten. Er wollte nicht,das;s1ch auch bei
! ihm das ereignete, was sich hier und da
; gezeigt und die Bemerkung des Kai
; sers zur Folge·hatte. —
’ Eines Morgens erschien der Absu
i tant bei meinem Onkel vor der gewöhn
lichen Stunde. Der General war ge
rade dabei, mir Reitunterricht zu ge
ben. Ich zählte 12——13 Jahre nnd
ritt schon wie ein Kosat Allerdings
war mein Onkel auch ein vortrefflicher
Lehrer. Doch eine Lettion, die er mir
an jenem Tage gab, war noch besser
als alle Reitstunden.
i »Na, wag giebt’s, Sergejew Alexan
i drowitsch?« fragte mein Onkel.
l ,,Ex·cellenz«, sagte der lejutant in
i unruhigem Tone, ,,gestern Abend hat
; eine Meuterei in den Stuben stattge
funden. Dieser Kolosfofs hat so viel
i angerichtet, daß sich die Leute nach dein,
was ich gehört habe, zusammengerottet
haben, um eine Kundgebung gegen ihn
zu veranstalten: die Aufregung wächst
mit jeder Stunde. Man fürchtet dass
Schlimmste. Heut Morgen sieht es
ganz besonders bös au«s.
» . . . Bestimme Vorfälle haben sich
nicht ereignet?«
»Nein, aber Ew. Excellenz thäten
vielleicht gut, Vorsichtsmaßregeln zu
ergreifen, um einen Standal zu ver
meiden.«
Mein Onkel überlegte einen Augen
blick.
»Es ist gut,« sagte er dann, »ich
werde gleich setbst die Jnspektion vor
nehmen«
Der Adjutant machte ein Gesicht, als
wollte er sagen, daß das doch keine
Vorsichtsmafzregel sei. Aber er ent
gegnete nichts. Mein Onkel hätte nicht
geduldet, dasz man ihm in seine Ent
schliisse hineinredete.
Eine Viertelstunde später lenkte mein
Ontel langsam seine Schritte nach den
Kasernen. Er hatte seine Dienstiniitze.
die er alle Tage trug, ausgesetzt, und
sie nur ein Bischen tiefer in die Stirn
gedrückt. Sein schleppender Säbel
fchlug tlirrend aus dem Pslaster auf.
Jch war hinter ihm drein geschlichen,
dann war ich mit einem langen Um
weg nach dem Ufer der Wolgta gelau
sen und hatte mich dort ver..eckt. Von
hier aus sah ich ihn mit seinem etwas
unterseszten Körper langsam herankom
men, während er seine Papyros rauch
te. Und mir gegenüber erblickte ich auch
zwischen den octerfarbigen Kasernen
bauten die lange Reihe der Soldaten,
von denen sich die letzten wie untlarei
Schatten in dem feinen Morgennebeli
verloren
Kommandoworte ertönten5rnan hör- l
te Kolossoffs heisere Stimme, der (
Flüche brüllte. Plötzlich trat nach dem
s geräuschvollen Aufstampfen der Sol
« baten, die ihre Stellungen einnahmen,
eine tiefe Stille ein.
Der General war zwischen den bei- f
den Pfeilern des Portals erschienen,
gas den Eingang zum Haupthofe bil
ete.
Einige Offiziere traten sofort auf
ihn zu. Er sprach mit ihnen einen Au
genblick. Dann trat er an die Front
der Truppen und sprach das traditio
nelle:
,,Guten Morgen, Kinderl«
Jedenfalls zum ersten Male, seit die
rusisiche Armee existirt, antworteten die .
Soldaten nicht auf den Gruß ihres
Chefs ..... « !
Eine solche Dreistigkeit war uner
hört. Alle erkannten das-, und die
tapfersten unter den Offizieren began
» nen« zu zittern. Das konnte nur das
» Vorspiel zu einer fürchterlichen Nebel
! lion sein. Trotzdem blieben die Trup
1 pen unbeweglich, in vollkommener Ord
nung, mit Gewehr bei Fuß stehen.
Das Gesicht meines Onkel-s war roth
z geworden, alshiitte er eine Ohrfeige
bekommen.
I Er trat weiter vor Und wiederholte
mit stärkerer Stimme:
i ,,Guten Morgen, Kinder!«
? Ein kaum merkliche-s Zittern lief wie
» ein Krampf durch die Reihen; doch kei
j ne Stimme antwortete. Die Angst be
! mächtigte sich meiner in so hohem Gra
» de, daß der Schweiß mir von der Stirn
» lief. .
; Nun wandte sich der General der er
I sten Kompagnie zu, die Kolossoff be
» fehligte, und sagte kurz angebunden:
i ,,Appell!«
! Ein Unterossizier begann mit lei
s chenblassem Gesicht, den Appell vorzu
nehmen. :
Mein Onkel unterbrach ihn mit ei
; ner Handbewegung Er befahl Petross,
i drei Schritt vorzutreten. Petroff trat
i drei Schritte vor. Er war ein großer, .
bartloser Bursche mit kleinen, blinzeln
s den Augen und dem etwas kränklichen
i Aussehen der Bauern aus-; den nördli
chen Gouvernements.
»Guten Morgen, Petrosf,« sagte
mein Onkel.
Petruss wurde blas; wie ein Linnen;
seine Lider hörten auf zu blinzeln; und
man sah es in seinen kleinen, grauen
Augen herausfordernd aufleuchten.
Er gab keine Antwort.
Mein Onkel wartete einige Sekun
den, dann nahm er ohne ein Wort sei
nen Revolver aus der Tasche, lud ihn
sorgfältig, spannte den Hahn, zielte
Petrosf nach dem Herzen und gab
Feuer.
Der Körper fiel mit dumpfem Knall
nieder, und man hörte das Gewehr auf
der harten Erde aufschlagen.
Der General gab dem Unteroffizier
ein Zeichen, er solle fortfahren.
»Walubjefs!« ries der Unteroffizier,
mehr todt als lebendig.
Bevor er eg noch befohlen, war Wa
lubjefs drei Schritte borgt-treten Sein
linker Fuß stieß an Petrosfs Leichnam.
»Guten Morgen, Walubjeff!« sagte
der Generalmajor.
f
i
i
i
!
l
Walubjeff hatte ein Puppengeficht,
auf dem der Flaum eines dünnen
Schnurrbartö sproßte. Er mochte
wohl der Sohn eines Kaufmanns sein.
Mein Onkel fah ihm fest ins Gesicht,
als wolle er ihn durchbohren, doch in
diesem Blick lag noch mehr Bitte als
Drohung. Der Soldat schwankte und
warf verzweifelte Blicke auf seine sta
meradenz dann richtete er sich auf, als
wollte er sagen: »Ich hab’s geschwo
ren!« —- und seine Lippen blieben ge
schlossen.
Mein Onlel zielte ihm wie dem An
dern nach dem Herzen, und eine Se
kunde später fiel Walubjeff’5 Leichnam
auf den Betroffs.
,,Weiter!« rief mein Onkel.
Der Unteroffizier wollte fortfahren,
doch die Stimme erstarb ihm in der
« Kehle. Mein Onkel nahm ihm das
i
t
l
I Blatt aus den Händen und rief selbst
die Nummer drei auf.
Nummer drei war ein gewisser Bu
rowsky. Er trat, fast grün vor Furcht,
mit zitternden Beinen vor, und Jeder
glaubte, er würde noch vor dem dritten
Schritt zusammenstürzen; Doch wun
derbarerweise blieb er aufrecht stehen,
während die Stimme meines Onkels
zum dritten Mal in dem weiten Rau
’ me erklang und ihn bei seinem Namen
begrüßte.
,,Guten Morgen, Burowgty!«
Nun vernahm man in dem feierli
chen Schweigen ein leises Gestammel,
und die gellende Stimme des halbtod
ten Burowgty treifchte:
»Guten Morgen, Excellenz!«
Und im selben Augenblick erhob sich
von allen Seiten, aus allen Kompag
nieen, von den Lippen aller der Män
ner, die eine so entsetzliche Aufregung
gefoltert hielt, ein einziger Schrei, ein
lfautes Gebrüll, das von Glied zu Glied
log:
,,Guten Morgen, Excellenz . . . Gu
ten Morgen, Excellenz!«
Thränen ftiirzten den Leuten aus
den Augen; Schluchzen brach auf allen
Seiten los . . . Es war die mißlungene
Revolte, die sich da wie ein Sturm aus
tobte . . . Die Osfiziere drängten sich,
blaß Vor Aufregung, um ihren Retter.
Kolossofs lehnte an einer Wand und
war einer Ohnmacht nahe. Nur der
Generalmajor blieb ruhig.
W
Jch tvar herbeigelausen, war auft
meinen Onkel zugestiirzt und küßte ihm
leidenschaftlich die Hand. Jetzt erst de
merkte ich, daß er zitterte.
»So so, Du hast das mit angese heu, »
Kleiner?« sagte er zn inir:»Wol1te
Gott, daß Du stets nur an Dir Auto- »
rität zu üben hast!« ;
Und ich fühlte, daß er sie eher Einer
nach dern Andern erschaffen hätte, nis»
daß er nachgegeben hätte —- selbst wenn
er sich nachher hätte selbst erschießen
müssen.
Ein eingehender Newport über diese
Assaire wurde dem Kaiser vertraulich
übermittelt. Mein Onkel wurde altbe
rufen und in eine Garnison Mittelrufss
lands versetzt. Gleichzeitig erbielt er
die Jnsianien des Generalleutncntz
und das Kreuz des Wladincir- Order IS'.
CI
UlindbentrL
—-.---«·
Von M. Schwarz.
Wer hätte sie nicht schon im Leben
gegessen, diese süßen, mit Schlagsahne
gefüllten Kuchen, die man »Windbe1i
tel« nennt! So oft ich sie sehe unt-s so
oft ich ihnen auch ,,einen Einblick in
mein Jnneres« gestatte, so oft auch
muß ich still für mich lachen! Aber ihr
goldbrauner, appetitlicher Anblick ist es
nicht, der dies Lachen hervorruft, son
dern eine drollige Erinnerung aus frü
herer Zeit. —- Und wie das tani, das
will ich jetzt erzählen!
Es sind schon mehrere Jahre her,
und ich war damals noch jung, da hat
te ich die Stellung einer Hausdame in
dem großen, fürstlich eingerichteten
Hausstand eines Baumeisters inne. Die
entzückend gelegene Villa war von vari
artig gehaltenemGarten umgeben. Aber
die Frau des Hauses hatte» obwohl sie
mit Mammon reich gesegnet war, eine
kleine Eigenheit. Sie war etwas sehr
ge—nau. So kam es, daß ihr Haus
personal, zu dem ich ja auch gehörte,
unter anderem auch den Konditor ma
chen mußte. Und so pfuschten wir dem
Konditor beim Backen von feinen Thre
tuchen ins Handwerk. Oft fragte
dann der Herr Baumeister ganz ex
staunt: »Ei, ei. wer ist denn hier im
Hause eigentlich der Konditor'.«
Nun —- das waren die Jette und
meine Wenigkeit. Jette, die »Hei-fette
Köchin«, verstand die edle Kochtunst
aus dem »ff« und ich bemühte mich, ihr
eine Hilfe zu sein und selbst von ihr
zu profitiren, was nur irgend zu pro
fitiren ging ! Uns beiden konnte
tie im Rollftuhl gesahrene , sehr
leidende Frau Baumeister schon
ohne Sorge ihr ausgedehntes Heim an
vertrauen und dies that sie ja auch wohl
mit grösitetn Vertrauen. Doch man-ch
mal, wenn es sich um die Kleinigkeiten
» des Lebens handelte, als da sind zehn
süße und drei bittere Mandeln, eine
Vanilleftange und eine Sitrone — alles
»Kostbarteiten« in ihren Augen—dann
tam die sparende und rechnende Haus
frau zum Vorschein. Jette und ich soll
ten dann Speisen und Saueen fabrizi
ziren, in denen der Bestandtheil gar
nicht vorkam, um dessentwillen die
Sache ihren Namen überhaupt hatte!
Am meisten konnte sich die gute Frau
Baumeister ärgern, wenn sie das Wort
,,Vanille« öfter als ihr gut schien, im
Ausgabebuch verzeichnet fand: diese
verbrauchten wir zwei Sünder stets
»unerhört«! Und wie oft ist der Stoß
seufzer jammernd ihren Lippen ent
schlüpft: »Ist denn die Vanille schon
wieder alle? Man kann doch eine
Schote ganz gut Z, 4 Mal benutzen!«
»Meine liebe Frau Schwarz,« —- sie
schnurrte meinen Namen mit wenig
stens vier ,,r«, —--- »wir werden heute
Nachmittag Ungefähr 14 Personen sein,
ich habe wir ein paar Damen zum Kas
fee geladen. Und wissen Sie, ich habe
eine Idee, dfrau Schwarrrrzt Jette
und Sie backen dazu WindbeutelL
Selbst gebackene Windbeutel hat nicht
jeder, Frau Schwarrrrz — und Zeit
genug ist auch dazu, wenn Sie gleich
nach dem Kaffee mit dem Backen be
ginnen.«
Gesagt —- gethan!
Eine wahre Freude war es fiir Jette
»und mich, alsbald die gelungenenWind
Ebeutel zu sehen und unser Stolz wuchs
ins Grenzenlose, als wir nach ganz tur
zer Zeit mit dem Ueberzuckern dersel
ben beginnen konnten. Zu diesem
Zweck tauchten wir sie schnell in ein
Töpfchen zerlafsenen Puderzuckerg und
legten sie zum Abtropfen auf große
Bratenschiisseln und Pfannen, mög
lichst weit auseinander, um ein Anhe
ben zu vermeiden. Dies nahm natür
lich viel Platz fort und da wir die Kü
chentifche noch zu anderweitigen Arbei
ten brauchten, entstand die Frage:
»Wohin mit ihnen?« Jette hatte eine
großartige ,,Jdee« ! Draußen in die
Luft zum fchnelleren Trocknen, und
zwar auf die Treppenftufen, die herun
ter ins Souterrain führten, in welchem
die Küche lag! Dort standen sie ganz
vorzüglich, Luft und Sonne besorgtcn
das Trockengeschäft!
Andere Pflichten nahmen unsere
Augen und Ohren in Anspruch und die
Stunde rückte heran, in welcher die
Windbeutel auf den Tisch kommen soll
ten.
Jette besorgte die Schlagsahne und
ich ging hinaus, die Windbeutel zu ho
len. Als ich die Souterrainthür öff
nete, zog ich sofort voll Schreck den
Kon zurück, denn ich hatte ihn in einen
wahren Schwarm von Fliegen und
» Wespen gesteckt, mit welchem die Luft
angefüllt war. Da saßen, flogen,
faugtem schwirrten, tanzten ein paar
hundert Jus-lim, Ihm Stu ,
große til-m Schicusiiegenunh
einen sp. Irr-i chntei en über bät
Windbeietcln, anzm ichs-ot, selbst
sabcizitäm Mii- « sieht, It ihres
Fi. iäets und schsr Außer-m than
end!
Was soslten wir niin mit de: nn
q«iickseiig:n Wirdbsutsln m fang- en?
ngschmk onnspn w’r sied Ich nia)i,
ncsts Jt in sisss aev Z» Jckst L Schen,
dnzu olieo Jan Hint, km Kondiinr wa«
sichs Ln Der Naht
I;::::F: broq Zeit- das entsetziiche
kpch nmigdnz »C- isi ein dies Sprich
wort, in der Noth scisie der Teufel Flie
g;«:·.i«, warum sokkrn ein pack ach Da
:.·.e.-!, die schon nicht mehr alt sehen,
nicht in der Noth such mal Windbeuiel
mit Fliejcn csscn!«
Noch heute wird mir gan; beiß, denke
isb an Jene Ninus-, wo das zierliche
.O:·«.-(.8mslidc:en ch schwere n, silbernen
It ic!7e!:köc!c:i die Windbeutc schön mit
Grhne aussiassirt, aus die k-.-.-:·cnda
Fu bin Dorne n ern-i, wo die Jchu Bau
meister- QIH lickenswi.irdiac « viriisin nö
tk)i;;te, »vor-H recht zuzulangcn.«
Ein Sicsn fiel mir vom Hitze-U ais
das Mädchen erzählte, die Damen hät
ten unser-In Windbeuteln so Jus-gespro
chen, daß auch kein einziger mehr übrig
sci! —— Gott sei Dank brauchten wir
A deren sie doch nicht zu essen! Jch
lkcfsie, damit sei die Ganze ins-. igc Ge
scyichte erledigt, zumal Je te und ich
uns Schweigen gelobt hatte is
Aber es tam anders!
Nachdem die Damen gegangen, ließ
die Frau Banmeister mich dereinst-it
t.:n. —- Es war das so ilyre Art, dann
Kritik zu üben. Sie saß etwas abge
spannt ini Rollstuhl nnd alg ich ngiher
trat, sah ich in ein bitterböse-.- Gesicht,
weiche-J ich mir bei meinem schlechten
Gewissen nur so de iten to unte, daß
Frau Baumeister alles ivuizien Meine
beginnende Entschuldiaung, daß ich ab
solut nicht anders hatte Handeln tön
nen, schnitt sie rnir mit den Worten ab:
»Sie können und können nicht sol
gen, Frau Schwarmer Ich hatte ge
wünscht nnd Sie hatten versprochen,
nie wieder so viel Bank lle zu einer
Speise zu nehmen; nnd womit wollen
Sie heute den wahrhaft massenbaften
Verbrauch derselben bei den Windbeu
teln entschiildiaen?«
»Ich habe keine Vanille genommen
Frau Bau-meisten « stotterte ich, ,,nicht
eine Schote. «
»So, nicht eine Schote,« wiederholte
sie kurz auflachend, »und war das viel
leicht nicht alle-Z Vanille, was aus den
Windbeuteln verstreut lag? Mit mei
nen eigenen Augen l)ali’ irlfs doch ge
sehen!«
Da konnte ich nicht mehr liinqer an
mich halten und lachte —- lsåchte, bis mir
die Tlncinen in die Augen kamen. AXZ
ich mich soweit gefaßt, daf; ich ihr den
Vorgang erklären konnte, da sagte die
- Frau Banmeister mit strahlend zufrie
denem Gesicht:
»Nun, dann ist es ja gut, meine liebe
Frau Schwarrrrz, dann ist es ja gut,
wenn’s nur keine Vanille wart«
Und seitdem lache ich, so ost ich einen
Windbeutel sehe!
— --...- —--.-.
4 Pfund Schweinekamni von einein jun
gen Thier (unter l Jahr) werden in ein
passendes, verschließbares Geschirr ge
legt, gesalzen, mit Fleischertratt be
sprengt, mit einein Tassentopf voll gu
tem Essig und einer kleinen Flasche
Weifzwein iilperaossem es werden 4 Nel
ien, 2 Wael)l)olderheeren, 4 Körner eng
lisches Gewürz, 4 Pfefferkorner, 1 Lor
beerhlait dazu gelegt, eine geschälte
» Zwiebel und ein gefchälter Apfel in
I Scheiben geschnitten darüber gestreut.
Jn dieser Marinade läßt man das
Fleisch eine halbe Stunde. Nach dieser
Zeit fchiittet man die Marinade in eine
j Kasserolle, läßt sie schnell kochen und
irderschiittet das in der Verschlußform
l rerbliedene Fleisch damit, verschließe die
l Form und läfzt sie ungestört l Stunde
im Ofen dämofen Jst das Fleisch nach
diese7:;-«’,eit augaehobem so wird derFond
mit Allem durch ein Sieb gestrichen und
mit wenig Wasser in klar gerührtem
starkosselinehl Verkocht, mit Fleischex
tratst abgeschmeett und mit dem Fleische
wieder vereinigt.
Vanilleplätzchen.-—15 Un
zen Zucker Verruhre man mit 8 Eidot
tern zu Schaum, gebe eine halbe Stange
’ aestofzene Vanille und 15 Unzen Mehl,
sowie etwas- Hirschhornfalz dazu. Hat
man die Masse gut vermengt, so werden
kleine Häuschen davon auf das gebiet
terte Vackblech gesetzt und diese schnell
durchgebacten.
Citronen - Sauflöe. — An
4 Unzen Zucker reibt man die Schale
einer großen Citrone ab, stößt den
Zucker und riihrt ihn mit 4 Eidottern
zu Schaum, fügt nach und nach den
Saft derCitrone und den steifen Schnee
der 8 Eiweisze hinzu, füllt die Masse in
eine Form oder Soufflfeeschüfsel und
bäclt sie 15 bis 20 Minuten bei mäßi
ger Hitze, giebt aber das Soufflfke sofort
zu Tisch, da es sehr rasch einfällt.
Königsberger Klopps.—-—2
Pfund gehacktes Rindsleisch, z Pfund
eing-eweichtes, ausgedrücktes Weißbrod,
L Eier, Pfeffer, Salz, Muskatnuß.
Dieses gut vermischt und in Klößchen
geformt. Jn Ragoutfauce gekocht.
Sauce dazu: Mehl in Butter braun
werden lassen, dann Bratensauceoder
Bouillon daran thun, auch Zwiebeln,
- Salz, Kaperm 1 Tropfen Essig und
Wein, vielleicht auch Zucker. Die Klöße
werden in dieser Saure gar gekocht,
welches ungefähr 20 Minuten dauert.
i l .
s Saurerl«Scliwernekamm.-—
i