Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 06, 1901, Sonntags-Blatt, Image 16
8 Z g ? H åå ? »F Z s J Z s) J s ? s · O Icksk CHSOGQGM « « »so www eidenstamm - M-,----—-«--.-—-..., , -. . . « .- , s; IF Cis-»s- s Roman von milbclm mcyer-förstcr. «9".3538«' UT O- W- III-s DREI-DIE »so Ho JOLJOMHO O Wes-MU-)owxstogosr « »s)o(do(-)os)oxwozok·-osyox (6. FortsehungJ Cis Herr aus dem Unionclub, den er nur flüchtig kannte trat mit einem gezietten Tächeln an ihn heran. Nun, herr Baron, wie steht’s? Werden Sie gewinnen?« Aber fast grob wandte et sich ab. »Ich weiß nicht, kann sein. Pardon, ich habe noch etwas zu ordnen.« Et setzte U an den leZten Tisch in der halddunklen Ecke und that, als ob et in einem Briefe läse, aber er las nicht. Die Cigarette hielt er zwischen den "hnen und die Hände um die schmale ischplatte gespannt, als ob er sie zer brechen wollte. »Gieb dir Mühe, nicht zu denkent Sieb dir Mii , nicht zu denken! Wenn Jdu nach entst und duldest dieses Nachdenken, so bist du verloren. Nur zanz ruhig,— so, nimm eine neue iggrettg so, zerbeiß sie, trint noch, so nur nicht denken. Wenn du ruhig bleibst, Joseph und denkst nicht nach« so gewinnist du. Es ist ja Spaß,s Kinderspiel, ein Ritt wie alle Das Pser gewinnt von selber, du mußt es nur ruhig laufen lassen, den Gaul J nicht irritiren. Nicht irritiren. Das Ist» die ganze Weisheit beim Renntei- ; en.« - Er athmete schwer. Er keuchte fast. Ein Ofsizier schaute in die offene Thür, als ob et Jemand suchte: »Jvfeph!«» Au — m Donnerwetter, wo steckst du? Es ist die hochste Zeits« »Ich tommeX Er ging zur Wage- hinüber Und kleidete sich um: englisch geschnittene Reitbeintleidet, leichte Stiefel von sei nem, weichem Leder mit ganz niedri gen Absätem ein dünner, ungefiittei ter Waffenrock von minimalern Ge wichte und die alte bequeme Ofsizieks michs »die sich fest an den Kopf schmiegte Der Bursche gad ihm Sattel, Bu gel, Garten und Reitpeitsche, dann ging er hinüber in den kahlen Wage rau1n, der so angefüllt war von Men schen, daß man Mühe hatte, bis an die niedrigen Holzschranken vorzu dringen, hinter denen die Wage sich befand. Einige Minuten mußte er noch war ten, dann kam er an die Reihe. »Numero frei-zehn Frangipani.« rief der Beamte, der das Protokoll führte, »Reiter: Besitzer.« »Fünsundsiebzig Kilo« sagte Jo seph, und setzte sich auf die eine Seije der Wage. Der Mann, der die Gewichte diri girte, legte sünsundsiebzig Kilo auf di Gewichtåseite, die Wage hob sich, schwankte, dann hing sie im Gleichg wicht. «Fertig, weiter. Die letzten geschäftlichen Prälimiss narien des großen Rennens waren er-: ledige, nun konnte der Wettkampf sei nen Anfang nehmen. Joseph ging im Gefolge seiner Freunde über den Rennplatz, und während diese ihre letzten Meinungen ikber den Ausgang des Rennens aug iauschten, blieb er stumm. hielt die Hand um die Peitsche gepreßt und murmelte vor sich hin, was er seit es uer Viertelstunde eintönig memorirtet »Mir nicht nachdenken, nur nicht irritiren« —.—--·.— Fünstes CapiteL Der Kaiser kam nicht! Man hatte ihn bestimmt erwartet, s denn es ist eine alte Sitte, daß die Moses-täten selbst der Entscheidung des größten Rennenå der Armee beiwoh nen. Jn letzter Stunde war derKai ser verhindert worden. Die allgemeine Enttäuschung war groß, namentlich bei den Namen, bei iden zahlreich anwesenden —Osfizieren, die als Reiter an dem Armeerennen sich betheiligten. Keine arößere Ehre, als den kostbaren Siegespreis aus des obersten Kriegsherrn Händen entge gennehmen zu dürfen! j der in dem Kaiserpaoillom der am äußersten linken Flügel der Tri Ibünenreihe leicht und elegant sich er hebt, wo man einen weiten Blick hat über die Rasenflächen der unvergleich lich schönen Rennbahn, uber den Kiefernwald in der Ferne und die ppegartener Häuser zur Linken, tte sich, »wenn der Kaiser selbst auch nicht anwesend war, eine illustre Ge sellschgst versammelt. Prinz Leopold stand in ldusarenunisorm neben dem Her og von Bayern; ganz vorn saßen Die Damen und-betrachteten die beiden lesbaren Silber eräthe, die für den Sieger und den weiten bestimmt wa ren; weiter im Hintergrunde erblicktel « die Menge, die sich neu ierig vor den ; villon drängte, die Zofchaegem den 1 benannten-kleinen dm gxeism Izu-! « Hohenlohe, die Adjutanten,· die Xmmer regenl nnd ng »ein Hinter-l W de e a aten un ager. l Die We des Eisenlpahnregß Mc —- merkwiirdin daß tust diese Ist nicht die TM eine-»Geme Mrnentei concertwee — l I spielte ein lustiges Potpourri von Studentenliedern, und immer noch schien die Sonne von einem italienisch blauen Himmel auf das bunte Gewoge des weiten Rennplatzes herab. Nun endlich zog man die Nummern auf: neunzehn Reiter! Ein tolossaleg Feld, wie man es seit Jahren nicht auf der Hoppegartener Rennbahn gesehen hatte! Gleich darauf begann der Ansturm auf den Totalisator, dessen Schalter unmittelbar nach Betanntwerden der E Starterliste für das wettende Publi J tum geöffnet wurden. Hunderte, Tausende drängten sich heran, sie standen vor jedem Schalter in langen Reihen, Und die Maschinen, die die Tickets (zu zwaizig Mart und zu fünfzig Mart) abstempeln, machten ein seltsames Geräusch, das sich aus der Ferne anhörte wie das Knattern vieler Gewehre, während das Rufen der Menge sich mit diesem Knattern mischte. Numero siebzebn! Numero siezebnl Numero siebzehnl Numero siebzehn2 Numero acht! Numero sechs! Numero siebzehnl Numero siebzebnk —- alle Welt wetteteNumero siebzebm Fran gipanj«s Nummer-, Heidenfiamm’s Nummer. An dem bauptixbalien wo jedes Ticket einen Einsatz von fünfzig Mart » bedeutet, verlangte ein dicker Herr; vierzigmal Numero siebzebn, und ale er mit zwanzig blauen Scheinen be zahlte, gerieth das umstehe de Publi- i tum in eine Art von Pagxismus. l »Frangipani gewinnt! Tovsicher!« s Man stürzte vorwärts und drängtel verzweifelt« um an die Schalter heran zutommen, in den Cafsen thürmten sich die Goldstücke zu Bergen. Numero siebzehnl Numero siebzehnl Immer dasselbe! Bis dieBörfenrechner unruhig wur n »Man kann Frnagipani vernünf tigerweise nicht weiter wetten! Man bekommt fiir zwanzig Mark, falls er siegt, kaum dreißig zurück. Das ist ein Gewinn von zehn bei einein Risiko von zwanzig! Ein· Nonsens in einer Steeplechaje!« Man begann auch die anderen Pferde zu wetten, deren eventueller Gewinn enorme Quoten versprach, aber das große Publikum blieb wie immer dem Favorit treu uno legte auf seinen Sieg weitere Unfummen an der Casse des Totalifators nieder. Wie er es versprochen hatte, löste der alte General von Dewitz acht Tickets zu zwanzig Mart, die er feinen Nich ten und Marie zum Präfent machte Sie betrachteten die kleinen grünen Karten, die einem Eifenbahnbillet zum Verwechfeln ähnlich sahen, mit neu aieriger Freude und fchoben sie in ihre Handschuhe, unter Lachen und allge meiner Aufregung darüber del-ani rend, was jede einzelne mit ihrem Ge winne anfangen wolle. Die Glocke zum Aufsitzen läutete, der Starter begab sich mit seinem Ge hiikfen in die Mitte der Rennbahn, und die ersten Reiter, zwei Muthes-to wer Hufarenoffiziere, erschienen hoch zu Pferde auf dem Sattelplatzr. Als Albrecht von Heidenstamm auf Madagaskar auf den Platz ritt, war das Publikum erstaunt. »Wer ift das?« »Ein GeneralitabsoffizierZ Ein Hauptmann?!« »Seit wann reiten denn auch die Generalstabsleute auf der Renn bahn?!« Bis man ihn erkannte und es von Mund zu Munde lief: »Das ift heivenftamm, der ältere! Jofeph’s Bruder. Der frühere Kü rafsier.« »Richtig, natur-lich der ist es. War früher ein verdammt guter Rennrei ter.« »Und oh!' »Was reitet er?« »Madagaskar.« »Ach den Sckzjnder!« Und man ging über den alteren Heidenfiamnrj zur Tagesordnung iiber und wartete unschuldig auf den jüngeren. I Aber Joseph ließ seine zahllosecm Verehrer noch eine heirächiliche Weilej in unruhiqer Erwartuna. Denn als er eben hatte aufsitzen wollen, nahe am Gestüishof, wo man den Lärm und dag Tosen der Men schenmasse nur ganz fern hörie, klopfte ihm Jemand auf die Schulter: »Guien Tag, Joseph « Es roar ein baumlanger Mensch in einem merkwürdi» uneleaanten Civil. den Joseph auf den ersten Blick nicht erkannte Er sah den Fremden er-j staunt, unwillig an, aber Dann ging! die helle Freude des Erkenne-is übers sein Gesicht i »Nochus! Zum Donnerweiier, du! Weiß Gott, t hatte dich nicl ssigleick)—— wie siehst du aus!« »Aus? Wiesok »Wer kommst hu her?« IWo soll ich herkommen? Aus Bill kehrnen komm ich. Gesten Nachi’ Mich-kein heute Mittag auf Schle angelangt, heute Mk wieder aniick Aus umd IW sei-s Eies-: Joseph. W Dieses Rennen muß ich sehen, und wenn sie u Hause mir das Don-nier metter arti sden full laden. Ich habe niemand zu au e etwas von der Reise gesagt, dem lten nicht, keinem Sie alten mich nämlich versulucht kurz. ch freue mich, unge, daß ich dich we nigstens einen oment treffe nnd spreche— « » »Aber weshalb bist du nicht auf die Tribiinie gekommen? Oder auf den Sattelpla drübeni Wir hätten doch die paar tunden bis jetzt zusammen sein tönnen.« »Re ne, Unsinn. Jn dem Anzust Der Alte hat mir einen neuen beste t in Jnsterburg, aber ehe das Zeugs ser tig ist, muß ich in diesem kniserablen Ftlz herumlaufen. Das ist nämlich ein Lisinteranzug stell dir var, bei de: i e.« Joseph fühlte etwas in der Kehle emporsteigen, das ihn am Sprechen hinderte. Sein Freund Rocken-T der es von allen Kameraden immer am treuesten und besten mit ihm gemeint hatte, die: ser große, schmitzende Mensch in dem beinahe ardinären KostiimI Das war der frühere brillante Küraisiert »Rochus!« sagte er nu: und schüt telte schweigend die breiten Hände des Freundes, die trotz der kolossalen Hitze in einem Paar sehr eleganter grauer Handschuhksteetten . Vielleicht waren es gerade v e Handschuhe, die durch den Kontrast te ganze übriae Erschei nung in ein so fabelhast gewöhntiches Licht rückten. »Ich stehe da techts,« sagte Nachts-, »da kommt tein Mensch aen ganzen ; Nachmittag vorbei, mich sieht keiner, l und ich selbst sehe sama-« Der hier ist . mein Adiutant« —- er klopft-: einem ( halbmiichsigen Bengel dstb aus die Schulter-—, »ich schicke ihn vor jeden Rennen hinüber, und er muß mir die Totalisatorbillets holen, ein utiiaeii Geschäft, was? Uebrigens, ich habe immenses Glück, schon achtzig Mart gewonnen. Für dich, lieber Joseph, ist das eine Bagatelle, aber ich armer Schlatter lebe in Pilltehnen von des Alten Gnaden. Vorwärts. Junge, sauf; wie ich es dir aufgeschrieben habe: siinf Tickets Numero siebzehn zu zwanzig Mart, macht zusammen hun Tertz Da hast du einen blauen Lappen, tx. JOikph ließ sich aufs Pferd heben und gab Rochus die Hand. »Wenn ich gewinne, Rochus, bis du - heute Abend mein Gast. Dann wollen wir einen lustigen Abend feiern, im MonopoL Meine Braut, die Drwitz’, ein paar reizende Mädeis, der alte« General, vielleicht mein Bruder unb· no? ein paar Herren und du. Willst du " Rochus schüttelte den Kopf: mLeb wohl, Joseph, du mußt jetzt hinüber reiten, es ist die höchste Zeit. Um acht fährt mein Zug, und nach dein Ren nen haft du teine Zeit, dich um mich zu kümmern. Soll mich wundern, ob und wann wir beide uns mal wieder sehen.« . Joseph bat noch einmal und, drin gender, aber Rochus wehrte mit einer etgvas rauhen und unsicheren Stimme a : »Nicht doch, Joseph, ist ja Unsinn. Der Anzug und mein Alter, — wenn ich morgen Abend nicht zu hause bin —- leb wohl, Joseph, viel Glück.« Er reichte ihm die hand, ohne Jo seph anzusehen, dann lösten sich ihre Hände, und erst langsam, dann im Trabe ging der Hengst vorwärts. Joseph fuhr sich mit dem Hand-ü cken flüchtig über das Auge, dann ftemmte er die Füße in die Bügel und richtete sich auf: «Rur nicht nachden ken, nicht irritiren!« »Frangipani!« «Endlich!« ’ Eine weite Gasse that sich in dem Meer von Menschen vor dem Pferde auseinander, nnd Joseph ritt in die Gasse hinein. Der denkst wurde un ruhig, aber sein Reiter nahm die Zü gel fester und klopfte ihm auf den Hals. Tausend Augen waren auf ihn ge richtet, und ein Gewirr non Stimmen brandete unter ihm. »Ein samoser Hengst!« —- »Ein schönes Pferd!« — »Die Muskeln! Der weite Schritt! Die Hinterhand!« —- »Der gewinnt und tein anderer.« Dreimal ritt Joseph in weitem Kreise durch die Menschenmasse, dann gab der Zielrichter die Ordre, hinaus zureitem und in langer Reihe verlie szen die neunzehn Reiter den Sattel Platz, immer noch von einer Zuschauer rnauer umdrängt, bis sie die weite freie Nasenbahn erreicht hatten. «Braoienla« war die erste, die zum Statt tanterte, dann folgten «Lanter nr", »Madagastar«, »Frangipani« . und in dichtern Rudel der Rest. Arn i Toialisator vollzog sich der letzte An- z stnrcn, die Krimstecher und Opernglä- ; s i l ser der Zuschauer wurden in Bereit- , fchait geseßtx man sah, wie der Star- - ier in der Ferne seine roihe Fahne hoh, wie das kolossale Feld sich ord nete, sich in Bewegung seßte und ; dann —- ! »Ab!« - Zehntausend Menschen wiederholten I das Wort, das große Rennen um den l Ehrenpreis des Kaisers hatte seinen Anfang genommen. H Wie in einem Sturm plohlich eine secundenlange todte Ruhe eintritt, so l breitete sich über Tribiinen und Sat- f telplah eine Stice die eige ihiinilieh · zu dem voraus-gegangenen ärm im Gegensatz stand. Die Totalisatormas » scharen hörten alle zugleich ans Leu itlapperiy da- Sehreien version-m , — und die Gelt-räche brachen ab. u nlichst suchte jeder Zuschauer mit lo ßem Auge oder Fernglas zu consiati ren, welchen Plan das von ihm gewet tete Pferd beim Statt erwischt hatte. »Bradienia führt!« rief einer, und wie ein tausendsiimmiaes Echo riesen oder murmelten die andern: »Braoienta führt« - Die langen, hoben Tribiinen, auf denen Kopf an Kon die Menschen sich drängten, boten ein interessantekkild Wer unten an der Barriere stand, konnte dem Rennen den Niicken zuwen den und brauchte nur dieses Menschen meer auf den Tribünen zu beobachten, um genau zu wissen, was hinter ihm vorging, und welchen Verlauf das Rennen nahm. Wie wenn der Wind über ein Kornfeld gebt, so waren diese Tausende fortwährend in Bewegung. Sie setzten sich nieder, standen auf, setzten sich wieder. bogen sich rechts, links vor, um besser zu sehen, sie gesti- - lulirten — es war wie eine Bühne in den großen Ausstattungstbeatern, wo eine Unzahl Schauspieler, auf einen geringen Raum zufammengedrängt, sich beugt und hebt und bewegt. Jedesmal, wenn die Pferde an einen hSprung heran-singen trat eine gewil tekschwiile Stille ein, und jedesmal. » wenn sie das Hinderniß überwunden atten, entlud sich die Spannung in ei m Brausen von Worten und Aus rufen. Jeder einzelne sprach vielleicht nicht viel lauter als gewöhnlich. aber die Tausende von Stimmen vereinigten sich zu einem Concert, das, jeder klein sten Erregung des Rennens folgend, in seinem Auf- und Abschwellen wie der Wogenanprall an der Meereslüste weithin vernehmbar war. Dann plötzlich ein einziger Auf schrei. der für Jemand, welcher nicht das Rennen, sondern die Zuschauer inaiie beobachtete, etwas Nervenerfchüt ternde5, llnbeimlicheg hatte. Es war etwas gckchehem Reiter wa ren gestürzt. »Lanterne!« »Und Roland! Und Johannisburg!« »Noch einer!« Mit einer grausigen Deutlichkeit spiegelten sich diese Unglücksfälle in dem Schreien und Gestituliren der Tribiinen wider. Ader gleich daran wurde alles wie der ruhig: Reiter und Pferde, die an der Steinmauer tapfiiber geganan waren, hatten wie gewöhnlich keinen Schaden genommen und standen wie der auf den Füßen. Einer oder der andere, der feine Wette mit diesem Sturz verloren sah, schaute nach einen Moment mißmuthig auf den »ungeichictten Reiter« und den »miserabeln Gaul«, aber alle anderen Blicke eilten weiter rnit dein Felde der Reiter, das lang auseinandkrgezogen dein Bach sich näherte. Bravienta sprang zuerst. die kleine Stute ging wie irnrner tat-fee wie lein zweites Pferd, und als sie liini Län gen vor den übrigen in den Wald e.n bog, begannen auf den«TrEL«-iinen die vorlauten Prophezeinngen aller derer, die ein Rennen bereite fiir entschieden ansehen. wenn kaum die erste Hälfte des Weges von den Pferden zurückge legt ist. »Vravienta gewinnts« Und wie jeder Ruf in der aufgereg ten Masse ein Echo findet, fo wieder holten ein paar Dutzend Stimmen: «Bravienla gewinr.t?" Ganz oben in der schattigen Ecke ftand der kleine Isidor Rosenthal auf feinem Stuhle, rechts und linls von feinen Frauen gefiiiy!, und schaute gei sterbleich nach dem Walde drüben: »Bravienla gem?nn«:l" Er wallte die zwei Worte wiederholen, aber er brachte es nur zu einem Bewegen der Lippen. Wenn dieser Frangipani nicht gewann, wenn Bradienta oder irgend ein anderes Pferd gewann, dann war Isidor gerettet, war wohlhabend, war — er würde Gutes thun für die Ar men, er würde tausend Mart geben, sofort. Der kalte Schweiß stand dem kleinen Manne auf Stirn und Hän den, aber er fiel von feinem Stuhl nicht herab, die unerhörte Aufregung hielt ihn-oben. g Zehn Bante tiefer, in einer der vor- " nehmen Logen, saß Marie und schaute durch Joseph’s Krirnstecher, den er ihr mitgegeben hatte, nach den Reiten-. Der letzte Blutstropfen war aus ihrem Gesichte gewichen, aber ihre Hände in den weißen handschuhen hietten das Glas, ohne zu zittern. Sie sah durch das Vergrößerungsgias Joseph ganz deutlich, wie er, vorniibergelehnt, ruhiq auf Frangipani saß. Er ritt mitten im Rudei, an sechster Stelle, während die andern dicht hinter ihm folgten. Jrgend jemand in ihrer Nähe sagte: »Heidenstamm wird das Rennen ge winnen, er riihrt sich nicht auf Fee-rai pani, er wartet, bis der rechte Moment kommt. Sacreblen, wie dieser Frangis pani springt!« s Wie ein Windhund war der große Hengst über den Flechtzaun geht-schi, jetzt ging es zum zweitenmal an den Bach heran, Braoienta sprang zuerst, und dann: ein Tosen auf den Tribii nen! Alles beugte sich vor, schrie, läutete »Feangipani!« Es war verbliissend,- wie Joseph Heidenftamm mit einem Ruck seinen Hengst vorwärts geworfen hatte, drei, vier Pferde im Nu passirend, je t dicht hinter Bravienta, jetzt neben i r, jeyt vor ihr, an der Spitze! fchZJas Publikum jubelte, war außer I . «heidenftamm! beider-statuiert« »Er reitet wie ein Gem« Die lleine Stute blieb immer weiter zurück, sie hatte des Guten genug; das W allzu schnelle Rennen war ihr selbst zum Unheil au schlagen. Die leht iir , edas lejte dinders niß nahte. ird Frangivani hinüber tommeni Man hat es'bundertmal er lebt, daß der sichere Sieger an diesem ledten lleinen Sprunge zu Fall tanit Er hob sich, er sprang- — ein tiefes Au athmen aller —- er war glücklich Pinribey der Sieg war so gut wie ent chieden. Und in diesem Augenblick trat jene Wendung in dem Rennen ein, die al len, welche Zeugen des Schauspiels wa ren, unvergeszlich eblieben ist, iiber die man heute noch prichi, und von der man erzählen wird, solange ein Ar meerennen auf dem ariinen Rasen von hoppegarten zur Entscheidung ge langt· Dicht hinter Franaipani hatte ein zweites Pferd die Hürde gesprungen, nicht Bravienta, die jetzt weit zurück lag, sondern — ,,Ja, wer? W«". ist das?« Ein Pferd, das Niemand beachtet hatte, ein Reiter, den Niemand lanntet Bis blitzschnell ein Erinnern durch die Zuschauer flog: »Der Generalstabsossizieri Mada gastarI Der andere Heidensta..im!« »Aber Frangipani gewinnt!« l »Nein!« ««.» . » »Dvch!« « l »Madagaslar!« I Sie ritten Kopf an Kopf, beide ohne , Peitsche« beide nur mit den Höndens ihre Pferde vorwärts schiebend· » Einen Moment sah es so aus, als s ob trotz allem der Favorit leicht gewin- ’ nen werde, als od er nur, nachlafsigl und des Sieges sicher, für einige Se tunden sich habe überrumpeln lassen, und einen Moment hatte Joseph selbst diese Empfindung. Mit einem Blick zur Seite hatte er seinen Bruder er- ; tannt —- ionnte dieser schnbige irische . Steepler, den Albrecht ritt, Frangi-. Aber in der nächsten Seiunde tue-H selte ein tövtlicher Schrecken durch ihn z din: Frangipani war fertig. er rea girte nicht nie-»r! 1 Mit dieser unvermerkt-traun Neues und Tapferteit, die das englische VOL blut auszeichnet, ging der todtmii e Hengst immer noch in langen Galopp sprtinaen neben dem Gegner, aber diese letzte, maschinenmäßige Anstren gung des Pferdes schien durch leine Kunst des Reiters mehr einer Verstär kung fähig. Madaaaztar’s Zähigleit glich einer starren Feste, an der das letzte, beiden rniithige, verzweifelte Ringen des-Geg ner-« zerbricht Von den Tribiinen und dem Sat telplatze her scholl zu den beiden Rei-« tern ein betäubender, ohrenzerreiszem der Lärm: »Frangipani2 Franz-ti pani!«, als ob die vielen Tausende. die ihr Geld auf den Faoorii gewettet hatten, durch ihr Gestiluliren und verzweifelteö Zurufen Reiter und Pferd zu einer letzten Kraftanstren gung hehrn wollten. - »Franaipani!« Es klang aus vieler Munde wie ein Wehlchrei. wie ein Verzweiflun s fchrei, aber Zoll um Zoll schob sich Madaaaslar, mit eiserner Kraft ge ritten, an dein unglücklichen Gegner vorbei. »Albrecht!« —- es war ein halb er ftickter Ruf. Er wandte sich um, und einen Mo ment lang, den Bruchtheil eines Mo mentes, begegneten sich die Blicke der Brüder: ein Blick des Erstaunens und ein Blick der Todesangst. Und einen Moment, den Bruchtheilj eines Momente5, schien es, als ob Madaaastar langsamer würde, als ob der kurze Vorsprung sich verringer- - te, als ob sein Reiter unsicher gewor den sei, nicht recht wisse, was er thun solle, aber aleich darauf aewann der Jrliinder seinen Bortheil zurüaI Jept war er eine gute halbe Länge voraus. dreiviertel Längein Noch einmal tlana es rnit einem dumpfen, verzweifelten Rufe: »Albrechi!« Und dann, fünf Setunden später, war das große Rennen um die »Ar rnee« beendet. Unmöglich, die nun folgenden See- ’ nen zu beschreiben: Die Buchnracher besondere sich in ei nein Freudentaumelz die wenigen Leute« die Mada aslar gewittet hat ten, stürzten wie ahnsinniqe on die Rassen des Totalisotors, um die höhe ihrer» voraus-sichtlich kolossalen Ge minnsurnme zu· erkunden; und was Isidor Rosenthal betrifft: er war ganz still; er stieg von seinem Stuhl und setzte sich zwischen Frau und Schwester und weinte Glücksthriinen. Sehr betriibte Gesichter aob es bei den Dervitz·, in deren Loge die jungen Mädchen aus ihre griinen Zwanzig Marl--Tickets starrten, die jetzt genau so werthlos geworden waren wie ein abgesaheenes Eilenbnhnbillet. Aus Rücksicht auf Marie gaben sie ihrer bitteren Enttiiufchung teinen lauten Ausdruck; nur der alte General beugte sich nach einer verlegenen Pause oor,. legte die Hand aus Marie’si Schulter und sag e mit einem gutges meinten Scherz: «Zum wenigsten bleibt die »Arme« in der Familie. Bei den Heiden stamms.« Sie nickte und lächelte mit schnee-; weißem Gesicht. i Sie hörte um sich her in den be-! nachbarten Sagen aufgeregt reden, sie! sah unter sich die Menschen hin und! her rennen, und sie hörte zu, tote Je- I mand sagte: »Geber! wir heute Abend zu Moll oder in den Aussiellungsparl?« s ,, denke zu Kroll.« ! « chitrr. Man tann da im Garten W siten und frische Lust athmen. Ei ist eine siirehterl ehe sitze heute.« »Ja vierzehn Tagen reisen tvir nach Ostende.« .» »Sei-z vernünftig. Man kann gar nicht sruh enua aus Berlin heraus.« »Mechanirch»derfolgte sie das leich aultige Ge prach, das nun ausO ende, und die Vor-sit e dieses ausgezeichne ten Bades über entte. Dann siel tät ein, dasz Joseph und sie aus ihrer Ostende hatten reifen wollen. Jn un ge ähr zwei Monaten hätten sie heira then und die Reise antreten tönnen. Ein erstes Zittern lief über sie in. Sie wußte nur, daß sur sie und ,« o . seph mit dem Verluste dieses Nennens . die Heirath sich um Jahre hinaus - schob; dasz aber für Joseph ganz et was anderes auf dein Spiele gestan den hatte und verloren gegangen war, davon hatte sie keine Ahnun-; Die Pferde, die im Renntempo weit über das Ziel hinausschießen,ebe der Reiter sie langsam und vorsichtig abstovpen kann, kehrten jetzt zurück und ginan im müden Schritt an den Tribiinen vorbei. Jn dem Augen blick, wo Albrecht von Heidenstamm auf »Madaqastar« in die Umbriedi auna des Sattelvlaizes ritt, intonirte die Musik die Nationalhzvmne, und in demsetben Augenblick begann der stärmische Judel des Publikums, das den Sieger jauchzend empfing. Man hatte viel Geld verloren, aber man hatte dasiir auch ein Rennen ge sehen, einen Entnava wie er selten aus dem grünen Rasen der Rennbahn sich dein Auge bietet. Zwei Brüder, die unter neunzehn Ofsizieren als vie beiden Ersten ins Ziel rittenl Der beste Reiter früherer Jahre und der beste der Gegenwart in einem verzweifelten, großartiaem unvergleichlichen Kampfe! Von zweien tann immer nur einer der Sieger sein« selbstverständlich, aber der Ruhm des Tages gehört beiden Heidenstamnis alricheruiaszen!» oeh eitsretse auch nach —. und ais gediepq nayer rani und nun in die Menschenmasse deISaitelplatzes langsam hineinritt, empfing ihn ein fast noch grökerer Enthusiasmus. Er hatte aetiiinpt wie ein Löwe, das Publikum wollte seinen Liebling für die bittere Entiiiuschung trösten. »Brado, Heidenstainm!« »Bra«do, Josepr Es war ein so sanatischer Jubel, der ihn umdrängie und umtoste, daß er nach allen Seiten hin grüßend dan ken mußte. . Er hatte die klare. ruhige Empfin dung: das ist das letzte Mal. Du wirst hier nie wieder über den Platz reiten, alle diese Menschen sehen dich nicht wieder. Aber als er um die Ecke bog und der Wagen sich näherte, stauie sich die Menqe oor ihm so« erreichte das Bra doriisen der umdrängenden Ossiziere und Damen, der Volksmenge einen solchen Grad, daß iiber sein blasses-, hageres Gesicht ein letzter Schimmer flog, ein Rest jenes glücklichen. halb kindlichen Lächelns, mit dein er sonst nach seinen unzähligen Siegen ge dankt hate. Der Gedanke durchzuckte ihn: »Es hat sich doch gelohni, dieses Reiterleben!" Und noch einmal, ein aller-letztes Mal umbiauste ihn das Zurusen der Tausende, als er oon der Treppe des Kaiserpaoillons hinabschritt, neben Albrecht, beide ihre silbernen Ehren dreise in den händen tragend, die Seine Königliche hoheit mit Worten roßer Anerkennung ihnen gereicht tie. Daan war er allein. Er kleidete sich um und legte die eleganie Uniform wieder an. Stück siir Stück seines Rennanzuges schob er aus den Stuhl neben si bis er zuletzt die Mühen tauschke. ie alte, verbrauchte Reitpeitsche nahm er noch einmai iir Hand, ehe er zur Thür hinausging. Mit dieser Peitsche, die er als kleiner Junge zum Geschenk be kommen hatte, waren alle großen Siege ersochien: die Badener Sternle chaie, die Baden-r ,,Arme:«, die »Ar mee'« zu Charlottenburg, hundert andere. Er nahm sie in beide Hände und zerbrach sie iiber dem Knie. Es war fünf Uhr Nachmittag-, drei Rennen Dochten noch. Jofep atng die Treppe zur Tri biine hinauf nach Marie’s Loae. Marie reichte ihm mit einem fra genden Blicke voll tiefster Angst die Hand, dieanderen waren verlegen und wußten nicht recht, was sie sagen oder ob sie ihn trösten sollten Mit einer merkwürdigen Ruhe et widerte er des Generals Frazen nach dem Verlanfe des Rennen-L »Ja, Fraägipani war müde« — »ja, der Vo tos; kam von meiner Seite zu früh. ich hätte noch warten sollen, vielleicht wäre die Sache dann anders getommen.« —— .,Ob der-Hengst aut und gesund aus dem Rennen her vor-gegangen ists Q gewiß. Müde, na tür ich, aber sonst —- fa, Marie. was ich sagen wollte, Du mußt mich ent schuldxgem Ich habe meinen Freund Rochus getroffen, der heute Abend wieder nach Oftpreußen zukiiitfährt, ich muß mich ihm ein paar Stunden widmen. Erlaubft du?« Sie athmete tief auf. Er schien so ruhig vielleicht war die ganfe Sache nicht entfernt so schlimm, as sie es sich vor-gestellt hatte. »Aoieu, Matie.« »Adieu, Jofeph.« Er reichte dem General und den jungen Damen, die ihre gute Laune wieder »so-erden, die Hand und ging festen Schrittes den schmalen Gang zwischen den Logen der Tribüne ent lang. . . « Entsetzung folgt.) « o