P . l Wa- gefallt den Frauen? · -—....—. I Die Frage ist so alt wie das Men- Z schengeschlecht. Aber die Zeiten ändern L sich und wir mit ihnen. Jn den letzten ; Jahrzehnten aber haben gerade dies rauen eine starke Veränderung durch gemacht. Mit der Frauenbewegungj die für die Frau eine Anzahl Berufe in i Anspruch nimmt, die früher nur den i . Männern vorbehalten waren, sind nicht blos jene Frauen mönnlicher gewor «den, die durch Studium, Bureauarbeit, : künstlerische Thätigleit, Unterricht, Schriftthum und Agitation an jener Bewegung theilnehmen. Auch die Weltdamen, die im Luxus und in der Gesellschaft leben, die bei allan diesen Bewegungen im besten Falle nur als geistig Mitgenieszende dabei sind, auch sie sind in der Art ihres Denkens, in den Formen des Verkehrs, in den An sprüchen, die sie stellen und denen zu « genügen sie bemüht find, ernster, über legter, selbstherrlicher und, wenn nicht geradezu härter, so doch weniger milde geworden, als es noch unsere Mütter und Großmutter waren. Und wie im « Reich der Mode. so greift auch im - Reiche der Sitte, der Weltanschauung . das Beispiel der Löwinnen in der Ge- E sellfchaft weit hinein in die Kreise des ! bescheideneren Bürgerthumå Hinzu i aber kommt noch ein ganz neues Ele- « ment von Frauen, das mit jedem Jahre · kräftiger auf die alteurapäischen Sit- l ten einwirkt, — die Amerikanerin. Jn l Paris geben die reichen Ameritanerins s nen beinahe schon mehr den Ton in der ; großen Gesellschaft an, als die traditio- l nelle Pariserin selbst. Jn Englind ist ! die weibliche Aristalratie sehr stark mit J amerikanischen Millionörs - Töchtern F durchsetzt, und über ganz Europa sind I sie zu Tausenden zerstreut, die Stu- I dentinnen, Musikerinnen, Malerinnen s und die weiblichen Globetrotter5, die » alles sehen, vieles lernen wollen, aber . überall das starke Gefühl und dessen beispielgebenden Ausdruck mitbringen, in Amerika sei alles gut und eigentlich l besser, gesiinder, jedenfalls moderner ; als in Europa. Bürgerliche Hauswir- ’ thinnen sind alle diese Ameritanerin nen nicht, und der Muth, die innere ! Festigleit, die sie über den Ozean nach E Europa führen, erwerben ihnen viel- J fach Achtung, verbreiten vielfach den ; Glauben, daß diese Frauen und Mäd- J chen wirklich eine stärkere und darum H maßgeblichere Rasse darstellen, als die s Frauen und Mädchen der alten Welt. i Der amerikanische Stutzer trägt das » Gesicht schon seit Jahren glattrasirt, ; und diese tbörichte Mode, die den ; Mann seines natürlichenBartschmucies ; beraubt, greift in Europa immer mehr urn sich. Die jung-en Mädchen ha ben vielfach das Selbstbewußtsein und die Selbstständigleit des Betragens der jungen Amerilanerinnen angenonsi men, sie slirten vielfach »taltlächelnd« und sind umso freier in Rede und That, je strenger und sorgfältiger sie ihr Herz unter Verschluß halten. Darum erscheint es auch nicht ver wunderlich und ist es sogar von ernstem Interesse, wenn in unseren Tagen die Lehre-, wie man Frauen gefällt, in neuen Formeln von Amerika aus der Welt vertiindet wird. Ter »Cosmopo litan«, eine der sührenden amerikani schen Zeitschriften, erörtert in einem langen Essay die Voraussetzungen, un ter denen das Herz einer amerikani schen Dame gewonnen werden kann: »Eine berühmte Frau bemerkte mit Recht, daß die Schönheit für einen Mann ein beinahe überflüssiger Schmuck sei; sie ist eine Art guter Em pfehlung, die aber siir das Endergeb niß ganz unmaszgeblich bleibt. John Wille-L der berühmte englische Publi zist, erklärte, er brauche nur eine halbe Stunde Vorsprung und werde sich dann vor dem hübschesten Jungen nicht mehr fürchten. Und John Wille-Z war ganz hervorragend häßlich« —- Ob die »beriihrnte Frau« den Schmuck der Schönheit nicht doch unterschiitzt? Hat doch die Natur bei allem Federvieh und allen Säugethieren den männlichen Geschöpfen besonderen Schmuck an Fe dern, Mähnen, Gestalt und dem Man ne den Bart gegeben. und das sollte bei den modernen Frauen so ganz überflüssig sein? Die Vergangenheit mag ja nicht überschätzt werden, aber völlig nngebildet waren die Athener und Athenerinnen doch nicht« die sich für die Schönheit des Allibiadeg be geisterten. Wäre der junge Julius Cäsar vor der Groberuna Gallieng je der Abgott von Rom geworden, hätte ihm seine Schönheit nicht so sehr Macht über Frauenherzen gegeben, dasj er als der Gatte aller Frauen Roms galt? Und der junge Julius Cäsar hatte ein ebenso glattrasirtes Gesicht, wie die modernen Abgiitter der amerikanische-n Gesellschaft. Gewiß thut eg die Schönheit allein beim Manne so wenig wie bei der Frau.« Ein Bild ohne Gnaden tann im erlsten Augenblicke blenden, aber niema S dauernd fes seln. Ein schon altes Wiener Sprich wort sagt: »G’scheit is schön.« Das ilt vornehmlich vom Manne und galt chon lange, aber deshalb wird die »gute Empfehlung« auch bei den mo dernften Ameritanerinnen ihren vollen Werth behalten. Ein weites Axiom des Cosrnopolis tan ert art : »Die Frauen mögen tei - nen Gefallen an einem Manne finden, der mit erkennbarer Absichtlichkeit sich Heut kleidet, ebenso mißsiillt ihnen die achliifsigleii in der Toilettr. Einem Gamin oerzeihen sie freilich das Eine wie das Andere. Sie verlangen nur — Pf T- — Korrektheit der Kleidung und des Be tragens, die mit einem torreiten Cha rakter harmonirt. Der Mann soll mit Geschmack und Sorgfalt gekleidet sein« aber ohne Afseltation. Gleichsam als sei Alles selbstverständlich natürlich, als könne es gar nicht anders sein.« — Die Definition ist vortrefflich, aber der Geek hat bei vernünftigen Frauen zu allen Zeiten eine lächerliche Rolle ge spielt. Es fragt sich nur, was nach den Vorstellungen der Damen zur Korrekt heit gehört ? Nicht jeder Mann hat die Mittel, bei ersten Schneidern und aus den theuersten Stoffen seine Kleidung anfertigen zu lassen, oder den Kredit eines jungen Disraeli, der dem Londo ner Schneider Poole die Rechnungen bis zu seiner ersten Premierschaft unge mahnt schuldig bleiben konnte. Muß ein Mann mindestens 5000 Dollars jährlich ausgeben tönnen, um immer korrekt zu erscheinen? Ernsthafter werden die Axiome des Cosmopolitan da, wo sie von der äuße ren Erscheinung zum Charakter und Temperament des Mannes übergehen. So sagt er : »Die Frauen lieben einen forglosen Kameraden, der über die klei nen Mißhelligleiten des Lebens lacht, unbedeutenden Dingen seine Beachtung zuwendet und die Regeln der Konve nienz, die in der Gesellschaft aller Na tionen gelten, gründlich verachtet-« Da sind wir also glücklich bei dem eigentli chen« revolutionären Prinzip der mo dernen Damen angelangt. Die Damen wünschen ein leichtes Gruseln zu em pfinden, wenn ihnen ein Mann interes sant erscheinen soll. Bitte meine Da men! Aber dieser Ansicht war schon Goethe, als er schrieb, daß was kühn ist und verwegen, am Ende noch besser fort tornmt. j Wie aber stimmt die bevorzugte Un korrettheit des Betragens zur geforder ten Korrektheit der Kleidung? Der Cosmopolitan erklärt diesen scheinbaren Widerspruch und sagt: »Um die Be wunderung der Damen zu erregen ge niigt es nicht, alle die tausend Regeln einer Gesetzgebung des gesellschaftlichen Väkehrs zu kennen, die um so strenger für die Gewohnheit gelten, weil sie nir gend wo kodifizirt sind. Der Löwe des Salons muß sich immer behaglich fin den, mit Takt alle diese Regeln beach ten, indem er sie zu verletzen scheint, kaltbliitig in den schwierigsten Lagen und Konflittensich mit lächelnder Mine und volltommener Höflichkeit verhalten. Selbstbeb ,errfchung ist die Tugend, wel che die Frauen am höchsten schii en. Damit ist nun freilich der große Ersatz erklärt, den englische Staatsmänner und Lords bei amerikanischen Millio närstöchtern immer gehabt haben. Cbic und Spleen fasciniren diese Damen. Wo aber bleibt Madame Chimay mit ihrem Zigeuner ? Und diese Dame ist doch auch echte Anieritanerin ? Der alte Don Juan - Typus des Dämons hat für die moderne Frau seine Wirkung verloren ; er ist ihnen zu brutal ; sie wollen im Kampfe um die Liebe wenigstens als Siegerinnen er scheinen und nicht durch die Suggeftion eines übermächtigen Temperament-H willenlos gemacht werden. Mit Be dauern belennt freilich der Cosmapaiis tan, das-, die Männer bei Frauen dass meiste Glück haben, die ihnen fähig sci,einen, auch grausam sein zu können. ,,Eine Frau wird nie siir einen Mann in jener völlig blinden und alles ver gessenden Leidenschaft entbrennen, wenn sie nicht glaubt, in des Mannes Herz bestebe ein geheimnißvoller Win tel, der ihr für immer verschlossen bleibt und den sie immer umfragen wird; re will mit Seidenhandschuhen geführt sein aber sie mus-, glauben, daß eine eiserne Hand in diesem Handschuhe stecke. « Also Don Juan ist todt, es lebe —- Ritter Blaubart ! Das war ja der Mann mit dem Seidenbandschuh auf der eisernen Hand, der könnte nach dem geistvollen und interessanten Rezepte des Cosmopolitan drüben werben und mor den nach Herzenslust. Die moderne Belehrung ist sehr schön. Aber am Ende werden doch nur wenige Luxusgeschöpfe derMilliardärrvelt ihre Heezengneigunaen nach dem tapriziöfen Rezepte des Propheten der fünften Arsenue einrichten wollen. Für die Mehrzahl der gut gearteten Frauen wird immer die Lehre in Geltung blei ben, die das frivole aber ehrlich empfin dende Lafontaine in seiner moralischen Erzählung »Ee qui platt aux Dames.« (,,Was den Frauen gefällt«) aufgestellt bat. Der Mann soll außer Haus start, » tsiihn und klug, im Haufe aber feiner lieben Frau zu Willen sein.« Das gieht doch immer das schönste Leben, das l reinste Glück. » Courad Fiori. —-·00-— , Nein nnd Rothwein. Von C. Spielmann. Von dem Altmeister Renz und dem Ende feiner grußen Schöpfung ist türz lich vielfach die Rede gewesen. Heute will ich von einem Meisterstück des jun gen Ernst Renz erzählen, das der nach mals fo große«Meister des Circus ein mal auf anderem Gebiet ausfichria als er noch der junge Kunstreiter Ernst «Renz war. Jm Jahre 1886 reiste der Circus Brilloff in Mecklenburg, bei dem auch der damals 22 Jahre zählende Ernst Renz als sogenanntes »erstes Sujet« in f vielerlei Reit- und anderen Grenz . Künsten thätig war. Der schon etwas bequeme Prinzipal Brillosf chickte ihn vielfach auf ..Permission«. d. . zur Er ts 1 langung der Erlaubniß, in einem Ort Vorstellungen zu geben. Jn dem zu jener Zeit von allen Ein gangsziillen noch absolut freien Med lenburg kostete die Flasche vorzüglicher Medoc 8 Schilling (50 Pf.) im Wirths hause, beim Weinhändler bei Abnahme von 11 Flaschen (ein Viertelanter) 5 Schilling (31 Ps·)· Jn Preußen im Wirthshause 1 Thaler, beim Wein - händler 225 Silbergroschen. Der Prinzipal Brilloss liebte eine Flasche Rothwein, und er konnte dieser Liebe in Mecklenburg, ohne seine Kasse be sonders zu strapaziren, ausgiebig hul digen. Auch Ernst Nenz hatte in Merk lenburg gelernt, einen Trunk Rothwein zu würdigen. Jhre letzte Stagione in Mecklenburg machte die Truppe in dem freilich nur kleinen, aber sehr wohlhabenden und seiner reichen Umgegend wegen noch ganz besonders tassenergiebigen Städt chen W» von wo aus die Karawane nach der benachbarten preußischenStadt P. geschoben werden sollte. Jm Rathsteller zu W· hatte der Wirth einen Jahrgang Medoe von » herrlichster Entwicklung, der so schmei chelnd über die Zunge ging, daß Prin zipal und ,,erstes Sujet« jeden Abend nach der Vorstellung an seiner Quelle saßen. Am Sonnabend darf in Med lenburg nicht gespielt werden. Renz sollte deshalb an einem Sonnabend . nach P. tutschiren, dort Perrnission zu machen Und siir die Ankunft der Trup I pe Alles zu ordnen, da man mit dem . Ende der nächsten Woche dorthin ab . reisen wollte. s Zu Permissionsretsen diente einem » riol, in dessen Gabeldeichfel aus dem - Stall ein guter Trabgänger gespannt s wurde. Das Carriol hatte einen gro-. I ßen Sitztasten und Ernst Renz eine große Idee. Er wollte von dem vor . ziiglichen Medoc des Nathstellers acht l Flaschen —- soviel gerade faßte wohl ? verpaclt der Raum des Sitztaftens — I nach P· hinübernehmen, natürlich, ohne » den Wein an der Zollgrenze zu ver f steuern. Er wollte also, deutlich ge ; sagt, ein wenig schmuggeln, was übri J gens derzeit an allen mecklenburg-preu ’ ßischen Grenzen gang und gäbe war. : Das Städtchen W· ist von P. unge J fähr drei Meilen entfernt. Etwa drei I viertel Meilen hinter W. ist die preu I frische Grenze, und etwa 100 Schritte ; hinter dieser stand an der Landstraße I das Zollhaus mit dem Adler und dem T schwarz-weißen Schlagbaum Am Sonnabend, den 27. Juli 1836, also just vor 65 Jahren, tutschirte Renz bei guter Morgenfriihe aus W. ab, sei nen Rothwein im Sitzlasten, der ihm indessen, als er der Grenze und dem Zollhause nahe war, schwer auf die ! Seele fiel. Als Schmugaler hatte er sich jaxnoch nicht versucht, war er sonst H auch so ziemlich in allen Sätteln ac recbt. Jn W. hatte ihm freilich der Wirth vom Rathsteller gesagt: Reise vorrath sei zollfrei. iiber dag, was als Reifevorrath passiren könne, hatte er aber Bestimmteg und Näheres wohl tveislich nicht angegeben. Renz, in dem wohl schon damals der nachherige vorsichtiae Direltor-Jnstiiitt » sich regen mochte, hielt kurz vor der Grenze sein Gefährt an, mithin also E auf mecllenburgiscbem Gebiet, Und iiberleate· Faß-te ihn der Zöllner, der . schon in der Thiir des Zollhauses stand und nach dem antommenden Vehikel luate, mit seiner ltontrebande, so war . das für ihn eine verdammt unangeneh « me Sache, die leicht höchst verhängnisz2 volle Endfchaft haben konnte. Man hätte ihm nicht nur die Kontrebande ? tonfiszirt, was ja selbstverständlich war, sondern auch Non und Wagen ihm einhehalten als Haftobjett fiir die zu zahlende Strafe, das Fünfzigfache der zu hinter-ziehen versuchten Ein gangsgefälle, ja, wohl gar ihm selbst, als- einem Heimathlosen ohne festen Wohnsitz, ein freies Quartier ohne Freiheit angewiesen. Solchen Even - tualitäten wollte er sich denn doch nicht s aussetzen. Er stieg demnach ab, hiesz ; sein Pferd, nachdem er es abgestranat « hatte, ruhig still stehen und begab sich k zu dem Zöllner. I I I I I I I I l Mit höflichen-e Gruße redete er Diesen dann an: »Juki-en Sie, Herr Contros J,leur wenn man so ein bischen Roth i wein, so einen guten Trunk siir die Reise bei sich hat, der ist ja wohl steuer frei?« i ,,Lassen Sie mich mal erst nachsehen, :was Sie bei sich haben, dann werde ich Ihnen genau Bescheid sagen. Fahren ! Sie nur hier vor dem Zollhause vor«, entgegnete der Zöllner mit gewichtiger Miene. »Hm!« meinte Nenz bedenklich, »hier verfahren? cchon recht! Wenn ich nach P. will, werde ich es freilich miis sen. Aber mein Rothwein, mein Reise trunt im Wagentasten. Wenn ich da mit dieGrenze passirt habe wie dann?« »Nun, wieviel haben Sie denn bei « sichs Wenn es nur ein Reisetrnnt ist« - so läßt sich ja darüber verhandeln«, sagte jetzt der Zöllner in sanfterer Ton art und leckte sich in der Erwartung die Lippen, dasz auch fiir ihn von dem Reisetrunt ein Tropfen abspritzen j werde. ; »Hm !« meinte wiederum nach Edentlich Renz, Reisetrunt?! Ja, sehen Sie, Herr Controleur, dac , kommt doch am Ende aus per sönliche Anschauung an, und was Einer so als Reisrtrunl sich leisten kann. Mein Reisetrunt im Wage-Ma sten besteht aus acht Flaschen« »He-rel« schrie jetzt der Zöllner, des sen Rvllaepissen schier sich umtremveln ; wollte. »Herr! Acht Flaschen Roth j wein ein ReisetWUk für einen einzelnen ’ Mann? Ein Reisetrunk, der steuerfrei fein soll? Wollen Sie einen königlichen Zollbeamten vielleicht zum Narren haben?« »Oh, nicht doch, Herr Controleurt Wie würde ich wohl eines so ruchlosen Unterfangean mich schuldig machen!« entgegnete Rdnz ruhig und mit ausge suchter Höflichkeit, »nur belehren wollte ich mich. Und wenn ich fragen dürfte, wie hoch würde die Eingangssteuer für acht Flaschen Rothwein sich belaufen?« »Das kann ich er t bestimmen, nach dem ich den Wein werde gewogen ha ben. Auslöndischer Rothwein kostet der Zollcentner dreißig Thaler Ein gangssteuer. Wollen Sie nur hier vor das Zollamt fahren, ich werde dann Jhren Wagen visitiren, wie das Gesetz das vorschreibt.« »Hm!« sagte Renz wieder nachdenk lich, und die Spitze seiner prächtigen Adlernase schien sich zu verlängern, »hm! hm! eine vertratte Geschichte-! Aber sagen Sie, Herr Controlenr, der Rothwein von drüben, den ich im Leibe hätte, der wäre doch wohl steuerfrei?« ». err!« fuhr der Zöllner wieder zor nig aus, »Sie scheinen wahrhaftig die Absicht zu haben, mit Jhrer Frage ei nen Königliche-n Zollbeamten narren zu wollen!? Jch muß mir das aufs ernst lichste verbitten. Oder hätten Sie viel leicht die Absicht, Jhre acht Flaschen Rothwein auf der Landstraße drüben in Mecklenburg austrinten zu wollen? Jm Leibe hätten Sie ihn dann und steuerfrei könnten Sie ihn dann auch herüberbrinaen.« . ,,So?!« entgegnete Renz, »als o,·steu erbarer Rothwein, den ich im Leibe ha be, ist steuerfrei. Aber noch eine Frage, Herr Controleurx Als Kdniglicher Zollbeamter dürfen Sie unversteuer ten Rothwein wohl nicht trinken, auch drüben nicht, wie?« «Driiben?« versetzte der Zöllner und fuhr sich mit der Zunge iiber die Lip pen, ,,driiben, wenn ich welchen habe, fo viel ich lassen tann.« »So, fo! Aber Herr Controleur, ich möchte doch den Vorwurf, Ihr König lichep Zollgewissen mit understeuertem Rothwein belastet zu haben, nicht auf mich nehmen. Verzeihen Sie deshalb, wenn ich Sie nicht einlade, mitzutrin ten.« »Und Sie wollen die acht Flaschen Rothwein drüben an der Landstraße wirklich allein austrinlen?« fragte der Zöllner, in seinen Erwartungen ge täuscht, einmal einen guten Trunk gra tis thun zu können, verblüfft und un willig. »Wil! ich, Herr Coniroleur, will ich! In zwei Stunden werde ich vor dem Zollhanfe Vorfahren und Jhnen mei E nen Wagen mit dem leeren Sitzt-ersten lzur wohlaeneigten Visitation gehor ; famft präsentiren.« H Und Renz begab sich zu seinem Ge . fährt zurück, langte ans dem Sitztasten sein Frühstück, womit er gut und reich lich versehen war, nebst etlichen Fla schen Rothwein heraus und nahm an der Seite der Landstraße unter dem blätterreichen Schattendache einer al ten Linde behaglich Platz, nachdem er sein Pferd abgezäumi und dicht zu sich herangezogen hatte, um esian seinem Frühstück theilnehmen zu lassen. Mit Kennerznnge prüfte das Pferd, das in feinem Kunftberns im Zirkus als Ga stronetnsterd sich Produzirte, die gut mit Rothwein angefeuchteten Brett-if sen, die ihm gereicht wurden, nnd schrotete sie dann wohlgefällig hinun ter. « ,»« ,- ··--«««« -, ---s Auch Menz frumiuaie mir re:chncher Rothweinanfeucl)tung. Dann stopfte er seine Pfeife-, tauchte und trank, trank und rauchte. Eine Pfeife nach der andern wurde gemacht, eine Flasche nach der andern wurde geleert. Der vorzügliches niilde Medoc schien dem langen Leibe und dem gesunden Ma gen des jungen Künstlers nichts thun zu können, nur um einigt Tinten rö ther und röther färbte sich die Adler nase. Eine ylasche noch harrte ihrer Entleerung. Der Zollner stand von ferne und sa l) neidvollen Blickes-' auf den tapferen Trinker, dessen Eigen sucht auch nicht einen Tropfen fiir ihn übrig lassen we-.llte Renz war bog-haft genug, dem CIiSlIner mit freundlichem Lächeln zuzublinzelm als er die letzte Flasche entlortte und in behaglich schlürfenden Zügen auch diese seinem Innern einverleith Danach erhobr er sich von seiinm grünen Sitze. Ein we nig cchwere freilich fühlte er im stopfe, als er aufrecht stand, ein wenig auch tauinelte er, als er dem Pferde das Fiopfgesiill wieder auflegte und den Zugriemen wieder auf die Wange streifte. Aber, er war der Mann, - Kopf und Beine seinem Willen unter ihänig zu machen, auch mit einem klei nen Meer von Rothwein im Leibe Er stieg sonder Gefährde in den Wagen, fuhr sorsch vor das Zollhaus, parirte ischars hart vor der Hausthür, zog die Mütze vor dem Zöllner, der ihn mit bissiger Miene erwartete, und sagte mit verbindlichster Höflichkeit: »Nichts Steuerbares, Herr Controleur. Bitte nur zu visitiren.« Ausgiebig natürlich that dies der über die Herzenshärtigleit und Bos .heit des Trinkers empörte Zöllnerz ! fand aber ebenso natürlich nichts Der E Sitziaften nwar so leer wie die Flaschen i leer waren, die drüben unter der Linde an der Landstraße lagen. »Kann pasfiren!« brummte er wü thend. ,,Dante höflichst!« entgegnete . Ren-z und fuhr ab. Dasi Ernst Renz ein aroszer Meister —I s in der circensischen Kunst gewesen ist, J das werden die Blätter der Geschichte » dieser Kunst verzeichnen. Daß er aber auch ein großartiger Trint-Meister ge » wesen ist, das wird dies Ueine Erinne rungsblatt wohl allein der Nachwelt ; aufbewahren. -—— -———-—-—O.-——s—- — Unterwegs. Ein Bild aus Rußland von C l. N a st. Der Tag war heiß. Weiße-r Staub deckte die Landstraße, die, vielfach durchfurcht und von Spalten Zerrissen, sich zwischen halbverdorrten Wiesen hmzvg Peter Petrvwitsch schritt trotz der Hitze rüstig vorwärts-. Hinter ihm drein trottete Scharit, sein zottiger Hund. ,,Nun?« sagte Peter Petrowitsch plötzlich, blieb stehen und wandte den Kon nach dem Thiere zurück. »Wa rum läßt Du denn die Nase hängen, he? Bist doch ein rechter Faulpelz. Nimm Dir ein Beispiel an mir. Jcli scheer mich den Teufel um die Gluth, sondern hebe wie immer, rüstig und unverdrossen die Füße·« Scharit blinzelte seinen Herrn, von unten heraus, verständnißinnig an und wedelte mit dem struvpigen Schwanz. »Wie mich dünkt, schielst Du nach je nem Wäldchen "hinüber,« fuhr Peter Petrowitsch fort. »Ah, ich durchschaue Dich! Du trägst nach einem schattigen Plätzchen Verlangen. Möchtest Dich im Kühlen recken und strecken, wohl gar ein Stündchen schlafen. Nun ich werde mit Dir nicht streiten, sondern gebe, als der Klügere nach. So tomm’ denn!« Peter Petrowitsch verließ den Weg» schritt quer über die Wiese und hatte nach wenigen Minuten das Gehölz er reicht. Es bestand aus Fichten,« zwi schen denen hie und da der weiße Stamm einer· Birke aufleuchtete. »Also hier willst Du rasten,« sagte Peter Petrowitsch, als er eine zum La gern geeignete Stelle entdeckt hatte. »Gut, ich bin damit einverstanden.« Er glitt auf den weichen Waldboden nieder, der reichlich mit trockenen Fich tennadeln bestreut war, streckte sich der » Länge nach hin und schob die Arme un ter den Kopf. Scharit lag ihm zur Seite. Kein Vogel sang, aber im Grase wisperte und zirpte es unaufhörlich. i Ein kleiner bunter Falter, der erst eine s Weile die Schläfer umflattert hatte, i setzte sich schließtich auf Peter Betro ’, witsch’s rothe Blouse. Dort blieb er, s bis Scharit schnebernd die Nase hob, die Ohren spitzte und einen lurzenz z scharfen Laut ausstieß. ; »Zum Henker! Was giebt’5 denn? i Erst willst Du schlafen und gleich dar I auf wieder hellen,« schalt Peter Betro x witsch mit komischer Entriistung i Scharit klopfte lebhaft mit dem . Schwanz auf den Boden und warf ei nen Blick auf seinen Herrn, der zu sa gen schien: »So-bitt nur, schilt! Ich weis; lange, was siir ein Spaszvoael Du bist.« Dann wandte er den Kopf wieder nach der anderen Seite und begann leise zu lnurren. »Scha·mft Du Dich denn nicht, Da men so unhöflich Fu empfangen,« wur » de er von Peter Petrowitsch getadelt, l als ein kaum dein Kindesalter ent J wachsenes Mädchen hinter den Bäu " men hervortratf »Hast Du das jemals von mir gesehen, hat« Scharik war klug genug, einzusehen, daß die blonde Kleine, die verlegen ste hen geblieben war und schüchtern her . überblickte, seinem Herrn kein Leid zu « fügen werde und verstummte. »So lomm’ doch näher! Fürchte « Dich nicht! Wir sind friedfertige . Wanderer,« rief Peter Petrowitsch dem Mädchen zu und setzte sich aufrecht hin. 3 Es erfolgte keine Antwort. »Wie heißt Dus« fuhr Peter Betro witsch nach kurzer Pause fort. « »Jadwiga,« klang es mit verhaltener Stimme zurück. »Willst Du nicht bei uns Platz neh men, Javwiga ?« i Jadwiga lächelte befangen. Wie sie so dastand, llein und schlank, ! den Blick der feuchtglänzenden braunen sAugen verwundert und ängstlich zu Lgleich auf Peter Petrowitsch gerichtet, glich sie einem Reh, das neugierig und fluchtbireit einen ihm unbekannten Ge genstand betrachtet E ,,Wo kommst Du her ?« erkundigte l sich Peter Petrowit sch nnd war bemüht, seinen verwigen blielindin schwarzen Augen einen möglichst harmlosen Blick s zu verleihen l »Dort drüben, jenseits des Waldes, ! steht unsere Hütte, « lautete die Erwi I derung. s »Wie heißt das Dorf?« s Jadwiga schüttelte das Köpfchen. c »Wir wohnen ganz einsam — Mut .ter und ich. —— Hier giebt es weit und ! breit kein Dorf. « »Zum Teufel, das muß langweilig sein!« meinte Peter Petrowitsch, um ’ gleich darauf fragend hinzuzufügen, ob I Jadwiga nicht wisse, wo es hier im l Walde Wasser gebe Er sei wahrhaf . tig dem Verschmachten nahe. Ja, sie lannte eine Quelle, eine sil berhelle, eiskalte sogar, und nach kur - zem Zaudern erklärte sie sich bereit, ihn E dorthin zu führen. ; Darauf hatte Peter Petrowitsch ge « hosst Um ein Lächeln zu verbergen, das gar leicht zumVerräther seiner Ge danken hätte werden können, strich er sorgfältia den schwarzen Schnurrbart — ! zurecht. Dann erhob er sich, ergriff das Bündel und den Stock und schritt, gefolgt von Scharik, hinter Jadwiga her, die leichtfiißig voraneilte. Nach Ablauf weniger Minuten war die Quelle erreicht, und Peter Peter witsch trank, wie es schien mit großem Durst. »Weiß der Henker, was aus mir ge worden wäre, hättest Du Dich meiner nicht erbarmt«, sagte er dann. »Ich bin Dir zu großem Dank verpflichtet, Mädchen.« Er ergriff ihre Hand, drückte sie und behielt sie dann in seiner. Jadwiga erglühte und athmete ein wenig schneller. »Du hast mir das Leben gereitet,« fuhr Peter Petrowitsch fort. »Ja, wirklich?« slüsterte sie mit freu dedurchbebter Stimme und lächelte glückselig. »Wirtlich und wahrhaftig ,« be theuerte cr, und dann küßte er sie, gleichsam im Ueberschwaua seines Dantbarkeitsgefühls auf Stirn und Mund. Sie stieß erschrocken einen schwachen Schrei aus und wollte fliehen. Er sah sie aber so verwundert an und fragte sie so harmlos, was es gäbe, daß sie beschämt erröthete und stehen blieb. ,,Nichts,« stammelte sie verwirrt. Er verbarg abermals ein Lächeln ge schickt hinter der vorgehaltenen Hand. »Wir wollen uns setzen,« sagte er und ließ sich am Rand der Quelle nie der. Gehorsam nahm Jadwiga an seiner Seite Platz, während Scharik sich die Schnauze beleckte und ungeduldig bit tende Laute ausstieß, als sein Herr die Knoten des Bündels zu lösen begann. »Ah, Du Lump! Du hast also schon wieder Hunger?« schalt Peter Betro witsch mit übertriebener Strenge. »Da nimmt« -»-- m s .«(k Er wars dem Thiere Brot und Fleisch zu und aß selbst etwas. Auch Jadwiga nöthigte er zum Zugreisen, doch sie genoß nichts. »Wie es scheint, hast Du eine Hand harinonika in dem Bündel,« sagte sie. »Ja, und auch eine Geige. Ich bin nämlich ein Spielmann, muß Du wis sen. Heut spiel ich hier zum Tanz auf, morgen dort.« »So bist Du wohl schon weit her iimgelommen in der Welt?« »Seht weit sogar, denn ich führe dieses Wunderleben bereits seit meinem sechzebnten Jahr, Und jetzt bin ich sie benundzwanzia.« »Und ich weiß noch nicht einmal, wie das nächste Dorf aussieht,« sagte Jud wiga lächelnd. »Es sind wohl 25 Werft bis dahin. Auch die Mutter sitzt stets zu Hause. Wir bestellen unser Stück chen Land, besorgen die Ziege Und das Schwein, und einmal im Monat spricht ein Handelsgmann bei uns vor und Ver sorgt uns mit Allem, was wir brau « chen.« l l Sie schwieg· »Er»3«ahle inir noch mehr von Dir,« bat er. »Was denn? Du weißt ja schon alle-Z.« Peter Petrowitsch lächelte, schloß halb die Anaen und drehte den schwar zen Schnurrbart aufwärts-. »Was würde wohl die Kleine für Augen machen, wenn ich ihr die Welt zeigte«, ging es ihm durch den Sinn. »Ob sie mir folgen würde? — Viel ; leicht ——- ? —- — Ja, ich glaube, sie « thate es ganz gewiß.« Schon öffnete f l er die Lippen, da sah er Jadwiga an und schloß sie wieder. »Du fühlst Dich gewiß recht glücklich in Deiner Ein samkeit«, sagte er endlich warm. »Mö ge es immer so bleiben!« Sie nickte. »Ach ja, dieMuttcr ist so einzig gut,« erwiderte sie herzlich. Peter Petrowitsch machte sich reise fertig. Sofort war Scharik an seiner Seite. Auch Jaowtga nano aus. i »Willst Du denn schon fort?« fragte s sie iu beinahe athemloser Hast. »Ja, es ist hohe Zeit.« Er wich ih rem Blick aus, der angstvoll und fra gend den seinen suchte. »Ich blieb fast schon zu lange hier. Lebe wohl.« Er reichte ihr die Rechte. Sie legte l ihre behenden Finger hinein. , »Gott schätze Dich!« flusterte sie und I senkte, um die aufsteigenden Thriinen I zu verbergen, die langbewimperten Li ) der. Als sie wieder ausschaute, war er verschwunden Sie lauschte. Alles blieb still; aber plötzlich drang » von der Straße herüber ein Marschlied s an ihr Ohr. Es war eine kräftige, l dunkelgesärbte Baritonstirnme, die es i sang und allmählich in der Ferne er i starb. »Und wer wird ihm nun Wasser rei chen, wenn er wieder verschmachtend am Wege zusainiiienbricht?« ging es Jad wiga durch den Sinn. Jhrer Brust entrang sich ein dum pfes-, schmerzliches Aufstöhnen, als sie trübselig heim zur Mutter ging. H i — Exceß streitender Arbei ter in Frankreichs-Aus Paris i wird eine Meldung übermittelt, nach « welcher in Roniillh CDepcrrtement i Eure) ausständige Glasarbeiter den Direktor ihrer Fabrik aus dem Bureau » geschleppt und von ihm unter der Dro ( hung, ihn in einen glühenden Schmelz ofen zu werfen, die Zusage einer Lohn erhöhung erzwungen haben. A u st e r l i tz. Ausgedingerin Ro sina Hrazdilet feierte ihren 105. Ge i burtstag.