Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, September 06, 1901, Sonntags-Blatt, Image 13

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    Ossener Schreibebrief von
xikkie IhnnssiengkL
No· 100. Ich
hen Jhne doch
n mein letzte
Schreibebrief
geschriwe, daß
ich den Phi
lipp, was mei
altes Komeel
is, uss dies-sehr
gttunds ge
trosfe hen, un
daß ich ihn en »
Schlöpp ufs sei Bahlhett gewwe hen,
ditahg ich si nso schrecklich niähd ge-I
wese. Wie ich awtver widder sei gutes ;
dummes Gesicht gesehn hen, do war alle ;
Mähdnesz sort un ich hen ihn en siiß
gewwe. Dann hen ich gestappt, bitahz »
ich sin zu Doht geschieht-i gewese. Denke
Se nor emol an, der Kanne hot sich ge- «
schüttelt, als wann et e Schneht von
sich abschiittele wollt un hot gesagt:
Miit-dem ich kenne Jhne nit, Sie hen
die vertehrte Pahrtie gestroctr. Dann
is er sort un hot mich stehn losse. Jch
hen do gestanne, wie e Ratt vor e neieg s
Bahrndohr. Die Leit hen all gelacht s
un einer hot e orig sässige Riemahrt s
actnacht Er hot gesagt: »Seh, Leh
die, tteie Se mich emol, mehbie ich sin
die Pahrtie, wo sie sor honte.« Jch sin
zu viel eckseitet gewese, sonst hätt ichs
den Fellet awwer e -.mser acwwe, wo :
er sich hinner die Ohre hätt schreiwe:
könne. No, no, wag sich e Frau un e
Lehdie hier alles biete muß losse, das I
biet einiges-. Mistek (Edithor, tvanns
Sie widder emol dazu siehle, Jemand I
nach e Fehr zu schicke, dann schicke Ee
mich nur Wort —- ich gehn verdollt nit
mehr. ..wwer nebattert hot michs-«
doch von wege den Philipp. Kann
dann e Person so edseitet sei, dass iner
so en Mißtehl mache kann? Jch kenne
doch den alte Schofslopp sein Bahlhett
un tenne sei dummes Fehg un kenne sei
trucket Lehts, un doch soll ich mich so
geirr den« so ebbes is doch fascht nit
passibel. Die Wedesweilerm die hot
auch da gestanne un hot M- fascht doht
gelacht. Do lann mer merklich sehn,
wie wenig Ettjulehschen un Männer-J
viele Leit hen. Jch hen tei Wort zu se
aesogt und sin fort. Der freche Kerl
von vorhin is noch liinnig mich drein
gelause un hot gehallerk »Geh Mäd
dem, wann Se nach Bnklhetts aus
gucke, in den Kutschitut chie Iiehter
sinne se in die Frontrohs e ganze
Latt.« O, mei, was sin ich so mäbd
gewese! Ich hen e ganze Latt Nehms
gerufe, awwer die Feaer den mich nur
de Lähs gewwe. Well, wie ich autseit
war’n, do hen ich mein Meind ussge
macht, daß ich nie nit mehr in ven
Platz gehn wollt, do sin mich die Leit
doch zu unverschämt. Jch sin als grad
losgeschivoe un sin dann an e Bildinq
komme, was gesagt hot, daß mer hier
en Trivp achn den Muhn mache könnt.
Sell is der Stoff, hen ich zu mich ge
sagt, do muß ich hin, ich sin schuhr uss
den Muhn sin die Piebels nit so schlecht
wie uss die armselige Welt. Jch hen
en halwe Dahler bezahlt un sin auch
schon widder insoltet worde. Der Fel
ler an die Ticketosfis hol gesagt, eH wär
sor so e schwere Frau teinder dehnsche:
res in den Ehrschipv zu gehn; ich sollt
mich ennihau hübsch in de Zenter von
das Boot halte. Einige annere Frau
hätt den Feller e Pies von ihren Meind
gen-we, ich sin awwer zu viel von e
Lehdie, als daß ich mich do mies ge
macht hätt. Jch sin mit die aanze Kraut
in das Boot un eH is auch gleich log
gange. Ich muß sage, ich den ana
esfeeht gesiehlt, bikahs das Dan hot
aeschehkt wie alles. Usf eemol sin ich
so normesz geworde, Vas; ich gehallcrt
ben: Stapp, Mister, ich wenn siesia.
Was war zu mache, se hen ivibder re
duhr fahre misse un hen mich an de
Graund losse misse. Jetzt bot’g awrver
e Feit gewwe. Denke Se ecnol an, Der
Zeller-, wo das Binnes gekonnt het,
bot mich gefragt for sein Denimetsch
zu bezahle. Jch hen nit sehn könne,
was er sor en Denimetsch gehabt hol,
den awwet doch soviel Senz gehabt,
daß ich ihn vier Schillan geosscrt hen
for sein Trubei. Jch hen gesagt, eini
ger Motormann duht an einigethritt:
korner stappe, wann en Pösfenscher aus
die Rohr will un was die duhn, baß
kann mer auch von Jkine eckspeckte Den
Weg hot er awwer nit aciiehlt un weil
ich doch kein öffentliche Numpug hamive
hen wolle, do hen ich ihn en Dahler
gewwe un si span Ich kann Jhne
sage, wo ich nor hingucte, do hen ich
TeubeL GewwkSe nor eniol acht, der
denwiirbiae Dag war noch nit immer.
Wie ich aus den Bilding kraus komme
sin, do hen ich doch so schwach in mein
Stomeck gesiehlt, daß ich zu e verstau
kant gange smz for mich e wenig Rie
sreschments zu kriege. Wisse Se, in so
en Eckseitement, do kann der Stomecl
nit viel stende un do hen ich mich blos
zwei Franksorter un en Disch Sauer
kraut als en Eppeleisee gewwe losse.
Das bot mich e wenig besser siehle
mache un wie ich e paar Biercher inseit
gehabt hen, do hen ich gesiehlt, als ob
ich das Rezept noch emol reppekiete
sollt. Ich hen den Wehier gesagt, er
sollt mich noch emol e paar Werscht
Un Sauerkraut bringe. Der hot mich
angesteckt als wann er denke veht, ich
wallt ihn suhle. Wie ee awwer mei
hs gesehn bot, do hoi er geselzm daß
sißnes meine un er hoi mich das
W
Futterche gebracht. Jch hen mich auch
noch e Kopp Kafsie geotdert un e Pies
Hocteldiere Pei, wo ich so arig gleiche,
awwer, zwische Jhne un mich, — ich
mache’n viel besser —- un dann hen ich
auteseit gesiehlt un ich sin in e Kan
dischen gewese, als ob ich jetzt einiges
hätt stende könne. Jch hen zu den Weh
ter gesagt, er sollt mich noch en Disch
Eisktiem bringe un dann wollt ich set
tele. Jch hätt mich auch grad so gut
ebbes annerschter otdere könne, awwer
ich hen doch nit so hahiisch sein wolle.
Wie ich sertig war, do hen ich die Bill
kriegt. Was wer’n Se denke, was der
Emaunt war? Achtia Cents. Das
war all. Bei Galle, hen ich gedenkt,
wann ich awwer gewißt hätt, daß mer
hier so billig lewe könnt, dann wär ich
in gar iein Hotell gange. Der Wehter
kriegt awwer auli e Drinigeid odder
Tipp, wie mer uss deitsch sage duht,
hen ich zu mich gedenkt· hole met Pas
ctetbum ertrug un jetzt wär’n ich ckdmwer
vuttiniehr umgefalle! Denke Se emol,
ich hen eckscxcktlie noch en Nickel un e
Deim in mit Vorteil-such gehabt! Das
annere Geld bot die Wedeisoeilern ge
habt. Bei Tschinto, do ijen ich awwer
tschiep geiiclJtti Jcb heil den Wehtet
gesagt, was die Mätlek war, awwer
der hot gesagt, er wär nit so grien; er
hätt schon gieiiii aenohtist, daß ich e
dett Bitt mar, un scsr den Riesen hätt
er schon en Lapi-er gearbeit. Wie ich
mich erian drehe, steht auch schon so en
Beläcsmann i,innig mich un bot mich
getäckelt. Was die Stich sor e End ge
nomme bot, das verzehl ich Jhne in
mein nächste Schreitorbries. Mit beste
RieaarJM Lizzie Hanfstengei.
I
Die Operation.
Erzählung von Eva Gräfin von
Baudissin.
Bei der Abendvisite war der Chef
arzt faft eine halbe Stunde auf Zim
mer No. 7 geblieben. Die beiden
dienstthuenden Schwestern hufchten
im Eorridor an einander vorüber,
sliisterten sich zu: »Wie sie es wohl
aufnehmen mag?! Es ist fo merk
würdig ftill da drinnen,« und warfen
einen-halb mitleidigen, halb neugie
rigen Blick auf die helle Tannenthiir.
Als der Arzt die Rande beendet
hatte, trat die Oberin ihm entgegen.
Der Arzt zuctte die Achseln: »Sie
will sich morgen früh erst entscheiden,
aber sie ist merkwürdig ruhio, ich
fürchte, sie bleibt hartnäckig,« sagte er. ’
Und nach kurzem Nachdenken, als be
griffe auch er vollständig die Meige
rung, sehte er hinzu: »Sie hat ganz
Recht! Und sie will Niemand sehen,s
auch den Trottel von Mann nicht, sie i
fürchtet wohl sogar dessen Beein- :
flussung.« «
Er stand noch einen Augenblick wie
unfchliissig im Conferenzzimmer. Er
: war traurig. Und in plöylichem Im
’ puls reichte ihm die Oberin die Hand. :
»Ja, ja, Schwefter«, sagte er mitt
etwas zitternder Stimme, »daß mans
immer noch miternpfindet ——- mitlei-(
det —- faft Unbegreiflichl So steht man
täglich neue Todesqualen ausk«
Er aab ibre Hand frei und ging.
Auf No. 7 war es immer noch still. ;
Nach einer halben Stunde brachtcs
leine Schwester den Ther, schob ein(
« titljche Abendesfen, reichte die Ser
1 guten Appetit."
Tischchen ans Bett, ordnete das appe
viette hinüber und sagte freundlich
und sanft:
»Bitte sehr, gnädige Frau! Und
»Ich danke,«.tlan«g es ruhig zurück.
»Es ist itnfaßlid),'« klagte die Pfle
; gerin draußen den Anderen, »ich habe
garnicht gewagt, sie anzusehen —«- das
- kin
Herz tönnte Einem brechen vor Mit
Sie lllcllcll Auc. Yclllll Millcll ich
"an die iilsrigrn Ziranten zu denkenl
und gingen ihren Pflichten nach.
No. 7 lag noch immer regungslos
im Bett, lang ausgestreckt auf dem
Rücken, die Arme kraftlos neben ihr.
Sie war wie versteinert, sie konnte
nicht denken, nicht überlegen und doch l
hörte sie immer wieder das eine Wort, «
das sie schon heraus-gefühlt herauLs I
geahnt hatte beim Beginn seiner Rede l
und vor dem sie sich versteckt hatte,
angstvoll, verzweifelt. Sie wollte ihnl
nicht verste hen, nicht begreifen, sie wich I
. ihm aus und endlich nahm er all sei- «
nen Muth zusammen und sagte lang
sam, die Silben betonend:
,,Jaioohl, gnädige Fr,au entstellt
siir immer! Sie diirsen mich nicht
mißverstehen, Sie müssen Ihre Ein
willigung geden, und daher muß ich
Ihnen die Wahrheit sagen: die Ur
sache Jhrer Schmerzen liegt hinter
dem Ettenheim wie sich bei der heuti
gen Untersuchung herausgestellt hat,
es handelt sich nicht mehr um eine
einfache Fleischoperation, wie wir an
fangs dachten. Wir müssen den Kopf
aufmeißeln —- und Ihre Nase wird
einsallen.«
Sie hatte ihre Prachtvollen, feuri
gen, leuchtenden Augen von ihm abge
wendet und starr auf die weißge
tiinchte Wand gesehen. .
s Er sprach weiter, sprach ihr Trost
Fund Muth ein, und sah nnd dachte
Hoch nichts als an ihre wunderbare
sSchiinheih die morgen unter seinem
i
)
i
s
Messer vernichtet sein würde»
Sie haben so Vieles vorausaehaht
vor den anderen Menschenkindern,«
hatte et schließlich gesagt. »Wie eine
» Fürstin haben Sie aus den bösen ge
ttvandelt, und Zurüelsehungem Ent
r)
W
täuschungen, Nichtbeachtung —- alle
diese kleinen und großen Kränkungen,
unter denen grabe eine Frau so leidet
—- Jhnen sind sie erspart geblieben.
Sie steigen nun herab von Jhrem
Thron, aber was man nun der Schön
heit versagt —- Jhrer Liebenswiirdig
keit wird man es bewilligen -— —·«
Sie hörte garnicht aus ihn, seine
Rbede prallte von ihrem Dentvermögen
a .
Was wußte denn er, was wußten
denn Alle, was sie ihr gewesen, ihre
Schönheit? Und doch war sie nicht
eitel gewesen in dem Sinne, wie an
dere Frauen es sind Sie stand selbst
bewundernd bot all den Reizen, mit
denen ihr Körper und ihr Antlitz ge
schmückt war, aber sie wurde weder
tleinlich noch neidisch: vielleicht weil
sie nichts Zu fürchten brauchte und sich
doch Alle vor ihr beugten.
Sie tastete nach dein Nachtschränt
chen; es trug aus seiner has; Ziehen,
gläsernen Platte all die hübschen El
senbein- und Silbersachen, die Toi
lette-Requisiten der eleganten Frau.
Und ehe sie in den Spiegel blickte,
schob sie mit der Hand das schwarze
Haar von der Stirn ganz weit zurück,
sie wollte sehen, ob schon der Verband
sie entstelle. Aus dem ovalen Gäns
slammten ihr die dunklen Augen ent
gegen, so heiß, so nah, dasz sie fast er
schrak; von den Brauen sah sie nur
die feinen Spitzen nicht an den Schlä
sen und ein paar dunkle Härchen, die
über der Nasenwurzel fast zusammen
liefen; sie össnete den Mund, tadel
lose, kleine, weiße Zähne saßen in dem
rosasarbenen Fleisch und nun, da sie
die Lippen schloß, wölbte sich die
Unterlippe wie eine rothe Kirsche,
»wenn sie überhaupt leine Schönheit
hatte, als den Mund, hatte einst ein
Künstler gesagt, »er ist vollendet
schön!« Sie lächelte bei der Erinne
rung. Sosort martirten sich ein Paar
tiefer Grübchen linis und rechts ins
ihren Wangen und fie strich mit derj
Fingerspitze über den weichen Flaum,
der wie bei einem Kinde, ihre Haut
deckte. Der Spiegel zeigte ihr bei der
Bewegung die schmale, weiße Hand,
die zugefpitzten Finger mit den ge
wölbten, mandelförmigen Nägeln,
einen Cnitus hatte man mit dieser
Hand getrieben, sie befangen, gemalt,
Bildhauer hatten gebeten, sie modelli
ren zu dürfen. Sie würde ja bleiben·
Wer aber würde die Hand ansehen?
Sie war nur ein Theil der Schönheit,
sie gehörte zum Ganzen -— die arme
Hand, man würde sie vergessen, über
sehen wollen, wie man sich abwenden
würde, um ihrem verstümmelten Ant
litz nicht zu begegnen.
Sie fchauerte zusammen. Morgen
—- inorgen wurde es vorbei sein!
Ausgetriiumt dieser Tag von Trium
phen und Eroberungem vorbei ihre
Macht, ihre Gewalt, vorbei — vobei!
Mit einem vernichtenden Schlage!
Nicht allmählich wie andere Frauen
mußte sie lernen, zu verzichten, be
scheiden zu werden.... und sich viel
leicht fiir die welken Reize doY noch
einen treuen Verehrer hinüberretien
in den dämmrigen Garten der Vers
gessenheit ——— ihr blieb Nichts, Nie
mand s-« sie würde bemitleidet werden
und doch gemieden und mit Grauen
oder mit Sehneenfreude betrachtet —
Nein, nein, tausendmal nein!
Ob sie Alle auch nur eine Minute
denken konnten, sie wiirbe so dumm
seini- So thörieht? Und wem sollte
sie dieses Opfer bringen«-» Dem Le
ben? Ja, was gab es denn noch für
sie? Was erwartete sie denn noch?
Welche Freuden hatte sie nicht geto
stet —- welchen Genuß hatte sie sich
Versagen brauchen welche Siege
konnte sie noch feieran
Und immer noch den Blick starr
ans das- bleiche, schöne Antlitz iin
Spiegel da geheftet, zog es in leuch
tenden Bildern an ihr doriiber —— im
mer nur Momente des Glanzes-, wie
von Wonne und noch heilte von ihr
nachempsunden mit tiesinnerster Be
friedigung. Als Kind hatte man sie
angeredet, gelobt, alle Menschen sa
hen sich Um nach ihr, zu Hause er
zählte die Banne der strahlende-n Mut
ter von all den Schmeichelreden; nnd
man hatte sie geküßt und aeliebtost,
als sei diese Schönheit ihr eje enstes
Verdienst Sie sah sich ini kurzen,
spitzenbesetzten Balltleidchem einen
Roseniranz in den Locken; ein lichter- .
tuntelnder Saal und eine geputzte
Menge ringsum; sie stand in der
Mitte wie eine kleine Köniain und
wirkliche kleine Prinzen holten sie
zum Tanze. . . sie war ja die Schönste!
Welch ein Gedränge später um sie
aus allen Festen, in ihrer Lage-, des
Morgens auf den Spazierritten, des
Nachmittags bei den Ausfahrten»
Sie hörte es wie eine leise Musik, eine
Ovation wie viele andere und die ihr
doch besonders gefallen hatte. ;
Einmal hatte Jemand sie gefragt»
ob denn nicht diese Bewunderung ihr
zuwider sei, sie nicht langweile aus
die Dauer. Sie lfatie nur gelacht
Sie lebte ja von die er Bewunderung.
Sie hatte schließlich aeantwortet:
»Wenn ich häßlich geworden bin,
wenn ich nicht mehr gefalle, dann
sterbe ich! Dann will ich sterben l« ;
Die Stunde war da. Sterben!
Hinab in die Erde, der schöne Leib
zwischen enge Bretter gepreßt und
über sich schwere, schwarze, kalte Erde.
Sie atbmete ties aus« als läge schon
jedt die Last aus ihrer Brust Aber
sie würde dann nichts mehr fühlen l
— —
Sie würde todt sein« Unempsindlich
gegen Alles. So ruhig wie jetzt würde
sie liegen, die Hände aus der Brust
gefaltet. Und schön würde sie aus
sehen, wunderbar schön! Morgen früh »
noch wollte sie der Schwester sagen,
daß man ihr das feine Linontuch mit
den Brüsseler Kanten um den Kopf
binden solle, dann würde die Wunde
verdeckt und die Spitzen umrahmten
ihr Antlitz wie eine leichte Wolke. Man
würde sagen: sie verstand es, schijn zu
sterben, sie hat nicht Alter und Verfall
abgewartet, wie eine Rose ist sie da
hingegangen in der Gluth des Mit
tags.
Leise trat die Schwester herein,
rauinte das Theezeug sort und drehte
das Gas aug. Die Kranke rührte sich l
nicht, sie schlief wohl. s
Sie bemühte sich nun, ernsthaft zu s
uberleaen. Sie sollte ja fort aus dem i
lachenden herrlichen Leben in das Un- i
gewisse. Die Einigkeit sollte sie auf- I
nehmen, untergehen sollte sie, ver- !
schwinden und Alles vorüber, was sie
gefreut und ihr wohlaethan hatte.
Wer wohl ihren Schmuck traoen wür
de? Die lange Verlentette, die sich in .
solchem matten Glanz von ihrem wei
ßen Nacken abhob. .. Sie verwars die
Vorstellung: sie wollte sich ja vorberei
ten auf das Ende! Und sie bemühte
sich, an Gott zu denken, ihre Sünden
nachzuzählen und zu überlegen, welche
er zu den großen, welche er zu den
kleinen zählen würde War es ihre
Schuld, daß auch in der Kirche alle
Augen sich ihr zugewendet hatten, dasz
der Geistliche, wenn sie im Beichtstuhl
kniete, immer nur aus ihre Lippen sah
und ihr so demüthig Vergebung ver
hieß, als habe er um Verzeihung zu
bitten? Ob Gott auch ein gütiges
Lächeln für sein schönes Kind haben
würde? Und unwillkürlich sah sie sich
in den Himmel treten, von bewun
dernden Blicken empfangen von Allen
uindrängt, von Allen gefeiert wie eine
Fürstin — —
Wie eine Fürstin!
Nein, nein, so würde es ja nicht
sein! Ein Schauern ging durch ihren
Körper und die bohrenden Schmerzen
begannen hinter ihrer Stirn. Sie
seufzte leise. Besser war, sie ginaez
allzu lange konnte es ja nicht mehr
dauern. Sie würde sie behalten bis
zuletzt, ihre Schönheit, sie wurde sie
mit sich hinab nehmen ins Grab. Das
Leben würde weiter gehen ohne sie —
wie bald war sie vergkfsen --— die
Menschen würden sich freuen und hei
ter und glücklich sein, sie mußte drau
ßen liegen, still und einsam — —
Aber Eins konnte man ihr nicht
I rauben: ihre Schönheit-ihre Schön
I heit —- Sie verfiel in kurzen, unruhi
f aen Schlummer, immer war ihr, als
i sollte sie bestohlen werden, und laut
; sagte sie beim Erwachen ins Dunkel
s hinein: nein, nein, ich behalte stel«
s Sterben — sterben!
» Sie warf sich hin und ber, als der
’Moraen dämmerte· Das junge Licht
vertrieb das Dunkel aus allen Ecken,
die Bäume draußen rauschten leise im
Wind, der die Sonne zu begleiten
pflegt, die Spatzen zirpten am Fen
stergesims. Was fragten die grauen,
unscheinbaren Vögel, ob sie verachtet
wurden, —- wag aalt es unten dem
Bäckerjunaem der ein Lied Pfiff, datz
er keine Rolle im Dasein spielte? Sie
lebten — lebten —- und Das war ih
nen geneig! Arbeiten — theilnehmen
an Welt und Menschen ——— sich frei be
wegen dürfen — essen, trinken -—— all
die kleinen und großen Tageslasten
tragen —- Liebe aeben und — nein,
nicht mehr uebe empfangen, aber viel
leicht Güte und Theilnahme, sich mit
Anderen freuen und mit ihnen trau
ern, leben —- leben!
Sie sasj aufrecht im Bett, als die
Schwester eintrat; dag Gesicht hatte sie
oem scnnenbeschienenen Fenster zuge
wandt.
Sie war rnliia und aesaßt und wie
der nur waate die Pflegerin sie mit
scheuem Blut zu streifen
Sie machte Toiiette wie an jedem
Morgen, aber sie schob den Spiekiel
weit von sich.
Dann tam der Dort-or
»Ich habe eS mir überlegt,« sagte sie
leise und fest, »das heißt, eigentlich
brauche ich kaum zu überlegen --— es
ist ja selbnveritiindlich —- ich werde
mich operiren lassen!«
Aus einer Anzahl Entscheidungen
welche die englischen Gerichte kürzlich
in Bezug auf Arbeiter-Fragen abge
geben haben, geht hervor, daß das
Unionswefcn dort auf einer wesentlich
anderen Basis beruht, als bei uns.
Der hauptsächliche Unterschied besteht
darin, daß die Arbeiter-Unionen in
torporirt sind, woraus sich die Mög
lichkeit ergibt, sie fiir ihre Handlun
gen und die ihrer Mitglieder finan
ziell oerantwortlich zu machen. So
wurde eine Fleis2tscrsGesellensllnion
verurtheilt, einein Metzger 81250
Schaden-ersah zu zahlen, weil sie seine
Gesellen veranlaßte ihre Thätigteit
ohne die tontrattlich vorgeschriebene
Kündigng einzustellen. Dieser Vor
theil der englischen Arbeitgeber ist in
diesem Lande nicht unbemerkt geblie
ben und es ist mehrfach die Rede da
von gewesen, es sollten die amerikani
schen Arbeiter eine Union nur unter
der Bedingung anerkennen, daß sie in
korporirt ist, so daß sie solidarisch für
Contraktbruch und offene Uebertre
tungen des Gesetzes, fiir welche eine
Schadenersatz-Forderung statthaft ist,
haftbar gemacht werden kann.
L-—:E.
Hehskinisches
Vrucltfoljlcm
Der Herr Professor nahm sich vor,
sein Ruhegehalt in Senf zu verzehren.
Zeitgemäsierpefsimistnug. »
»Mein ältester Sohn ist Bankdirel
tor!«——,,Nun ja, es gibt ja in den mei
sten Familien einen verlorenen Sohn.«
gldeenverbindung.
B ä u e r i n : ,,Richti’, jetzt, wo der
Vater gähnt, sallt’s mir ein: d’ Haus
thür is’ net zug’sperrt!«
Gröstlich.
Junger Fuchs: »Solch’
Dutchfall dutch’5 Examen muß doch
schrecklich sein«-A l t e r S t u -
d e n t : »J, das gewöhnt sich!«
Ein ganzer Berl.
R i ch t e : : ,,Können Sie den Eid
leisten?«-—Z e U g e : »Den Eid möcht'
ick ’mal sehen, den ick nicht leisten
kann!«
Ein erfolgreicher Yoktov
»Wie kommt es nur, daß Dir so sel
ten ein Patient gestorben?«——-»Weil,
wenn ich merke, daß die Sache hoff
nungslos-, ich stets eine Luftverände
rung anrathe.«
Heim gilt-e geblieben.
»Deine Alma muß wirklich ein
him m l i sche s Geschöpf sein!«—
»Ja, Du solltest sie einmal, wenn ich
spät Abean nach Hause komme, d o n -
v e r n hören!«
Yndividucue ZusiMunw
Bürgermeister: »Eswitd
beabsichtigt, hier im Orte eine freiwil
liqe Feuerwehr zu bilden!«——B a u e r :
»Ja, aber für was ham’ ma uns nacha
versichern lassen?«
» eKatal.
; Maschinenhirektor idem
j ein Mechaniker seine neueste »Erfin
H hung« erilärt): »Ganz recht, mein Lie
I bek, die Pumpe ist ideal, nur schade-—
i die Jbee ist gepumpt!«
s genahte Gelegenheit.
I A. : »Seit einigen Jahren hat mir
der Arzt das Biertrinten untersagt!«
—B. : »Aber Sie trinken doch gerade
welches!«—A. : »Ja, wissen Sie, wir
sind augenblicklich bös miteinander!«
Ein Possimtst.
»Schau, Männchen, der Herr kommt
· tiiglich daher und theilt Zucker aus
! unter die Kinder. Der muß ein großer
IKinderfreund sein!«——»Kinderfreund?
ZQuatsch! Ein Z a h n ar zt wird er
i sein!«
· Zisnenstolp
Nachbarssohn: ,,DerMax
I will heute gar nicht mit uns spielen,
J Herr von Meierstein!«—o o n M e i e r
» st e i n (nengeadelt, lächelnd zu seiner
» Gattin): »Der Junge kriegt bereits e
« Ahnenstolz, Rosa!«
L ——-..—
! Höchste Beleidigung.
« »Was hat Jhnen denn der Meter
fiir eine furchtbare Schmach angethan,
daß Sie ihn vertlagen wollen?«—
Vegetarianer (Vesit3,er einer
Zeitung): »Er hat mein Blatt ein—
Wurftblatt genannt, der Lump!'·
l Øin Yobcrmütliigen
’ R a t h: »Wissen Sie schon, der
Diätar Schimmelpfennig hat Zwil
linqe betommen.«——S e t r e t ä r:
»Seben Sie, Herr Rath, ich sagte gleich,
er wird übermüthiq werden, wenn Sie
. ihm die Gehaltszulage bewilligen.«
l
L Vor Pantosscltjold.
j K o l le g e : »Wie, Sie gehen die
.sen Abend allein in’-3 Theater! Da
’ können Sie doch nachher etwas in die
H Kneipe tommen?«-—-«-B e a m t e r:
J ,,1lnmöglich, wenn meine Frau nicht
J mitqeht—da läßt sie mich nachher
durchs Dienstmädchen abholen!«
L .- ..,-—.,-....—
Zier site-http
LÆ XII-Si
) Herr zum Angler (demer
; eine Stunde zugesehen hat): »Das An
» geln ist doch ein recht langweiliges Ver
janügem werden Sie denn gar nicht
ftumpfsinnig davon?«——,,O na, aber
wissens, netli hat mir Oano nur o
halbe Stund' zuagfchaugt, den hams
an Ta«g dran in d’ Jdiotenanstalt
bracht!«
Flotte Mirthkchafk 7
M o n n (entrüsiei): »Wenn Du
doch nun endlich meine Strümpfe stop
fen wolltest! Man weiß ja niemals,
was oben und was unten ist!«
Hogründung
»Herr Kommerzienrath gedenken den
Frühling in Nizza zuzudrinsgen?«——
»Ja! Oder kennen Sie einen passen
deren Frühling für Kommerzien
räthe?«
Wicht Zu verblüffcw
H a u f i r e r : »Kaner Sie mir
ab ’n Mausefall!«——G a st : »Brauche
ich nicht, ich habe keine Mäuse.«——
H a u s i r e r: »Ich kann se Jhnen
liefern mit Mäus!«
Gute-: Huld-at
S e r g e a n t : «Rel.rut Meyer,
was sagen Sie, wenn Sie vor dem
Feind auf Posten stehen und es kommt
etwas Verdächtiges?«—R e l r u t
M e y e r : »Pardon!«
zsliiizloek
»Wenn Du über so viel Kapital ver
« fügli, würde ich mir doch an Deiner
; Stelle ein Haus laufen!«——,,Was nützt
mir das! Den Hausschlüssel gibt mir
meine Alte doch nicht!«
Zbgebliszt
G i g e r l : »Hast Du keine Furchi«
vor mir, Kleine?«—S t al l d i-r n :
,,J’ net, aber mei’ Kuh lönnt’ er
schrecken!«
Glänzend-g Zeug-mitz.
,,Hiermii bezeuge ich der Köchin
Anna Schulze, daß ich, so lange sie
meine Küche geführt, in jedem Jahre
zwei Mal eine Marienbader Kur ma
chen mußte. Rentier Emil Freßle.«
Ztilblütljh
Glas dem Ausgabehefte einer höheren
Tochter).——Der junge Guispächter saß
auf einer Bank im Hofe und freute sich
über die Vogel und Schweine, welche
lustig in den Zweigen zwitscherten und
grunzten.
» Zu ängstlich.
« A r z t : »Hier, Frauchen, da hab’
ich Euch ein eisenhaliiges Pulver
ausgeschrieben, davon müßt Jshr täglich
drei Mal eine Messerspitze voll neh
men!«—-B a« u e r i n: »Ach, bitt’
schön, Herr Doktor, möchten S’ mir
ndt lieber ’was anders- verschreiben,
weich halt bei uns im Gebirg’ gar so
viel G’wiiier hat!"
Zurechtgpwielcw
W
Badedienerin (znm Luft
schifser, der in’s Damenbassin gestxirzt
ist): »Bitte, mein Herr, dass Herren
bad ist aus der anderen Seite.«
» Zeitbiltn
Endlich ist der Schriftsteller Schulze
berühmt geworden!«———«So, hat doch
noch ein Theaterstiid von ihm Erfolg
gehabt?«—»DaS nicht, aber er hat so
eben den 1. Preis in einer Atti-mobil
Wettsahrt gewonnen!«
Wortes-unt »
B e t t l e r : »Am etwa einem
Jahre schenkten Sie mir eine alte Weste,
in der noch ein Hundertmarkschein
steckte.«—.H e t r : ,,Himmel, und Sie
bringen mir den Hundertntarkschein
zukiict·".««——B e t t l e r : »Bewahre, ich
wollte nur fragen, ob Sie nicht wieder
eine alte Weste für mich habeu.«
Rücksicht-now
T o u r i st (ersch"o«vst): »Wie weit
isth noch bis zur nächsten Ortschaft?«
—B a u e r: »Werd’n wohl s zwei
Stunden sein«-T o u r i st (seus
zend): »Zwei Stunden? »Wissen Sie
das sicher?«-—B a u e r: »Na, weil
S’ gar so dalechzt san, sag’n mer hait
Fünfviettelstund.«