Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 23, 1901, Sonntags-Blatt, Image 18

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Heidenstmnm
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sEsszssswVERMES-MINng
j (4. IortseiungJ ·
Die Straßen waren leer. aber eins
lne Spaziergänger sah man disch
Gott« ältere herren. die ihre Brun:
nennrotnenade machten und sich über
das Wetter ebensosehr freuten spie
Eber die roße Pünktiichteir nnd Ener
gie, mit r sie dem Versucher »Mei«
unt Tros auch heute Morgen sich
ausaernacht hatten Sie Fanden es
Abgeschmackt, daß alle andern Leute
ihres Standes. den wrbänaten Fen
rn nach Zu nxrzilern noch fest senkte
·an einem sind-en Morgen!«, und
versahen dabei, daß sie ieäbst noch .
vor vierzehn Tagen sich sei-ils beim
Wen Sonnenschein nur urn so de
licher im Bett gedehnt hatten. Und «
sie, wenn vie Lehre Flasche Karls- I
habet« getrunken ist, um Morgen- »
me nd Vogelgezwitscher sich denj»
enfel kümmern würden. :
Die ersten Arbeitsleute erschienen!
nrm auch in den Straßen —- Mens ;
schen. die »Karlsbabet« nie benöthi-«
sen nnd dieses Geträni nicht einmal?
vom hörensagen kennen —- die Bä-?
setiun n lamen, die Zeitungssrauem !
die Mi chwagen votn Lande, die große j
Provinzialstadt war aufgewacht. ’
Joseph gen so rasch er konnte den
Weg zur ennbahn. Bisweilen ·
schaute er sich um, ob keine Droschtec
In sehen sei, aber er suchte danach ver- l
ges-lich. Er dachte nur dumpf an die «
enormen Geldverluste dieser Nacht, er -
hatte Evas Gefühl, daß jetzt alles dar- l
aus ankomme, Marie nicht warten zuj
lasen l
Einmal blieb er ein paar Augen
blise stehen, um Athern zu schöpfen
und seine Gedanken zu sammeln.
· Was wird Miarie sagen, wenn fiel
r so sieht: das übernachtete Gesicht,
inarettenasche aus der Unisorm, die i
!
i
Haarenicht geordnet, Hände und Ge
fecht-neckst gewaschen!
Jeedr um," oachte er, »gen nach!
Haus« leg dich zwei Stunden schlafen, »
und begteb dich dann zum Dienst
Oder auch nicht zum Dienst, melde
dich krank. Und dann setze dich hin,
sund schreibe an Marie einen Brief:
»Ich habe an Dir miserabel .gehandelt,
ich stehe direct vor dem Ruin, gieb
rnich frei, nimm Deine Freiheit zu
rück Sie wird einen andern finden,
sder sie glücklicher macht, sie braucht
nur die Hand auszustrecken, um unter
hundert zu wählen, die mehr taugen
Ilö ich. Aber sie wartet! Sie steht
M draußen vor der Tribüne und
ut sich än ftlich um, ob ich nicht
lpmnre.« Er ab im Geiste die großen
ängstlichen A en, deren ganze Angst
ibm gglU nd er fah» die anderen
Verren zu ihr hernatretem
»Nun, so allein? Läßt Herr von
heidenftamm Sie warten, gnädiges
Fräulein?«
Vorwärts.
»An esinemTszåIerbäunnen Tiequ »
eeer ern a ntu und fu r
Aber Gesicht und Hände. :
Da war die Rennbahn, endlich —
swanzi Minuten nach sechs.
Viedicht war Marie noch gar nicht
Ida, hatte derschlafen, kam er später
oder gar nicht.
Er gab sich einen letzten Ruck, schob
»die Muse aus der Stirn und vers achte
ern heiteres Gesicht zu machen. Nun
er um die Ecke.
« a stand Marie, fünfzig Schritte
vor ihm, ganz allein. Sie sah ihn
nicht, sondern lehnte an der Barriere
nd beobachtete zwei Damen, die quer
feldein rittem
Die Sonne war durch die leichten
Morgenwolken gedrungen und legte
einen goldenen Schimmer über die
we. Drüben am Rande der Renn
-« Lgnd der Wald im Maien kün,
rechts m der Fern-e fuhr ein S nell
« weben
»- crie hatte beide Arme auf die
Holzbalfen»gelegt und wippte auf ei
ner. antseJeicht auf und nieder,
M anke junge Figur hob und
- prägte .
Linken Morgen, Marie!'«
Mit einer raschen Bewegung wand
te sie sich um.
s »Na, endlich! Langfchläfer!«
»Wer eih, Marie, aber ich — ich«
»Entschukdige Dich nur nicht, du hast
dich verschlafen. Während ich schon
mn vier aus dem Bett war. Jede
Stunde während der ganzen Nacht bin
:- cufgetvacht, immer in der Angst,
könnte zu iit kommen."
set-h ver achte, ein gutgelauntes
« zu eigen« aber es wurde nur
eure runa e.
«·Er hätte ihr sagen können: »Ich
tout die Nacht mit Rochus und den
M zufammen, ich war überhaupt
Mel-i im Bett,«« und sie hätte ein wenig
gesehm-M und ihn geschulten wie schon »
M, wenn er ihr lächelnd seine nächt
- W Fahrt-n freiwillig beichtete,aber
et fand nicht den Muth. Er belog fie,
W erstenmal
»Du sieäk blaß aus« Joseph; un:
» ·J wi n, werde nicht trank. Ein
« daß dieser Prozeß nun endlich
- w k«
, —- felir richtig, ein
Z- Ise W
«emMiGd-uuf'
s «Joseph. du bist ironi!«
.Unfinn, Unsinn. Ja —- und was
ich sagen wollte —- die Pferde —- ist
der Bursche nicht da? Heranzi«
.Da drüben steht er."
»Richtig Ja, dann wollen wir hin
gehen. nicht wahr? Jeh werde »Frau
gipani' iider den Siecplechaseturs rei
ten.'
«Joseph. du reitest heute nicht« thue
mir die Liede. Du zitterst ja, wahr
haftig! Mein Gott· Joseph, was sehit
dir?!«
·Zittern?' Er lachte gezwungen.
»Ich bitte dicht Weghaih soll ich zit
tern? Weil ich reiten will? Ja? Oder
weshale Kleiner Narr!« Er zog sie
an sich — niemand war in der Nähe-—
und driiette ihr einen Kuß auf den
Mund.
Er fühlte, daß dieser ganze Morgen
eine einzige Liige war: sogar die ··ri
liebtest. sogar der Kuß. Alles üge,
alles Betrngi
Ader er hatte jetzt einen gewissen
Halt gewonnen, zvie Jemand, der die
erste Unwahrheit gliicklich überwunden
hat nnd nzin laltdliitig die verlorene
Sache zu Ende führt.
Er legte beide Hände an den Mund
nnd rief wie in einen Schalltrichier:
»Ist-onst he! hierher!«
Der verfehlafene Bursche,' der seitab
einen großen Fuchs beständig in ei
nein Kreise umher-führte, horchte auf,
stand einen Augenblick stranun und
kam dann mit dem Pferde am Zügel
über den Rasen getrabt.
»Da hätten wir ihn.' Joseph
klopfte dem hengfi auf den Hals und
zog die Schnallen am Satielgurt en
ger. »Du tanan ihn ruhig anfassen,
Marie, er isi nur itn Rennen ein Ber
brecher, der mich am liebsten oor jedem
Graben iiber den Hals schleudern
möchte Jin übrigen isi er ein lieber,
guter Kerl, was Frangi?«
Es war merkwürdig; in dem Au
genblicke, wo er rnit dem Pferde zu
thun hatt-e, war er wieder ein anderer
Mensch. Alle Sorgen schinen weit
zurück zu Regen, die Augen verloren
ihre müde Starrheit, und alle Mus
keln spannten sich.
z Dann trat er einige Schritte zurück
T neben Marie und musterte den Hengst.
! «Sieht er nicht wundervoll aus?
Diese Brufttiefe und der turze, strom
me Buckel! Fühl mal die Beine an,
klar wie Glas.«
Marie fürchtete sich, denn sie hatte
nie mit Pferden zu thun gehabt, aber
Joseph zog sie lachend heran und legte
ihre schlanke-n Finger um die feinen
warmen Fesseln des Pferdes dicht über
dem Borderhus.
Der große henast stand ruhig wie
ein Lamm, und nun bekam sie Muth
und ftreichelte seinen hals und den
hübschen Kopf.
»Du wolltest ihm doch Zucker rnit
bringen?«
»Ja, richtig!« Sie fuhr rnit der
band in »die Tasche und holte einige
Stücke hervor: «Wird er nicht bei
ßen?«
»Gott bewahre.«
Das Pferd schnupperte nach ihrer
Hand, die beim ersten Versuche ängst
lich zuriickzuckte, dann reichte sie ihm
tapfer Stück aus Stück.
Der Bursche stand rnit einem Grin
sen daneben, während Joseph in einer
aufsteigenden seltsamen Bewegung die
» Gruppe betrachtete.
z · Er schwang sich in den Sattel: »Du
; mußt dich nun eine Viertelstunde ge
; dulden, Marie; ich reite den hengst
; rings urn die Bahn nnd komme dort
s drüben iiber den Graben wieder hier
Eher. Addio.«
I Sie lächelte ihm zu: »Addio!«
i Lange blickte sie ihrn noch, bis er
I links hist-: m Psxmschuppeu ves
I .
Solange Joseph vor den Tribiinen
ritt und Maries Blick noch hinter sich
wußte, saß er gerade aufgerichtet . im
Sattel, dann fiel er langsam, ohne
sich dessen selbst bewußt zu werden« in
sich zusammen. Die Augen hielt er
mechanisch voraus, um den Kurs zu
beobachten, aber der Kopf hing müde
vorniiber, die Schenkel agen schlaff
an
Der Hengst der die TheilnahmlosigJ
ieit des Reiters fühlte, wurde langsa
mer, aber erst in dem Moment, als
das Pferd aus dem Galopp in Trüb
überging, fuhr Joseph ans und nahm
i
; sich und den Gaul wieder zusammen. «
)
Nach einiger Zeit wiederholte sich
das Spiel. Vor den Hürde-r und
Hindernissen raffte der Reiter sich je
desmal instinktiv in die Höhe und gad
maschinenniäßig dem Pferde die noth
wendigen ilfen, und nur einmal —
ali Frangipani die Steinmauer ta
dellos gesprungen hatte —- wurde Jo
seph einige Gesunden lang wach zum
Nachdenken
»Seltsarn, wie ee heute springt, seist
Mein. Er kennt seinen Reiter-. Wenn
es auf mich eben angekommen wäre, so
M wir beide hinter der Mauer tin
Wesnt«. Er beugte Ich mutibet
und klopfte aus den schlonten muster
lösen Hals dee Thieres. »Gut so,
gut. Wir hätten vielleicht beide das
Wiederausstehen vergessen — hm —
und siir einen von uns wäre das kein
Unglück gewesen«
Marie sah ihn von Weitem heran
galoppiren. es sah hübsch aus« wie
Pserd und Reiter in der Morgensonne
iiber die Grassläche näher kamen,
während außer ihnen Niemand aus
der Rennbahn zu sehen war·
»Da reitet idenstamm.«
Sie blickte ch um: eine Anzahl
junger und jüngster Ofsiziere, die se
nicht tannte nnd die wohl erst kürzlich
herrommandirt waren, waren von der
Stadt hergekommen und standen in
ihrer Nähe; einer derselben glotzte ihr
måt unverschämter Neugier ins Ge
si t.
»Heidenstamrn?« schnarrte ein blut
junger Leutnant, «woher wissen Sie
das? Sie tönnen doch den Reiter da
nicht aus zweihundertsiinszig Meter
Distanz ertennen.«
»Mein lieber Freund, so sr t nur
ein Mensch in Hannover u serde,
und das ist heidenstamm - r ißt im
Sattel wie ein alter Herr und ge
winnt seine Rennen wie ein jun er
Gott. Sehen Sie, da kommt er. st
er es, oder ist er es nicht?«
»Wahr stig.« ;
»Ein eiter« wie es seinen wieders
giebt. Der zweite Sevdlin. Dreiund- i
zwanzig Fabre alt, stellen Sie sich das i
vor!’Ste en Sie sich vor: die Car- I
riere.«
» Marie horchte mit aller Anstren
l ung. Der Sprecher war derselbe, der
J re kurz vorher so unversroren ange
J starrt hatte, aber sie war ihm nicht
j mehr böse. Unter ihrem Schleier, den
s sie rasch hinabge ogen hatte, blickte sie
zu dem jungen enschen hinüber und
» lächelte leise: ytWean der wüßte, daß
; ich Joseph’s Braut bini«
J Falls dieser flüchtige Einfall als
»ein Wunsch gedacht war, so ing er
außerordentlich rasch in Er,iillung.
denn zehn Setunden später hielt Jo
. seph seinen leise teuchenden und an
- den Flanten schweißbedeckten hengst
, hart an der Barriere unmittelbar ne
; ben ihr an. Er grüßte zu den Ossizies
s ren hinüber, die außerordentlich artig
1 den Gruß erwiderten und reichte Ma
; rie die hand.
»Eine-! Moment n , Schac· txt
soll den Wasser-graben prin en. dann
hat er genn sitt ute. Ni t wahr,
I
idu lan il Idich «
s Eins-Eint Geringsten, im Gegen
s thei .'·
)
i «Jn füns Minuten bin ich bei dir.«
»Das ist seine Breit-U
I »Zum Donneewettey wer konnte
das wissen!"
»Ein berühmte Schönheit. Fräu
lein von Schnlenberg.«
Marie that, als od sie mit gespann
ter Aufmerksamkeit Joseph beobachte
te, der jetzt Fangipani an den Wasser
gruben herandrachte, aber sie wußte
nennt-, daß alle Blicke der betten aus
sie gerichtet seien, und das gab ihr ein
ei enthümlich warmes und heiteres
Gglüctsgesiihl .Jest reden sie über
mich, seht sagen ie: das ist Herrn von
heidenstsnmm’s raut, jetzt wird der
kleine Leutnant mich nicht wieder so
teck anschauen. —- Ob ich gut aus
sehe?« Sie ließ den Blick, ohne sich äu
bewegen, über Jacke und Kleid leiten
nnd war zufrieden. Nichts ist o an
genehm, als wenn die Leute uns un
tertaxitt hatten und werden plöslich
darüber aufgeklärt, welche vornehme
und ausgezeichnete Persönichteit sie
vor sich haben.
Fangsipani liebte die Waffetgrtiden
nicht« es hatte eine Zeit gegeben, wo
er shartnöetig unter jedem Jeden nnd«
Herrenreiter Hindernisse dieser Art
resiisitte, und auch Joseph hatte im
mer Mit-he gehabt, den stets etwas
stuhenden hengst geradeauö ge halten i
und ihn mit enugendem chwungei
hinüber zu wer en. heute zum ersten-. ?
mal ging der Hengst ohne das ering- !
sie Zo ern heran, sprang tade os ab J
und sog wie ein Vogel hinüber, tei- s
nen Centimeter zu hoch, lang, glattJ
ohne auch nur den Bruchtheil einer
Setunde zu verlieren.
«Bravo!' i
Die Ossiziere tlatschten in die Hän
de, und Heidenstamm schaute, die ü
.gell deriitrzenth nach links hinü er,
Zukus mit Lächeln und Kopf-z
Ists-n Steigst-Mk - s
Auch Marie yoo unwtururuch Dier
händr. Einen Moment hatte ihr das
herz stillstehen wollen, als g ranqipani
ixn Renntempo ge en den raben ber
anjaate, sich ho und seinen Reiter
durch die Luft trug, alles Blut war
ihr zum Herzen geströmt und über
goß nun, rückwärts eilend, ihre Wan
gen mit tiefre-them Schimmer.
»Brava, bravof sagte sie leise, und
«Bravo. Joseph!« nickte sie ihm zu,
als er fest zurück-geritten kam
»Das war ein Sprun was?'« er
lachte über das ganze Gesicht »Der
hengsi ist seit heute zehntausend mehr
werth. Jch samme, carie wir gehen
nun.«
Der Bursche lief heran, um sdem
Pferde Decken überzulegen, und Jo
seph sprang aus dem Sattel.
»Nun wollen wir frühstüclen,
Schatz.« »
Er grüßte im Gehen die Kamera
den, während Marie, den Arm in sei
nen Arm gelegt, nur leicht mit dem
Woge nickte.
re höflich verneigten sich die her
ren, mit welchen Verbeugungen —- ei
war ein reizender Moment, der jede
irr-IX Dante in gleicher Lage entzückt
Aepf- daiie seine Glastieität
»Bes- Wem
m nachwe- dieser
wabnsiuni Ida t. M ihm beinahe
den Todes oh ver est hatte.
»Sie t bangt alles davon ab,« sagte
er, wii rend tie in den Wald einboan
«ob ich die .,«tllrmee winne. morgen
in vier Wochen, in erlin.'
- »Welche «Armee"i
nißrennen des Landes. at Jagd
rennen der preußischen Armee, hast du
davon nie gebörtk
«Nein.«'
JDU tornmst mit nach Berlin. Ma
rie. du sollst dabei sein Du bi im
mer mein guter Engel du dar it an
dem Tage nicht fehlen-« -
Das wäre reizend!«
:Da wirst du dich wundern! Du
warst nie in Berlin, und das ist der
schönste Tag, den Berlin hat. Du
wirst Augen machen! Der Kaiser
kommt hinaus zum Rennen, diePrin
sen, der hof, alle Generale, jeder Os
sizier, überhaupt ganz Berlin. Es ist
) der großartigste Renntag, den es in
r Deutschland giebt. «
! »Und du glaubst, Joseph du wirst
! das Rennen gewinng Vor dem
) Kaiseri«
’ »Ich muß «
«Mit Frangipani?«
I :Ja" Er blieb einen Augenblick ste
ben wie um Atbem zu schöpfen. »Ma
: rie, dann —- dann heirathen wir
« Dann —- dann bin ich aus allen Sor
« gen.«
»Ist der Preis in dem Rennen so
bochi«
»Das nicht, nein, aber man mag'
er wollte sagen: Aus diese Karte das
Letzte sesen«, —ader er besann sich
und sagte: »Man muß das ausnuyen
Man tann fest vier Wochen vor dem
Rennen, lange Weiten bekommen,
12: l, 10:1, 8:1 und so weiter. Man
muß Feangipani zu jedem Betra e
wetten denn —- Marie, ich bitte di
sprich zu teinem Menschen darüber —
nur Frangipani gewinnt dasRennew
,,iN cht darüber sprechen?«
»Nicht einmal zu deiner Mutter, zu
keinem Menschen in der Welt. Nie
mand weiß, wie der sen st galoppirt,
nicht einmal ich selbst hase es gen-u sit,
bis heute Es giebt tein Pferd rn!
Lande, das ihn schlagen tann, ich ten
ne sie alle, es giebt teins.«
»Aber Joseph, wenn du dich irrst?!«
»Nein, nein," —- er lachte net-bös
»ich habe sie alle geritten. die da ir
gendwie in Betracht kommen, von
deute an bin ich meiner Sache sicher,
absolut-"
»Die .Tlrtnee«, das grii te hindre-.
er iekie ior Honig in reinen Ham
ausdriicten den Sachverhalt auseinan
der, erörterte die Chancen jedes seiner
Gegner: »Für «Fiy George' ist der
Weg zu weit — »Lanteene« ist site ein
solches Rennen nicht Classe genug —
»Johannesburg« hat in hoppegarten
nie seine Charlottenburger Form ge
zeigt. und «Braoienta«, die allein
«Frangipani« schlagen tönnte, wird
von Questenberg geritten —Qnesten
berg von den Denker Kürassirem dn
tennst ihn, er war sriiher hier aus
Reitschule — und diesen Questenderg«
—- ee lachte-·- ,,stect’ ich in die Tasche.«
Marie verstand wenig von denuvas
er sagte, aber sie hörte aus diesen vie
len Worten auch nur das heraus, was
was fee zu hören sich schme: daß nun
endlich fiir Joseph und sie das Glück
vor der Thier stand.
Noch vier Wochen! Arn nennten
Juni!
An sdiesern nennten Juni würde
man die Thür weit öffnen und das
Glück herein rusent
Jnr »Wer-en hanse«, dicht vor der
Stadt, tranten sie unter den do
alten Eichdöurnen den Morgentas ee.
In dem Stoßen Garten saßen nur ver
ein lte ente, die gleickj ihnen ihr
Fe hstiick im Freien einnckhmen —
vielleicht waren es die alten herren, die
ihre Beunnenpromenade beendet hat
ten —, so tonnten die Beiden ungestört I
ihren utunststraurn von Glis
heirai weiter träumen.
Marie schentte den Kassee in die
E Sätzen und machte die Butterbrote zu
re .
. »Weißt du« Joseph« wir rnir das
; heute Morgen dorstomnit?«
« »Ah-ist«
z Als ob wir ans der hochzeittireise
wären.«
Er lachte, und Marie errötlpete nnd
1 lachte auch.
nnd
Dann machten sie Pläne, wohin die
schönste alter Reisen sie führen solle:
an den Rhein, nach -Ostenoe, vielleicht,
init einem kurzen Alt-stechen nach Eng
and.
Und Marie, vie nichts von der Welt
gesehen hatte, absolut nichts als die
engste Umgebun hisnnoverz hörte
mit leuchtenve ugen zu, wie Joseph
vorn Rhein unt-Verm Ostende und Eng
lnad erzählte.
Die Spatzen hüpsten um sie her, de
nen Joseph Brodtrumen zumars, aber
iMarie beachtete die zuvringlichen Kei
« nen Kerle nicht, obwnhl sie sden ganzen .
Wagen Winter hindurch vie graue;
nve vor ihrem Fenster gesutterti
hatte. Sie sah mit ten tenden Augenj
aus den Geliebten, die llbogen aus
die Tischpiatte gestiiht und das Kinn
aus die hände gelehnt.
Das Dampfschtss kam, und sie fuhr
mit icnt über das Meer, die The-use
hinau, sie sah London, Wink-sey
Richmond —- immer mit ihm, immer
mit ihm.
Ja, es war ein lieber Minimum
gen, an dem man nichzts Schönen
thun konnte als Reises-laue schmieden
—- hochzeitireisehtöne.
Viertei copitet
Wenn die Cevbeetenzeit ten-net,
wissen die Einwohner der Stadt Han
W
nooer ni t recht, was sie mit ber un
mäßigen enge bieser Zriichte an n
en soll . Vor zwanzig. dre ßig
saht-en waren bie Erbbeeren noch rar,
I aber specnlatioe Mikse sagten sich, daß
man ohne Schwierc teit au vorneh
me Gartenerzeugni e en ma e robu
ciren könne, und ber Plan süs rte so
oortref li , baß Hannooer heutzutage
tm Fr hing von Erbbeeren unb
SpaFIn iiberichtoemmt wirb. Die
alte etsenitabt gleicht in dieser Hin
sicht ber Nachbarin sber noch älteren
Welsenstabt Brau chtoeig, vie mit
ihrer Riefenorobnction oon Spargeln.
Schololabe, Honigtuchem Ceroeiati
wiirsien, Conserven, Leberwiirsten unb
so weiter in der ganzen Welt einzig
dasteht.
Als Marie noch klein war, asz man
die Erbbeeren mit gestofenem Zucker,
als sre größer wurde, er and man bie
Mischung der rothen Beeren mit wei
ßer Schlagsahne, aber erst im Früh
ling 1888 lernte sie das allervornehm
sie Rezept kennen: Erbbeeren inCham
pagnercreme. Es ist das eine iuperbe
Composition, sberen allgemeine Ver
breitun sich durch bie allzugroßen
Herste ungdtoiten verbietet, die aber
allenthalben dort, wo man der Koch
tunst Concefsionen machen kann, mit
Recht beliebt ist.
Natürlich war es Berlin, wo Marie
die neue eise kennen lernte —- in
Hannooer «tte sie dazu keinerlei Ge
legen it gehabt —- unb zwar bei dem
famo en iner, das die alte Excellenz
s von Dei-bin ihr zu Ehren im Hotel
i Monopol veranstaltete.
k Diese ganzen acht Tage, die sie nun
Eichon in Berlin oerlebt hatte, waren
ein einziger Freudenrausch Sie
wurde gefeiert wie ein giön enber
Stern, der plötzlich aufgetaucht ist und
der alle anderen Sterne und Stern
chen verdunkelt. Sie wohnte bei den
Den-it in der KurFirfienstraße, aber
die alte Tante, die re mit offenen Ar
men aufgenommen hatte-, sah ihren
itrahlenben jungen Gast eigentlich nur
früh Morgens.
»Joseph beidensiammI Braut!«
Die drei Worte hätten als Empfeh
lungöbriei fiir das »Provinzmäbel«
vollständig genügt, benn ber glänzend
ste Reiter der Armee war in der Ge
sellschaft der »Garben-Stabt. —- sei
ner eigentlichen Garniion ——— minde
stens so gut betannt wie in seiner hei
maih Hannover.
mer was orauchie warte entwen
lungsbriefel Sie llal) rei endet aus
als je, sie hatte die en Gipfel erreicht,
den auch das schönste Mädchen nur
kurze Zeit —- pielleicht nur Monate,
vielleicht nur Wochen, vielleicht nur
einen einzigen Tag — behauptet Sie
selbst weiß eö nicht, wann die Stunde
dieser feinsten Blüthe erreicht ist, und
wir anderen wissen es auch nicht, bis
eines Tages auch der ungeiibte Blick
siebt, daß die lieblichfien Tage der
tleiiien imer noch dustenden Rose vor
über ind. Und »dann erinnern wir
uns erst, wie schön sie war —- war!
Sie selbst kommt zu dieser Einsicht
erst viel, viel später, und das ist gut
so. Moralische P ilisopben klagen
über das geringe iaß menschlicher
Selbstertenntniß, das doch eine der
besten Gaben einer giitisen Natur ist
Wie jammervoll die We t, wenn jeder
sich richtiz beurtbeilen könnte und
wolltet -ine larinayante Welt ohne
Freude!
Die Reise nach Berlin bildete in
ibreni rößten Theile Marie’Z glück
lichste Zeit
Schon die Vorbereitungen boten
eine Fülle an nehmer Sorgen. Man
mu te eine nmen neuer Kleider
gos e taufen, die olsepb in eigner
- erson auswäblen ai und die von
« Fräulein Schilling —- einer Dame« die
schon Marie’s Kindertleidchen genaht
hatte —- mit solcher Bewunderung be
trachtet nnd mit solcher Aengstlichteit
- u lchnitten wuwen ldenn sie war
Z der ungeheuren Verantwortung
iwahl bete-usw« daß alle drei neuen
Utieidet total mißlangem Aber was
l will auch das mißlungensie Kleid be
, deuten, wenn seine Trägerin die schön
site Jugendlichteit vertiir et! Nie
mand bemerkte die techni chen Freibu
mer an der blanieidenen Taille, Nie
mand die unmodernen Aerrnel an dein
englischen Stra nileidez und Ma
ried unermeßli n Erfolg, der von
Berlin natürlich nach hannover bin
iibertönte, versehte k riiulein Schillin
in den Waben daß die e e wirtli
bedeutende Aufgabe ihres ebens ge
nial gelöst habe. »
Dann gav es tojze Masche, und
alle die zahllosen äicheitiicke, die Ma
» tie’s Niesenkosser zu stillen bestimmt
waren W hinreichend, um damit eine
Rette nach Australien einzutreten —
; wurden von ihr selbst im Laufe zweier
Tage get-tönet Zweimal katn Joseph,
um sie zu einem Spaziergange ab u
holen, und Matie lief dann aus t»
Fiiiche zu ihm in’s Wohnzimmet. um
ihm mitzntheilem baß sie unter keinen
Umständen, selbst dem Geliebten sit-;
liebe nicht« von dem Steinlolplenfeueti
und den hei en Plöttbolzen si aufi
lön r als iini Minuten en ernen?
düt e. Sie trug ein helles Lamm-;
tleid mit ganz kurzen Aetmeln, aus
dem ihr weißer Hals und die schlanten
Amte hetvotschauten. »Ist-te Backen
waren von dee hetdhide gliihend
heiß, nnd ihre Augen noch strahlende
alt sonst.
Es trat wirklich Joseph nicht zu
vetventen, da et dieselaubmß
erbat, dein P ttges · ft betrog-wen zu
dürfen aber kie litt ihn nur eine kleine
varietas-m in der mich-, im even
getan-In inn ihm an einem harmlosen
f tuche zu deinen riten, daß sie
tot ich is Fee Kun bei Plöttens
ebenso erfahren sei wie in der tonm
igks Leitung eines Gan-haltet Bei
is r In anolesung aller iibrtaen Da
; menws che war seine Anweienheitum
s nbthiöz durchaus, nnd all sein Bitten
« um rlänsetng des Aufenthalte-l in
der Miche san-d nnnachichtliche Zu
riichoeilunn. Es wurde aus Gnade
Ko eph nach gestattet, das Plötteisen
: fel einmal in Bewegung zu sehen,
wobei er ein Batiiituch vermazeen mal
traitirte, dass Marie vor Ha n ster
ben und die alte Anna Krampfe be
kommen wollte, dann aber war vie
Gnadenfrisk abgelaufen, und »osepd
wurde mitleidlos hinausiomprmens
irrt.
Schließlich mußte file die Berliner
Reise eine förmliche kleine Aussteuer
gekauft werden: neue KnopfstreseL
neue hauzschuhe, neue pallfchuhe —·—
, man konnte ja nicht wissen, ob m
Berlin nicht auch im Sommer aetanzt
wird, und es wurde in der That wah
rend Marie’5 dortigem Aufenthalt
zweimal getanzt —- nene Handschuhe,
neue Bänder, neue Wische-in ixsue
Strümpfe, neue -— kurz und aut, so
viel Neues, daß die tleine Casse der
Mama außerordentlich stark mitge
nommen wurde. Aber es war freilich
hohe Zeit gewesen« die allzu sparsam
gehaltene Toilettenausstaitung Ma
rie’s auffufrischem
Berlin.
Der blo e Name hatte fiir Marie
seit ihrer indcrzeit immer etwas
Mystichses aehabt. Das war die
Igroße Stadt, die da im Osten lag; mit
den Kurierziigem die sie täglich über
die Eisenbahnbrücke der Königsstraße
donnern hörte, in fünf Stunden zu
erreichen, fiir Marie aber la fern wie
ein Märchenland, von dem man wohl
hört, das man indessen nie sehen wird.
Die Stadt des Kaisers, der Gar
ten, der großen Palaste, der Bot
ichafter. die Stadt, wo die vielen
I Mordthaten passiren, voll von Schö
nern und Schrecklicheml Jeden Tag
liest man in den Zeitungen irgend et
was, das in Berlin vor sich ging, alle
Freundinnen waren schon dort nn:
eriiihlen begeistert die kleinsten De
. ta ls ihrer Reite, man sieht Abbildun
gen der Straßen, Schlösier, Theater,
aber alles dieses Viele zusammenge
nommen aiebt nur ein vaaes Bild, das
sallenthallien Linien zeigt und im
i 1isxlritinde genommen nichts, gar nichts
: ask
I und nun ins Marie in dein-Schnell
s irge, der aus der Glasbolle des gro
I gen bannovrrischen Babnboflt lan -
i inne binauerollte. und wu te, daß ie
’ in vier Stunden und drei ig Minuten
? in Berlin lein würde.
E Jn der Stadt, die nach ihrer Ber
T heirathung wohl für immer ihre Hei
t matb werden jallir.
" Wie ein Kind schaute sie aus dem
lier nach jedem vorbeifliegenden
nie.
Die Leuie in Berlin spielen nicht
aern Biixrnfiihren weil sich das iin
alle die, wel e eine zahlreiche Provin
zialvertvandt chasi haben, als eine de
) mühseligsten, ewig gleichen, kostspieli
j aen und zeiiraubenden Arbeiten er
; weist. Man bai darüber ofi geschrie
j ben, es lohnt sich nicht« die uralie tra
laitoniifche Geschichte neu auszuwär
t
men
; Aber Marie durfte sich iiber ihre
i Führer nicht beklagen, denn — unt bit
; dem Bilde zu bleiben —- einen so nied
s lieben und biibfchen Bären, einen so
s dankbaren und alles bewundernden
pBäilken oab es nicht leicht zum zweiten
; rna .
. Joseph iani in den ganzen ersten
« zehn Tagen nur einmal nach Berlin.
) an einem Sonntage, weil er erstens
j keinen Urlaub baiie und zweitens mit
f dem Trainiren feines hengstes jeden
, Moraen in bannt-ver beichiifti i«war;
aber vielleicht war es ganz gut o, denn
an vielem einen Tage zeigte er sub so
nerviii und müde, daß Marie von
Sanslonci und der Dampferfabri nach
Wannlee wenig Freude baitr.
Allen andern schien Josevhs Wesen
durchaus begreiflich, denn:
»Beste Marie, in fünf Tagen haben
wir die «Armee«!«
«Beste Marie, da ioll einer nicht
nervöi lein! Wenn er iein eigenes
Pferd vor Seiner Majefiiit in der
»Arme« reiten lolli Ein Pferd, das
änixwrit iiil Von dem ganz Berlin :e
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Wirklich, ganz Berlin redete davon.
Saß Mai-te stiih beim Kassee, io stö
beete Cousine Franzisla ,.Poit«' und
..Keeuz«eitung« fbietet-, bis sie die
«Spartnachtichten« entdeckt hatte, in
denen sast regelmäßig und täglich von
beten von heidenfiamne und »Frau
sipani« irgend etwas zu lesen stand.
Alle Vettern und Causinen waren
erstaunt, daß Maeie von der Sache
nichts ve.stand.
»Sie tann nicht einmal teilen!« et
ziihlte Franzista allen Bekannten, oie
das zunächst nicht alauben wallten,
nachträglich aber fanden, daf- dieie
svoetliche Unetialnenheit Matie einen
entzückenden Schimmer von Naivitii:
deriieir.
«Sie weiß nicht, was Tkaining ist«
sie weiß nicht, daß Frangipani Jaso
eit ist« sie weiß nicht einmal, was datl
heißt: Iavokit!«
»Bei-Jena reizendl« sagte der lange
Onkel, »Die das einem wohl thut, end
lich einmal ein junges Mädchen zu
sinden, das Mensch ist!«
»Sie hat nie die »Spi)ttwelt« in dee
Hand gehabt, sie weiss nicht, was Wet
ten sind, ich meine Renntpetten.«
pmsmdo«
Gern-me lot-U