Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 23, 1901, Sonntags-Blatt, Image 11

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    W
Eine Kinder-Tragödie. l
Von Mark Braunschweig
,,Mama —- liebe Mama — —« !
»Was denn, mein Engelchen?« ;
Von ihrer Hausarbeit eilt die Muts »
ter an das ärmliche Bettchen des tran
len Kindes. Wie ein unterdrückter
Freudenruf klang ihre Frage; als.
hätte der Arzt wirklich die Wahrheit
gesagt, als er von Krisis und baldi
ger Genesung sprach. Sie mochte es
nicht glauben und hätte es doch so
gern gethan. Aber ei Mutterauge
sieht scharf, wenn auch as Herz sich
leidenschaftlich jeder aufzuckenden
Hoffnung hingeben mag. Jhr Nenn
chen würde nicht lange mehr bei ihr
bleiben, das siihlte die Frau schon
seit Tagen. Und die Mutter häufte
im wilden Schmerz Sorge auf Sorge
für das Töchterchen: gegen das Un
abänderliche ist selbst die Mutterliebe
hilflos.
»Liebe Mama ----—— Puppe bitte!«
»Ja, mein Liebling,- Du sollst sie
haben. Karl wird sie holen. Mein
Aennchen spielt dann mit der Puppe.
—- Haft Du auch die Mama lieb?«
Statt aller Antwort preszte die
kleine Kranle die mageren Aermchen
um den Hals der Mutter und drückte
die blasse Wange an das Gesicht der
weinenden Frau.
»ana --——- -— hörst Du die Vögel
singen? -- — —-«- Siehst Du dort an der
Wand die goldenen Blumen blühen?
Ich möchte sie haben. —-— Und die
Puppe! --—- —- -«-— Darf ich nachher
aufstehen? -—· — Jch will zu den Vö
geln und zu den Blumen — ——
spielen«
»Schlas, Herzenstindl Alles sollst
Du haben, Alles-, die Vögel, die Blu
men, die Puppe!«h «
Wiihrend das siebernde Mädchen zu
kurzer Rast die Augen schloß, zerris-.
trostlose Qual das Herz der Mutter.
Es hatten leine Vögel gesungen. Jn
rückwärtige Giebelwohnungen dringt
höchstens der abgedämpfte Schall des
Straßenlärrns. Jtn Zimmer da oben
blühten keine bunten Blumen; ein
paar Sonnenstrahlen beschienen den
grobgeblumten Vorhang, hinter dem
armselige Kleidunasstitcte hingen. Der
Schrank war ja längst verkauft, den
Erlös hatten Arzt und Apotheter bq
kommen.
Sie sollte die Kleine in«s Kranken
hatte geben, aber sie hatte sich dagegen
aewehrt; lieber hungern, als die Be
treuung um ihr Kind Anderen zu
überlassen. Lieder Stiick um Stück
vertausen« dachte sie, und so wurde
auch lesthin die große, neue Puppe
sortaegebens da konnte sie wieder Wein
und Medizin anschaffen. Noch war
sie Siegerin in dein Kampfe mit dem
Tat-? um ihr Kind, und sie faltete still
die hände zitm Gebet.
»Mutter, darf ich Annae Puppe
holen?«
Das dunkle Ahnen der Kinder be
deutet ost mehr, als das eingebildete
Wissen der Erwachsenen.
Die abgehärmte Frau hatte die
tindliche Frage des achtjiihrigen Bu
ben überhört. Erst als er leise an sie
herantrat und sich bittend an sie
schmiegte, wurde sie aus ihn aufmerk
sam.
»Da-J tannst Du ja nicht, Karl. Die
Frau hat doch gestern die Puppe rnit
genommen«
»Ich möchte sie wieder holen.«
»Die Frau Ivahnt weit» Du findest
sie nicht-"
»Annerl will diePuppe doch haben«
,,Pst, pst, mein Kind! Schwesterchen
schläft.«
»Miitterchen, darf ich?'·
»Die Frau wird Dir die Puppe
nicht geden, ich hab« sie ja verkauft,
armer Schelm.'« «
»L, ich werde sie bitten! Nur einen
Augenblick, daß Anni ein bischen mit
ihr spielen tann.«
»Du guter Vub’!'«
»Und wenn Anna die Puppe sieht,
trde sie bald gesund, und ich bringe
die Puppe zurück. Darf ich, Mütter
« «
Til
Die Mutter küßte den kleinen
Btanalopf. Ihr lächelte etwas wie
tslliict in ihrem Schnter,3, das aus der
Liebe des Bruders zur Schwester
strdrnte. Sie ließ den Knaben gehen,
wohl weinend, daß er nach wenigen
Minuten enttäuscht heimkehren werde.
Karl trottete die Gasse entlang, ziel
log, nur den Wunsch in der Seele,
Schwesterchens Puppe zu finden. Er
musterte das Puppengeschäst an der
Ecke. Im Auslagesenster sah er teine
solche Puppe, wie Aennchen eine be
sessen hatte. Dann betrat er keck den
Laden. Verwundert lächelnd, zeigte
die Beriiinserin dem Knaben eine
Puppe mit schwarzem Haar; aber
Schwesterchen-Z Puppe trug gelbes
Haar, wenn sie auch sonst sast ebenso
aussah. Entmuthigt ging er sort und,
wo die Gasse aus den Pakt stößt, rich
tete er traurig seinen Weg. Dort
wendete er sich zum Kinderspiele-las
Das kleine Volt des Stadtviertels
spielte und tobte in ausgelassener
Freude um ihn herum. Wortlos ging
er an den Spieltameraden vorüber-;
er mußte immer nur an den letzten
Wunsch des todttranlen Schwester
chenö denken. Und aus einmal blieb
er stehen, reckte seinen Kopf in die
döhe und lies stoben Herzens aus die
Kindeegruppe am Springbrunnen zu.
Er hatte die Puppe, die die Mutter
Inn nt Ug S BE la tfts
Beilage des ,,Nebraska Staats-Anzcigkr und Herold«
J— P. Windolph, Herausgxhsijn
Grund Island, Nebr» den U. Aug. 1901.
Jahrgang 21. No. 51
verkauft hatte, gesunden. Ganz gewiß,
das war sie! Muthig schritt er aus
die Trägerin los Und bat sie um die
Puppe.
»Ich bringe sie Dir nachher zurück!
Ach, wird-die Annerl sich freuen, wenn
sie ihre Püppe sieht!« sagte er zuletzt.
Das angesprochene Mädchen sah
den treuherzigen Bittsieller verständ
nißlos an, so daß er sein Anliegen er
neuern mußte. Daran lachte sie ihn
aus, und ihre Spielgenossinnen singen
zu spöttetn an.
»Geh weg, Du garstig-r Bub’!«
tiefen sie.
»Ich bin gar nicht garstig, Jhr seid
garstig! Pfui, wie garstig Jhr seid!
Von wo hast Du die Pupxe? Annas
Puppe . . .«
»Das ist meine Puppe! Jch habe
sie gestern erst geschenkt bekommen
So eine schöne Puppe hat Deine
Schwester nie gehabt. Du bist ein
Liigner!«
»Ich bin kein Lügner, Du! Kannst
ia mit mir mitkommen, zu uns nach
Hause. Bitte, lass’ mich die Puppe
tragen -— ich lause voran —— ach, Du
wirst sehen, wie die Anni sich freuen
witd.«
llnd in fchuldlofer Lebhaftigleit
hatte er während feiner Worte nach der
Puppe gegriffen. Natürlich bemäch
tigte sich der Kinder die größte Aufre
gung, und, unfähig zum vernünftigen
Urtheil, wurden sie lärmend und hand
greiflich. Der kleine Karl fah sich un
vermuthet von Feinden umringt. Kin
dern thut nichts fo fehr weh, als ihr
wirklich edlen Absichten mißt-erstanden
zu sehen. Nah feinem Ziel, hielt er
hartnäckig an dem Verlangen feft, des
Schwesterchen-Es Wunsch zu erfüllen. Er
bat und flehte, indem er sich aleichzei
tig der Anareifer zu erwehren hatte.
Als er schließlich einsah, daf; ihm die
vPuppe trotz aller Vorstellungen der
«weia·ert bleiben würde, raffte er sich
verzweifelt auf und entriß das Mißbr
gehrte Spielzeug gewaltsam der jun
aen Besitzerim die er dabei mit feiner
ganzen Kraft geaen die Brunnenein
fassuna fchleuderte. Seinen Raub in
der Hand, machte er sich auf die Flucht.
csin fiirchterlicher Lärm lockte die
Anwesenden des ParlH an die Stelle.
Man setzte dem Buben nach, der in fei
net Tollheit die Puppe als Wertheim
aunaswaffe benützte. Nach wenigen
Sprüngen wurde er aufgehalten. Das
Mädchen, das er niedergeworfen hatte,
hoben herbeigeeilte Parlbefucher auf.
Es hatte den rechten Arm gebrochen.
Karl, den der inzwischen gerufene
Schutzmann an sich hielt, bildete den
Gegenstand drohender Neugierde. Die
aufgefchrectten Kinder zeigten mit
Fingern nach dem kleinen Sünder, die
Mütter behaupteten unter heftigen Re
den, sprachlos über solches Thun zu
fern.
»Das ift die Erziehung der armen
Leute! Aus solchen Kindern werden
dann später Diebe und Mörder! Ich
lasse meine Kinder nie wieder hierher!
Das ift die heutige Zeit mit ihrer laren
Moral. Auf die Anllagebanl gehö
ren feine Eltern!« Jn der Weite be
schäftigte man sich mit dem Unglückli
chen Vorfall.
Der Schutzmann hatte mittlertveile
tKarl, der unaufhörlich weinte, zur
Wache geführt. Nur mit großer Mühe
konnte der Wachhabende den geängi
ftigten Knaben, der gar nicht wußte,
wag er eigenzlich Schlimmeg begangen,
befragen. Unter Schluchzen und Thra
nen gab Karl Auskunft, Alles wahr
heitsgernäfz. Dann wurde er von ei;
nem Schutzmann nach Haufe geleitet.
P Oel Mallslllulllh clcl UcUUcc QDIUUÅ
dort, beruhigte nach Möalichleit den
Kleinen. Er mochte vielleicht anneh
men, daß nuo solchem Holz leine Ver
brecher geschniszt werden.
»Und wag wird Dein Schwesterchen
sagen, wenn Du nun leine Puppe
hast?" srante er.
»Dann muß es sterben!« schlnchztse
er liur Antwort.
Der Zchntzmann war ob dieser Kin
derrede ganz still geworden und machte
einen ihn-veg, an seiner Wohnung vor
bei, wo er seines Töchtercheng Puppe
holte.
»Gieb diese Deinem Schwesterchen,
bis sie gesund ist,« saqte er. »Nun
toInm’ zu Deiner Mutterl«
Ein stummer Gruß empfing die
Beiden, als sie oben waren
»Loufe zur Annerl und qieb ihr die
Puppe,« ermunterie der Schutzmann
den Knaben.
Die Frau sah den Begleiter mit
dankbarer Verwunderung an, herzte
ungestiim ihren Buben und sliisterte:
»Dein Schwesterchen ist eben zu den
Engeln im Himmel gesioaen!«
w-—
Wenn die Anna me richtig ist« daß
- das Tragen von H ·ten eine Glatze er
zeugt, so lönnen wir ja sent alwariem
ob die Pferde unter ihren Strohhüten
auch glohlöpsig werden.
Englische Akistotrnten nle Fabrikanten
und ltteschiifteslentr.
Die alte Ordnung der Dinge hat
sich in England geändert, schreibt ein
Londoner Blatt. Die Aristolraten be
dienen setzt den Kleinhändler mit Co
lonialroaaren, Gemüsse, Kohl, Weinen
u. «s· w., während die Geschäftsleuie
Grundeigenthiimer werden· Lord
Hampden versorgt London mit dem
besten Sahnentäse; feine Wagen, die
mit den frischen Erzeugnissen seiner
Milchwirthfchaft von seinem Gut in
Sussex gefüllt sind, machen täglich
ihre Rundfahrten im Westend. Lord
Londonderry will eine halbe Tonne
Kohlen an der Thiir abliefern, wenn
wemand ihn nur mit einem Auftrag
unterstützen will. Ein Enkel Wil
helms des Vierte-i zieht eine beschei
denere Methode vor, die Ansprüche sei
ner Kunden zu befriedigen. Er sendet
seine Theepackete durch die Post. Un
ter den kleineren Ladeninhabern, die
alten aristolratischen Familien Eng
lands angehören, befindet sich Lord
Harringtom der vor einigen Jahren
auf feinem Londoner Vesitzthum einen
Laden eröffnete, um die in Eloaston
Castle gewachsenen Früchte und Ge
miise zu verlaufen Der verstorbene
Lord Winchilsea war der Pionier des
frischen Gemüses, der den Laden in
Long-acre einrichtete, in dem die Er
zeugnisse aller Arten von britischen
Gütern zu den niedrigsten Preisen ge
tauft werden konnten. Sidney Gre
bille, einer der königlichen Stallmei
ster, ist zum Weinhandel übergegan
gen, Und Lord Portgmouth findet sei
nen Beruf im Mineralwasserhandel.
Auch die Restaurants scheinen sehr
beliebt zu sein. Algy Burke war einer
der ersten der oberen Zehntausend, der
mit Energie ein Restauranr betrieb,
und es gelang ihm, das als »Willi5’
I Room« betannte Restaurant zu einem
vornehmen Lokal zu machen. Lord
Walsingham ging noch weiter und
verwandelte das Heim feiner Vorfah
ren in Piccadilly in ein HoteL Zwei
andere Aristotraten, der Halbbruber
Lord Trevor und Mr. Mostyn aus
der Familie des Lord Baux in Hac
rowden, haben soeben ein Hat-ei in ei
nem neuen Badeort eröffnet. Der
Eifer der Damen aus der Gesellschaft,
Putzgeschäfte zu eröffnen, hat schon
wieder etwas nachgelassen. Dagegen
hat ein in London sehr bekannter
Mann das neueste PutzaeschäfL Er bat
einen Laden in Bonh-Street, und un
ter dem Namen Camille betreibt er
sein Geschäft mit gutem Erfolg.
s———-—O———
Verschiedene Berate, die sich die moderne
Frau erobert har.
Ja der gegenwärtigen Aera der
sFrauenemancipation ist es nicht-H Uns
gewöhnliches mehr, die Frauen auch
in Berufe eindringen zu sehen, auf die
die Männer bisher immer noch ihr
Monopol gewahrt hatten. Weibliche
Jodehs, die ihre männlichen Ridalen
übersliigeln, weibliche Postillone, weib
liche Todtengrijber und weibliche
Feuerwehrmitglsieder - das sind die
neuesten Berufe, die sich die Frauen,
besonders im freien Amerika, zu eiaen
machen. Zu den tiihnsten und geschick
testen Reiterinnen im Pferdereunen
gehört Mrs. Bagivill. Als zioölfiiihs
riaeg Mädchen erregte sie bereit-Z durch
sihre Reiterkiinfte Aufsehen. Dann hei
rathete sie einen Besitzer von Renn
pferde und veranlaßte ihren Gatzeii,
sie die Dienste eines Joctehs überneh
men zu lassen. Der beste Postillon in
Amerika ist Rose Sturaeon, die die
Positutsche zwischen Andreiog uns
Denio in Oregon fährt. Sie ist ein
hübsches zivanzigjähriges Mädchen.
Ihre tägliche Tour geht durch einen
der wildesten und einsamsten Districte
der Vereinigten Staaten und es ist
hier nichts Ungeivöhnliches, daß die
Passagiere »angehal:en werden«. Aber
die beherzte junge Dame sieht, mit dem
Revolver in der Tasche, allen Gefahren
inuthig in’s Auge. Es macht ihr
Spaß, wie sie sagt, durch Wind und
Wetter mit ihren Pferden dahinzusaui
sen. Einen noch efährlicheren Beruf
hat eine andere antee - Schöne in
Wyomin-, Miß Allen. Jhre aufre
gende Pflicht ist es, das Land zu
Pferde, mit einem Paar Revolder be
waffnet, abzupatrouilliren, auf der
Suche nach Biehdioben und anderen
Verbrechern. Mehr als einmal sch.;ii
hat Misz Allen durch ihre Kaltb«liitis,1s
teit mit tnapper Noth ihr Leben geret
tet. Mehrere unternehmende Damen
verdienen sich bereits als Kaminfeaer
ihren Lebensunterhalt Auch der Kirch
hps ist von der weiblichen Jnvasion
nicht verschont geblieben. Die eisrigste
dieser weiblichen Todtengräber war
Mes. Steel, die in einem Kirchhofe in
Sussex »den Grabscheit handhabte, bis
sie sechzig Jahre alt war. Jn Japan
haben die Frauen die anstrengende Be
schaftrgung eines Feuers aus Dampf
kchiffen Fünfzig « is hundert rauen
ieht man neben einer gleichen nzahl
von Männern oft in einem Schiff im
Hafen von Nangasaki bei dieser Arbeit.
Der schwerste Theil der Arbeit wird
den Frauen zugescholben Die meisten
sind hübsche junge Frauen, die von der
Schwäche der weiblichen Eitelkeit doch
nicht ganz frei sind, denn die meisten
tragen Handschuhe, um ihre Hände zu
schützen. In der schwedischen Stadt
Nasso besteht die ganze Feuerwehr aus
150 Frauen, die ihr-e Aufgabe zu all
seitiger Zufriedenheit erfüllen.
Gekrönte Säumen denen ein knappes
Einkommen zugewiesen ist.
Man stellt oft die Civilliften der
Herrscher zusammen, aus denen viele
Millionen stehen: aber es giebt auch
mehrere Monarchen, deren Gehälter
der Durchschnittseommis in der Groß
stadt verachten würde. Der König
von Portugal ist wahrscheinlich der
ärmste Herrscher in Europa. Er soll
jährlich S410,000 erhalten, aber es
wird behauptet, es sei einige Zeit her,
daf; er überhaupt etwas erhielt, weil
im Schatzamt Geld ungewöhnlich
,,knapp« sei. Der Sultan isr ein rei
cher Mann, aber nicht in Folge seiner
Stellung. Hätte er seine ungeheuren
Privatmittel nicht, so könnte er schwer
lich die Türkei regieren; denn es sind
jetzt einige Jahre verflossen, seitdem
er auch nur einen Theil seine-«- Gehalts
bezog, obgleich die Türken sich rühmen,
daß er jährlich mit 88,800,000 bezahlt
wird; es ist in der That so, aber nur
auf dem Papier, in Wirklichkeit leistet
Aboul Hamid seine Dienste umsonst,
812 wöchentlich beträgt das Gehalt
des Königs von Samoa. Die Berli
ner Generalacte vom Jahre 1889
machte diesen einst mächtigen Herrscher
arm und setzte ihm die erwähnte
Summe aus-. Am demüthigendsten ist
jedoch, daß sein Oberrichter 86000
nnd sein Staatsrathsvräsident 85000
jährlich erhält, während sein unbedeu
tendfter Unterthan ein Einkommen
»hat, daS nicht viel niedriger als das
zfeinige ist. Bis vor ganz kurzer Zeit
zerhielt der König von Dahomey von
tder französischen Regierung 85 wö
irhentlich um in der Verbannung mit
««Martinique zu leben. Schließlich bat
er um eine Erhöhung seines Gehalts-,
um ein größeres Gefolge halten zu
können, und da wurden ihm weitere
5 Francs gewährt. Aber auch das ist
noch keine übertriebene Summe für
einen Mann, ver einst der mächtigste
Herrscher in Westafrika war. Der un
glückliche Kaiser von China, Kwang
Hsii, soll im Stande fein, ohne Gelb
zu leben, jedenfalls versorgt seine Re
aierung ihn nicht mit einem Pfennig.
Der regierende Herrscher in China hat
aver das Vorrecht, alle Waaren, die er
gebraucht, bestellen zu können, ohne
daßeine Bezahlung von ihm verlangt
wird. Dieselbe Verordnung bezieht
sich auf die Kaiserin - Wittwe, aber
sie bekommt jährlich 81,125,000 Ta
fchengeld, weil sie dem Kaiser in poli
tischen Angelegenheiten Rath ertheilt.
Sväte Ehr-nun der tapfer-en That einer
Sängerin durch Kaiser Franz Joseph.
Die tapfere That einer Sängerin
hat eine späte Ehruna durch Kaiser
Franz Joseph gefunden. Wie dem
,.Gauloi"g« ans Mexico berichtet wird,
hat dort bei Gelegenheit des M. Ge
burtstag-im der berühmten merikani-:
schen Sängerin Concha Mendei eine
erhebende Feier stattgefunden: im
Laufe einer Venefizdorstelluna fiir sie
wurde die areise stünstlerin Gegen-·
stand einer beaeisterten Odaiion von
Seiten des Ptiblituing, und eine be
sondere Freude erregte eg, daß der
Kaiser von Oesterreieb ihr ein reiches
Geschenk hatte zukommen lassen. Die
That, um Deren willen die Kiinsilerin
so geehrt wurde, liegt weit zurück.
Es war in der Zeit, in der der un
aliickliche Maximilian in Mexico
herrschte-. Die junge und schöne
Conchn Mendez war damals das Jle
der Hauptstadt. An dem ersten Abend,
an dem die Kaiserin sie hörte, hatte
sie sie in ihre Loge kommen lassen und
ihr das prächtige Armband, das sie
seibst trug, zum Geschenk gemacht. Ei
nige Monate später wurde der Kaiser
in Queretaro erschossen, und die un
glückliche Eharlotte wurde wahnsin
nig. Als eines Abends das Theater
von wilden Guerillerdg und sanati
schen Patrioten voll war, forderte man
Concha Mendez auf, ein damals be
rühmtes Lied, das die schliinmstenBes
leidigungen gegen den erschossenen
Herrscher und die Kaiserin enthielt,
zu singen. Die Sängerin weigerte sich.
Ein furchtbarer Sturm erhob sich.
Aber die muthige Künstlerin trat an
die Rampe, und selzx bleich, aber mit
blikenden Augen rief sie, indem sie
au ihr Armband hinwies: »Da seht
das Geschenk, das ich don einer Frau
erhielt, die ehemals mächtia war und
jeht doppelt unglücklich ist! Ihr habt
Euere Soldatenpslicht gethan, indem
Ihr das Vaterland befreitet. Aber ich,
ich kann nicht ein Lied singen, das ei
nen Todten schmäht und eine Wahn
sinnige beleidigt!« Dieser tapferm
Worte erinnerte sich Kaiser Franz Jo- ;
feph, als er ihr jetzt, nach so vielen ;
Jahren, ein Geschenk schickte.
-—-..—-—.—
Miisziqteit nnd Arbeit vergrößert dieY
menschliche Lebens-bauen
Es ist bekannt, daßfdie Lebensdauer
des Menschen in den letzten 20 Jah-;
ren in allen Culturftaaten im Zanch
rnen begriffen ist. Jn Oefterreich z. B.
ist die Sterblichkeit von 32 auf 29, in
Holland von 21 auf 19 auf das Tau
send herabaegangen. An dieser Besse
rung haben natürlich die hhgienischen
Bestrebungen unserer Zeit großen An
theil, besonders die Schutzpockenim
pfuna. Sehr viel Material über die
Frage verdankt man den Lebensver
sicherungs - Gesellschaften Jm Jahre
1898 bestanden in Deutschland 44 Ge
sellschaften, bei denen 1 1s3 Millionen
Menschen mit einem Capital von 5000
und einigen Hundert Millionen Mark
versichert waren. Sie haben ausgerech
net, daß für denjenigen, der es erst
auf ein Alter von 80 Jahren gebracht
hat, eine erhebliche Aussicht besteht,
es noch etwas über 60 zu bringen. Die
Hälfte aller Dreißigiahrigen unter den
Versicherten erreichte ein Alter von
über 60 Jahren. Der beglaubigte äl
teste Mensch war ein Engländer, der
von 1501 bis 1670 lebte, also die re
Jspectable Reihe von 169 Jahren er
f reichte. Bei einer Gerichtsverhandlnna
Jerfchien er mit einigen Söhnen, von
Idenen jeder ebenfalls schon weit über
T100 Jäbrlein trua. Jn Deutschland
»soll eine Schlesierin, Johanna Obst,
t 155 Jahre alt aeworden sein. Auf die
tLebensdauer wirken in erster Reihe
Hrvei Umstände mit: Vererbuna und
s Lebensgewohnheiten Am besten ist es
Lfiir die Kinder, wenn der Vater bei
ihrer Geburt nicht unter 25 und nicht
über 40, die Mutter nicht über sit-J
Jahre ist. Eine große Rolle spielen
bei der Vererbuna selbstverständlich
Krankheiten, wie Tuberculose u. s. w.
Bei Krebs ist die Gefahr der Verers
buna nicht so groß, wie das Publicum
gewöhnlich glaubt. Auch das Körper
aewicht ist nicht ohne Einfluß. Wer in
der Juqend ein-hohes Körpergewicht
vielleicht sogar mit Stolz sein einen
nennt, der hat weniq Aussicht, sich
dessen lange zu erfreuen. Die fettrei
chen Menschen sind weniq widerstands
sähia qeaen eine Reihe von Jnfections
trankheiten. Wichtig ist ferner der Zu
stand des Gefäß- und Nervensysteins.
Der Mensch ist nicht so alt wie seine
Jahre, sagt man, sondern wie seine
Arterisen. Wer sich zarte Arterien
wände bewahrt hat, hat Aussicht, län
ner zu leben, als solche mit starken Ar
terien. Aber auch dieser Umstand ist
heute vielfach zum Gespenst aewordsen,
doch werden viel weniaer Menschen
durch Ueberarbeituna als durch Le
bensaenijsse krank. Der Aufenthalts
ort kann ebenfalls auf die Zahl der
dcahre wirken. Am besten ist der Auf
enthalt aus dem Lande. Bei den Wohl
habenden wird die Lebensdauer um so
mehr verkürzt, se mehr bei ihnen der
Trieb iur Arbeit fehlt. Wohlhabenheit
bei aehöriaer Arbeit ist schön, Wohl
habenheit mit Behaalichteit verkürtt
das Leben. Hohes Alter wird erreicht
durch Mäßiqleit und Arbeit.
»- .,’-.-.-».—
! Darsteller und Zuschauer in einem japaui
schen Theater-.
Vom japanischen Schaiifbiksle er
lzählt ein Mitarbeiter des tsjlobugsiu
einemBrief ausTokio folgendes: Mein
Freund Professor Mitsutiri und seine
Gemahlin luden mich ein, in ihrerLoge
einem Schauspiele beizun)ohnen, wo
rin der berühmte Mime Danjuro auf
treten sollte. «Daniuro ist in Japan
etwa das, was inDeutschland Deorieni
war, und gegenwärtig die erste Zierde«
der japanischen Bühne. tfsg ist stcts
sehr schwer, einen Platz zu erhalten,
wenn er auftritt, zumal in den-. auf
gesiihrten Stücke, das ein japanisches
Lieblinggthema, die Treue gegenüber
einem Fürsten und die Liebe zwischen
Vater undKind, behandelt und dem
ein Stoff aus der japanischen Ge
schichte zu Grunde lag. Jn dem
Stücke muß Danjuro in seiner Eigen
schaft als Vasall mit Vorbedacht sein
eigenes Kind ums Leben bringen, weil
dieses in dem Interesse feines Feudal
herrn liegt, und der tapfere, liebens
wilrdige Sohn willigt ohne Zögern
hierzu ein. Das Interesse liegt nun
in dem Widerstreite, der sich aus der
Vaterliebe und der Vasallentreue er
giebt, und dieses wußte der japanische
Schauspieler in geradezu musterhaster
Weise zur Anschauung zu bringen. Es
waren mindestens 2500 Personen in
dem Theater, und das Weinen unter
den Zuschauern wollte kein Ende neh
men, was man hier als »Aermelaus
winden« bezeichnet, denn die papierenen
Taschentücher genügen nicht, um den
Strom der Thränen aufzunehmen;
man bedient sich daher der langen Acr
—
mel, die dann ausgewunden werden.
Das Schauspiel dauerte drei Stunden,
mit einer Zwischenpause von 20 Minu
ten, während deren wir uns in ein
hübsches, mit dem Theater verbundenes
Theehaus begaben, wo Erfrischungen
zu haben waren. Die Schuhe wurden
im Garderoberaume zurückgelassen,
und alles ging in Strohsandalen um
her, sodaß durch das Umhergehen lei
nerlei Lärm entstand. Professor Mit
sukiri, der in Europa wie Nordamerika
viele Theater besucht hat und der sich
eines offenen, guten Urtheils erfreut,
sagte mir, daß er die japanische Art
des Schauspiels der unserigen vorziehe.
In Danjuros Spiel war gewiß vieles,
was wir als grtesl und conventionell
bezeichnen, allein dafür war er wieder
in den höheren Theilen seiner Rolle
außerordentlich eindrucksvoll und le
bengwahn Viele Gesten machte er
nicht; seine Augen und Gesichtsmus
keln sagten alles und ließen keinen
Zweifel darüber aufkommen, was in
seinem Herzen vorging. Es sind schon
wiederholt europiiische Schauspieler
aesellschaften nach Japan aekommen,
allein ihre Darstellungen ließen die
Japaner lalt. Und wenn der erste
Schauspieler Europas nach Tokio
käme, so würde die japanische Aristo
kratie ihn freundlich aufnehmen, seine
Vorstellunqu besuchen, doch nach sei
ner Abreise zu Daniuro eilen, und der
Vergleich zwischen diesem und dem
Europäer würde zu des Landsmanne-s
Gunsten ausfallen·
i
Ein ehemals gefürchteter Räuber-haupt
mann Italiens als Einsaltspinsel.
Man schreibt aus Rom: Auch der
Brigantaggio wird prosaisch in Ita
lien, und wenn das so weiter geht mit
dieser Dekadenz, so können sich die
Librettisten von Operetten, die Fabri
kanten von Schauerromanen oder
sensativnellen Zeitungsbriesen pensio
niren lassen. Vorigen Montag erhielt
der Grundbesitzer Paolo Giorgi in
Rom einen mit Bleistist geschriebenen
anonhmen Brief, der von orthographi
schen Fehlern strotzte und sehr weit
schweifig der Forderung Ausdruck gab:
».«-300 Lite, oder das Leben.« Der Ano
nymus bemerkte u. A.: »Ich bin von
der Gerechtigkeit verfolgt, und erst
seit einigen Tagen aus dem Bagno zu
rück und deshalb hab’ ich vor Nix keine
Bange nich.« Des Weiteren hieß es:
»Um Euer Gedächtniß aufzusrischen,
war ich vor vierzig Jahren Landarbei
ter auf den Gütern Eures Vaters und
Ihr dreizehn Jahre alt.« Drei Tage
später erschien ein alter schlechtgelleide
ter Mann, der einen Sack unter dem
Arme trug« in dem Comptoir des-Herrn
Giorgi und fragte, als er dort zwei
fkHerren sitzen sah, geheimniszvoll win
end:
»Wer von Euch ist Caoaliere
Giorgi«?« «
»Das bin ich,« versetzte dieser.
Und mit großerVertraulichteit nahte
sich der Alte und sagte: »Ich bin der,
der den Brief schrieb. Jst das Geld
bereit?«
Daraus rief der Buchhalter am Ne
bentisch: »Komm zu mir, ich bin der
Cassirer.«
Mißtrauisch nähert sich der Alte.
»Gut, machen wir voran, heraus mit
dem Geld!«
Der Andre verlegte sich aus’s Han
deln, die Beiden seilschten und einigten
sich schließlich aus150 Lite, doch als
der Cassirer zahlen wollte, fand er die
Casse leer.
»Da wie dumm, da müssen wir aus
die Bank gehen. Kommt mit, wir neh
men einen Wagen.«
Obschon die Berzögerung dem Alten
unangenehm war, ließ er sich doch be
schwatzen, und merkwürdigerweise fand
sich auch gerade vor dem Hause eine
Droschke, welche die Zwei natürlich
schleunigst zum nächsten Polizeiconi
misiariat brachte. Hier stellte es sich
heraiig, das; der Anonhmugi der ge
sürchtete Räuberhauptmann Angelo
Maria Cicrani war. der in den hour
bonischen Brigantentämpfen gegen
Neiiitalien Anfangs der sechsziger
Jahre unter den abruzzesischen Bauern
eines großen Ruhms genoß und später
in den berühmten Banden deg etruri
schen ,,.5tönig5« Tiburzt diente. Ferner
ergab sich, daß Ciccani, der dreiund
sechszig Jahre zählt, sechsunddreißig
davon im Zuchthauö zuaebracht hat.
Ciccani. der am ganzen-Körper tötowirt
ist, lies; sich ruhig in’S Gefängniß ab
fiil)ren, nur sagte er ebenso ruhig zu
Herrn Giorgi und seinem PseudosCas
sirer: »
»Wenn ich im Bagno nicht sterbe,
mache ich Euch Beide noch kalt!«
Bor acht Tagen erst war er aus dem
,;s3uchthaug von Bari entlassen worden.
--. » -» - —...
Ja Sioux Falls, S. Dak» wurde
dieser Tage beim Ausgraben des Fun-«
danienteg für ein Wohnhaug eine 75
Fus; lange, versteinerte Schlange frei
gelegt. Es muß wohl eine Seeschlange
sein. Wie die sich aber soweit ins Jn
nere des Landes verirrt hat, ist selbit
dem hochgelahrten Staatsgeologen ein
Räthsel. Vielleicht könnte der Eigen
thümer der fünfzig Fuß vom Fundott
gelegenen Kneipe darüber Auskunft
geben·
III-Isl
Eine Dame in Boston hat eine Ab
handlung geschrieben: »Wie sind
Dienstboten zu behandeln.« Die Mit
welt würde ihr dankbar sein, wenn sie
ihr gezeigt hätte: »Wie sind Dienstbo
ten zu betommen.«