W Ersuugenei Gtütln Skizze aus dem Pariser Leben. --.-. An diesem Nachmittage wird in der Saint - Vincent de Paul - Kirche eine hochzeit gefeiert. Die Kirche isi saft gefüllt mit Eingeladenen und Neugie rigen. Die Braut isi nicht allein eine wunderbar schöne Erscheinung, sie wird auch wegen ihres guten herzens allgemein verehrt. Wie viele Arme des Kirchspiels verdanken ihrer Großher zigkeit momentane Linderung ihrer Noth. Sie, die Reiche, die vorn Glück Begünstigte, ift immer bereit, sobald sie von einem Elend sprechen hört, mit beiden Händen in ihre Armenkasse zu greifen. " Vor einigen Wochen suchte Schwe ster Therese sie auf und bat mit zit ternder Stimme — sie fürchtete nicht eine Fehlbitte zu thun, aber zu spät zu kommen — doch als Solosängerin bei ihrer Hochzeitsfeier eine ihrer Schuybefohlenem eine arme Unglück liche zu engagiren, die nichts auf Erden zu erwarten habe, da sie so häßlich sei, daß sie überall zum Spotte ihrer Mit menschen wird. Die junge, schöne Braut, der Alles huloigt und entgegenlächelt, antwor tete : »Ja, gewiß, sie und keine Andere soll bei meiner Hochzeit singen. Und, ,ma bonne soeur, wenn die Hochzeit zu Ende ist, überreichen Sie der Aermsten diesen Hundert - Franks - Schein als Frtrahonorar und dieses Portebon eur.« Mit diesen Worten überreicht sie der sich bedantenden barmherzigen Schwe ster eine goldene Brosche, ein oierbliit teriges Kleeblatt darstellend. »Und außerdem sagen Sie ihr, daß während ihre Stimme betend für mein titnftiges Glück erschallt, werde ich zu Gott beten, dafz er auch aut mit ihr fei, damit auch fiir sie etwas Glück aus Erden ersprieße.« O f i Charly Watson, ein reicher Ameri taner, schwärmt fiir die alten, künstlich zemalten Kirchenfenster. Seine Biblio lhet daheim besteht meist aus Werten, die die Kathedraltirchen und ihre Ma lerei beschreiben. Er vermag Stunden oor einem solchen Fenster zu sihem um die Inschrift zu entziffern und die Malerei zu studiren. Wenn beim Diner seine Nachbarn an der »Table d’h('pte« begeistert von allen gesehenen Pariser Sehenswiir digteiten erzählen und man ihn fragt: »Wo waren Sie denn heute ?«, ant wortete er : »Ich habe einen wunderbaren Nach mittag in der Notre-Dame-de-Lorette Kirche verbracht.« Die Antwort war immer dieselbe, nur der Name der Kirche war ein an derer. Jetzt ist die Reihe an die Samt Vincent-de-Paul-Kirche gekommen. Als er an diesem Nachmittag die rothen Draperien an der Kirchenthüe bemertt iind die lange Wagenreihe mit dem Hochzeitsmagen an der Spitze, verzieht sein Gesicht sich in Falten, und ärgerlich ruft er aus : »Eine Hochzeit t« Schon will er umtehren. als er sich im nächsten Augenblick sagt, es mufz doch interessant sein, den religiösen Ceremonien einer Pariser Hochzeit bei zuwohnen. und er betritt die Kirche. Wie bezaubert bleibt er am Eingang stehen. Eine Engelsstimme —- er glaubt es —- singt die Schlußverse des »Am Maria !« Diese Stimme singt sich allmächtig in sein Herz, iii seine Seele hinein. Sie ist verstummt. Schon verlassen die Gäste ihre Plätze und schreiten dem Al tare zu, um den Neuvermiihlten Glück zu wünschen, und iioch immer steht er bezaubert, wie angewurzelt, auf der selben Stelle. Mit Freuden würde er einen Theil seines Vermögens hingeben, wenn er nur noch einmal diese Stimme hören könnte. ver tagt sich oen Weg nach oem Chor zeigen. Vor ihm geht eine barm herzige Schwester. Dann sieht er. wie dieselbe ein un glücklich scheinende-Z Mädchen anredet, welches etwas verwachsen zu sein scheint und nicht hübsch. Sie ist eher häßlich mit ihren groben Zügen, aber in diesem Augenblick leuchten ihre Augen wie bis-: iiberirdischem Glanze. Er sieht, wie die barmherzigeSchwc fter ihr die Backen streichelt und dann zu ihr sagt : »Das war herrlich gesungen, meine Liebe ! Die Jungvermählte schickt Ih nen dieses Extra - honarar und dieses Portebonheur. Außerdem soll ich Ih nen fagen. daß, während Sie für Jhr Stück gesungen, sie fiir das Jhrige ge tet." »O, Dank i« ruft die Aermste be glückt aus· Und dieses Gefühl der Freude ver leiht ihrem Gesicht ein Leuchten, das es faft hübsch erscheinen läßt. Charly Watson tritt in diesem Augenblick heran und den hut ziehend: »Nicht wahr, mein Fräulein, Sie sind jene Sängerin, die mich soeben mit ihrem Gesang bezauberti Ich möchte Ihre Stimme noch einmal"hö ren, iir mich allein gesungen, und ich gebe hnen das zehnfache Honorar.« Was hat sie zu befürchten ? Jhre häßlichkeit ist der beste Bürge für ihre Tugend; sie willigt ein« am ---.-·.-. kommenden Vormittag bei ihm in sei nem hotel zu singen si- - si risfen von ihrem Gesang ; es sind nicht nur die melodisch klingenden Kehltöne, es ist das Gefühl, welches in ihrem Ge sange singt, das seine Seele entzückt. Er, der bisher nur die Passion für dis gemalten Kirchensenster gekannt, an, ihm zu gehören, seine Frau zu Stimme hören könne. hofft, lächelt Anfangs zu dieser uner « warteten, nie gekannten Sprache, dann · schüttelt sie traurig den Kopf und agt : »Sie spotten meiner, Sie auch! O, das ist nicht gut von Jhnen ! Jch « weiß, ich bin häßlich, ich weiß, ein Lie besglück ist nicht bestimmt für mich, ich weiß, ich muß mein Leben einsam ver bringen l« I Er zieht sie an sich, preßt seine Lip z pen auf die ihrigen, die sie ihm nicht 3 entzieht — bisher hat Niemand sie küssen mögen —; sie will die seltene Liebesminute voll genießen. Er zeigt auf ihre Brosche, die sie kolett in ihr einfaches Kleid gesteckt. »Und Sie glauben doch an die Macht dieses Portebonheurs; wes halb sollte es Ihnen denn nicht das leiicl bringen geliebt zu werden denn Zhören Sie wohl, die irdische Schönheit ! vergeht, aber die wahre Schdnheit, die I Schönheit der Seele bleibt ewig unver ! gänglich. l Und ich frage Sie noch ein E mal: Wollen Sie mein Weib werden? j Jch bin reich, ich werde Sie beglücken!« l Da vermochte sie erst an Glück zu glauben, und sie, die Einsame, die von « Allen Verspottete, sie, die Hüszliche, · haJuchte ein beglücktes und beglückendes « »« a«. Wieder ist er bezaubert, ganz hinge- ! liegt jetzt zu ihren Füßen und fleht sie ; werden, damit er täglich ihre göttliche - Sie die nie aus eigenes Glück ge- H —---—-—-I-——— »Die Tinmtleutilttser. Zu den Wundern des Meeres gehö ren auch jene eigenthümlichen Gebilde, die als Korallen bekannt und aus dem vertaltten Bau gewisser niederer See thiere entstanden sind. Am meisten geschätzt ist die Edelko ralle, ein Korallpolhp, der Stämmchen bis zur Höhe eines Meter-s bildet und eine rathe Kallachse besitzt, die zu Schmucksachen verarbeitet wird. Die Farbe variirt vom Dunkelroth bis zum zartesten Blaßroth. Letztere wird am theuersten bezahlt, bei großen fehlerlo sen Stücken bis zu 600 Franlen pro « Kilogramm, während die dunklen Sor ten etwa nur den zehnten Theil dieses Werthes gelten. Die Hauptsundorte sind die Küsten Sardiniens und Sirt liens, wo ganze Flottillen die Korallen sischerei betreiben. Dies geschieht durch Losreißen der Korallen vorn Mens grunde mittels schwerer, kreuzfiirmiger Gestelle, an denen ein Netz zum Aus scingen befestigt ist Unter den Korallenfischern befinden sich viele Bewohner der ostligurischen Küste. Jn ihren cnit Deck versehenen Booten besuchen sie die Fundstätten und verbringen hier Monate bei Ausübung ihres mühsamen Berufes. Auch Carlo Monti und Jtalo Fon tana aus Sestri-Leoante waren Koral lensischer. Seit sriihester Jugend Freunde, hatte sie immer treu zusam mengehalten, obschon sie im Charatter sehr verschieden waren. Carlo war in sich gekehrt und verschlossen, Jtalo da gegen ossen und von lebhaftem, heite rem Temperament Diese Eintracht erlitt eine Trübung, als beide nach Be endigung ihrer Dienstpflicht in ihre Heimath zurückkehrten nnd sieh bald daraus in die schöne Marietta verlieb ten. Letztere bevorzugte zwar den ern ten Carlo, ließ sich aber auch von Jtalo den Hof machen, da dieser der slotteste Tänzer des Ortes war, um den sie die anderen Mädchen beneideten. Durch diese Nebenbuhlerschast, über welche die Freunde aus einem natürlichen Wider streben nie miteinander sprachen, ent stand bei Carlo allmählich ein bitterer Groll gegen Jtalo, der, unbekümmert darum, seine Vewerbungen um Mariet-· tas Gunst fortsetzte. Bigher harre uartos jungerer Bru ter an den Fahrten nach der Küste Sar dinienstheilgenommen Da er nu» seiner Dienstpflicht bei der Mariae ge nügen mußt, so machien sie die Reise allein und erreichten mit gutem Winde ihr Ziel, als die «Stagione« bereits be gonnen hatte. Nachdem sie dann ihren Proviant ergänzt hatten, suchten sie nach einer Stelle,,an der eine lohnendc Ausbeute zu erhoffen war. Darüber verging fast eine Woche, denn die zu Tage geförderten Korallen erwiesen sich zumeist als geringwerthig. Endlich aber schien ihnen doch das Glück zu la c1-eln. Zwei gute Netzziige, die sie an einem Tage gethan, ließen auf einen er gicbigen Grund schließen. Sogar eini gi schöne blaßrothe Stücke hatten sie mit herausgezogen Ein heißer Tag neigte sich seinem Ende zu. Leise schwankte das Boot aus ter spiegelblanten Wasserfläche, die in sanften, langsamen Schwellungen zu athmen schien. Hin und wieder sprang mit leichtern Geplätscherein Fisch auf, um ebenso schnell wieder zu verschwin den. Jn weiten Entfernungen'lagen andere Fahrzeuge, von denen zuweilen ein monotoner Matrosengesang her übertöntr. Ostwärts fiel der Blick auf die bizarr geformte, buchtenreiche Küste Sardiniens, dle von der untergehenden Sonne mit einem rosigen Schein über haucht würde. Als dann das Tagesg l : stirn als mächtiger Feuerball am Hori zont versank, schien sich von dorther eine purpurne Fluth iiber das Meer zu er gießen, um in die wunderbarsten Far benspiegelun en überzugehen. Die Kora enfischer achteten kaum auf dieses herrliche Naturschauspiel, tas- fie fast täglich sahen. Ihnen lag tor allem daran, ihr Tagewerk noch vor Anbruch der Dunkelheit zu beenden und dann der Ruhe zu pflegen. Carlo drehte mechanisch die Kurbel der Winde, durch welche das Haupttau aufgerollt wurde, während Jtalo, dicht em Bordrand stehen, das schwächere Seil emporzog und in Schlingen legte. Jeder von ihnen hing bei dieser Beschäf tigung seinen Gedanken nach. Carla dachte an Marietta, die ihm sichtlich zu gethan gewesen, bis Jtalo dazwischen trat. Er malte sich die Zukunft aus, die er an ihrer Seite gehabt haben wür de. Nun war der schöne Traum dahin· denn kein Zweifel: sie bevorzugte seinen Freund. Seinen Freund! Ja, das war Jtalo ihm lange gewesen. Er ge dachte der fernen Zeit, da sie als Nach barstinder miteinander gespielt und, statt in die Schule zu geben, gefischt hatten. Dabei fielen ihm manche ge meinschaftlich begangene Jungendstrei che, sowie auch die dafür erlittenen Strafen ein. Dann waren sie Fischer geworden, wie ihre Väter, hatten auf demselben Schiffe gedient und bei Sturm und Unwetter manche Gefah ren überstanden. Und fest? Was war aus der alten Freundschaft geworden? Um eines Mädchens willen, von dem teinerslafsen wollte, waren sie entzweit, haßten sie sich. Ja, der Mann, der dort stand und jetzt wohl auch an sie dachte, Jtalo, war fein Feind. Er stand ihm im Wege und er durfte ihm nicht im Meae stehen« nein. »der diavolo!« wenn er auch einst sein Freund gewesen war. Je mehr die Dunkelheit sich herab sentte, desto finsterer wurden die Ge danken Carlos. Jhn fieberte und er biß die Zähne zusammen, indem er die Kurbel heftiger drehte. »Wenn Jtalo hier derungliickte,« raunte ihm ein Dä mon zu, »so würde dir Niemand Schuld geben. Das kommt ja so oft vor. Kein Mensch sieht es, und in der Tiefe herrscht ewiges Schweigen. Er warf einen scheuen Blick auf seinen Gefähr ten, der sich eben über Bord gebeugt und den einen Fuß in die Seilrolle gesetzt hatte. »Wenn du jetzt die Kurbel los liiszt,« dachte Carlo, »so reißt es ihn hinab, und er kann sein Bein aus der Verwickelung nicht frei machen.« Sei ne Hände zitterten vor Erregung, als er der Versuchung nachzugehen im Ve grisfe war· »Eccolo!« rief Jtalo plötzlich, sich em porrichtend. Er hielt ein großes Ko rallenstiick in der Hand, das er aus ei ner der Fangschleifen des Seils losge löst hatte und Carlo zeigte. I »Sta bene!« erwiderte jener law . Mich Den Fund bei Seite legend, wandte sich Jtalo wieder seiner Beschäftigung zu. »Der Moment ist verpaßt,« dachte Carlo mit verhaltenem Groll. »Aber er lehrt wohl wieder und dann werde ich mit einem Stoß nachhelfen.« . Wieder herrschte Schweigen, das nur i durch ein leises Plätschern an den Sei ten des Bootes unterbrochen wurde. l »Carlo«, begann Jtalo nach einer Weile, indem er in seiner Arbeit inne-s , hielt, »das kann so nicht weiter gehen. ; Jch ertrage es nicht länger. Wir müs » sen uns einmal aussprechen.« I Carlo brummte etwas unwillig vor » sich bin. I »Ja,·»« fuhrJtalo fort, »es hilft nichts, L es muß heraus. Jch weiß, Du grollst . mir, weil ich Marietta liebe . . . Als Carlo verdrossen schwieg, sagte Jtalo in weicherem Ton: »Und wir wa ren doch so gute Freunde. Sieh’, Car I lo, ich habe darüber hin- und herge ) dacht und mir endlich gesagt, der eine muß dem Andern weichen.« »Ich aber nicht!« würgte Carlo her vor. ,,Darum will ich es thun,« entgegnete Jtalo. »Glaube nicht etwa, daß es mir leicht wird. Wenn mir aber keine an dere Wahl bleibt,« fügte er mit beben der Stimme hinzu, »so will ich . . . von dem Mädchen lassen und . · . . spk c-s.—t4·.« « UcUcl . . « Uctl kauus . . . sujuuuu Carlo starrte Jtalo an, wie etwas Unbegreisliches. Zu gewaltig war der Abstand zwischn dem, was er soeben ge: hört, und seinen Mordgedanten. Er konnte es zuerst garnicht fassen, und glaubte, wachend geträumt zu haben. »Jta1o!« rief er, sich von seinem Er staunen erholend. Und mit einem Sprung war er beim Freunde und riß ihn in seine Arme. »Carissimo amico!« sagte Jtalo, die Umarmung erwidernd. »Nicht nur Freund, sondern Bru der!« siigte Carlo hinzu während es in seinen Augen feucht glänzte. Inzwischen war der Mond ausgegan gem Jn seinem magischen Licht blink te die weite Fläche wie slüssiges Silber. Dur-es das Loslassen der Kurbel war die Winde rückwärts gerollt und das halt-ausgezogene schwere Netzgestell wie der in die Tiefe gesunken, mit ihm auch der Haß, der nun in den Korallen Wundergärten begraben lag. W Hühnchen mit Stachelbees r e n. Junge Hühnchen werden wie ge wöhnlich vorgerichtet und gebraten. Grüne Stachelbeeren werden in Zucker weichgesotten, Butter htnzugethan, al les gut durchgekocht und im Kranz um die Hühnchen herumgarnirt. L-— I Gouvernantk und Köchin. . "—.— Ein Bild aus dem deut schen Frauenleben der Gegenwart. Liebste Mutter ! Es nützt nichts. Jch habe es nun , lange genug versucht, Dich über meine ? Lage zu täuschen, um Dir Dein schwe- I . resLeben nicht noch schwerer zu machen. . Aber fo kann das nicht weiter gehen. ; Schweige ich, fo bist Du voll Aufre 3 gung und Besorgniß; schreibe ich Dir, s wie ich es in der letzten Zeit regelmä ßig gemacht habe, leere, nüchterne Brie fe, die Dir von Allem melden, nur nichts von mir, so fühle ich schon beim Schreiben, wie die unnatürliche Kälte " solcher Briefe Dir ins Herz schneidet, und bin noch elender als sanft. Das halten wir Beide fiir die Dauer nicht aus. So habe ich mich denn heute ’ aufgerafft und habe mir fest vorgenom men, Dir endlich die Wahrheit zu sa gen. Liebste, theuerfte Mutter! Mir geht es sehr schlecht. Nicht, als ob ich Dich über meinen Posten, über meine ,,Herrfchaft«, mein Salär oder die mir anvertrauten Kinder getäuscht hätte; in diesen Punkten verhält es sich genau so, wie ich Dir geschrieben habe. Mei ne Zöglinge sind nicht schlimmer als andere, die ich auf meinen täglichen Spaziergängen im Stadtpart in gro ßer Zahl kennen gelernt habe. fie geben E mir vom Morgen bis zum Abend nicht wenig zu schaffen, besonders der fünf- ’ jährige Bub mit seiner fabelhaft ent- « wickelten Herrschfucht und feinem teuf lischen Temperament bringt mich manchmal zur Verzweiflung Aber » das, glaube mir’s liebste Mutter, ; kommt wahrhaftig nicht in Betracht,H das hat mit meiner Stimmung gar; nichts zu thun. Jch habe mich, da ich jahrelang vergeblich auf eine Lehrerin- s nenstelle gewartet hatte, als Gouver-· nante vermiethet und beilage mich nicht, wenn meine Gouvernanten-Thii tigteit manchmal beschwerlicher ist, als ich sie mit dachte. Jt’s all in the dah’s ; . work, sage ich mir immer, so oft der . Bub sich eine besondere Frechheit er laubt, und gehe darüber leichten Her- t zens hinweg. Die Gnädigste ist ge nau so, wie ich sie Dir geschildert ha- ? be: unfähig, träge, gutmüthig. Der Herr — der geht mich eigentlich nichts an, und was ich über ihn zu sagen ha- : be, gehört in meine Jeremiade, kommt J also später. Jch leide in diesem Hause . weder Hunger noch Durst und habe an den Abenden noch so viel Muße fürs mich übrig, um gelegentlich einen Brief ; zu schreiben oder ein Buch zu lesen.x Eine gebotene Gouvernante hätte kei- i nen Grund, sich in diesem Hause un- I i 1 glücklich zu fühlen. Aber —- ba liegt es eben: ich bin eben keine gebotene Gouvernante. Ach, liebste Mutter, Du weist dochZ am besten, wie wenig verhätschelt ich bin, wie wenig ich vom Leben verlan ge, Du hast· mich wahrhaftig nicht zur Prinzessin erzogen! Erinnerst Du Dich, Theuerste, wie die Maiorin uns zwei Beide beim Waschen überraschte und uns in ihrer derbtakilosen Gerad heit über Standespflichten belehrte? Jsch sehe Dich vor mir, geliebte Mut? ; ter, wie Du bedächtig die ausgequolle nen Hände an der Schürze trocknest und ihr mit humoristischer Unsicherheit die Rechte hinhältst, als fürchtetest Du, die in ihrer Standes-ehre gekränkte Da me würde die durch Arbeit entweihte Hand zurückweisen, ich « höre Deine goldenenWorte: »Eine Wittwe hat ge gen ihre unversorgten Kinder heiligere Pflichten als gegen ihren Stand« — und sag’ selbst, Mutterle, habe ich je mals eine Arbeit zu schwer oder zu niedrig gefunden, habe ich nicht trotz Seminar und Maturitätgprüfung ge waschen und gebügelt, gekocht und ge scheuert, besonders gekocht? Nein, liebste Mutter, Du hast Dich nicht ge schont und uns auch nicht. Was ich in meiner jetzigen Stellung zu thun habe, . ist Kinderspiel im Vergleich zu der Ar- l beit, die ich zu Hause hatte, und dochi —- wie glücklich war ich bei meiner ; schweren Arbeit zu Hause, wie elenbi fühle ich mich hier in meiner Damen existenz!«» ems. ·n t-1...«I!.c 1 Jetzt lsl ev Urian-. wus- Hr sur-may leichter nach dem Worte. Jch habe es s alle diese Wochen hindurch gesucht und j gesucht, ich habe mein Gehirn zermar- s tert um die Lösung des Räthsels, wa rum ich zum ersten Male im Leben so H unzufrieden, so rebellisch, so menschen seindlich bin. Jetzt habe ich die Lösung: meine Stellung ist eine Lüge, eine Ko mödie, nein, eine Posse und eine Tra gödie zugleich. Jch bin das »Fräulein«', tleide mich wie eine Dame, benehme mich wie eine (das darf ich doch ais Deine Tochter sagen?), bin theoretisch durch eine unüberbriickbare Kluft von den »Dienstboten« getrennt und stehe-— ebenfalls theoretisch — aus der gleichen gesellschaftlichen Stufe wie meine Gna dige; wie aber sieht es in Wahrheit aus? Jch bin der niedrigste, weil ent behrlichste Dienstbote im ganzen Hause-! Jawohl, Mutter, so ist es Und nicht an ders! Es ist die reine, die volle Wahr heit: jeder unserer Dienstboten wird vom Vater meiner Zöglinge höher ge schätzt als ich, er genirt sich nicht im Ge ringsten, in den nicht seltenen Ausein andersetzungen mit der Gnädigen den Vorwurf gegen seine Frau zu erheben, sie vernachlässige ihre Mutterpslichten, mit anderen Worten, ich, die Gouver nante, sei eigentlich ein sehr überflüssi ges Möbel, das er gezwungenerweise l—— f —I dulden müsse, weil seine Frau nicht die I Fähigkeiten habe, sich um ihre Kinder « zu kümmern, wie es einer Mutter ge zieme. Du darfst nicht etwa glauben, er sei roh oder schlecht, durchaus nicht. ( Er hat gelegentlich die besten Manieren ron der Welt, sogar der Gouvernante I gegenüber, nur hat er öster Ursache, über die großen Haushaltungslosten zu klagen, und bei solchen Scenen möchte ich mich in ein Mauseloch verkriechen. Warum hat er noch nie über den meiner Ansicht nach enorm hohen Lohn der Köchin oder über die Frechheiten der Hausmeisterin geklagt? Beide sind un entbehrlich —- ich dagegen bin ein Luxusgegenstand, der Einem kein be sonderes Vergnügen bereitet. Das ist es. Warum habe ich jahrelang vergeb lich daran gewartet, einen Lehrerin nenposten zu bekommen? Weil es so viele Lehrerinnen giebt und so wenige Schulen. Warum habe ich keine oder nur so schlecht bezahlte Stunden be kommen? Weil so viele »Damen« Eng lisch lehren wollen (ich sage nicht, kön nen!) und so wenig Leute das Bedürf niß haben, Englisch zu lernen. Mit an deren Worten: der Bildungsmarkt ist schrecklich überfällt, die Lehrerinnen und Gouvernanten sind recht überflüs sig in der Welt. Und die Behandlung ist danach. Jch zerbreche mir seit Wochen den Kopf, was ich thun könnte, um aus der unerträglichen Stellung herauszukom men — aber ich weiß nichts. Nur Eines weiß ich: so geht es nicht weiter. Jch will einem Bedürfnisse entgegenkom men, nicht als Luxus geduldet sein, ich will gesucht sein, nicht mich aufdrän gen. Weißt Du, liebste Mutter, wann ich am meisten leide? Bei Tische. Jch fu«-k- HUIE mos«n1·3»on nnd Kfp bep Mi. der Herrschaft zusammen zu speisen. Wie beneide ich das Stubenmädchen, das austriigt, bedient und dann in sei nem Zimmer, unter ihresgleichen, in Freiheit und Behaglichkeit ihre Mahl zeiten genießt! Wir haben oft Gäste: Verwandte des Herrn und der Frau. Wie ich da die ganze Jämmeriichteit meiner Stellung empfindet Der Vater der Gnädigen behandelt mich wie Lust, ihre Mutter reicht mir leutselig die Hand und ihr Auge sagt dabei: »So handelt eine aufgeklärte, moderne Frau, denn Gouvernanten sind sozusa gen auch Menschen!« Jst einmal ein Fremder bei Tische-, so ist er in grenzen loser Verlegenheit dem undefinirten, undefinirbaren »Friiulein« gegenüber: redet man sie an oder nicht? giebt man ihr die Hand? oder -— ich habe das ganz bestimmt schon in den Augen eines Gaste-? gelesen! — giebt man ihr ein Trinkgeld wie der Köchin und dem Stubenmädchen? Ach nein! Jch höre auf — — Daß ich die öde Epistel schicke, ist ein Unrecht an Dir, meine theure Mutter, aber mit dem Schweigen ging-?- nicht länger. Rathe mir, tröste mich! Wenn ich doch für einen Augenblick den Kopf an Deine Brust legen könnte! —- Genug für heute. Gute Nacht, Theuerste, gute Nacht! H. Liebste Mutter-! Jch bin müde zumUmfallen, wie nach einer großen Wäscher Hause, und doch setze ich mich noch schnell hin, denn ich bin fidel wie ein Student und muß Deine Predigt von gestern beantwor ten, bevor das-Schicksal mir einen neuen Streich spielt. Jch bin Jemand! Seit heute Mittag bin ich die wichtigste Per son im Hause, wichtiger (ganz unter uns gesagt) als die Gnädige selbst. Denke Dir: wenn ich nicht gewesen wä re, hätten wir Alle (das heißt mit Aus nahme des Herrn natürlich) nicht zu Mittag gegessen! Unsere Köchin wur de gestern Knall und Fall entlassen (Liebesabenteuer!), und obgleich Herr und Frau und meine Wenigkeit uns die Füße abliefen, war es nicht möglich, eine neue zu bekommen. Jst das nicht unerhört? Wenn wir eine Lehrerin siir Englisch oder eine Gouvernante ge bmnckit nein ich meine aesuebt hätten. wie viele Briese hätten wir auf unsere Annonce erhalten, wie viele arme See len hätten heute schon unsere Wohnung gestürmt? Warum studiren so viele Mädel auf Lehrerin und Gouvernante, und so wenige auf Köchin? Doch was gehen mich die dummen Mädel an? Jch bin gescheit: ich war vorsichtig in der Wahl meiner Mutter, die ist die tliigste Frau des Jahrhunderts, und der habe ich es zu verdanken, daß ich meine schier verlorene Selbstachtung im Sturme wieder erobert habe. Jch möchte Dir das Ereigniß fiir mein Leben gern aus führlich erzählen, aber ich falle um vor Müdigkeit, und morgen ist auch ein Tag. Also in aller Kürze: Es war schon elf Uhr, und noch immer keine Köchin. Der Herr war hochroth von der vergeblichen Suche gekommen, die Gnädige sah aus zum Erbarmen: es war ein großer Moment. Und dies mal fand der große Moment kein klei nes Geschlecht. Jch trat vor und mel dete mich als — Köchin, in Vertretung natürlich. Die Eheleute machten ur komische Augen. »Ja, ich kann kochen«, beantwortete ich ihre stumme Frage, »ich habe bei meiner Mutter kochen ge lernt«. Das war ein ,,clincher«, und ich wundere mich nicht, daß sie sofort überzeugt waren. Der Herr war die Liebenswiirdigkeit selbst, die Frau wischte sich ein Thriinlein von der run den Wange. Meinst Du, daß Einer von ihnen die Frage gestellt hätte: »Was aber soll mit den Kindern geschehen?« Nicht die Spur von einem solchen Ge ,.- .-.-» « -...—.j..s danken. Siehst Du, Mutterle wie recht ich habe, trotz Deiner lieben Strasprei dith Eine Gouvernante ist ein über sliissiges Geschöpf. Aber was gehen mich die Gouvernanten an? Pshatv! Also die Schürze vorgebunden und in die Küche! Getocht habe ich, Mut terle, gekocht, sage ich Dir, ich habe Dich selbst übertroffen! Frechheit, was? Das macht die frisch errungene Selbstachtung. Es war ein göttliches Menu, sage ich Dir, und zum ersten Male seit vielen, Vielen Wochen habe ich das Gefühl der Unentbehrlichkeit em pfunden. Die Gnädige küßte mich nach dem Diner, der Herr Doktor machte mir ein wundervolles Kompliment. »Der Intelligenz ist Alles möglich!" Großartig, was? Gott seiDank, bis zum späten Abend war noch keine Köchin da; es wird also mprgen wieder gekocht. Aber übermor gen? Ach was, ich will mich freuen, so lange die Herrlichkeit dauert. »Ist die überspannt oder — entar tet ?« Leugne es nicht, Mutterle, Du hast eine solche Frage in Deinem lieben Sinn. Meine Antwort ist klipp und klar. Uebergeschnappt? Nein. Jch war noch nie so gescheit wie jetzt· Entartet? Vielleicht. Forsch in unserem Fami lienarchiv nach, ob wir nicht Vor so und so vielen Jahrhundrten eine Köchin im" Geschlechte derer von Wagner gehabt haben; ich glaube, es muß sich eine sin den lassen. Jch bin dann ein Atavis mns ——— jedenfalls ein interessantes Ge schvpf. Gute Nacht, Theuerste, schlaf wohl! ,,..—-..-- « — Leber auf polnische Art. Ungefähr 1 Pfund Kalbsleber wird entzweigeschnitten, in Gänsefett gurge diinstet, erkaltet durch die Fleischma schine getrieben, von allen Fasern be freit, das Bratenfett hinzugefügt, ge salzen, gepfeffert, mit einer halben ab gerindeten, in Milch geweichten, gut ausgedrückten Semmel vermengt, eine mittelgroße, geriebene Zwiebel dazu ge geben; ein Werken aus der Masse gebil det, aus einen Teller gelegt und mit ei- » - nem gehackten, harten Ei bedeckt. Gut Und billig. Orangenkompott.— Von 8 Stück gleich großen, schönen Orangen wird der Deckel abgeschnitten, dieOran gen mit Vorsicht ausgehölt, die Scha len selbst sein ausgezackt und der Saft von dem Herausgenommenen leicht ausgepreßt. Ferner wird von acht an deren Orangen die Schale abgezogen, das feine weiße Häutchen sorgsam ab gelöst, die Kerne herausgenommen und die Orangen in Stücke geschnitten. Diese werden in die Schale gethan und ebensoviel geschnittene eingemachteAna nasscheiben untermengt, der Saft über das Ganze gegossen, zu gedeckt und auf Eis gestellt. Kurz von dem Anrichten werden die Orangen gefüllt, die Deckel darüber gelegt, in eine Krystalle geordnet und mit srischenOrangenblättern geschmaeb voll garnirt Ein Siebziger als Exa In i n an d. Die »Allg. Ztg.« schreibt aus München: Eigenthümlich berührt eg, wenn man liest, daß bei den jüngst abgehaltenen Expeditoren-Prüfungen bei den bayerischen Staatseisenbahnen ein aus dem Stande der Amtsgehilfen hervorgegangenen Eifenbahn-Adjunkt im Alter von 70 Jahren den Beweis erbringen mußte, daß er in dem seit vielen Jahren von ihm versehenen Dienstzweig auch in der Eigenschaft als Expeditor weiter verwendbar lei. Wenn der Enkel des Kandidaten viel leicht fragt, wo der Großvater sei, und zur Antwort bekommt: »Der Groß papa hat heute seine Prüfung zu ma chen Und muß deshalb recht brav ler nen,« so dürfte die Tragikomit det Situation des Großpapas im rechten Lichte erscheinen. Bedingte Unhöflichkeit. ,,Kind, ich habe Dir doch verboten. fremden Herren zu antworten! Was hat dieser Dir nun wieder gesagt?« »Er hat mich gefragt, ob die schöne junge Dame dort meine Mutter wäre —« »So, und was hast Du geantwor tet?« »Nichts, ich bin davongelaufen.« ,,Pfui, wie unhöflich, einem liebens tloürdigen Herren keine Antwort zu ge en!« Man kann nicht wissen. Alte Jungfer: »Gestern erhielt ich einen unfrantirten Brief —« Freundin : »Nun, hast Du ihn an genommen ?« Alte Jungfer: »Natürlich, es hätte ja ein Heiraths-Antrag sein können.« E b e n d r um« «Sagen Sie mal, das ist doch er staunlich mit dein Reichthum des Herrn St. Der soll ja mit nichts angefangen haben nnd hat sich doch ein so großes Vermögen gemacht.« »Ja eben, weil er sich aus nichts was gemacht hat!« Hinter den Kulissen. Häßliche Schauspieierin (zu ihrem Partner hinter den Kulissem : »Was machen Sie schon wieder für ein Ge sicht?« Schauspieler: »Ach, wenn ich Gesich ter machen könnte, Sie kriegten gleich ein anderes von mir!«