Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, August 02, 1901, Sonntags-Blatt, Image 14

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    j gochcagende gseiieri
Erzählung aus Mainzer alten Tagen von A. Norden.
(A. HinniusJ
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Jst-O JOUOOOCOQOOOOOIOOOOOOOO HOOOOOOO IWOOOO · OOQ
Z
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v v------ss—s-s
(1. Fortsetzung:) « f
Und so nach allen Seiten mit lie
Senitviirdiger und doch so unendlich
hochmüthiger Nachlässigkeit grüßend
und nickend, hatte endli der Herr im
Wagen seinen Weg lang am zurückge
legt, als der letzte der glänzenden
Sterne.
» n der That«, sagte wieder einer
der jun en Männer, »der Koadjutor
oder « uadutor«, wie ihn das Volk
nennt, versteht's, er hat feinen Aufzug
gut in Scene gesetzt.
Fest begannen die Glocken zu läu
ten, anonen wurden gelöst, wie ein
riesiger wei er Schwan mit ausgebrei
teten Jlii e n dahersegelnd, so erschien
fett die sacht der Kaiserin.
«Meopathra mit ihrem Gefolge, die
dem Antonius entgegenfährt«. Das
Wort paßte in der That aus die rei
« de, deraziöse Frau in sammt-räch
rgen· wandern nach griechischem
Schnitt, die, umgehen von ebenso vie
ten schönen, anmuthigen Frauen und
Mädchen, unter einem seidenen Zelt
thronte und mit lächelndem Munde
nach allen Seiten hin den begeisterien
Fräsen die man ihn entgegenbrachte
n e.
Ivie Kaiserin harre oce Yachr vers
lassen und stieg nun die Landungs
ireppe empor. Feierliche Anreden
eine fast inechtische Devotation. Wie
drängten sich alle die Fürsten und
großen Herren, die zarte Frauenhand
u küssen, die einst Bitischristen ge
schrie-ben, als die Corntesse Bernhar
nais noch in ihrer bescheidenen Woh
nung in der Rue Chantereine am
äußersten Ende von Paris lebte. Aber
wie damals Josephine sich tändelnd
und Lächelnd über die Leiche des hin
gerichteien Generals Beauharnais
ihres Gatten, in die Arme des Dim
tors Barras gesliichiet, wie sie sich
ebenso das kaiserliche Diadeni in die
Locken gedrückt, so nahm sie jetzt alle
diese Huldigungen entgegen, fast wie
ein spielndes Kind.
Da war nichts von der Würde der
allmächtigen Kaiserin, wie sie jetzt
Tan Lauteren in die Arme schloß, die
ihr mit einem Gedicht ihre Blumen
überreicht, wie sie« Anreden der hoch
gesiellten Männer beantwortere aber
es umfloß sie eine.Holdseligkeit, die
ihr die Herzen im Sturm gewann.
Die Kaiserin hatte den kurzen Wen
vom Landungsplatz bis zum Deutschen
ause aus prachtvollen Teppichen zu
uß zurückgelegt, noch einmal erschien
auf dem Balken, dann war das
glänzende Schauspiel vorüber und die
Menge zerstreute sich, um den Kaiser
ankommen zu sehen, der von der Pa
riser Straße durch das Münsterihor
über die große Bleiche einziehen mußte.
Aber die Enttiiuschung war eine große,
denn der Kaiser war ganz still und
geräusscloT nur von einem kleinen mi
litiiri chen Gefolge umgeben, im ge
schiessenen Wagen in das Deutsche
Fast gefahren, während man die Kai
erin fette
»Da haben nun die Menschen ihr
Seid ganz umsonst ausgegeben,« sagte
der eine der beiden jun n Männer,
die vorhin am Rheinu er gestanden,
Für ein Fenster an der großen Bleiche
sind vielfachåwsls Livres bezahlt, und
eine Keine obnung sür die Festseii
ioßete zwanzig Loursdor.«
Fig waren reiche Bürgersiibne die
beiden Jungen Männer, der eine der
Sohn des reichen Weinhändlers Falk ,
am» Iachsniarit, der andere ein Spe
« rFi ndler, der schon sein eigenes Ge
chafi besaß, er hieß Jean Schmittz
«0ehst·Du heut Abend in die Komö
die? preschauspielr von ,Thealet
Trank-ask tu Paris, mit ihnen der be
tcksinsie Herr Tab-un geben das Stück
Franz; ich habe einen Platz im Par
Die Antwort wurde von dem aufs l
neue heranbtausenden Menschenftrom
unterbrochen, denn es hieß, der Kaiser
wolle zu Pferde über die Schiffbrücte 1
nach Kastell, um dort die Festungs- ,
wette Hex reviditen. Es gab ein heil- (
loses dränge, Wagen, Reiter und
Fußgänget, alles durcheinander, und
Ieht ertönte ganz in der Nähe ein
Schrei, die Stimme eines Kindes, ei
nes Mädchens von acht bis zehn Jah
ren vielleicht. Das Kind war zur
Erde gefallen und in Gefahr, von den
eh drängenden und stoßenden Men
zektreten zu werden. Arnold
alt hatte mit schnellem Blick das dro
.de Un litet erkannt, mit einigen
tästigen llbogenstößen theilte er die
Men , riß das blutende Kind empor,
das fiech angstvoll an ihn klammerte
nnd dankbar zu seinem Retter aus
sah. Es lag etwas in dem Blick dieses
Kindes. das ihn nnwilltiitlich anzan
Reben der tiihtenden Hitslosigkeit eine
so tiefe Dankbarkeit in den großen,
« senkten Augen, die ihn wunderbar et
S « , Du verwnndeti« fragte dee
W , sich zu der Kleinen herab
" "M, die ans einer Myunde
f-« Mist-, indess erööeiu eines Batcfttuch
its- M its-de n der Kleinen
M M Mii- sehsu wieder.
«Eö thut nit weh,« sagte sie. nnd dann
uckte sie plötzlich usammen, als wenn
e nun doch phy schen Schmerz em
pfand.
Eine Frauenstitnme von hellem
Klang ertönte dicht neben ihnen-: .Zast
Dich wieder herumgetrieberh Du ix
nutz,« sagte die Besitzerin der Stimme,
»wart’, iomm’ Du nur nach Hausk«
Sie wollte das Kind mit wüthendex
Gebärde am Arm ergreifen, da fühlte
fke den energischen Druck einer Män
nethand..
»Halt, sieht Sie denn nicht, daß das
Kind Unglück hatte und blutel?«
Sosort veränderte sich die Stimm
ung der Frau, als sie die Kleine unter
dem Schu des wohlgekleideten Herrn
sah. Jhre timme wurde plöslich ein
chnmchelnd und weich, sie erschöpste
sich in Danlsagungen und schwulstigen
Tiraden.
Es war eine noch jugendliche Frau- "
enerscheinung, die nach der herrschen
den Mode aber in übertriebenerWeise
eileidet war. Die enge riechis
- racht, die von den Körpers-einen v
wenig verhüllte, wurde hier in anstö
ßigfter Weise getragen, ein Shawl in
schreienden Farben, dazu ein hochans
getiirmter - derhut und ein dicker
Spazierst , wie ihn die Damen da
mals trugen, vollendete das Kostiirn
Das schon friih verblühteGesicht wurde
durch die start aufgetragene Schminte
nicht jugendlichen und der verschlagene
Ausdruck mit dem frechen Lächeln
machte es nicht einziehend
»Sie sollten hr Kind besser in Ob
acht nehmen, iirgerin,« sagte Ar
nold Falt, indem er der-Kleinen mitlei
dig in die großen grauen Au en sah,
die in stummen Flehen zu i m auf
schauten. «Oder ist Sie vielleicht nicht
die Mutter des Kindes« fragte er in
der stillen Hoffnung, daß dies zarte,
blumenhafte Geschöpf nichts mit der
unangenehmen Frau zu thun habe.
»Natürlich bin ich die Mutter,« ant
wortete sie mit einem trotzigen Auf
werfen des Kopfes, dann war sie in der
Menge verschwunden.
»Weißt Du, wer das war?« fraate
Jean Schmitts den Freund. »Das
war die Eva Zechin,« fuhr er fort, als
der andere verneinend den Kon schin
telte. »Du bist so lange auf Reisen irn
Ausland gewesen, daß Dir manches
hier fremd geworden, bist auch fünf
Jahre junger als ich. Vor ein paar
«- ahren war die Ev’ noch jung und
hübsch, aber ihr wüstes Leben hat sie
sriih alt gemacht und nun sucht sie
durch aufsallenden Putz und Schminte
nachzuhelsen. Jch seh’ sie noch, wie sie
in den neunziger Jahren, als hier die
Religion abgeschafft war, als Göttin
der Vernunft aus dem Altar in der
Peterskirche stand; sie sah schön aus
mit dem aufgelösten schwarzen Haar
und der rothen phrygischen Mühe,
eine zweite Theroigne de Mericourt
Ja, ja, wir haben alles nachgemacht,
was sie uns in Paris vermochten.
Jch war dabei, wie einer der Letzten
Emigranten, der Nikolaus Mausson,
vor dem Reuthor in der Nähe der ehe
maligen Favorite hingerichtet wurde,
der Favorite, die man damals das
Teufelswert despotischer Tyrannei
nannte; ich weiß noch, wie verschiedene
Mainzer, unter ihnen ein Verwandter
des Präfetten Marte, im hvlzthurrn
ihres Urtheils harrten« weil sie ihre
Mitbiirger zur Fronleichnamsvrozes
sidn veranlassen wollten, und ich er
innere mich des Tages, wo die Eva
Zech, mit der dreisarbigen Schärpe ge
schmückt, eine Rede an das Voll hielt,
als aus dem Neudrunnenpia vor dem
Obelisten, den der Gras chöndven
NR Hättst-O der Kur-hat ais ein
eichen der Tyrannei entfernt wurde,
und ihre« Ireiheitimsne pvm Haupt
J
»Kaiier, dem Repräfentanten der absp
luten Herrschaft, zu Das sind so die
« Wandlunqu der Zeit! Aber nun leb’
III-Om, Dic Ulllcc augclllclllclll Jullcl ·
an die Stelle des Kurhutes trat· —
Und heute? Wer wagt noch dasWatt
«Republik« auszusprechen? Die neu
geweihten Domglocken rufen zur
Messe, denn der alte Gott da oben ist
wieder in feine Rechte eingesetzt, die
Priester haben wieder ihren Einzug
gehalten, und nun jubelte alles dem
- wohl; ich hab« der Käthchen Kaiser ein
i
Buch versprochen, das der Herr Goethe 1
geschrieben, es heißt: «Wetthes Lei- 1
enSie waren auf dem Thietmattt
angekommen, wo an der Ecke, dem
Ofteinfchen Palais gegenüber, das
Kaiserliche Haus lag. Dort trennten
siesich.
ZweitesKapiteL
Jm Schtödetschen Kaffeehause, das
in der Nähe der neuangepflanzten
Rheinaciee lag, ging es stürmifch zu.
Da saßen die Bürger beim Schoppen
und konneng über dte neuesten
Tageweignisiq die ganz dazu ange
than waren, die Gemüthet auf das
Ins-erste zu erregen
Unf dem Wiss war gto
M Eber die TM Wes, ex
glänzende-Z Schauspiel; — Wie sich
alles vor dem kleinen, schmächtigen
Mann gebeugt hatte, der in dem ju
gendlichen Alter von sünsunddreiszig
Jahren schon mehr denn den Jnhalt
eines ganzen Menschenlebens an Tha
ten und Abenteuern durchlebt. Er saß
da so ruhig und unbewegt aus seinem
Falben, ali sei er au einem T ron
geboren und habe von ugend an ber
eine Welt von Sklaven geherrscht
Und alle die Firsten, die noch vor ei
nem Jahrzehnt sür den kleinen Abdo
katensohn, der nicht einmal seine
Wäsche bezahlen konnte, kaum einen
Blick gehabt, sie neigten sich jetzt vor
ihm und achteten aus den Wink seiner
Augen, und diese halbvetschleierten
Augen, die meistens so kühl und apa
tbisch blickten, sie richteten sich nicbt
einmal aus die beiden Großkrzögr. in
deren Mitte der Kaiser hielt, wenn
diese eine Bemerkung machten. Ein
aleichgiiltiges Kopfnicken nur war die
Antwort.
Aber die vorbeimarschirenden
Truppen nahmen dasin um so mehr
seine Aufmerksamkeit in Anspruch,
unb wenn eine militärische Bewegung
besonders exatt ausgeführt wurde,
dann zuckte aus diesen Augen ein
Flammenblitz, der davon sprach, wel
ches Feuer hinter der bleichen, eisernen
Stirn loderte.
Jotephtnn die in ihrer von sechs "
Schimmeln gezogenen Equipage, in
Rosenroollen gehüllt, der Nevue bei
wohnie, sah wie die verlörperie Poesie
aus neben diesem niichternen Mann
rnit dem worttargen Munde.
»Der Kaiser sieht ernst und streng
aus,« berichtet eine damalige Mainzer
Zeitung. »Er scheint große Menschen
ansamrnlungen nicht zu lieben, dage
gen beantwortet er jeden Gruß in ver
bindlicher Weise. Die Kaiserin aber
ist von unnachahmlicher Grazie und
bezaubernder Anmuth.«
Jn dem Tagebuch des Mainzer
Bürgers F. Kaspar Röth heißt es
aber: .Seine net-gebackene Majestät
reise zu Land und Jhre Majeitiitin zu
Wasser mächtigen wie als wirkliche
Kaiserin«
Solche Aeuszerungen gab es sehr
vereinzelte, und wo sie laut wurden,
da gab es heiße Köpfe und drohende
Fäuste.
Der dicke Besitzer von Schröders
Kasseehauå sah, die fetten hände iiber
dem Magen gesaltet, behäbig zu, wie
sich seine Gäste stritten, ihm war es
gerade recht so, denn das Streiten
macht durstig.
»Der Kaiser versteht alles,« hieß es,
»er hat bereits die Spitäler eingehend
revidirt und befohlen, daß das Ro
chiusspital erweitert werden toll. Ge
stern war er im Gartenield und but
dort eine große Andslanzung von
Obstbäumen angeordnet, und hinter
lxer besuchte er das Lyceunn Er hat
die Schüler selbft eraminirt, und man
ist erstaunt iiber sein Wissen.'
»Ja, das ist alles recht schön,« hieß
es von anderer Seite. »Wenn aber,
wie man sagt, die Osteinschen, Possen
heimer und Schönbornschen Höfe zu
Kasernen eingerichtet swerden sollen.
dann haben wir das reine Feldlager.«
- «Soldaten sind gut, das bringt
Geld unter die Leut’!« schrie ein an
derer dagegen.
»Ja. und unsern Frauen und Töch
tern brinng auch was, Liebeshiindell
Wir haben genug an unserer Bürger
garde, wir brauchen nicht noch mehr
Soldaten!« Dieser Ausruf wurde
mit einem triistigen Schlag aus den
Tisch begleitet.
Schon drohte der Streit in hellen
Flammen auszubrechen. da öffnete sich
die Thür und der Herr Plaszmeister
Klug trat ein« eine gewichtige Person
lichteit, die alles wußte. - Die Ruhe
war wieder her estellt, man riiette zu
sammen und ot ihm den gefüllten
Schoppen nebst der qualinendenThom
pseise dar.
Eine Weise-. Gebaiterk fragte der
Küfernreikter Hämmerlein, indem er
Träg-teuren die große Dose von Horn
r .
Vett Klug, nachdem et die Bose
kiebevoll gestopft nnd dann erst den
Deckel geöffnet, wühlte lange mit den
Fingerspitzen in ihrem duftenden Jn
halt, ehe er in seine rathe Nase wan
derte.
»Es ist was im Wert,« sagte er ges
heimnißvoll. Und nun rückte alles
noch näher zu einander und steckte die
Köpfe so dicht zusammen tvie eine
Schafherde beim Gewitter.
»Ihr habt doch von einer Verschwö
rung ehört, die in Paris gegen Seine
Maje tät stattgefunden Jm ganzen
sollen einhundertundzwanzig Perso
nen dabei betheiligt gewesen fein, vier
zig hat man bereits verhaftet Gene
ral Pichegru, der Ansiifter, hat sich im
Gefängniß erschossenk
Jeßt machte gen Mag eine Kunst
Pause, tun die pannung seiner Zu
hörer noch mehr zu reizen eine zweite
» Prife wanderte in feine Nase und ein
M—
vernichtender Blick traf den et was cho
- lerischen Avotheler Kissel vom Lieb
frauenplatz, der ungeduldig auf fei
nern Stuhl hin und her rückte und rief
«Erziihlt doch weiter, Gewitter-X
Deckt erst nachdem er sich umständ
lich mir dem dauinwollenen Schnupf
uehesy äuzt fuhr er fort: »Man
muri elt ar, daß cheinie der-Ber
Lan-Zerris- h eher tüchtei ben, drei
divduen. die von der
: MM am nkhor an ffan en wur
Miith ALLE Zutreffen
l— 1
i
v1
konnten. Sie stsen sicher im hols
thurtn.«
Dabei klapperte er geräuschvoll mit
den Schlüsseln in feiner Tasche, von
denen Jeder wußte, da sie die armen
Gefangenen von der s önen Welt ab
sperrten.
Im Holzthurni!' tönte es zurück.
»Ja, und sie sind in die Zell’ vorn
Schinderhannes gesperrt, die er die
letzte Recht vor seiner Hinrichtung be
wohnte.
Vom Schinderhannec, alle guten
Geister! Man sagt ja wohl, der geht
um, die arme Seel’ hat im Grab keine
Ruh vor all den gemordeten Lei
die ihn zwicken,« flüsterte Herr Kissel
aeheirnnißvolL der überhaupt , kein
großer held war.
»Allerdings,« ver-feste Herr Klug,
indem er sich gewaltiq in die Brust
warf, da er sah, wie die Gesichter der
Zuhörer mit Spannung und geheimetn
Grauen auf ihn gerichtet waren.
Selbst der dicke Wirth trat herzu, und
man hätte jetzt ein fallend Laub hören
können. »F- isi noch nit gar lang her,
da hörte ich S im Thurm rumoren und
wie mit Ketten rasseln. Die Uhr von
der Stevhanstirch’ schlug gerade Mit
ternacht. Ich nahm den Säbel zur
band —« l
a.Bulrast·l·,-entel!" ertönte seht in die
geheimnisvoll gesliisterte Unterhaltung
hin-ein eine laute, krächzende Stimme.
Dies Wort mußte wohl den Anwe
senden tvie die Posaune des jüngsten
Gerichts erscheinen, denn sie fuhren
entfeht empor, und here Klug, seht die
Ursache der Störung bemerkend, die,
ihn in der schönsten Beschreibung sei
ner Heldenthaten so jäh nnterbrechend,
sich nun als der Buckelige entpuppte,
der ihn schon bei der Ankunft der Kai
serin geärgert, schlug mit der Faust
auf den Tisch, daß die Gläser klirrten.
.Jnsamer Bengel!« schrie er dem
grinsenden Kobold entgegen, der mit
seinem Korb voll Baclwert, der echten
Mainzer Special"itiit, Bubenschentel
genannt, sich frech an seine Seite
drängte.
Dieser zeigte aber auch setzt wenig
Respect vor der hohen Obrigkeit
»Steckt Euch doch Eure Pfeif’ an Eus
rer rothen Mik an. dann braucht Jhr
kein Feuer-, gelt?« schrie er, dann war
er an Deren HämmerteinI Seite.
»Guck’ amol do! sagte er zu diesem,
mit dem Finger ans dem Fenster zei
aenl
Da man setzt immer etwas Außer
ordentliches erwartete; wandte sich die
aanze Gesellschaft dem Fenster zu,
konnte aber absolut nichts anderes ent
decken. als ein paar alte Weiber mit
Körden aus den Köpfen.
»Seht Ihr denn nir?« fragte der
Bucklige Herrn Hämmerlein, der mit
einem erzdumrnen Gesicht indie Lust
starrte.
«Noi,« erwidedte dieser.
»Ich aach nit!«' schrie der Basisng
»Bei-st, ich dank ooch!«
Er hatte nämlich herrn Hammer
lein's Schoppenglas, das noch ganz
gestillt vor ihm stand, ausgetrunken,
während sich die allgemeine Aufmerk
samkeit auf das Fenster richtete. und
als jetzt die genasführte Gesellschaft
zur Besinnung kam, war er aus und
davon·
»Vert- ..... Wechsel·bala!« tobte
Und schrie alles durcheinander, denn
niemals ärgern sich die Menschen
mehr. als wenn sie einsehen müssen,
dasz ein anderer tliiger war als sie.
Man schwor dem Bnckligen, der
Jan-at Kalb hieß, von dem man aber
sonst weiter nichts wußte, arimmiae
Nache, und trennte sich endlich, da die
Mittaaöglocke schlug.
herr Klug kam ziemlich echausfiert
im alten holst arm an, too er im un
teren Stockwer wohnte. Er mußte den
Gefangenen i Mittagsmahl bringen,
undåe s des b in deeTasche, um ihr
die liissel zu entnehmen die er .
heute, wo wegen der vielen Ereignisse
doch alles drüber und drunter ging,
der Sicherheit wegen in die Tasche ge
steckt hatte. Da mußte er zu seinem
Schaden entdecken, daß sie sehlten.
«Trina!« schrie er mit lauter, schrä
ler Stimme, während er sich mit beiden
Händen in die Perücke fuhr, »Trina!«
Seine bessere hölfttz eine bedäbige
Matrone mit etwas auseinanderge
aangenen formen, ließ sich Zeit, ehe
sie auf die en Ruf erschien, denn sie
lannte ihren Ehedetrn.
Aber nun war ihr Schreck doch nicht
gering- als sie die Ursache erfuhr.
»Gehst Du wohlt« schalt ie, die di
cken Arme in die Seite .enrmend,
»das lornrnt davon, wenn man alles
besser wissen will und sich für lliiger
hält als Andere.«
Herr Klug war ganz tieinlaut ge
worden, zu Hause war er das über
haupt immer. Nur draußen führte er
dad große Wort. ·
Er lanl erschöpft in einen Sessel
und nahm wiederum seine Zuflucht zu
dein rothen Baumwollenen. Seine
Kraft war gebrochen.
Da suhr Frau Tina wie eine Ralete
wieder ins Zimmer-. »Da sin se jo,«
schrie sie, in der hand das Schlüssel
bund schwingend »An Deinem Bett
hinae se, wo se immer hänge, Du
Dummlodst« schloß sie liebevoll, mit
bezeichneter-er Gebärde aus die Stirn
weisend.
Herr Klug achtete wenig aus die
Zärtlichteitdergil e seiner Gattin. er
ar daran gern-« t. Er machte nur
e n sehr dummes Gesish denn er hatte
doch in Schrsder'j as us die
Mel in seiner Ta g til-li.
s et ivar die « it, jeden
tun ist-ne komm ver mirs-kap
l nimm, da lt es lich
l giebt aufzuheitern Cis-IX meist er
F
die bereitstehende Suppenschiissel mit
dem Schwarzbrot dazu und eilte, tso
schnell als es seine krummen Beine
tlaubten, die enge Treppe hinan zu
der undeirnli n Zelle.
Der Schlii el drehte sich im Schloß
die Thür ging aus. Doch er traute sei
nen Au, en nicht, vor Erstaunen und
Schreck iel i m die Schüssel mit dem
sdanipsenden «nhalt aus der Hand.
Die Zelle war ja leer, dabei sonst al
les in Ordnung das Gitter des hoch
im vierten Stoåwert gelegenen Fen
sters völlig intatt, akn Fußboden, im
Schornstein nichts zu entdecken und
dabei konnten sie nur am hellen Tage
entkommen sein« denn heute sriih wa
ren sie ja noch dagewesen. Er suchte
überall, unter Bett nnd Tisch, zuleßt
zog er sogar in sinnsloser Verzweiflunq
die Schudfächer des Fisches auf, etwa,
wie man nach einem veriegten Hand
schub sucht. —- Nichts zu finden! —
Da brach er in den Schreckensrns aus:
»Das geht nit mit rechten Ding-en zu,
da hat der Böse seine Hans im Spiel!«
DrittecCapiteL
Jn einein Zimmer des Deutschen
Dauses,«) in dein das Kaiserpaar ab
gestiegen war, ganz tin obersten Stock
wert, ftand eine junge Dame vor dein
Spiegel, der in die Wand eingelassen
war.
Die Kammersrau hatte eben die
Titusirisiir mit deni Brenneisen zu
graziöien Locken geordnet, nun wurde
der Kopfschmuck noch einmal nach al
len Seiten einer genauen Prüfung
unterworfen. «
»Noch ein wenig Noth auflegen,
Madame la Comtesse," sagte die Kain
merfrau, indem sie nach der silbernen
Schminkdofe auf dem Toiletientifch
griff-, »ich meine, nur ein kleiner Hauch
auf den Wangen würde genügen.
»Nein, nein," erwiderte die junge
Dame adwehrend, »ich liebe diese Min
sieleien nicht, laß das. Toinette.'«
Sie mochte recht haben. Dies feine,
stolie Gesicht mit den dunkeln Locken
und Augen wirkte vielleicht aerade in
seiner interessanten Bliisse so Arzte
bend, vielleicht ahnte Griifin Mode
leine de Freinont auch, daß man sie
dieser Gesichtsfarbe wegen bei Hof
»das Märchen« nannte·
Der Hofstaat desflaiierpaares hatte
in dem Deutschen Hause das nur be
schränkten Raum bot, eigentlich kein
Untertommen gefunden, man hatte
das große Gefolge iii der Pröfettiir,
dein früheren Ertbaler Hof, unterge
racht, aber die Giiifin von Fremont
war eine LiebZinggboidaine und
Freundin der Kaiserin, deshalb war
mit ihr eine Ausnahme gemacht wor
den.
»Was isi das nur iiir ein entstle
cher Lärm, der sich heute immer von
eZeit zu Zeit wiederhotr?« fragte die
- räfin, das Gesicht lauschend nach dein
Fenster richtend. »hiirst Das Jetzt
wieder. Wie tann man sich so etwas
in. der Nähe des Kaiserpaares erlau
ben?"
»Ich weiß nicht,« erwiderte die
Kammerfrau achtet-ruckend »es geht ja
bei uns überhaupt immer zu wie in
einein Feldlager, überall wimmelt es
von Soldaten«
Madame Toinette durfte sich solche
Bemertung schon erlauben, sie war die
Amme der jungen Dame geweien,hatte
fast die Stelle der Mutter bei der friitz
Berwaisten vertreten und liebte sie wi
ihr eigenes Kind. .
Jest streifte die Kammerfrau der
errin den Frisirinantel von den
« chulterii, und die junge Dame neigte
den stolzen Kopf, um sich das enge
Kleid von grüner Seide über-werfen zu
lassen, — da hatte sie plii lich das Ge
fühl, als wenn sich das immer rund
um sie herum bewege, von« einein
Schwindel erfaßt. mußte sie die Danks
über die Augen legen.
Aher auch Toinette schrie laut auf, ·
denn der große Wandspiegel, vor dem
Herrin und Dienerin standen, schien
in Wahrheit ans seinen « regen zu ac
hen, er bewegte sich geriiu chlos in fei
nen Angeln —- unv in dein sich öffnen
den Spalt stand ein junger Mann.
Toinetie war vom Schreck wie ne
liihrnt, sie ließ das seidene Gewand zu
Boden fallen und schaute, zur Bild
siiule erstarrt, dem unheimlichen Ein
dringlin entgegen. Die Gräiin indes
sen, die ich noch im weißen Unterne
de, rni entblößtem Nacken und Armen
befand, stürzte entsetzt zum nächsten
Kleidersiiinder und hilllte sich in einen
weit-en dunklen Mantel, den sie von
der Garterobe heult-riß
«Was wollen Sie hier« wie können
Sie es wagen-« rief sie, während Tat
nette, die aus ihrer Erstarrung erwach
te, nach her Thür laufen wollte, um
Hilfe herbeizuholern
»Wenn Sie mich tödten wollen,Ma
darne,« ertönte jth die Stimme des
Mannes. hinter hem die eheimnißs
volle Spiegelthtir so geräu chlos«, wie
sie geöffnet« uzsieh Je lagen Sie die
Wachen avertiren, dann und Sie fo
fort von rnie befreit. Vielleicht haben
Sie aber Theilnahme iiir einen vom
Schicksal Verfolglens und können ihm
einen Augenblick her Ersho ung. Einen
Augenblick nur, ich befreie Sie dann
selbst von meiner Gegenwart-« Tzze
Worte waren in elegantem Franzo
silch gesprochen- und tennzeichneien den
gebildeten Mann.
Noch konnte die Dame das Gesicht
des itichttingi nicht sehen, da er in
den alten des Fensters getreten
war, vo dem si? feine Gestalt wie
eine Sil onetie a hoh. Aber viele Ge
th war schlank und wohlgebildet,und
Kleider, wenn auch zerrissen und
0) W M Its-Mich- Schlos
I :
beschmush doch die eines der guten
ellfchaft angehören-sen Manne-.
der wo hatte sie denn diese Stirn
me ge ört, an roen erinnerte sie ihr
Klang
»Ich war nämlich sdurch einen treuen
Menschen aus meiner ft im olzs
thurm befreit und glau te mich chon
in Sicherheit, da fand man meine
Spur unsd verfolgte mich,« begann der
Fremde wieder. »So stiirzte ich die
Rheinstraße entlang, die Bei-folget auf
den Fersen. Da öfh ich den Schloßgars
ten, in seinem ebiilch hoffte ich eine
Zuflucht zu finden, b s ich mir bei an
rechewdet Dunselheit einen anderen
Zufluchtsort suchen könne. Aber wieder
war mir die Entdeckung auf den er
sen, und so flüchtete ich durch eine i
tenpforte in’s Schloß. stieg aus engen,
winteligen Treppen hinauf bis in die
oberen Raume und schlüpfte durch ene
offenftehende Thiir in einen leeren
Saal. Aber der Lärm der verfolgen
den Stimmen- bot mir auch hier leine
Sicherheit, schon glaubte ich mich ver
loren, in einer Maufefalle, da müssen
meine tastenden Hände unversehens
eine verborgene Feder briihrt haben,
dont- hist-Hefe Inn-O- Skb ankn- mik tin
Spalt, der zu einer Thür wurde, unto
gdin ich nun in Ihrem Zimmer, Ma
me.«
Während der Fremde sprach, wurde
der Klang feiner Stimme matter,
seine Gestalt sdurchslog ein Zittern, er
schZa"i-T«« not Zii de i
n n n gen r ungen
Dame zeigte ich jeht aufrichti es
Mitgesiihl. Auf ihren Wink s ob
Tainette ihm einen Lehnfessel hin, in
den der halhohnmiichtige sank. —
.Pardon, Madame,« fa te er, with
rend sein Gesicht Leichenblasse bedeckte,
»ich bedanke aufrichtig, Sie erschreckt
zu·chhaben, aber die Kraft verließ
mi .'«
Er schloß einen Moment erschöpft
die Augen« und so demertte er ni t,
daß die Gräsin ihn jetzt, da sein -
ficht aus dem Schatten des Fensters
in das volle Licht gerückt war. bestärkt
betrachtete, mit einem Ausdruck, a s
traue sie ihren Augen nicht« oh der
Entdeiiung, die sie gemacht. Schnell
wandte sie fich ad, als er sich jeht auf
richtete.
»Es geht schon be-fser,« sagte er mit
schioachem Lächeln.
»Wer allen Dingen müssen Sie
Kräfte sammeln," verfehle Madeleine.
während sie sich vor einem kleinen mit
Perlmutter ausgelegten Schräntchen
zu schaffen machte. Dann kam sie
wieder mit einem Glase alten schwe
ren Vorm-eins doch als er das Glas
in Empfang nehmen wollte, sant seine
Hand wieder herab nnd aus seinem
Aetmel iropste Blut
,.Mein Gott, Sie bluten, Sie sind
verwundet ?«
»Es ist nicht-BE erwiderte der junse
Mann, »ein Schuß, den man mir
nachschickte, der« etwas eilig angelegte
Verband hat sich gelöst·"
Toinette streifte den weiten Aermel
des Tuchroctes empor und entdeckte
nun, daß es sich allerdings nur um
eine leichte Fleischwunde handelte, die
aber immerhin recht schmerzhaft sein
mußte. Mit geschickten Hunden legte
die alte Kammersrau einen neuen
Verband um. ·
»Und nun schnell einen Schluck
Wein,« rief die Gröfin.
Da ließ sich startes Klopfen an der
Thür vernehmen. Erschrrckt fuhren
die Damen zurück. « « «
»Sieh nach, was es giebt, Tor
nette!« «
Die Kammerfrau verschwand durch
die Zimmerthiir, die fie fchnell hinter
sich suec — »
Brausen hörte man lautes Spre
chen und Ausstoßen von Gewehrtols
ben.
»Aber ich sage Ihnen, die Frau
Gröfin ist noch bei der Totlette, Sie
tönnen doch jetzt nicht eintreten!« »
Etwas rathlot schaute Madeleine
im Zimmer umher. Wie würde das
enden?
Da erschien wieder die stammer
imu. berichtend. daß draußen eine
Lokomenpnteouille Einlaß begegn,
sum nach dem « lüchtling, den man « ier
verminde. zu uchen.
Entschlossen sprang der jungeManv
aut.
.,Madame!'« —
Erst ietzt sah er seiner Befchützerin
voll in’i Gesicht. «
»Madeleine, ist es denn möglich. a,
träume ich denn — nein, ich darf ie
unter keinen Umständen in Verlegen
it bringet-, wie ich gekommen, ver
chwinve ich wieder. Leben Sie
wohlt«
»Franz!« erwiderte die Dame, »i
habe Sie sofort erkannt.« Sie pm
diese tetzten Worte in deutscher pra
chr. »Natürlich werde ich Sie retten.
Kommen Sie dort hinein in mein
Wobnzimmer, es hat noch eine
Spät-« » .
»Frau Grdsin,« veriehte Toinette,
die dem Gespräch der beiden mit Ek
siemnen gefolgt war-, »ich must-e die
Tinte vom Corridor zu Ihrem agi
zimmer offen lassen, das verlangte r
Hort-drob Er wartet nur to lange,
ins Sie völlig angetteidet sind, um
dann auch biet im Zimmer Nachiucky
ung zu halten«
· ,».Mzm Dien, das ist eine Jnfmnie!«
riet die Dame mit btigenden Augen,
«ich»werde mich beim Kaiser bekla
gen.
Gortsesunq fo!gt.)
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Lisbestummet ist der n
nie-sieg- stxsssskt MW
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Ist die Ditdneraugen Mut-www-id