Roman von F. Akuefeldt. 02 00000 s i s 000000000 · O W oooooooooooooo p ooooo s oooooo · o s « ooooooooo (8. Fortsetzung) Jhnen folgte eine ganz weiß ge kleidete, mit Schleiern umhüllte Dame, der ein Gefäß voll brennender Baum lvo e dargereicht wurde, die sie ohne die geringste Beschwerde verzehrte, wäh rend ein Stück davon, das sie achtlos fallen ließ, ein Loch in den Teppich brannte· Entsetzt sprang Frau Köhne auf und raunte dem neben ihr sitzenden Sohne zu:·,,Komm fort, Wilhelm, es geschieht hier noch ein Unglück, das kann ja nicht mit rechten Dingen zu gehen.'« ,,Geschwindigteit ist keine Hexerei, bleib’ ruhig sihern das Feuer schadet weder Dir noch ihr,' sagte der junge Mann lachend zu der Mutter und drückte sie wieder auf ihren Sitz nieder. Auch Müseler redete der Frau zu: ,,Aengftigen Sie sich nicht, es kommt sogleich etwas, was Jhnen besser ge fallen wird." Das war denn auch der Fall mit zwei hochelegant getleideten. start ge schmintten Chansonetten - Sängerin nen, obwohl oder vielleicht weil die ehrbare Frau von dem französischen Text lein Wort verstand. . Wilhelm, den die Mutter um eine Uebersetzung bat, weigerte sich, sie zu geben« auf die Gefahr, fiir unwissend gehalten zu werden, und Alfonso glaubte durch lebhaften Beifall seine Kenntniß der fremden Sprache heilsa tigen zu müssen. Eine größere Pause so ldetgi Eine größere Pause folgte dieser Darstellung, die Müseler benutzte, um eine große Schüssel Pfanntuchen und Punsch für seine Gäste bringen zu las sen. »Essen Sie, trinken Sie,« ermun terte er zum 3ulangen, obwohl es dessen gar nicht bedurfte, »ich glaube, wir werden der Stärkung bedürfen. Die nächste Abtheilung soll etwas gru selig sein« Frau Löhne schauderte und klam merte sich schon im Voraus an den Arm ihres Sohnes, der ihr lächelnd zuraunte, es sei ja Alles nur Spiel. Der alte Löhne, der nach dem Ge msß des Punsches heftig hustete, aber trotzdem weiter trank, versicherte, mit diesem Trank im Leibe es mit dem Teufel ausnehmen zu wollen. Ulfonso erklärte hohnvoll, er glaube weder an Gott, noch an den Teufel, und Marie schaute gleichzeitig angst voll und bewundernd zu ihm auf. Das Zeichen zum Wiederbeginn der Vorstellung unterbrach die Unterhal tung und veranlaßte Alle, ihre Plätze wieder einzunehmen. Als der Vorhang sich wieder hob, entfuhr ein einziges »Acht« des Schre ckens der ganzen Versammlung W- --- « XII-Z bis »Ist-t- III-fus »Is- uus Its-usw« Ists-wohn- wes-»Je-» stellte eine Art Todteniamrner dar, die ganz schwarz decorirt war. Schwarz waren die Coulissen, mit einem schwar zen Tuch bedeckt der Fußboden; Ge hänge von schwarzem Krepp zogen sich von einem Pfeiler zum anderen, un terbrochen durch Ketten von ausgerech ten Weißen Knochen. Mit Krepp um wunden waren die von der Decke herab hängenden Kronleuchter und die an der Seite angebrachten Lampen. Jn nicht allzu großen Abständen von ein ander erblickte man in der Mitte der Bühne vier ossene Särge in der Form von Sartopbagen, jeder aus vier Sphiner ruhend. Ein für das Publikum nicht sicht bares Orchester sxielte in langgezoge nen, gedämpften onen einen Trauer marsch. Plötzlich verwandelte sich dieser in eine wilde, in schnellstemTempo vor getragene anztnelodir. Von der einen Seite der Bühne ka men zwei Männer, ganz schwarz geklei det, hats nnd Arme entblößt, den Kopf nnbedeckt, am Gürtel einen Dolch ohne Scheide tragend. Von der anderen Seite traten zwei Frauen hervor in langen weißen, schleppenden Gewän dern, Kränze von weißen Rosen in den bis aus den Gürtel herabwallenden blonden bauten. Sie verbergen sich vor dem Publi ciem, doch schon ßnd sie von den Man neenergeiffen hoch emporgehoben wieder nieder-geworfen nnd zu den Mkngen der wilden Musik beginnt ein wilder, aibemranbender, bacchantischer Jan tun die Seirge herum und über sit W Mit einein schrillen Uebergange ver handelt sich vie Melodie in ein Kampf lied. Die Männer schleudern ihre Tän zettnnen bei Seite nnd stürzen auf ein ander los, die Dolche hoch erboben in den drohenden händetn händeringend jammernd schauen ihnen die Jenaer JU M allzu lange bat der Kamps Mtz in Tode getroffen sinken ledeennd werden von den wei Miit die Särae eboben n dit Zwei-a deren selbst,streelen aus und schließen die Augen ; der Gram hat sie getödtet. Ein paar Minuten bleibt es todten still aus der Bühne und auch im Zu schauerraum, dann setzt die Musik wieder ein, schrill, schauria, herzu schiitternd. Die in den Siirgen liegen den Gestalten erheben sich zur Hälfte, aber es sind nicht mehr die blühenden, die traststrotzenden Frauen und Män ner, die sich vor wenigen Minuten hin eingelegt; es sindSkelette mit fletschen lt:e«n Zähnen und schlotterndem Ge ein. Unter den Klängen der Trauermusit schließt sich der Vorhang, das Gaslicht slammt wieder aus und wie von einem Alp befreit geht ein Ausathmen durch die Zuschauer· Eriminalcommissiir Miiseler schaute sich seine Gäste an. Wilhelm Löhne war kaum um einen Schatten bleicher geworden und sah ganz ruhig um sich, auch aus seinenVa tet hatte der Vorgang keinen allzu er schtternden Eindruck gemacht, dagegen zitterte Frau Köhne am ganzen Leibe, schluchzte laut und verlangte, nach Hause zu gehen, dennoch war sie nicht so außer sich wie Marie. Das junge Mädchen sah weiß wie ein Tuch aus. vermochte lein Wort her vorzubringen und hatte die weit geöff neten Augen starr und angstvoll aus Alsonso gerichtet, dessen gelbbraune Gesichtssarbe olivengriin geworden war und dessen Zähne auseinander scblugem von der Großsprecherei, die er vorher an den Tag gelegt, war teine Rede mehr. »Sie haben gewiß auch an den ar men Ahrweiler denken müssen, so wie jene Stelette wird er auch bald aus sehen; wir trinken nun noch einen Punsch auf den Schreckl« sagte Muse ler, ohne anscheinend das Wort an ei nen Einzelnen zu richten. Er wollte ei nen der wieder den Saal durcheilenden Kellner rufen, aber Marie hielt ihm den Arm fest. »Nein, nein, Herr Eommissiir,« bat das junge Mädchen, »wir können nicht mehr essen und trinken, lassen Sie uns fortgehen, es ist genug.'· »Genug! Genug!« lallte Alsonso, und es war ungewiß, ob der Genuß von Bier und Punsch oder ob die er schütternde Vorstellung so start aus ihn einaewirkt hatte. Er vermochte keinen zusammenhängenden Satt zu sprechen und sah aus, als sei er um viele Jahre älter geworden. »Sie haben Herrn Ahrweiler auch getannt?« fragte Müseler harmlos den Brasilianer. Mit einer ganz unbegriindeten hef tigteit entgegnete Alsonsm »Nein, nein! Jch habe ihn nicht gekannt, habe nie etwas von ihm gehört! Sprechen Sie· nicht von ihm, ich kann’s nicht hö J ren.« l »Aber Mensch, Sie haben ja Nerven wie ein Mägdelein; Sie thun ja, als sagte ich, Sie hätten den Mann umge bracht!« sagte Miiseler lachend und legte dem jungen Mann die-Hand aus die Schulter. Alsonso riß sich los und schüttelte sich. »Wie tönnnen Sie das sagen?« rief er; »lassen Sie mich sort." Müseler lachte noch lauter. »Aeng stigen Sie sich doch nicht« sagte er. »Wir haben ja den Mörder; Niemand anders als der Fabritbesiher Dorned den ist’s gewesen« »Ist das gewiß?« Leuchte Alsonso und sah den Commifsär aus weit auf gerissenen Augen forschend an. »Ganz gewiß, er hat’s so gut wie eingestanden und kommt vor das näch ste Schwurgericht in Charlottenburg; wenn es Jhnen Spaß macht, tönnen Sie den Verhandlungen beiwohnen,« entgegnete Müseler. M-- weiß, oh ich dann noch hier bin,« stammelte Alsonso, »es ist mög lich, daß ich in den nächsten Tagen nach Paris reisen muß. Aber lassen Sie uns jeyt geben, die Lust ist hier zum Ersti clen.« Dabei machte er eini e Schritte in der Richtung nach dem usgangr. Miiseler gin aber dem Brasilianer nicht von der Seite und sagte mit sei- » nem gutmüthigen und dabei leicht ? spöttischem Lachen: »Sachte, sachte, eilen Sie nicht so; die Anderen gezn I ja auch mit, Sie werden Marie n » doch nicht im Stiche lassen wollen.« . Alsonso besann sich. »Sie haben Recht,« sagte er, sich zusammenneh mend, »das dumme Possenspiel hat mich aanz. verwirrt gemacht-« Er eilte zu Matie und bot ihr galant den Arm. Die Gesellschaft verließ den Thea terraum, Frau Löhne ging mit ihrem Sohn voran, Marie und Alsonso folg ten, den Beschluß machte Müseler mit dein alten Löhne, der ihm iemlich schwiilstig und verworren die inbrü cke, die ihm die Vorstellung gemacht, schildert-« Dei Tommissiir unterbrach den Wortschwnll des Alten, ali siebeinahe den Ausgang des Saales erreicht hat-« ten. »Ich bitte einen Augenblick um Berzethung,« sagte er; »ich sehe da einen Bekannten, dem ich gutenAbend sagen möchte. Bitte, gehen Sie vor an, ich bin sogleich wieder bei Ihnen-« Er eilte aus den Mann zu, der auf ei ner der lehten Bänle in der Nähe der Thitr saß, schüttelte ihm die hand, sprach ein paar Worte mit ihm und entfernte sich dann schnell wieder, so daß er seine Gefährten bald eingeholt hatte. Langsam und unauffällig folgte ihm der Andere. »Wir dürfen den Damen heute tei ne Pserdebahnfahrt mehr zumuthen sondern werden uns eine Droschle lei sten,'« sagte Müseler, als sie den Alexanderplah erreicht hatten, und ließ, um eine solche herbeizurufen, ei nen hellen Pfiff hören. Als der Wa gen dann aber herbeigerasselt kam, setzte er lachend hinzu: »Da hab’ ich wieder einmal falsch gerechnet, der Wagen faßt ja nur vier Personen und » wir sind unser sechs.« Er sann einen Augenblick nach. half dann dem Höh ne’schen Ehpaar und Marie beimEin steige-, schob Alsonso halb mit Ge walt nach und erklärte: «Machen Sie den Cavalier bei den herrschaften edler Don, und bringen Sie sie glück lich nach Hause; ich werde mit Herrn Wilhelm per Pferdebahn folgen.« Er bezahlte den Kutscher, wartete, bis der Wagen sich in Bewegung gesenkt-Zaun legte dann Wilhelm’s Atm in sei nigen und sagte: »Nun kommen Sie. Drüben an der Ecke der Neuen Kö nigstraße ist eine Weinstube, wo wit( eine stille Ecke finden, da können Sie mir erzählen, was Sie auf dem bHer zen haben.« Nach einer Viertelstunde saßen Beide in der fast leeren Weinstude an einem kleinen Ecktisch bei einer Flasche Roth wein, und Miiseler sagte, nachdem er die Gläser gefüllt hatte: »Nun schießen Sie los;wir sind hier aanz unbelauscht, ich habe dafiir einen Blick.« Trotzdem schaute sich Wilhelm noch mals vorsichtig um, bevor er, dem Commissar näher rückend, begann: »Herr Criminalcommissar, ich habe heute ein Brustbild gesehen das aus schaut, als wäre es das Original der Photographie, die man vorn Auge des todten Ahrweiler abgenommen haben will.« Müseler fuhr wie eieitrisirt aus und iragztn »Wo haben Sie das Bild gese hen « »Im Laden eines Trädlers in der Martgrasenstraße, da, wo sie aus-läuft und mit der Lindenstrasze zusammen slößt,« berichtete Wilhelm, »ich schlen derte dort auf und ab, weil ich auf Jemand wartete, und ——" Er stockte und war in sichtlicher Verlegenheit. Miiseler lachte. »Was Sie nach der Martgrafenstrasze geführt hat, geht mich nichts an,« sagte er; »genug, Sie haben das Bild gesehen. Sind Sie im Laden gewesen?« »Nein· Das Bild hat einen eigen thiimlichen bunten Rahmen, der meine Aufmertsamteit erregte. Als ich näher trat, fiel mir erst das Portrait auf, dann lam mein —- mein Belannter und als ich mich von dem getrennt hat te, war der Laden geschlossen, der Sonntagsruhe halber. Da dachte ich, es wäre das Beste, ich machte Sie mit der Sache bekannt, und da ich wußte, wo ich Sie finden könnte, bin ich hier her getommen.« »Sie haben Recht gethan, und ich dante Jhnen,« sagte Müseler, ihm die Hand schüttelnd, »ich werde mich mor gen früh, sobald der Laden eiiffnet ift, bei dem Händler in der artgrasen strasze einfinden und hoffe einen guten Fang zu machen. Ich brauche Sie wohl nicht erst zu bitten, gegen Jeder mann von Jhrer Entdeckung zu schwei gen.« »Das ist ganz selbstverständlich,« er widerte Wilhelm. Sie leerten die Gläser und verließen die Weinstnbr. U. Der Poriier Köhne hatte, als er noch gesund und seine Kinder noch kleiner gewesen waren, das Handwerk eines Schreiners betrieben und seine Wert statt wie seine Wohnung in der Leip zigerstraße in einem am zweiten Hase eines sehr tiefen Grundstückes liegen den Gebäudes gehabt. Jn einem viel sreundlicheren Hause am ersten Hos bewohnte damals und noch jetzt der Kaufmann Jlgener die geräumige und gut ausgestattete erste Einge, wahrend sein in·der ganzen Stadt betanntes und berühmte-II Spezerei-, Wild-, Ge flügel- und Delitatessenaeschäst die volle Breite des Erdgeschosses im Vor derhause einnahm. Zwischen den Kindern des Kaus manns im ersten und dem Sohn des Tischlers im zweiten Hof hatte sich ei ne Freundschast entsponnen, die den I Letzteren und besonders der Frau sehr s schmeichelte und die vom Ersteren gar s nicht ungern gesehen ward. Wilhelm Lohne war ein gesitteter, bescheidener Knabe mit guten Anlagen « und regem Lerneiser, dessen Um ang I nur vortheilhast aus seine Gesä rten wirken tonntr. Er besuchte entrin schastlich mit den lgener’schen öhnen die höhere Bürger chule in der nahelie genden Charlottensiraßr. Köhneö wollten an ihren begabten Wilhelm etwas wenden und ihn nicht nur in die Gemeindeschule schicken. Uebrigens durste er auch an den Pri vatstunden, die Jlgener einen Söhnen im En lischen, Französi chen und eich nen ge ließ, Theil nehmen un zog daraus-großen Nasen. Die Einsegnun der Knaben machte dem Verkehr ein Erde Wilhelm Löh ne lam als Lehrling in eine grope Maschinenbauanstalt in Moabit, n der er auch später noch blieb. Die Jl geners wurden von ihrem Vater zu nächst noch auf die handelsschule und dann nach außerhalb in kaufmännische Gelchofte geschickt Fast um dieselbe Zeit auch war Frau Jlgener. die besonders viel auf Wilhelm gehalten hatte, gestorben und Löhne hatte an efangen zu lränleln, so daß er sein gandwerl hatte aufge ben müssen. Seine rührige Frau e miihte sich um eine Portierstelle, und nach mehrmaligem Wechsel war die Familie nach derUhlandstrasze gelangt, wo durch ein Spiel des Zufalls sich durch Ahrweiler eine, wenn auch nur recht tchwache, Beziehung zwischen den fhåmaligen Hausgenossen herstellen o te. Gänzlich waren die Beziehungen allerdings nie abgerissen gewesen; denn sie waren fortgefe t worden durchWil helm Köhne und athilde, Jlgeners jüngstes Kind und einzi e Tochter. Mathilde war sechs Bahre jünger als Wilhelm und er hatte mit ihr stets lieber gespielt, als mit seiner noch um einige Jahre jün eren Schwester Ma rie. Er war ihr eschiißer, ihrFreund, « Gefährte gewesen, hatte den weiten mweg nie gescheut, um sie auf seinem Gang nach der Schule nach ihrer Töchterschule u bringen und von dort abzuholen. athilde bäte sich in al len ihren kindlichen Nöthen an ihn ge wandt und war immer des sestenGlau bens gewesen, daß es für Wilhelm keine Schwierigkeiten gebe, dab er erfüllen könne, was sie von ihm verlange. Als dann die Trennung gekommen war, hatte das damals zwölfjäbrige Mädchen den Jugendfreund durchaus nicht loslassen wollen. Sie hatte ge wei t und gefleht, und Wilhelm, dem der bschied selbfi sehr schwer wurde, hatte ihr versprechen müssen, sie zu be suchen und auch sonst mit ihr zusam menzutreffem was sich um so leichter bewerlstelligen ließ, als das mutierlose Mädchen, um das sich auch die Schwe stern der Verstorbenen nicht viel liimh merten, recht unbeaufsichtigt war. Zu ihremGliicle war sie bei Wilhelm Köhne gut aufgehoben. Der Umgang mit dem sittlich reinen, geistig strebsa men jungen Menschen wirkte fördernd und veredelnd auf sie. Sie war dar aus bedacht, etwas zu lernen, etwas zu thun, wovon sie ihm bei hrem näch sten Zusammentreffen berichtete und wofür sie von ihm gelobt zu werden hoffte. Mi-«t!rk- .»-, k. »- ,- s. s 1 JJLUIUUUT IUUL Ucl Ousulc cIUlUUUF — sen, Wilhelm Vorarbeiter in der Ma schinenbauanftalt, und noch immer be stand zwischen ihnen die Kinderfreund fchaft oder sie nannten es wenigstens so. Jn Wahrheit war sie längst zur innigem ihre herzen fest verbindenden Liebe geworden. Es verging aber lange Zeit, ehe sie sich das zu gestehen wagten; Beide tannten nur-zu gut die Scheidewand, welche die Verschieden heit ihrer gesellschaftlichen Stellung zwischen ihnen aufgerichte hatte Mathilde besuchte regelmäßig an je dem Sonntag Vormittag den Gottes dienft in der Jerusalemer-Kirche, in der sie eingesegnet war, und es war zur lieben Gewohnheit geworden, daSWib helm sie in einiger Entfernung davon in der Martgrafenstraße erwartete und mit ihr ein Stündchen in den angren zenden Straßen spazieren ging. Un gunst des Wetter-Z vermochte sie davon so leicht nicht abzuhalten; es mußten sich ihr ganz unübersteigliche Hinder nisse entgegenstellen, wenn sie Wilhelm vergeblich warten lassen sollte. » So war es auch an dem Sonnta , dessen Abend der junge Mann mit ser nen Angehörigen im Specialitäten Theater zubringen sollte, tein Bekann ter, sondern eine Bekannte, die er in der« Martgrafenstraße getroffen hatte; und nur die Discretion hatte Wilhelm ver anlaßt, den Vorgang, den er amAbend dem Criminalrornrnissar Müseler er zählte, mit einigen, wie man sehen wird, recht harmlosen Abänderungen wiederzugeben. Ein hellerSonnenschein hatte an die sem Sonntag vorn blaßblauen himmel über die vom Schnee ereinigten Stra ßen gelacht. Das tter konnte also Mathilde nicht vorn Besuch der Kirche abzuhalten haben; um so mehr hatte si Wilhelm beunruhigt, daß er sie troh alles Spähens unter der aus den Kirchthüren ftrömenden Menge nicht erblickt hatte. Er hatte fast daran ver zweifelt, sie noch zu finden, und ging bedrückten Herzens die Matt-trafen ftraße nochmals hinunter; da, fast am Ende derselben, tarn sie ihm entgegen. »Mir müssen uns verfehlt haben,« redete Mathilde ihn hastig an. »Ich bin die Straße schon zweimal auf und ab gegangen, ohne Dich zu treffen,aher halten wir uns dabei nicht auf. habe eine Entdeckung gemacht und muß sie Dir zeigen, ehe der Trödler sein Ge schäft ichs eu« » , Sie hing an seinen Arm und führte ihn nach einem im Keller des Eckhauses der Markgrafen- und Lindenstraße ge legenen Trödlerladen, an dessenSchaui fenster das verschiedenartigste Getüm pel ausgehiingt war. Drapirt durch einen weißen Kürassierrocl rnit elben Aufschlägen hinsda ein in Oel arben gemaltei, nur opf und Schultern darstellendei Portrait in einem run den, mit bunten Steinen hefetztenGold rahrnen; ein Theil der Steine war aber aus ehr . · »der ist das?« sra te M Ilde und hielt das sehr klare ahlgr ue Auge forschend auf Wilhelm ger chtet. -——— .—« Der ju e Mann ftand nnend vor dem Schau enfter, rieb si die Stirn und gestand endlich: »Ich weiß ei nicht; ich kann mich nicht besinnen, das Bild oder die Person, die es darstellt, je gesehen zu haben.« »Dent doch nach, Wilhelm,« bat sie, .dent nach, es hängt viel davon ah; der photographische Abzug, den nur gesehen haben,ift zwar sehr verschwom men, aber s—« Wilhelm unterbrach re durch einen Aufschrei, ließ ihren rm los und fuhr sich mit der Hand über Augen und Stirn. »Mathilde, Mathilde! Täufche ich mich nicht? Das ist ja — das ift ja! ——-'« »Wer? Wer?« drängte sie. »Das Portrait Dorneddens —-—" »Von dem die Photographie abge nommen ift!« fiel sie ein. »Aber wie foll das hierher kom men ?« fragte er immer noch zweifelnd. »Wie kommen die Dinge zumTer ler?« entgegnete sie lachend. »Sie wer den bei ihm oertauft, und daß der arme Dornedden fein Bild nicht hier her zum Trödler getragen hat, darauf gehe ich eine Wette ein.« »Aber wer soll es denn gethan ha ssan« - ,,Lasz uns hinuntergehen und nach fragen,« s lug sie vor. Jn dem elben Augenblick suhr die Rolljalousie des Ladenö mit Geräusch herab. Die Verlaufszeit siir den Sonntag war ab elausen, der Trödler hatte sein Geschii t geschlossen. Mit etwas verdutzten Gesichtern schaute sich das Pärchen an; Beide lachten laut aus. »Abgeblitzt!« scherzte Mathilde; ernsthafter fragte sie dann: ,,Ob wir in’s Haus gehen und den Trödler zu sprechen versuchen?« Wilhelm sann einige Minuten nach und antwortete dann: »Nein, es ist besser, wir machen den Mann nicht erst daran aufmerksam, daß das Bild von Wichtigkeit sein kann. Heute verkauft er es nicht mehr und zu morgen früh schicke ich ihm Jemand her, der dieser che besser anzugreisen versteht als-wir. Komm, lasz uns gehen, eH möchte aus fallen, wenn wir noch länger hier ste hen bleiben.« Er leate ihren Arm wie der in den seinigen und sie aingen wei er. Nach eini« en Minuten des Still schweigens ragte Mathilde: »Wil heim, was dentst Du von dem Bilde?« .Was denkst Du davon?" fragte er lächelnd zurück. »Ihr Frauen seid ja im Combiniten viel schneller und auch wohl geschickter, als wir Männer.« »Nun, ich denle, es hat inAhrweiler’ Schlaszimmer gehangen, sein letzter Blick ist daraus gefallen, der Mörder hat es fortgenommen und verkauft.« »Etwas lithn gesolgert!« schegte Wilhelm und schaute mit liebevoller e wunderung aus den hübschen rothen Mund, der so beredt zu sein vermochte, »aber Du könntest vielleicht in's Schwarze etrossen haben. Run, ich setze mein trauen aus denCriminal commisiiir Miiseler, der wird daöRechte schon herausbringen.« - Sie schritten schweigend weiter, bis Mathilde wieder begann: »Wir sind ja lange darüber eini , daß Dornedden nicht der Mörder ist« jdaö sind wir,'· entgegnete Wil helm, »und ich musz Dir aestehen, dasz ich an die Geschichte mit der vorn Auge abgenommenen Photogra hie über haupt nicht geglaubt habe. «« pielt stei lich das Bild eine Rolle -—" Ase ist doch etwas dar-ani« siel Ma Ujllsc cul »Dann kommt der arme Herr Dor nedden aus dem Gefängniß, und Jhr erhaltet Eure Erbschaft ausbezahlt »Wer weiß, die Tanten wollen ja das Testament angreifen, dann tann es noch lange damit währen·« »Ach, Mathilde, ich wünschte, Jhr betämt es gar nicht!« seufzte er und nahm ihre Hand, die sie im Muff ver borgen hatte, liebtosend in die seinige. »Ei, das ist ja ein recht frommer Wunsch, mein Vatei und meine Brü der werden sich dafür bei Dir bedan ten!« rief sie und blickte ihn mit den großen grauen Augen schalthaft an, »sie planen schon allerlei Vergrößerun gen, die sie mit Hülfe des Geldes im Geschäft machen wollen« »Und Du?« »Nun, es ist eine recht hübsche Mit gift; wenn es zur Einrichtung einer Maschinenbauanstalt wohl ni tganz reichen wird, so läßt sich damit och et was anfangen-« »Mathilde, scherze nicht so!« » m Gegentheil, es ist mein voller Ern t.« »Meine hoffnung, daß Dein Vater je seine Einwilligung zu unserer hei rath geben werde, war immer sehr ge ring; seit Du die Erbschaft gemacht haft, it sie ganz geschwunden, und da rum wäre mir lieber, Du hättest sie gar nicht detomment« seufzte er. »Um meinetwillen hätte Onkel Abr weiler so alt werden tönnen wie Me thusalem!« sagte sie, »da mir aber die Erbschaft einmal zugefallen ist, so will ich sie auch benutzen« »Das könntest Du, wenn Du damit eine ute Partie machtest, zu der Du here tigt bist; und ich habe mir schon recht ernstlich die Frage vorgelegt, ob es nicht meine Pflicht sei, Dich freizu geben.« »Du könntest auch über gescheidtere Dinge nachdenken,« entge nete sie in ihrer heiterm Weise und iigte innig hinzu: »Die beste Partie, die ich ma chen kann, bist Du, mein Wilhelm, und die will und werde i machen.« «Mathilde, Dein ater giebt es ja niemals aus« «Wir aben ihn ’a noch ar nicht ge fragt! stanche Dirne fchkknen nur schwer, weil sie nicht gewagt werden.«« »Ich bin der Sohn des Portrert Löhne, des ehemaligen Tischlers!« »Da haben wir uns nichts barst-wer fen, der Vater meines Vaters ist eben falls Tischlermeister gewesen und zwar in Perleberg.« »Aber Dein Vater und Deine Bril der sind angesehene Kaufleute, und ich bin Arbeiter.« »Monteur, wenn ich bitten darf, stelle Dein Licht nicht unter den S ef sel,« erwiderte sie mit einer allerlieb ten Schmollmiene, »und sobald Du willst, Maschinensabritant. Bist Du mit Dei nen Einwendungen bald zu Ende?« »Deine Verwandten! Die FrauMa jorin, die Frau Regierungsrath ——«' »He-den sich recht wenig um mich be kümmert und das mutterlose Kind der Obhut eines gewissen Wilhelm Köhne unbedenklich überlassen. Das sollen sie nun auch serner thun!" fiel sie ein. »Sie waren übrigens auch sehr unzu frieden mit der Heirath meiner Mutter mit einem Tischlerssohn und Klein händler und haben es ihr nie vergeben, was nicht gehindert hat, daß die Ehe meiner Eltern eine sehr glückliche gewe sen istspNach den Tanten habe ich wirt sich nichts zu nageln »Als ob Du mir die beute erst vor zustellen hättest!« lachte sie. »Die tenne ich doch so lange wie Dich. Wilhelm, Du magst es anstellen, wie Du willst, Du wirst mich nicht los, also gieb Dich darein und behalte Deine Mathilde.« »Wie gern!" sliisterte er und drückte ihre Hand. Sie waren während dieses Gesprä ches langsam weitergeschritten; j t er klangen durch die llare Winterlu t die Schläge einer Thurmuhr. Mathilde blieb stehen und lauschte: ,,Dreiviertel zwei,« sagte sie, »und um halb drei muß bei uns die Suppe aus dem Tisch stehen, da müssen wir etwas Geschwindschritt anschlagen-« Sie thaten das und trotz der Eile nahm Mathilde das Gespräch wieder auf. »Ich warte wenigstens eine gute Stunde bei meinem lieben Alten ab und beichte ihm. Kann mir übrigens laum denken, daß ich ihm eine roße Ueberraschung bereite; ich glauå er stellt sich nur, als ob er nichts wüßte; wenn nicht eher, dann an meinem Ge burtstage, da werde tch ja einund zwanzig Jahre." »Grofjja«hrig!« »Geivisz!« Sie reckte sich in die Hö he, »und Besi erin eines Vermögens, das mir zur rfiigung steht. Jch habe guten Muth, nimm ihn mir nicht durch Deine Zighastigleit Du bist doch sonst nichts weniger als feige!« »Ach, Mathilde, ich in es «a nur, weil ich Dich zu verlieren iirchte!« gestand er. »Das wirst Du nicht!« tröstete sie ihn niit schöner Zuversicht. »Wenn wei sich o lieben, wie wir, die müs en zusammentommen, die tann nichts trennen.« ,,Jch danke Dir. »Still sein und osfen,« hat der Prediger in mein Ge an buch geschrieben, daran will ich est alten. »Weißt Du, daß die Entdeckung, die wir heute gemacht haben, mich mit besonderenhossuungen erfüllt?« plan derte ie weiter. »Wieso?« fragte er erstaunt. »Wenn es uns gelänge, zur Auffin dung des wahren Mörders des armen Onlels Ahrweiler beizutragen und den bedauernswerthen Dornedden u befreien, ich würde das siir ein sle günstiges Omen halten« «hoffen wir das Beste, ich werde heute Nachmittag die Sache in die ge eialneten blinde egen,'« erwiderte Wil m. Sie hatten inzwischen den Kreu Yungspuntt der Martarasens und eipzigerstraße erreicht, hier niu te eschieden sein. Sie reichten sich ie gönde und blieben Abschied nehmend noch ein paar Minuten bei einander stehen. »Aus Wiedersehen!« sagte er ge preßt. »Auf Wiedersehen!« wiederholte sie mit heller Stimme und entfernte sich mit leichten, schnellen Schritten. Abends hatte dann Wilhelm die Entdeckung, aus die ihn das geliebte Mädchen aufmerksam gemacht, in sei ner Weise dem Criminalcommifsät Miifeler mitgetheilt, und damit witt lich die Sache in die geeignetsten Hän de gelegt. Der Althändler Kowalzig in der Martgeafenstrasze hatte am Montag Mok en taum eine halbe Stunde sein Gef "st offen. war mit dem Abstän ben seiner hundertfiiltigen Verkaufs artitel beschäftigt und befand sich bei dieser Arbeit in einem etwas frag wiitdigen Morgenanzug, als schon ein ut getleideter Herr bei ihm vor prach und sich erkundigte, ob et viel leicht Dosen oder Schnallen im Ro cocogefchmack darlegen könne. Er sei Sammler und würde gern etwas iu diefek Art erwerben. (Fortsehung folgt.) »Es ist lein ,Trau und Glauben« mehr auch in dee Zeitungswelt,«« klagt der »Bus·falo Bomer Na, die alte Redensart: »Er lügt, wie gedruckt.« I c- I Nachrichten siir Grimma und Um gegend« brachten die Meldung aus Leipzig: Die Sonnabend und Sonn tag statt indenden Pferderennen wer den siarlbesetzte Felder und er tla - ges Ma xvieh zeiget-X Das bez eht TO doch ni t etwa aus die Zutchauets