Seit der tleine Willberg, wie die Kameraden ihn nannten, oder Herr von und zu Willberg von Wittwe-Iz gen, wie er sonst hieß durch Aller « itchste Kabinetöordre zum Leutnant mit monatlich siinfundzwanzig Tha lern Gehalt ernannt worden war, wurde er von Tag zu Tag ionrerbarer Körperlich war er woh! und knunter er hatte einen guten Appetit er aß iiir , Zwei und trank siir Drei und hatte seinen Kasmorest wie ein alte-: Stabe ofsizier. Daß er während des Eisan iiber den Dienst schalt, ist selbstver ständlich. ! So schien es saft, als ob er ganz ge sund sei; und doch war er trank und sein Leiden nahm von Tag zu Tag zu. Er litt nämlich an Bazillen oder rich- « tiger gesagt, an einem Bazilluv —1 und noch dazu an dem gefäizrlichstcm « den es giebt obgleich ihn noch keins Arzt entdeckt hat. ; Namentlich die Civiliften, vie mit dem kleinen Willberg verkehrten, merk- - ten, daß er ernstlich trank sei. Seine j Ansichten wurden von Tag zu Tag versehrobener und so glaubten sie zu erst, er hätte Flöhe im Gehirn, wie es beim Militär genannt wird, wenn Ei ner geistig nicht ganz normal ist Schließlich lamen sie aber dahinter, daß Willberg in seinem Schädel den Militiir- Bazillus spazieren trug, der sich dadurch äußert daß er in dem von ihm Heimgefuchten nicht nur den Glauben, sondern sogar die selsenfesre Ueberzeugung hervorruft: es giebt nur einen Stand aus der Welt, den Offi ziersftand; alles Andere ist noch ga Iz bedeutend weniger als gar nichts Erst kommt der Leutnani, dann tonnnt er nochmals dann lommt er zum dritten Mal, —- und dann kommen die Ande ren auch noch nicht. Die zahlen gar Zier lileiue Mildeer W l i i nicht mu. Der kleine Willberg wußte gar nicht, daß er lranl war. Er hielt sich geistia fiir vollständig gesund und er selbst konnte schließlich auch nicht allzu viel fiir seinen Gehirntlappsx der war ihm anerzogen worden. Schon im Korps hatte die Dressur begonnen. Als er dort mit sieben Jahren ankam, war er fiir sein Alter noch merkwürdig ver ständig gewesen; er hatte sogar noch mit einigen Freunden, die nicht im Korps waren, hin und wieder einen schriftlichen Gruß gewechselt. Aber bald hatte sein Stubenältester ihm ilargemacht, daß sich so Etwas siir ei nen Kadetten nicht passe. Er hatte es eingesehen und danach gehandelt. Mit zehn Jahren war er schon vollständig militarisirt. Wenn er von seinem Vater sprach, erzählte er nicht. dieser wür dige Herr sei Rittergutsbefitzer und Mitglied des herrenhauses, son dern nur« daß er früher bei den Garbe dragonern gestanden und da den letzten Feldng mitgemacht habe. Und wenn er von seiner Mutter sprach, vergaß er nie, zu erwähnen, dasz sie die Tochter eines Brigadelommandeurs sei. Darauf war er sehr stolz, denn er war in seiner Stube der Einzige, dessen Mutter einer Ossizierssamilie entflammte. So hatte er also durch und» durch militärisches Blut in den Adern. Dessen mußte er sich würdig zeigen. Das sah er von Tag zu Tag mehr ein. Er zeigte sich wür dig und der Lohn blieb nicht aus: nach fiinf Jahren wurde er selbst Stubenm tester und nach weiteren fünf Jahren war er so sehr Soldat, daß er nicht be giss wie er als Civilist geboren wer n konnte. Mit achtzehn Jahren trat er in die Armee als ähnrich ein. Er hatte die Ansichten eines verrückten Kaninchens, aber tro dem war das Regiment aus ihn sehr «tolz und der Oberst sagte so gar: ich könnte mir lein besseres Bei spiel siir meine jungen Ofsiziere wün schen. Und der Fähnrich war wirklich tadellos; er sprach nur, wenn er ge fragt wurde, und suchte seinen Umgang nur in Ofsizierslreisen. Als er Leutnant geworden war, mußte er auch in den Civilsamilien, in denen das Ossizierlorps verkehrte, Be such machen. Zuerst strilte er: aber als ihm erklärt wurde, ohne Besuche ge macht zu haben, werde man nicht einge laden, und ohne eingeladen zu werden, könne man nicht leben, und einge laden zu werden, verpflichte zu nichts, und wieder einzuladen brauche man nicht« und abbrechen könne man den Verkehr ja immer wie der, —- als ihm die Augen so geöffnet wurden, sagte er: »Na, denn meinetwe gen.« Er nahm einen Wagen, fuhr bei den Familien herum und war im Stil len gegen Alle entrüstet, die ihn annah men. Aber ihre Dinereinladungen lehnte er nicht ab; o nein: im Gegen theil. - so ers-· ips - , »s.,sts, Ur war quwtaurch. uns-ge ums-H rnitien ärgerten sich über seinen militä rischen Bazillui, sagten es dem Regi rnentgadjutanten und Der sagte es dem Herrn Obersten. Und der Leinwan deur ließ sich seinen Leutnant kommen. Mein lieber Willbetg«, sagte er, »Sie nd noch jung; Jhre Ansichten und An ! uungen sind zwar die richtigen, aber ie haben noch nicht tolerant deuten Ielernt. Sie sind im Korpi erzo en, Ilso in den richtigen Grundsiißem it Mein Recht sehen Sie in dem Stande, Sie angehören, den vornehmsten nnd edelsten, denn die Armee anz al lein hat unser Vaterland zu rn ge sucht, tvas ei heute ist. Niemand tvill d tann uns den ersten Platz, den wir g Staat einnehmen, rauben. Aber Sie müssen die innere Genugthuung, die Sie bei der Vorstellung, Offizier zu sein, empfinden, verbergen lernen. Ci vilisten sind nun einmal auch nöthig und es ist ein Akt der Großmuth, ihnen nicht nur die Existenzberechtigung zu zugestehen, sondern sie auch als eben . . . na, sagen wir: mit ausgesuchtester Höf lichkeit zu behandeln. Jch hoffe, Sie verstehen mich. Es ift nicht immer leicht, für so schwierige Verhältnisse, wie es. das des Offiziers demCivilstand gegenüber nun einmal ist, das richtige Wort zu finden. Denken Sie nach, Faun werden Sie selbst das Rechte tref en.« » Nach dieser Rede des Herrn Obersten, die das Rechte wollte und das Unrechte förderte, wuchs der Militiir - Bazillus unheimlich auf und verdrängte gar bald auch noch die letzten verständigen An sichten, die der kleine Willberg in lichten Momenten manchmal gehabt hatte. Großmuth, Höflichkeit, vornehmster Stand: der Aufforderung, hierüber fachzudenkennoar er nicht mehr gewach en· Es kam der Hauptschlachtentag des Negiments, der Tag, an dem vor mehr als dreißig Jahren die damals erst neu gegründete Truppe sich heldenmüthig geschlagen hatte. Wie kann ein so denk würdiger Tag besser gefeiert werden als durch ein Festessen, bei dein sich Alle, die an dem erworbenen Ruhm noch un schuldiger als ungeborene Kinder sind, bis zur halben oder ganzen Bewußtlo sigkeit betrinken? So gab es denn in dem festlich geschmückten Kasino ein großartiges Liebesmahl, zu dem alte Regimentsangehbrige und viele Gäste geladen waren. Gleich von Anfang an wurde sehr brav gezecht und an der hübsch geschmückten Tafel herrschte gar bald eine äußerst lustige Stimmung. Tie, denen zu Ehren man heute die theuersten Speisen und Grtränke genoß, hatten es vor dreißig Jahren, als sie sich todt oder zu Krüppeln schießen ließen, nicht halb so gut gehabt. Der Einzige, der an der langen Ta fe! nicht in Stimmung kam, obgleich » auch er das Trinken nicht vergaß, war der kleine Willberg; und daß feine Laune nicht besonders rosig war, kaiii - daher, daß er zwischen zwei Civiliften z fass. Einen hätte er sich zur Noth noch ; gefallen lassen; aber gleich zwei auf ein s mal! Das war bitter. Er that das s Klügste, was er nach seiner Meinung sthun konnte: er ignorirte die beiden s Herren vollständig. Sprechen konnte er i doch nicht mit ihnen; was wußten die E beiden Civilisten denn von dem Ehren i tag des Negimentsl Davon hatten sie doch keinen blauen Dunst; na, und über i etwas Anderes konnte man sich doch i heute nicht unterhalten. i Wenn der iieiueWiubekg trotzdem sich ; vlöylich mit seinem Nachbar zur Rech ; ten in ein Gespräch einließ, so geschah i es, weil der Negimentsadjutant ihm s durch eine Ordonanz die schriftliche s Aufforderung sandte, sich gesälligst Et « was um seine Nachbarn zu kümmern. Willberg fand die Zuinuthung stark. Er wußte ja nicht einmal, wer die Vei den waren; vorgeftellt hatten sie sich ihm ja natürlich; aber wer versteht denn die Namen? »Sind Sie auch Soldat gewesen?« fragte er endlich. »Selbstverst«cindlich«, lautete die Ant trort, »aber leider nur ein Vierteljahr. Jch wurde sehr krank, lag viele Wochen im Lazareth und wurde dann als dau ernd dienstuntauglich entlassen.« »Schlapp", dachte der Leutnant; »so was kann auch nur einein verweichlich ten Civilisten passiren«; laut aber sagte er: »So, so, also cie sind nicht Reser veofsizier? Sehr schade für Sie. Darf ich, ohne indiskret sein zu wollen, fra gen, was Sie jetzt sind?'· »Gewiß«, gab der Andere zur Ant wort, »warum denn nicht? Jch bin Schriftsteller." Der kleine Willberg machte ein mit leidiges Gesicht: »So? Schriftsteller?« fragte er. »Sagen Sie mal, lohnt sich Das denn eigentlich? Kann man denn davon leben? Was bekommt man denn für solche Angelegenheit bezahlt? Jch habe mir sagen lassen, zum Leben sei es zu wenig, zum Sterben zu viel.« Der Andere lächelte ironisch, dann sagte er: »Ich glaube, Herr Leutnant, wir kennen uns zu wenig, als daß Sie von mir einen genauen Bericht über meine Einnahmen verlangen können.« »Wie Sie wollen«, sagte der kleine Willberg ganz ruhig; »ich glaubte, es würde Jhnen Spafk machen, sich ein mal aussprechen zu können. Jm Grun de interessirt Jhre Thätigkeit mich na türlich sehr wenig . . . Habe keine Zeit, zu lesen, außerdem hat mir Jemand ge sagt: Schriftstellern kann Jeder.« »Gewiß«, lautete die Entgegnung, »schriftftellern kann Jeder; wenigstens versucht es heutzutage Jeder. Sie ken nen gar keine Bücher? Aber die Ge schichte Jhres Regiments werden Sie doch gelesen haben?« »Aber selbstverständlich« Der klei ne Willbera sah seinen Nachbar, in des sen Worten eine ewisseGeringschätzung der Regimentsgefchichte zu liegen schien, scharf an. »Das kann allerdings nicht Jeder schreiben, dazu musz man Soldat gewesen sein mit Leib und Seele, sich eins fühlen mit seinem Negiment . . . . Aber Pardonl Das werden Sie kaum nachfiihlen tönnen.« »O doch«, erwiderte der Andere ruhig. »So; wundert mich; liegt doch ei gentlich außerhalb Fhrer Sphäre. So was zu schreiben, l t beinahe o schwer, wie selbst ein guter Soldat« zu sein.'« »-.—-.,..-— -».—-—.--—.·.—- — ! »Welche Eigenschaften halten Sie j dazu sitt erforderlich?« i »Gute Familie, tadelloser Ruf, gute f Gesundheit» E »Das ist Alles?" i Der kleine Willberg sah verwundert . aus: »Was sollte noch fehlen?« s »Geistige Begabung ist also nicht ers , forderlich?« ; Jn demselben Augenblick erhob sich » ein Redner. Feierliche Stille. Er ging « aus von dem Wort Bismarcks: »Alle-« l können die anderen Staaten uns nach- ’ machen, nur nicht den preußischen Leut- s nant«. Er rühmte die Ritterlichkeit der I treue . . . und schloß mit einem Hoch auf den Geist des Offizierkorps. 7 Die Musik blies Tasch, die Gläser Gesinnung, den Diensteifer, die Pflicht- » klangen an einander, ein donnerndes - ; Hoch ertönte, und während der kleine Willberg mit seinem Nachbar zur Rech · ten anstieß, sagte er, der die Rede ganz ; falsch verstanden hatte: »Was brauchen wir geistige Begabung? Sie hören es ja: der Geist ist dal« ! Aber der Nachbar sah aus, als hätte ; ihn die Rede ganz anders gepackt ils i die jungenLeutnants ringsum; er schrie nicht mit Hutrah, sondern blickte träu i merisch vor sich hin, so dasz der kleine s ; Willberg beinahe Mitleid mit ihm ver « spürte. »Solch armer Civiliu", dachte er; ,,nicht mal einenBegeisterungsrausch ! kann er empfinden«; und mit halblau ter Stimme fragte er: ,.Soldat sein ist s doch schöner als schriftstellern, was-Z« Der hob die Augen und sagte: »Ueber tSelbsterlebtes zu schreiben, ist sehr hübsch auch wenn man die Geschichte jseines Regimentes schreibt Auch da in, Zweun man nur als gewifhnlicher Sol bat swn der Schulbank aus weg in den ZKrieg zog und gleich lahm geschossen ·.wurde Und dann ist auch die geituge Begabung da; auch darin haben Sie Recht « .Und von dem Tage an wurde - ber kleine Willberg in dem Verkehr mit Eden Civilisten noch zurückhaltender, « als ers unter der Einwirkung seines «Militärbazillus schon früher gewesen « war. I Freiherr von Schlicht. -- ---———-.s.-—s -— — zlatscti und Tit-its. Eine wahre Geschichte von Otto Julius Bierbaum. Es sollte mich wundern, wenn Sie, während ich Jhnen diese Geschichte er zähle, nicht manchmal auf verdächtig Gedanlen kämen; z. B.: der Verfasser scheint die starken Lilöre zu lieben; oder: das Radsahren scheint das Ge hirn doch start zu erschüttern. Jch muß indessen um Entschuldi gung bitten, wenn ich Jhnen sofort und gleichsam zur Einleitung wider spreche. Nämlich erstens: ich liebe we der starke, noch schwache Lilöre oder überhaupt spirituose Getränke, denn ich gehöre der Seite der unentwegten Abstinenzler an; und zweitens: mein Cerebralshstem befindet sich in einem so unbeirrbaren Gleichgewicht, dajz ich mich selbst darüber wundern wurde, penn ich mich überhaupt über etwas wundern könnte; und drittens: diese Geschichte hier ist so wahr wie die Schöpfung, und wer sie nicht glaubt, beleidigt mich persönlich. Ueberhaupt, und nun muß ich sh nen schon eine lleine Borhaltung ma chen, meine Lieben: was einem wun derlich vorkommt, muß man nicht im mer gleich für Schwindel oder Wahn sinn halten; denn, du lieber Gott, wir wollen oder müssen ja doch Miteinan der leben auf dieser runzeligen Erde, da es leider verabsäumt worden ist, je dem Einzelnen von uns einen Extra stern zur Verfügung zu stellen, und, sehen Sie, wir kommen uns un Grun de doch eigentlich alle einander ein bischen wunderlich vor — was wäre das nun, ich bitte Sie, siir eine Haus ordnung auf diesem Planeten, wenn wir deshalb immer gleich »Schwindel!« oder »Wahnsinn!« rufen wollten. Jch hoffe, Sie sehen das ein, denn ich werde über diesen Punlt kein Wort mehr verlieren, es sei denn, Sie reiz ten mich, und so bleibt Jhnen nichts Anderes übrig, als diese meine Ge schichte von Patsch und Tirili Wort siir Wort zu glauben. Wenn nicht, fo wird Patsch sowohl wie Tirili als auch ich sehr böse sein, und wozu wir Drei im Zorn fähig sind, das läßt sich mit Worten gar nicht ausdrücken — darilber müßte Richard Strauß eine Symphonie schreiben mit sechssach ver stärktem Orchester unter Zuhilfenahme von Schissstanonen und ein paar Sti gewerten. Nach dieser Drohung tönnte ich am Ende beginnen, aber mir fällt noch et was ein. Es giebt Leute, die, wie die Hühner immer ,,gack-gack« sagen müs sen, fortwährend »Zweck-Zweck ?« fra gen. Diese Leute werden nach Anhö rung dieser Geschichte nicht ermangeln, zu thun. was sie nicht lassen können. »Was hat die Geschichte von Patsch und Ttrili für einen Zweck ?« werden sie in einem Chorus rufen, der noch viel lau ter sein wird, als jene Strauß’sche Symphonie über unserenZorn. Jch habe mir —- und weiter wollte ich nichts mehr bemerken —- fchon das Mauseloch ausgesucht, in das ich mich verkriechen werde, sobald der Chor der Zweckmesser erbraust, denn ich weiß, es giebt teine Rettung vor diesen Füxchterlichen. Selbst dem lieben Gott blies nichts übrig, als sich außer Hsrweite zurückzu ziehen. leit sie begonnen haben. den Zweck seiner Schöpfung wissen zu wol len. Und das ist schon schrecklich lange Kr, seitdem sie das Spielen verlernt hu n. Und nun will ich Ihnen die Geschich te von Patfch und Tirili erzählen. Jch hoffe, Sie wundern sich nun auch dar isber nicht, daß das gar keine Geschichte ist. Jch muß gestehen, daß ich an Patsch fast nur Freude erlebt habe. Schon, als ich ihn das erste Mal bestieg, erfüllte mich ein HochgefühL Das ist doch Rasse, sagte ich mir; man spürt die adlige Hertunft und sichere Tradition; kein aufdringliches Geräusch, kein saloppes Wackeln ; alles sitzt fest, hat die rich tige Spannung, aber auch die entspre chende Federkrast; er gehorcht dem leichtesten Druck mit ebenso viel Folg semleit wie Intelligenz ; was etwa noch fehlt, wird ihm ein bischen Erziehung sicher beizubringen wissen. Jch hatte damals freilich nur böse Erfahrungen hinter mir. Das Ding von Rad, aus dem ich gelernt hatte, war durch schlechte Behandlung völlig ver dorben und um alle Seele gebracht wor den. Man hätte es eine Maschine nen nen können, wenn es nicht zuweilen doch noch Spuren von Charalter ge zeigt hätte. Freilich von schlechtem. Es war boshast, heimtüclisch, nieder trächtig. Im Allgemeinen heuchelte es Phlegma —- wenn ei nicht einfach Faulheit war — und that s o, wie wenn es nichts könnte, als stumpfsinnig sei nen Trott gehen, geduldig, sanftmü thig, schwerfällig, aber verlässig. Doch plötzlich, während man sich keiner Ueberraschung versah, fiel es ihm ein, Mätzchen zu machen. Wie von einein bösen Geist besessen, begann es zu ren nen, zu rasen und hörte mit diesen in famen Tücken nicht eher-aus, als bis es mich gegen eine Säule geworfen hatte. Dann lag es wie ein Bild hilf loser Unschuld neben mir und nur seine Pedale zitterten vor innerem Triumph geheul iiber den glücklich gelungenen Streich. Dabei will ich gar nicht davon reden, das; es ein wahres Jammerbild und in jeder Hinsicht vertommen war. Jch finde zu seiner Kennzeichnung nur das einc Wort: gemein, und man wird es verstehen, wenn ich bekenne, daß ich dieses Wesen aus voller Seele gehaßt habe. Es war besserer Gefühle ebenso wenig würdig wie fähig. Genug von ihm. Jch sagte schon, daßPatsch mir nach dieser Kreatur, deren Namen ich nicht einmal weiß, einen blendenden Ein druck machte. Da er von guter Her kunft, Cleveland, mittlerer Güte, ist, so kann das nicht weiter in Erstaunen versetzen. Das Jahr 1898 war überdies ein besonders guter Jahrgang für die Clevelands. Aber das will im All gemeinen doch nicht viel sagen. Ge wiß, der Durchschnitt ist immer gut, : trefflich, in einem gewissen Sinne ta ; dellos —- aber auch nicht mehr. Die f Clevelands sind im Allgemeinen wie ! gut gedrillte Soldaten; sie leisten das I und das, und zwar nicht wenig, was i ihnen eben beigebracht worden ist, im mer ungefähr einer wie der andere ohne viel individuelle Einzelziige —- es sind j Amerikaner. Selten, daß ein nieder 7 trächtiges Subjekt unter ihren vor Y tomn1i, selten aber auch, daß besondere s Persönlichkeiten hervorragen. Jch hal t te das natürlich für einen Vorzug der Marie, aber immerhin, nicht wahr, wenn Einem gerade ein besonders be gabtes Individuum zufällt, so ist das recht erfreulich. Nun! Patsch war so ein Indivi duum. Er war entschieden über»den s Durchschnitt begabt, und ich wuxde vielleicht überschwänglicher uber »thn urtheilen, wenn ich nicht das unerlhvrte l Glück gehabt hätte, nach ihm Tirilr zu I erwerben. M .-« ·-« -..t—---k. Ja) yallc Palla) lltuyl unschkvku, wenn ihm nicht ein Malheur passirt wäre, an dem eine Schwäche von ihm schuld war, die ich längst erkannt hatte: seine Bremse taugte nicht viel. Es war so eine geistlose, platte Druck bremse, an der nichts bewundernswerth war, als die Prätention, ein lauscndes Rad zum Stehen bringen zu wollen. Also gut! Jch fuhr eines schönen Ta ges aus ihmsam badischen Ufer des Untersees entlang, und zwar war die Situation so: ich kam aus einem Wald heraus, der hoch gelegen war, und fuhr ·eine Weile planeben, wie mir schien; in Wahrheit aber fiel der Weg bereits ein wenig, was ich aber nicht bemerkte, weil ich eben eine Siziliane dichtete, eine Strophe, die italienischer Her kunst ist, weshalb sie immer zwei Rei me mehr ersordert, als man im Deut schen leicht sindet. Nun können Sie sich denken, daß man nicht zugleich Reime sangen und aus den Weg acht gebm kann, und mir war natürlich der Reim wichtiger als der Weg —- denn es giebt überhaupt nichts Wichtigeres auf der Welt als gute Reime. So kam es denn, daß ich, just als ich mei nen Reim gesunden hatte, die Pedale verlor, weil es plötzlich in einem ganz unmöglichen Winkel bergab ging. Jah« fühlte deutlich, wie Patsch von einem Todesschrecken durchrieselt wurde, als seine Redale keine Leitung mehr fühl ten und sich in einem wahnsinnigen Tempo wirbelig drehten, und ich selbst hatte auch die deutliche Empfindung, daß ich in wenigen Sekunden irgendwo in der Tiefe fragmentarisch anlangen würde. Also ultima ratio! die Brem se. Lächerliche Jllusionl Zwar ver breitete fich augenblicks ein venetranter Geruch von heiß gewordenem Kaut schul, aber das Tempo der Abfuhr verminderte sich so gut wie gar nicht. Dafür kam mir ein Ochsenfuhrweri gemächlich, aber sicher entgegen, und ich vermochte wir, phantasievoll, wie ich nun einmal bin, mit Blitzesschnelle auszumalen, wie, in fünf Selunden, Patsch an der Gabeldeichfel, ich aber ; am Horn eines der Ochsen hängen: würde. Mein letzter Gedanke war der gefundene Reim: Karbatfchen, den ich ’ als Befähigungsnachweis für die Se ligkeit mit in die Ewigkeit hinüberneh men wollte, die sich meinen angstvoll aufgerissenen Augen wie ein Thor mit durcheinanderkreischenden Feuerrädern aufthat —— —- da machte Patsch einen Riesensatz nach rechts und raste auf ei nen Steinhaufen los. O du Patsch der Pätsche, o du Wunder von einem : Patsch! Das war meine Rettung, aber Dein Rain. Der brave Clevelän- « der hatte sich, ein leuchtendes Beispiel»« von Dienertreue, für mich aufgeopfert. Er nahm den Steinhaufen, torkelte ! noch ein Stück der dahinter liegenden J Böschung hinan, dann fiel er erschöpft : und ohnmächtig um, und ich lag, die Hände in seine Speichen gekrampft, s auf ihm. Wie es sich gebührt, fah ich erst nach, was ihm fehlte. Nun: er - hatte seinen Knacks weg. Das eine « Pedal war ganz ab, das andere bau- . melte nur noch; die Lenlstange hatte sich völlig verdreht; die Pneumatiks IUULkll dkHujuVu Der arme Kerl that mir furchtbar leid, obwohl ich vollkommen Ursache hatte, mir selbst leidzuthun, denn auch meine Pedale, sowie die vorstehenden Theile des Gesichts befanden sich in ei nem mehr Pathologischen als ästheti schen Zustande. So hintten wir beide nach Hause. Bei Patsch’s guter Clevelandkonsti tution versteht es sich von selbst, daß er - wiederhergestellt werden konnte. Und er wurde wieder hergestellt. Aber er J blieb für mein Gefühl doch ein Krüp pel, ein mißliebiger Anblick. So sind » wir Menschen. Dankbarkeit und Treue sind bei einem anständigen Subjekt von Rad öfter zu finden, als bei uns. Jch i beschloß, ihm zwar das Gnadenöl zu . geben, mir aber doch ein neues Rad s anzuschaffen s Jch hätte für diese Herzlosigteit ver » dient, ein ganz niederträchtiges Wesen l ausgehöngt zu beloinmen, das fein Ge , schlecht an mir mit tausend Tücken ge s reicht hätte, und siehe da — was ist das s für eine Weltordnnngl -— ich bekam, f als sollte meine Gemüthsrohhcit auch E noch prämiirt werden, das Rad der Rä I der, das Ueberrad: Tirili. Auch Tirili entstammt derCleveland familie, doch gehört sie deren adligem i Zweig an, der Baronlinie der Luxus « modelle. Es wäre Vermessenheit, woll i te ich versuchen, ihr Aeufzeres zu schil dern. Sie ist einfach ein Erzengel an Schönheit, und dabei hat sie einen Ket ; tenschutz aus Hartgummi und ölt sich 5 selbst. i Jch will Jhnen lieber eins der Be Z gebnisse erzählen, die ich in letzter Zeit I mit ihr erlebte ;daraus werden Sie am besten ersehen, welch’ edle Seele ihr in newohnt, welch’ adlige Eigenschaften l sie besitzt, von welcher Fülle aller Reize « fix LMjlossen ist· Der alte« gute, treue ! Patsch erscheint mir neben ihr· ganz ein fach als Omnibus — ich kann mir nicht helfen, so frevelhaft undankbar das auch klingen mag. I Gewiß, er überragte den Durch - schnitt; er war ein Talent; aber Tirili l ist unendlich viel mehr, Tikili ist ein Genie, ein Wunder. Man sollte von I ihr nur in Versen reden, oder, besser l noch, man müßte nur Herrn Stephan George darüber in Versen reden lassen, denn nur das erhabene Lallen ist die iongeniale Ausdrucksweise für Tirili. Nun lächeln Sie natürlich alle und finden, daß ich überschwenglich bin. Aber Sie werden gleich anders denken, wenn Sie»hören, was mir kürzlich mit Jurui paHIrr In. Es war ein schöner Herbstmorgen und die Luft so klar, dafz die baheri schen Alpen wie zum Greifen nahe vor mir lagen. Trotzdem gedachte ich nur in’s Dachauer Moos hinauszufahren, wo, wie Sie wissen, die Wiege des ma lerischen Münchener Naturalismus stand, weshalb einige Pietät und ab und zu eineRadpaktie geboten erscheint. Gleichzeitig wollte ich bei dieser Gele genheit den letzten Akt eines Dramas dichten, das Sie hoffentlich nicht aus Empörung über diese Geschichte aus pfeifen werden« wenn es aufgeführt wird. Denn ich dichte immer, wenn ich auf Tirili sitze, es sei denn, daß mir durchaus nichts einfiele. Sie meinen: ich sollte lieber lenken? Da kennen Sie Tirili schlecht. Das gute Mädchen würde es als eine Beleidigung auffas sen, wollte ich die Lenlstange auch nur angreifen. Sie liest offenbar Gedan ken, denn bis jetzt hat sie mich immer dorthin geführt, wohin ich wollte oder wohin meine Gedanken sich richteten. Also gut. Jch tätschelte Tirili freundlich sowohl auf die vordere als auf die hintere Pneumatik, freute mich, wie drall und prall das alles war, und heidi ging es hinaus, die Nnmphem burger Allee entlang. Schon am Fen ster der hübschen Nähmamsell links kam der Geist iiber mich und ich begann ein so heißes Dichten, daß ich weder vorwärts, noch rechts und links, son dern nur immer in mich hineinfah, wo sich der leste Alt meines Dramas glatt und con amore abspielte. Dieses Schauspiel interessirte mich riesig und ich sah nicht eher ans mir heraus, als bis die Heldin so todt war. wie es nur —-».. -.--·.«-—..--- » —... - eine heldin sein sann, die es nach gött lichem nnd menschlichem Recht verdient. todt zu sein. Wer beschreibt abe: mein Erstaunen, als ich, wie ich mich nun be friedigt umsah, mich nicht ein-a in » « Dachau, sondern auf dem Gipfel eines Berges erblickte, den ich dank meiner Vorbildung auf einem deutschen Ghin nasium sofort als die Zugspiye erkann te? Du lieber Gott, sagte ich zu mir, die Zugspitze ist doch 2974 Meter hoch und ganz voll Eis und Schnee, und der Arzt hat mir ausdrücklich verboten, größere Steignngen zu nehmen nnd mich Ettältungen aus-zusetzen —- da ging es auch schon wieder abwärts-, und nur mit Hilfe der wunderbaren Roll chenbremse gelang es mir, einige Wän de ohne Unsall hinabzukommen. Aber bei allem Bremsen mußte ich doch in einem ganz unerhörten Tempo begrif fen sein, denn nur dies vermag den Umstand zu erklären, den ich Ihnen so forlk Und ohne viele Worte berichten wi . Jch sause also hinunter und komme plötzlich in eine Klamm, die, rechts und links von senkrecht aufragenden Felsen eingeschlossen, nur oben Raum für ei nen ganz schmalen, überdies völlig be eisten Weg bot. Jch hatte meine Beine auf die Lenkstange gelegt und hielt die Arme verschränkt, wie ich immer zu thun pflege, wenn ich mir sagen muß: hier kann nur Tirili allein helfen. Da, denken Sie sich meinen Schreck, sah ich am Ende der Klamm einen dicken Bauern auf mich zukommen, des sen breite Figur der Weg völlig ein nahm. Einen Moment kam mir der idiotische Gedanke, zu läuten, aber da war ich auch schon ———,.ja, wie soll ich nun sagen: über den Bauern weg oder durch den Bauern durchgefahrenZ Jch muß unbedingt an die letztere Möglich keit glauben, denn ich bin mir durch aus nicht bewußt, daß wir, Tirili und ich, über ihn weggesprungen sind. An dererseits war freilich an mir Und dem Rad nicht das Geringste zu sehen, das darauf hätte hindeuten können, daß wir durch einen leibhaftigen Bauern hindurchaefahren waren. Aber, wenn Sie die Schnelligkeit bedenken, mit der dies offenbar geschehen war, so ist die ser Nebenumstand ja nicht weiter der wunderlich. Auf alle Fälle ersuche ich Sie, nicht auf die Jdee zu verfallen, ich hätte den Bauern überfahren. Ei nen so häßlichen Gedanken müßte ich auf das Bestimmteste zurückweisem ich überfahre nie Jemand, sei es Bürger, Bauer oder Edelmann. Jn weniger Zeit, als Sie gebraucht haben, dieses kleine Abenteuer anzuhö ren, befand ich mich danach auf der Landstraße zwischen Planegg und München, und zwar der Stadt sehr nahe. Tirili verlangsamte ihre Gang art, und wir bummelten in dem Tem po dahin, das ich immer fiir das beste zum Dichten von Elegien gefunden ha be. Jch begann sofort eine in sechsfü ßigen Jamben aus das goldene Haar meiner Geliebten. Schon war ich am Ende de Gedichts angelangt, an die-« sem höcht wirkungsvollen Schluß, wo ich es mir als unseligsten Tod wünsche, » mich an diesen goldenen Strähnen auf zuhängen ——— da kommt mir dieselbichte Geliebte höchstselbst entgegen und zwar auf einem schneeweißen Zelter —- ich z darf in diesem Zusammenhang dieses j poetische Wort anwenden. Sie kön » nen sich meinen süßen Schrecken den s ken! lAtber kaåim skkatåe ich sekin holdes Riesen ur a« . ü· enmlar ek stet, F da kam ein Falle itterer chFeckgErTYhinZ « terdrein: Hölle und Teufel — ein s Galan ritt neben ihr, ein schwarzes, l hakennasiges Herrchen in einer grünen ; Weste auf einem riesigen Fuchs-. Mei l ne Eitelkeit zischelte mir zu: welche l Figur wirst Du neben der Hakennase J spielen, die auf einem hohen Gaul sitzt, ! während Du auf einem Rad hockst, und l wäre es auch Tirili, die Unvergletch l liche. Und ich gedachte, mich rechts in - die Büsche zu schlagen. Aber da waren die beiden auch schon da, und ich mitten s zwischen ihnen, und ich reichte meiner ’ Konlgin Mc HAND. Wie ist das nur möglich, dachte ich z mir, daß ich diese holde Hand im j grauen Reithandschuh von Tirili’s . Sattel aus so leicht erreichen konnte — da merkte ich, daß ich mich mit der Ha i kennase in gleicher Höhe befand, und i das Herrchen sagte etwas von einer fa I moer Jsabelle, auf der ich ritte. Der I Mensch sah Tirili fiir eine falbe Stute i an! Das muß von der Farbe der s Spelgen Tirili’s herkommen: anders z kann ich es mir nicht erklären. Aber I die Höhe! Die Höhe! Und Ttrili ; kann doch nicht wiehern! Mir war zu I Muthe, wie wenn ich der Held in einer I Geschichte von E. T. A. Hoffmann wei re, und ich freute mich, als die Beiden sich mit den Worten oerabschiedeten: »Mit Jhnen kommt man ja doch nicht mitt« Kaum waren die Worte ver klungen, da sal) ich, daß ich an meinem Hause angekommen war. Es war ge nau eine Stunde seit Beginn mein-r Ausfahrt vergangen, und man sah Ti rili durchaus nicht an, dasz wir auf der Zugspitze gewesen waren. Sind Sie paff? Jch bin es nicht. Jch erlebe täglich solche Sachen mit Ti rili. Pegasus mit den Gänfefliigeln war ja zu jenen zurückgebliebenen Zei ten ein ganz passables Reitpferd für Dichter, aber wenn Pindar heute noch mals geboren würde —- auch er würde einen Cleveliinder vorziehen. Meine Tirili kriegt er aber nicht! -—-———-. s.-—---—«—— Ho f. Jn Konkurs gerieth Gerbers metfter Johann Sommer, fowte die Firma hermann Thielen Fa Co.