JCWMOI syst-MS · « - Te Das Bifd im Länge Roman von F. Arnefeldt. LUSW QCT ( Z . S sp) (7. Fortsetzung) j »Das hat er sich wohl nicht fo recht g kiar gemacht,« entgegnete der Vater. i »Wir spitzen Alle, daß wir sterben müssen, a r es glaubt Keiner so recht daran. Dann fürchtete er auch, die Saniiätsriithin würde der Tochter die Annahme der Erbschaft nicht gestattet-» und ferner wollte er sie vor den Gehiif sigkeiten nnd Verfolgungen bewahren, die er seitens seiner Angehörigen fiir sie voraussah7 er hiett es daher fiir ge rathen, mich vorzuschieben.« »Und Dir alle die Gehäfsigkeiten und Verfolgungen zu,zuziehen, deren Beute Du jetzt geworden bif !« sprach Willibald unmuthig. »Wäre Ahrweiler eines natüriichen Todes gestorben, so hätten sie mich wenig anfechten sollen, ich würde schon mit den Frauenzimmern fertig gewor den sein. Wer konnte ahnen, daß die Sache sich so arg verwickeln würde; ich glaubte überhaupt nicht, daß ich Ahi weiler überleben werde,« entgegnete Dornedden, »und so willigte ich ein,der Erbe zu heißen ?'« »Und er hat Dir gar nichts der macht-s« »Er hielt mich fiir einen sehr reichen Mann und hoffte überdies-, das Seid würde auf einem Umweg an Dich kom ryenx Du weißt, was damit gemeint it.« Willibald’s Gesicht rötheke sich; cr winkte mit der Hand. »Weiter, Vater-, weiter.« . »Ich habe Ahrroeiler einen Eid ge leistet, nach seinem Tode Jofefine Leonhard und ihrer Mutter die Mil lionen zufließen zu lassen, ohne dan fie wissen, von wannen sie kommen-« »Wie hättest Du das ausführen sol len?« fragte Willibald. »Das weiß ich noch nicht; aber es würde sich haben bewerkstelligen laffen Und wird zu machen sein, wenn ich in den Besitz des Geldes gelangen sollte. Der Gedanke hat mir aber keine Ruhe gelassen, Du könntest das Geld für unser Eigenthum halten und —« »Du weißt, Vater, daß die Aussch lung nicht eher erfolgt, bis die Unter suchung zu Ende ift,« unterbrach ihn Willibald, »selbfi Ahrweiler’s Ver nåcTndte erhalten ihren Antheil nicht e r." »Du darfft aber damit auch nicht rechnen, versprich mir das; der Ge danke quält mich fehr.« »Ich verspreche es Dir,« sagte Wil libaid etwas zögernd und legte seine Hand in die ausgestreckte des Vaters-» »Aber hasi Du dem —« Ein Klopfen an derThiir schnitt ihr-n die Rede ab. Der Gefängnißwärter trat ein und erklärte, die für die Unterredung be willigte Zeit sei bereits überschritten Willibald mußte sich von seinem Va ter oerabschieden, ohne auch nur die Frage, die er auf den Lippen gehabt, an ihn gestellt zu haben. 9. Der nächste Tag war ein Sonnth ewesen, und Willibald Dorne von-ver chon rnit dein Nachtzuge am Sonn abend nach Landes-but hatte zurückehi ren wollen, hatte sich entschlossen, in Folge der Eröffnungen, die ihm der Vater gemacht, seinen Aufenthalt in Berlin zu verlängern. Er sandte sei ner Mutter ein Telegrarnm daß er erst am Montag oder Dienstag zuriickteif ren würde. »Es ift gut, daß wir unterbrochen wurden,« sagte sich der junge Mann während er das Gefängnis-, verkiefz un: den Weg nach der Haltestelle der Pfu debahn, die ihn nach Berlin zurück bringen sollte, einschlug. »Hätte ich ihn gefragt, ob er die Verabredung mit Ahrweiler dem Untersuchung-richte: mitgetheilt bat, so würde ich mir die hände gebunden haben. Nach allem was ich von ihm erfahren habe, hat er es nicht gethan, und würde es mir in seiner übertriebenen Pietät für den todten Freund auch verboten haben. Es ist nicht geschehen und ich darf die Sache ausnutzen. Der Umstand spricht so sehr zu seinen Gunsten, daß es eine Art Setbstrnord wäre, falls er es nicht zu seiner Bertheidiguno anführen wollte. " ch will den von ihm begange nen gib at machen." A ou tu Willibald lebte viel M der Rücksicht und Peinlichteit, die ex M seinem Vater kennen gelernt hat te; ei tränkte ihn doch nicht recht, daß Tau Seen-hart- un dibre Tochter erst tch seine Erklärung vor Gericht die Nachricht erhalten und durch gehäsfige Ungriffe der Verwandten des Grobs s unliebsam überrascht werden soll So tte er denn seine Schritte mä der ettelbeckstraße gelenkt, und m Stück war ihm günstig ewesen. It hatte dievom Neuen See ein-steh resse efine vor der Thüre des von ihr bewo nten Hauses getroffen und die Erlaubniß erhalten, sie und ihre Met- mseondern Tassge zu besuchen. IN Ist FIsstkIWUheeM-chächtniß che neu IsgustsssBictoriapla « war U Wegettesdienst " r; f unter den Klängen der Orgel strömten die recht zahlreichen Kirchenbesucher in’s Frere und zerstreuten sich nach al len Seiten. . Frau Sanitätsrath Leonhard und ihre Tochter waren ebenfalls in der Kirche gewesen und schickten sich an,den nicht allzu weiten Weg nach ihrer Wohnung zurückzulegen Josefine schlug dabei eine so schnelle Gangart an, daß die Mutter sie verwundert fragte, weshalb sie denn so eile; das Mittagessen werde ja durch das Mäd chen ganz ordentlich besorgt, und das Gehen in dem hellen Srnnenfchein des schdncn, tlaren Wintertages sei doch ein Vergnügen Das von der frischen, kalten Luft geröthete Gesicht des jungen Mädchens » ward wie mit Blut übergossen, wäh- I rend sie ihre Schritte mäßigte und sich l bei der Mutter wegen ihrer unbedach- I ten Eile entschuldigte Nicht um die i Welt hätte sie eingestehrn mögen, daß i der Gedanke sie vorwärts-E getrieben l habe, Willibald Dornedden könne wäh- l rend ihrer Llwesenheit vorgesprochen l und ohne sie angetroffen zu haben,wie- 4 der fortgegangen sein. Zu Hause an- · gelangt, war ihre erste Frage, ob Je- s wand dagewesen sei; als dies durch i das Mädchen verneint ward, athmetr «ie erleichtert auf, brachæ ihren Anzug vor dem Spiegel in ihrem Zimmer mit besonderer Sorgfalt zurecht und ord nete dann in der sehr faubzren, behag lich erwärmten Wohnung allerlei, um die innere Unruhe zu verbergen. Der still und fein beobachten-den Mutter entging derSeelenzufiaud ihres Kindes doch nicht, und bange Seufzer hoben ihre Brust. Welche Stürme schie nen da wieder amHimrnel ihres s einver gepriiften Lebens heraufzuziehen! Josefine’s Geduld wurde auf keine allzu harie Probe gestellt. Noch war keine hale Stunde nach ihrer Rückkehr aus der Kirche Ver-flossen da ertönte draußen die Glocke. Der Hund schlug an, und das Mädchen öffnete di: Thür. Wenige Minuten später meldete es Herrn Willibald Dornedden, und begleitet von dein Hunde, der mit lau tem, freudigem Bellen an ihm in die Hiihe sprang, trat der junge Mann ins Zimmer. »Scheck kennt Sie noch, und Sie sind doch seitJahren nicht bei uns gewesen!« rief Josefine ihm entgegen. Sich vor den Damen verbeugend, er widerte Willibald: »Das gute Thier hat ein vortreffliches Gedächtniß, ich würde sehr glücklich sein, wenn ein sol ches mir auch von meinen Ferrinnen bewahrt worden wäre.« Er atte alle Ursache, dem Hunde dankbar zu fein, der ihm durch seine Begrüßung über die Verlegenheit hinweggeholfen hatte, sich bei den Damn eeinzuiühren und sofort zu erklären, was ihn veranlaßt Futte, sie nach fo langer Zeit aufzu ruhen Jetzt war das Eis gebrochen. Frau Leonhard hieß ihn zwar zuriiahab tend. aber nicht unfreundlich willkom men, und Josesine begegnete ihm wie einem guten alten Beiannten,den man mit aufrichtiger Freude «wiedersieht. Der Hund ward zur Ruhe gebracht und dein Gast ein Platz in einemSef sel, den beiden Damen gegenüber, an HLÄUICIIJL Dank der Gewandtheit der Sani- i ifjtåräthin war die Unterhaltung bald in vollem Gange; sie «liei; Willibald Den seiner Mutter. von seinenSchwe- l siern, von seiner Thätigteit inLandeSs z hut erzählen, aber sie vermied, wie er J sehr bald bemerkte, absichtlich, jede Erwähnung seines Vaters und der Ereignis-te welche dessen Verhastung herbeingührt hatten. Willibald sann darüber nach, wie er aus den eigentli chen Zweck seines Besuches überlenten könne, als ihm Jasefine, die dem Ge spräch jetzt ziemlich schwpeiasam zuge hört hatte, durch die Frage zu Hilfe kam: »Und wie geht es Ihrem armen Vater? Sie sagten mir gestern, Sie hätten ihn gesehen.'« » »Ja, ich war bei ihm, man hatte ) ihm eine Unterredung mit mir gestat ’ tet,« antwortete Willibald Und dankte Josesine mit einem warmen Blick für ihre Theilnahme. Erröthend senkte das junge Mäd chen die Augen; sie schaute indes-, schnell wieder auf und Fuhr tapfer fort: »Erziihlen Sie uns bitte von ihm; wir nehmen den innigsten An theil an feinem Geschick »Und glauben an seine Schuldlosig teit?« fragte Willibald bald schnell. Jasesine gab diese Versicherung in lebhaften deredter Weise, ihre Mutter that-es einsilbig und kühl. Willibald merkte wohl, die Ant wort der Sanitiitöriithin sei ihr mehr durch die Höflichkeit, als durch die Ueberzeugmig eingegebem nnd er · empfand ein tiefes Weh; aber et muß te durch, und so gab er sich den An schein, befriedigt zu sein und sagte: »Die hoffnung, daß Sie mir beistes gez Steg-tm säine Shikldhlosigteit an — i zu ringen, ii rt mich zu Jhnen.« W f »Wir-P riefen Mutter nnd Tochter L gleichzeitig; «n)ie könnten wir dass« ! »Gesiatten Sie mir, es Jhnen zu er klären,« antwortete Willibald und wiederholte nun dieMittheilungen fei nes Vaters-, wobei et es sich angelegen fein ließ, möglichst alles Zu vermeiden, wodurch die Sanitätzriithin verlest werden konnte. Die ulteDame war doch tief erschüt tert, und sie rief mit einer Art von Entsetzen: »Meiner· Jofefine at er feinen Reichthuin befrimkntt? , das nåarvein bettagenswerther Einfall von i,tn.'« Willibald mußte unwillkürlich lö cheln. »Es dürfte nicht viel Perfvnen qebenK, die das so bezeichnen wür den.« sagte er. »Und er hat Ihren Vater vorgefchvg ; ben!« klagte Jofefinr. LWäre Herr . Dornedden nicht im Testament zum I Universalerben ernannt —« »So würde ihn Niemand des Mor des angetlagt haben, trotz der räthsei- i haften Photographie!« fiel Willibald ein. »Auf die man mir viel zu viel Ge wicht zu legen fcheint.« sagte die Sa nitätsäräthin Warum hat denn Jhr Vater den Untersuchungsrichter nicht mit dem wahren Sachverhalt bekannt gemacht?« »Weil er feinem Freunde das Wort gegeben hat, ihn gehim zu halten und Fräulein Jofefine unter irgend einem Verwande in den Besitz des Geldes zu fetzen.'« »Den wir doch bald durchlchaut ha ben würden,« tagte Frau Levnhard Und drückte dass- Tafchentuch an die Augen; mit festeter Stimme fügte fie. hinzu: »Es kann natürlich nicht dir Rede davon fein, daf; Jofefine das Geld annimmt, ich würde nie meine Zustimmung dazu geben« »Da-E- hat Herr Abweier auch wohl aefiirchtet,« entgegnete Willibald, »und deshalb —« ««- - -. - — »Uc1), ULIUM Hans-Eil kö TO JU nächst gar nicht,« unterbrach ihn Jo rfine. »Mag nachher mit dein Gelde soc-den, was will, das ist Nebensache. etcr allen Dingen mus-, der Unter suchungs-rinnen muß alle Welt ex faliren, dfo Herr Karl Dornedden niTxt der Erbe der Millionen ist!« »Sie toiirden gestatten-, daß ich das bekannt werden ließe?« fragte Milli :-:—.ld: »e·3 dürfte Ihnen viel Unan nkhmiichteiten zuqiehen.« ,,Atsrweiler’5 Schwestern werden uns den Neuem mit ihrem Hof-, der folgen!« seufzte die Sanitätsriithin. Ho , tzosefine aber erwiderte: »Es-Kissen sie thxsn und sagen was sie wollen. Sie können unH doch nicht des Morde-? be ichuldizezem können uns nicht ins Ge fängnis-, sperren, wie es dem armen Herrn Dorneoden geschehen ist. Und er ha« geschwiegen?'· Willidaid, an den die Frage gerich tet war. antwortete durch ein stum mes Neigen des Kopfes. Josefine fuhr sori: »Das ist eine siaunenstverthe Selbftausopferung, aber wir dürfen das nicht zugeben Nicht einen Tag länger soll der sel tene Mann im Gefängniß schmachten, sofern ich es hindern kann. Eilen Sie, machen Sie bekannt, was schon tanae nicht mehr hätte Geheimniß bleiben sollen!« Sie war von ihrem Stuhl aufgeforungen und hatte beide Hände Willibald’5 ergriffen. Ein schönes Feuer durchglühte fie, strahlte aus ihren Augen und gab sich in ihrer Rede, in ihren Fegungen kund. Das sonst nur tibsche Mädchen war in diesem Augenblick schön. Willibald betrachtete sie mit Bewunderung- »Ich war hergekommen, utn Sie um die Er laubniß der Veröffentlichung zu bit ten,'« sagte er. »Ihr Entge mlommen rührt mich tief und verpf ichtet mich zur innigsten Dankbarteit, aber was sagen Sie, gnädige Frau2« wandte er sich an Jofefines Mu:ter. , Die Sanitiitsräthin antwortete erst ’ nach ein paar Minuten, und als sie es that, klang ihre Stimme schrill und ge preßt, als ob sie einen recht schweren Entschlufß abgerungen habe: »Ich lann und dar es nicht verhindern. Thun Sie, was Jhnen zum eil fiir Jhren « Vater dünkt und rn" e ott Ihnen Er folg verleihen.« « ie erhob sich bei diesen Worten und reichte Willibald die Hand, die dieser, der vorher schon ausgestanden war, an seine Lippen drückte. Der junge Mann nahm es als ein Zeichen der Entlassung und empfahl sich» Frau Leonhard hielt ihn nicht zu rück und ihre Tochter trieb ihn sogar zur Eile. »Geh-m Sie! Gehen Sie!« bat Jo sefine in ihrer lebhaften Weise, »stel leicht können Sie ute noch den Un tersuchungsrichter brechen und Ihren Vater befreien.« »So schnell wird es nicht gehen,« sagte er lächelnd, ihre kleine hand in der seinigen haltend, »aber ich bin Ih nen so unsiiglirh dankbar.« «Gehen Sie,« wiederholte sie; leise und vers «rnt fügte sie hinzu: »Und kommen ie bald wieder; toir müssen doch erfahren,- was Sie aus erichtet aben.« Sie warf einen sehe-wen lick auf die Mutter. Davon bezwungen, halb Segen ihren Willen, stimmte die Sau tatsritthin bei-. »Ja, kommen Sie bald wiederk« »O, Kind, Kind, was ha Du aus mir emacht!« rief die alte me, als osefina die den Gast hinausgeleitet tie, wieder in’ Zimmer etreten war, ,,i habe Dorneddenb Ihn ausge for ert, wieder zu uns zu tomntenl «Dornedden und Wrllibaid sind edle —— Menschen, wir sind tn schwerer Schuld s gegen sie,« ent egnete Josefine. » Und Du di entschlossen sie gut zu ; machen?" T Mutter und Tochier sahen sich ties ’ in die Augen. Aus Josesinens hübschen-. Gesicht chen wechselten Röthe und Biässe, aber mit sesterStimme antwortete sie: »Das will ich, so viel an mir ist!« Sie wars sich der Mutter in die Arme und eilte schnell aus dem Zimmer. Beide hatten sich sehr wohl verstanden. Sobald die Sanitätsrä:hin sich al lein sah, eilte sie an ihren Schreidtisch, schloß ein Fach aus, nahm ein Etui heraus und ließ es Mist-ringen Es enthielt in einem einsachen schwarzen Rahmen das Jugendportrait der ver storbenen Ahrweilerx sie schaute es an, und Thräne aus Thräne rollte ihre schmalen Wangen hinab: »Du wirst Deinen Willen doch bekommen, wenn nicht durch mich, so durch mein Kind, das den liebt, den Du ihr bestimmt hast! Meine Tochter soll aber nicht zu Grunde gehen, sie soll glücklich werden und glücklich machen!« Drllidald Dornedden hatte in sebr gehobener Stimmung die Leonhard’ sche Wohnung verlassen. Josesrne’g Bild begleitete ihn in zauberhastcr Schöne und Lieblichkeit Hatt-e ee hig dahin an Eharlotte Kunze doch noch mit einem stillen Kummer gedacht, so war ihre Gestalt jetzt völlig ausge löscht durch die der Anderen. Und an diesem Mädchen, das Ahrioeiler fEr ihn bestimmt hatte, war er achtlos vorübergegangeni Josesine hatte sich freilich erst wäh rend der Zeit, wo Willibald nicht mit ihr in Berührung gekommen war, so reizdoll entwickelt, und jetzt, wo «in feinem Herzen durch und siir sie die Knospe wahrer Liebe ansgesprungen war wenig Hoffnug vorhanden, daß sie je die Seinige werden könne! Mit Schreck und Vorwurf ward er inne, Zaii er die Wirtlichteit vergessen und selig geträumt hatte. Er durfte jetzt an«nichts anderes mehr denten. ais an seinen Vater und dessen Geschick. Trotz des Sonntags suchte der junge Mann den Rechtsanwalt aus, fand ihn zu Hause und theilte ihm mit, was :r von seinem Vater ersah ren hatte, daran die hofnung knü pfend, daß dieser Umstand einen be deutsamen Umschwung zu dessen Gun sten herbeiführen werde. Zu Willibalds unliebsamer Ueber raschung stellte der Rechtsanwalt, der ihm aufmerksam zugehört hatte, in recht tühlem Tone die Frage: »Und welche Beweise haben Sie dafür, daß die Dinge sich so verhalten, wie Sie sie mir soeben dargestellt haben?« »Beweise!" wiederholte Willibald unmuthig aushlietend, ,,wie kann man dasstiir Beweise beibringen. Es ist eine geheime Abmachung zwischen meinem Vater und Ahrweiler, iiher die sie selbstverständlich nichts Schrift liches ausgesetzt haben und —« »An der ich nicht im Mindesten zweiile,« siel der Rechtsanwalt ein, »der Untersuchungs-richtet lann und wird ihr aber wenig Glauben beimes sen. Er wird sagen, diese Abmachung sei nachträglich erfunden, um den Be schuldieåten zu entlasten.« »O, as wäre furchtbar!« ries Milli bald; wäre das so, dann würde mein Vater Doch schon lange damit hervor gekommen sein, sie nicht mir allein unter dem Sich-L der Verschwiegenheit anvertraut ha .« »Vielleicht sieht der Untersuchungs richter darin nur einen geschickten Schachzug,« erwiderte der Jurist. ·Jch werde ihm die Sache vortra gen, sagte Willihald, der sich- durch des s Rechtsanwalts Bemerkungen gegen ihn i verstimmt siihltr. ! F »Ich mag Sie daran nicht hindern und bitte Sie, mir Nachricht über den Erfolg zu geben,« war die Antwort, und die Herren trennten sich lühler und gemessener, als dies bei früheren Zu samentiinsten der Fall gewesen war. Von seiner Unruhe getrieben, begab sich Willibald von dem Nechtsanwalt zum Amtsrichter Kilian in Charlot tenburg, der ihn auf die Meldung, er bringe wichtige Mittheilungen in der Ahrweiler’schen Sache, in seiner Pri vatwohnung empfing, ihm aber nur be stätigte, was der Anwalt ihm gesagt Der Amtsrichter hörte den Bericht des jungen Dornedden mit Aufmerk samleit und Interesse an, hatte sogar die höflichleit, ihm zu antworten, als Mensch sei er nicht abgeneigt, den An gaben Glauben zu schenten, als Richter tönne et aber tein Gewicht darauf le gen, da sie von teinem greifbaren Be weise unterstüht würden Tief niedergeschlagen verließ Milli bald den Amtsrichter und trat noch an demselben Abend die Nüdreise nach Landeöhut an, wo er seiner Mutter ausführlich vom Verlaufe seines Auf enthaltes m Berlin erzählte. »Die Reise ist leider ganz vergeblich gewe sen!« fügte er seufzend hinzu. »Doch nicht !«« entge nete Frau Dor nedden mit ihrem ? önen Lächeln. »Du hast den Vater ge ehen, hast ihm Nachricht von uns gebracht und bringst uns Nachricht von ihm und hast endlich erfahren, was das räthselhaste Te ta menr des Verstorbenen zu bedeuten t. Wollen die Muristen davon nichts wis sen, so ist l r uns doch viel ewonnen. Und erachtest Du die iederan tniipsung de rBeziehungen zu Leon hards nicht für einen Gewinn ?'« fragte te mit liebenswürdi er Schelmerei und strich mit ihren i hlen, schlanten Fingern dem Sohn sanst über das er glühende Gesicht. « Los , Der Mord in der Uhlanditraße hatte eine recht seltsame Freundschaft zuwege ebracht. Der Criminalrommisfar iiseler prach häufig in der Woh nung des ortiers Löhne vor und lud auch das Ehepaar, das sich dadurch in hohem Grage gefchmeichelt fühlte, von Zeit zu Zeit ein. in einem Restaurant seine Gäste zu sein. Sohn und Tochter waren in diese Einladung stets mit in begriffen, aber nur Marie machte da von Gebrauch. " Wilhelm wußte solche Einladungen immer unter irgend einem Vorwonde abzulehnen und machte gegen seine El tern kein Hehl daraus, daß er sich von Müseler nicht freihalten lassen möge, und daß es ihm auch nicht passend er scheine, daß sie es lhiiten. Er hatte weDer bei ihnen noch bei der Schwester ein Verständnis; für seine Auffassung gefunden. Alle drei hatten ihrn im Gegentheil Vorwürfe gemacht, dafz er ihnen das Vergnügen« mit einem Herrn wie der Criminalcommissiir auszuge hen und auf seine Kosten zu zehren, mißgönne, zumal es ihnen jetzt, wo die Einnahmen bei Ahrweiler weggefallen, nicht möglich fei, dies aus eigenen Mit teln zu thun. Es blieb ihm in Folge dessen nichts übrig, als denDingen ih ren Laus zu lassen. An Wilhelm-; Stelle fand sich dage gen ein anderer Theilnehmer an den durch Müseler veranstalteten Ber gniigungspartien ein. Es war dies ein Junger Bursche von ungefähr zwanzig Jahren, mit gelbem, siidländischem Teint, scharf «eschnittenen und trotz feiner Jugend schon berichten-Zügen, schwarzen, fast unheimlich brennenden Augen und tieffchtvarzem Haar-, das- er in langcn, wallenden Locken trug. Auch sein Anzug, der Sammetrocl, die bunte Craoatie, in der ein großer Stein suntelte, der breite Schlapphut hatten etwas Fremdartiges, und nicht zum Wenigsten war dies mit dem Na men der Fall. Dieser Jüngling, denMarie in einem Tanzlriinzchen iennicn gelernt und bei den Eltern eingeführt hatte, nannte sich Alfonso da Fonseca, und gab an, er entstamme einer alten, sehr vorneh men portugiesischen Familie; seine Großeltcrn wären aber nach Brasilien ausgewandert und hätten dort große Besitzungen erworben, die jetzt von sei nen Eltern beloirthschaftet würden. Er sei ihr einziger Sohn und Erbe, die Liebe zur Kunst habe ihn aber nach Europa getrieben. Er wolle sich in Deutschland, Frankreich, Italien in der Musik auebilden und als vollendeter Künstler nach Amerika zurückkehren Es sei indesz auch nicht ausgeschlossen, fügte er hinzu, dasz er dauernd in Deutschland bliebe, wo es ihm sehr gut.gefalle, und daß seine Eltern ihm dahin folgen würden. Köhnes laubten feinen Erzählun gen auf’s ort und wünschten lebhaft, er- möge in Deutschland bleiben, denn sie sahen in ihm ihren tünftigen, vor nehmen und reichen Schwiegerfohn und hätten Marie nicht gern mit über das Meer ziehen lassen. Müseler bestärtte das Ehepaar in dieser Auffassung und le te für den jungen Mann eine große orliebe an den Tag. Wilhelm war aber auch hier anderer Ansicht; er nannte Fonseca einenWind beutel und Abenteurer, warnte die El tern und die Schwester vor dem Ver tehr mit ihm und hatte alle Drei gegen sich— Die Verhältnisse im Hause singen an, sich für den jun en Mann recht un erquicklich zu esta ten, und leise ftie in ihm der edanle auf. ob er si nicht eine eigene Wohnung miethen solle, wozu sein reichlicher Verdienst ihrs mehr als ausreichend die Mittel an · . , - An demselbenSonntaa, an dem Wil- s libald Dornedden seinen Befuch bei der Frau Sanitiitsrath Leonhard und de ren Tochter emacht, hatte Miifeler die Familie Kögne mit Einfchlusz Wil elms und Alfonfo da Fonfecaåt wie- ; der eingeladen. Letzterer hatte mit : überfchwiinglichen Dankesworten an genommen, Erfterer wieder ziemlich kühl abgelehnt. Miifeler hatte fich aber durch die Weierung des jun en Mannes nicht abf realen lassen, ändern in feinem gemiithlichen Ton gesagt: »Sie sollten uns diemal nicht verschmähen, Herr Löhne. Wir gehen in’«5 Alexander plaH-Theater, wo höchft interessante Specialitäten zu sehen find. Vorher trinken wir ein Glas Bier bei Büchfel in der Königftrafzq Sie finden unH dort bis gegen siebenUhr, wenn Sie sich vielleicht doch noch eines Besseren be sinnen und mittommen wollen.« Eine gefällige Nachbarin hatte für die Nachmittags-« und Abendftunden des Sonntags die Beaufsichtigung des Hauses in der Uhlandftrufze übernom men, und der Eriminalcommissiir war mit dem Ehepaar Löhne und Ma rie mit derPferdebahn in das Centrum der Stadt gefagxen und zunächst in das Wilhelm zeichnete Reftaurant gegangen, wo man bei Bier, Koffee und Kuchen Alfonfo da Fonfecas An tunft erwarten wollte. Während der Criminalcommisfiir mit dem eine Eigarre nach der anderen rauchenden Löhne eifrig plauderte und dessen schnell geleertes Seidel immer von Neuem füllen ließ, behielt er die Eingangsthiir fcharf im Au e und muf erte jeden Eintretend n. s war dies eine mit feinem Beruf zufammen Zöngende Gewohnheit, er hatte aber eute noch einen befonderen Grund da iir. Der Brasilianer blieb lange aus, und es war ihm darum zu thun, daß ertihn und Lohnes in’s Theater beglei te e. H Endlich erschien der nicht nur oon Miiseler, sondern auch von Marie sehnlich Erwartetr. Mit dem breit tremptgen Hut, den er vom Kopf ge nommen hatte, schon von weitern grü ßend. ba nte er sich durch die dicht ge drängte en e einen Weg bis zum Köhne’schen isch und erregte durch fein gelbbraunez Gesicht, feine bunjs Kleidung und sein ausfasendes Beneh men allgemeine Aufmerksamkeit »Ver ?eihung, daß ich habe aus mich warten assen,« sagte er so laut, daß es an dem zunächst stehenden Tische gehört wer den tonnte, mit seiner fremdartigen Betonung und in nicht fehlergeiein entsch; »aber die musikalische ati nee bei unserem Gesandten, bei der ich nun einmal nicht fehlen durfte, hat lange gedauert; dann mußte ich mit ein paar Herren, die ich dort getrof sen, bei Dressel dinikenx es hat große Mühe gekostet, mich von ihnen los zu machen.« »Da ist es ja höchst anertcnnens werth, daß Sie Ihren Weg aus den vornehmen Regionen doch noch nach der Königstadt gefunden haben, Don At fcnso!« sagte Müfeler mit ganz feinem Spott, den indeß seine Gäste nicht mertten. »Ich habe mein Wort gegeben und das ist mir heilig!« rief Alfonso und schlug mit der Hand auf die Brust, sich gegen Marie verneigend, fügte er ein wenig teifcr hinzu: »Und wo könnte ich lieber· sein«-Es sa-« - ·-.- - « qu junge Arm-wen cllolqele svt Vergnügen Frau Löhne schmunzelte und machte dem Brasitianer Platz,·so daß er sich zwischen sie und Marie setzen könnte. Alsonso stürzte schnell ein Glas Bier hinunter, das der Kellner inzwischen aus Müseter’s Wink herbeiaebracht hatte, und erzählte dann mit lauter Stimme von der vornehmen Gesell schaft, in der er gewesen war, beschrieb die tausenden Toiletten der Damen und schaute sich selbstgefällig um« ob er auch vcn den ansitzenden gehört wurde. Der Wortschwall des jungen Man nes ward durch einen lauten Ausruf des alten Köhne Unterbrochem »Mut ter, Marie! Seht doch einmal dorthin, ist das nicht unser Wilhelm?« Er wies mit der Cigarre in der Richtung nach der Thür, wo die stattliche Er scheinung des jungen Maschinenbau ers aufgetaucht war. Die Blicke der kleinen Gesellschaft zeugten der bezeichneten Richtung, und rau Köhne sagte: ,,Wahrhastig, unser Wilhelm! Na, das lobe ich mir, end lich hat er doch ein Einsehen!«' Still schweigend fügte sie hinzu: »Nun wird ja woh Alles wieder in’s rechte Geleite tornmen.«' Inzwischen war Müseler dem neuen Ankömmling entgegengegangen und sra te, während er ihm die Hand rei te, halblaut: »Was giebt es, Herr Löhne? Sie kommen nicht, um mit uns in’s Speeialitiitentheater zu gehen, das sehe ich Jhnen an.« »Ich werde aber doch mitgehen, weil ich Sie allein sprechen muß, Verr Com missiir; ich glaube, ich habe eine recht wichtige Entdeckung emacht.« »Ja der Ahrweilerschen Sachet« sragte Miiseler schnell und siigte hin zu, als Wilhehm zustimmend nickte: »Lassen Sie die Ihrigen und den Süd ameritaner nichts davon merken. Wir sagen, wir hätten schon gestan heim lich miteinander verabredet, daxz Sie kommen. um ihnen eine Ueberra chuna zu bereiten-« »Thun Sie, was Sie für angemes sen halten," erwiderte Wilhelm. Beide traten an den Tisch, und Mii seler fragte händereibend: »Na, meine Herrschaften, was sagen Sie? Haben wir Sie nicht sein überrascht? here Köhne hat mir schon gestern verspro chen, hier mit uns zusammenzutrefsen, und nun bleibt er den Abend iiber bei uns-" »He Kellnerl" rief er dann und bestellte Bier. Wilhelm nahm neben seiner Mutter Platz, die sich vor Freude gar nicht zu fassen wußte, während Marie und da Fonseca nicht gerade sehr angenehm durch sein Erscheinen berührt schienen. Als das Bier gebracht ward, bezahlte er schnell und mit einer recht entschie denen Bewegtan aegen Müseler, der » es lächelnd und mit Achselzuoten ge schehen ließ. Jrn Gegensatz zu seinem Vater und Alsonso, die ein Glas Bier nach dem anderen hinunterstiirzten, trant Wil helm sehe langsam, tauchte auch nicht und schien sich in dem von Tal-als aualm und Bierdunft erfüllten, mit Menschen vollgepfropften Raum recht unbehaglich zu fühlen; leise richtete er an den Commissiir die Fraue, ob es nicht bald Zeit sei, das Lokal zu ver offen. Müseler zog seine Uhr, nictte, stand auf und gab das Zeichen zum Auf-« bruch. Der alte Köhne und Alsonso tranten schnell ihre Gläser leer, Frau Köhne packte den übrig gebliebenen Ku chen in den vorsorglich mitgebrachten Beutel und die Gesellschaft machte sich auf den Wea nach dem naheliegenden Theater. Die Vorstellung hatte oeben begon nen. Zwei mustutöse trobaten in Trilot und schwarzer, flittergestickter Betleidung balancirten Gemächte von mehreren hundert Kiloaramm auf der Nase, spielten mit Kanonentugeln Fangeball und schließlich hielt der Eine auf seiner ausgestrecktenhand den Andern. (FleFj-ngglgt-) Nur wenige wissen, wie viel man wissen muß, um zu wissen, daß man - nichts weiß.