(6. Fortsehnng.) »Aber wie konnte er!« rief Josefine empört ausfahrend. »Was hatte man zwischen Euch gebracht?« · Frau Leonhard ergriff die Hand ih rer Tochter und agte, die Augen nie derschlagend: »- eh habe unterlassen, Dir Eines mitzutheilen, es wird mir noch heute schwer, es auszusprechen: Kurt war ein schwacher Charakter und Einflüsserungen zugänglich. So lan ge er hier in Berlin war und im Ver kehr mit mir stand, ward er aufrecht gehalten durch meine Willen-straft in London aewannen die Brief-: der Schwestern wieder Macht über ihn. Sie schilderten ihm ihre und der EI tern Sehnsucht nach ihm nnd sie mögen ihrn meinen Charakter nicht in den ro sigsten Farben gemalt haben. Er hat mich sehr geliebt und lange widerstan den. Aber steter Tropfen höhlt den Stein. Arnalie und Fanny sind end lich selbst nach London gereist und ha ben ihm die Beweise gebracht, daß ich ihn schmählich hintergangen, daß ich ein Liebesverhältniß mit einem Leut nant habe und ihn nur heirathen wolle, um gut versorgt zu sein.« »Und das hat er geglaubt!« sagte Josefine, entsetzt die Hände zusammen schlaaend, ,,daraushin konnte er Dich ungehört berdammen!« »Er hat ihnen geglaubt, ich sagte Dir schon, er war ein Augenblicks mensch, und sie müssen ihm recht über zeugende Beweise vorgelegt haben: wie sie sich die verschafft haben, ist ihr Geheimniß geblieben. Genug, es ist ihnen gelungen, uns von einander zu reißen; was ihnen aber nicht glückte, war, ihn wieder nach Berlin zurückzu bringen und ihm dort eine oermögende Braut auszuschwatzen. Er ging von London nach Südamerita und ist dort eine Reihe von Jahren aeblieben.« »Arme, liebe Mutter-Z« sliisterte Jo sesine und drückte die Hand der Sani tätsräthin an ihre Lippen, »und er ließ nichts wieder von sich hören ?« «Doch. Alles, was ich Dir erzählt habe, weiß ich aus einem Briefe von ihm; schon aus dem Schiffe ist ihm klar geworden, daß er mir Unrecht ge than, daß er bösen Einflüsterunaen mir zu willig sein Ohr geliehen habe. Er bat mich uin Bergebung.er beschwor mich, mit dein nächsten Schiffe ihm zu folgen-« »Und Dus« »Ich schrieb ihm, daß zwischen Uns siir immer Alles aus sei und bat ihn, keinen Brief mehr an mich zu richten, da ich keinen wieder beantworten wür de. Und dieses- Wort habe ich gehal ten. Er hat noch öfter geschrieben, ich habe seine Briefe uneröffnet zurückge sandt, ich habe auch Dornedden. der in seinem Auftrage mich aufsuchte und ei ne Versöhnung stiften wollte, gebeten, von seinen Bemühungen abzusteben. Weil ich Kurt so grenzenlos geliebt ha be, hat er mich so namenlos tief ver W, ich konnte nichts wieder von ihm hören, konnte seine Handschrift nicht sehen!« Sie schwieg ein paar Minuten und blickte, den Kon in die Hand gestützt, in die Flamme des Kamins. Josesine wagte es nicht, die Mutter ztkrsFortsehung der Erzählung aufzu Das leise Knarren des Hundes, der sich zwischen Mutter und Tochter aes lagert hatte, merkte die alte Dame ans ihrer Versuntenheit; sie strich dem Thierchen mit der Hand liedkosend über den Kopf und fuhr fort: »So ans aenehm ich es im Hause meiner älteren Freundin hatte, war meines Bteibenz in Berlin doch nicht länger-, da der Aufenthalt mir bekleidet war. Jch nahm eine Stelle an der königlichen Tiichterschule in Posen an und lernte hier Deinen Vater kennen, den ich nach kurzer Bekanntschaft geheirathet habe.« »Du hattest Ahrweiler vergessen ?« fragte Josefine zögernd. »Nein!·' entgegnete Frau Leonhard lebhaft und drückte die Hand auf das herz. »Ich hatte ihn nicht vergessen und nicht verschmerzt, wie ich das heute noch nicht habe, aber ich beging kein Unrecht gegen den edlen Mann, den ich zum Altar Holgtex ich habe ihn nicht getäuscht r war zwanzig Jahre äl ter als ich und befand sich in eine ähnlichen Lage. Als junaer Mann hatte er eine heiß-geliebte Braut durch den Tod verloren und maß sich, wohl sehr mit Unrecht, einen Theil der Schuld daran bei. Er war ein tüch tigen chiiyter Arzt mit einer großen un lehr eintkäglichen Praxis und ein hoch ehrenhafter, liebenswür diger Mann. Er sand, daß ickj Aehn cåchleit mit feiner verstorbener Braut habe nnd bot mir seine Hand. Da habe ich ihm ander-tout, daß meinHerz tm einer verrathenen Liebe tranle nnd nicht genesen könne, baß ich ihm Ach tung. Dankbarkeit Jeeu ndschaft,abe1 M Liebe In bieten habe. Er hat sich k» Instit betzniigtz nnd wir haben ein« Ue friedliche Ehe gefähkx der DU« K W auch das Glu- gegeben du «ft sie durch den Tod nui F M W gelöst worden« ; Die Au en von Mutter und Tochter wandten ch nach dem Sopha, iiber welchem das Porträt des Sanitiitsra thes Leonhatd in einem breiten Gold rahmen hing. Die alte Dame fuhr fort: »Nach Deines Vaters Tode hin ich mit Dir wieder nach Berlin gezogen; ich weiß nicht warum. vielleicht weil ich hier so viel gelitten, war ich die Sehnsucht danach nicht los geworden. Während meiner Ehe hatte ich von den Ahrwei lers nichts erfahren, Kurts Briese hat ten gänzlich auf e ört. Jn Berlin hörte ich nun, da annv und Amalie sich verheirathet hatten und daß die Re gierungsräthin bereits Wittwe sei. Die alten Ahrweilers waren estorhen und auch Bertha Jlgener, Beurts älteste Schwester. Er selbst befand sich noch immer in Brasilien, war dort deutscher Konsul und sollte mit mport- und Exportgeschiisten ein rieiges Vermö gen erworben haben. Karl Dornedden, der die Fabrit sei nes Vaters in Landeshut übernom men und sich dort verheirathet hatte, suchte mich aus und tarn von da ab re gelmäßig, wenn er in Berlin war, zu mir." »Ach, es war hübsch," unterbrach Fosefine die Mutter, »e: wußte immer o viel zu erzählen; er brachte mir stets etwas Hitbsches mit! Und —-—«' »Ich sah ihn auch gern; er war rnir eine, wen auch schmerzliche Mahnung an dieVergatigenheit, wenn ich ihn auch öfter mahnen mußte, nicht zu viel von Kurt Ahrweiler u reden, mit dem er in Brieswechsel and. Zu einer Art von Kampf zwischen uns kam es erst, als er immer deutlicher mit der Absicht hervortrat, die abgerissenen Fäden zwischen mir und Kurt wieder anzu lniipfen und noch eine Verbindung zwischen uns zu Stande zu bringen. Er schilderte mir seinen großen Reich thum und fiigte hinzu, es bedürse nur eines Wintes von mir, so wiirde start nach Europa zurückkehren und mir Al: les zu Füßen legen.'· »Er at damit den verkehrten Weg eingeschlagen,« sagte Josesine mit ei nem wehmüthigen Lächeln. »Dein einfacher Sinn verlangt nicht nach Reichthum, wäre der Jugendgeliebte arrn und elend zurückgekommen, Du häteft Dich ihm vielleicht eher wieder zugewendet.« »Wie gut Du mich terinst, wie scharf Du zu urtheilen verstehst,« nickte die Santtätsriithin beisällig. »ich weiß nicht« was ich gethan hätte, wäre es ge wesen« wie Du anführst: jetzt aber schreckte mich der Reichthum, und als nun Kurt wirklich nach Deutschland lam, als er sich hier ganz in meiner Nähe ansiedelte —« »Da wiesest Du alle seine Versuche, Dir näher zu treten, mit Entschieden heit zurück, da derschiossest Du sogar Dornedden Deine Thür!« siel ihr Io sesine in die Rede. Erstaunt fragte die Mutter: »Was weißt Du davon ?" «Mehr als Du ahnst,« gestand Jo sesine mit niedergeschlagenen Augen. »Herr Ahrweiler suchte nicht nur eine Annaherung an Dich; er wünschte auch mich kennen zu lernen, und —- " «Und?« fragte Frau Leonhard, da Josefine stockte, ungeduldig, beinahe " demg. »Und ein Mal, ein einziges Mal habe ich Dorneddeng Drangen nachge geben und ihn zu Ahrweiler bealeitet,« bekannte das junge Mädchen mit hoch erglühenden Wangen. Frau Leonhard schüttelte Unmuthig den Kopf: »O, Josefine! Wie konntest Du das thun?« »Verzeih! Verzeih!« bat die Tochter und zog der Mutter Hand trotz deren Widerstreben an die Lippen. »Es ist nur ein einziges Mal geschehen, ich habe mich durch Herrn Dorneddens Bitten nicht wieder dazu bestimmen lassen. Die bei Ahrweiler herrschende Pracht war mir unheimlich, und hätte ich gewußt, was Du mir heute erzählt hast, so würde ich es überhaupt nicht gethan haben !« »Man hat Dir nichts davon ge sagt?« »Nun Du wärest früher Ahrweilers Braut ewesen, und widrige Schicksale hätten uch getrennt.« Frau Leonhard seufzte tief auf, dann aber forschte sie doch sehr eifrig, wie Ahrweiler ausgeschm, wie er sich gegen Josefine benommen, was er zu ihr gesa t habe. Das Zunge Mädchen beschrieb den bleichen, hageren Mann und erzählte, daß er sie das Ebenbild der Mutter ge nannt und wie ein Vater zu ihr gere det habe. »Und er hat Dir nichts an mich anf getragen?« fragte die Sanitätsriithin ges unt. Fsefine schüttelte den Kopf. »Er wir te «a durch Dornedden, daß ich ohne Dein Vorwissen bei ihm war,« antwortete sie, ,,er wollte mich beschen ien, aber ich nahm nichts an und sagte III-ach des ich nicht wiederkommen i . Hätte ich nennst, daß es so chnzk mit ihm zu Ende sehen würde« s hatte ich i doch vielleicht gethan.« J «E3 ist besser so,« a te die Mutter nachdenklich. «Seine ern sollen ihn mit einem wahren S onirshstem umgeben gaben. hätten sie herausge bracht, da Du bei ihm gewesen warst. so würden sie Lärm geschlagen und Dich und mich der unlautersten Ab sichten beschuldigt haben. Jch danke Gott, daß er sich nicht hat beisallen lassen, Dir in seinem Testament ein Legat auszusehen." »Und ich wundere mich, daß er ei nicht gethan hatt« gestand Josefine gan ehrlich. Er hat tn dem Gespräch mit mir sogar so etwas angedeutet.« »Es ist mir sehr lieb, daß er Run terlassen hat, Du hättest es nicht an nehmen diirsen!« ertlärte die Mutter mit großer Bestimmtheit ,,?iitte er Dornedden nicht zum Univer alerben eingesetzt. dann lebte er vielleicht noch-" »O Mutter. Du tannst nicht glau ben, daß er der Mörder ist.'« Frau Leonhard zuckte die Achseln: »Es wird mir auch sehr schwer, daran zu glauben; aber es spricht so viel ge gen ihn: er ist doch der Universalerbe.« «Willibald bestreitet das-X »Gegen den Wortlaut des-Testa mentsI Doch wo hast Du Willibald gesehen?« Heute Abend; hier vor derThiir, nur ganz sliichtig,« antwortete osejinh und wieder stieg ein verrät ri ches Roth in ihre Wangen. »Er ist siir ein paar Tage von Landeshut nach Berlin gekommen, um sich nach dem Proceß zu ertundigen; er hat seinen Vater spre chen dürfen und meint —" »Nun, was meint er?" »Wir könnten zu dessen Entlastung beitragen.'« ,,Wir?"« rief die Sanitätsräthin und erhob sich in ihrer Verwunderung vom Stuhl: «n)odurch?« »Das möchte er uns morgen ausein andersetzen: bist Du sehr böse, daß ich ihm erlaubt habe, zu kommen?« «Nein!« erwiderte die Samtster thin, »das ist Menschenpflicht; ich ahne zwar nicht, wie wir ihm nützen tönnen, aber ich werde mich dem nicht entziehen.« 8 Die hohe Caution, die Amtmann Herzog und Fabritbesitzer Ber gotd für die Haftentlaffung ihres S wie gervaters angeboten hatten, tvar nicht angenommen worden. Unverrichteter Sache hat:en,sie nach Lande-hat und von dort mit ihren Frauen und Kin dern nach ihren Wohnorten zurückkeh ren müssen. Willibald trar den Verwandten nach wenigen Tagen gefolgt; er hatte feine Stellung ausgegeben, die Angele genheiten des Vaters den Händen ei nes ihm befreundten, noch jungen, aber sehr tüchtigen Rechtsanwalts anver traut und arbeitete nun im Verein mit der Mutter unverdrossen, um Ord nung in die sehr verwickelten Ver "tt niffe zu bringen und das us or nedden und Wan vor dern usannnen bruch zu bewahren. Die Bemühungen der beiden taufe ren Mentchen schienen nicht erfolglos. Das Capital, das die Schwäger iiir die Caution hatten anwenden wollen, ward ihnen als Darlehn egeden, meh rere Gläubi er entschto en sich zur Stundung isrer Forderungen; sie san den auch anderwärts Beistand. Die Nachricht von der großen Erbfchast hatte den Credit des Hauses mächtig gehoben, denn man erachtete die Aus zahlung des Geldes nur siir eine Frage der Zeit. Unter -den Dorneddenfchen Ge fchästsfreunden gab es nur ehr we i e, die an die gegen den hef des Hauses erhobene Beschuldi ung glaub ten, allgemein war die ho ung, daß deren Grundlofigteit sich bald heraus stellen werde Der Amtsrichter Kilian war ande rer Meinung, fiir ihn war Dorneddens Schuld unzweifelhaft, und ej bildete fiir ihn eine Ausgabe von der höchsten Wichtigkeit, sie ihm so nach utvetfen, daß er in Antiagezustand ver-se t per den konnte. Es waren aber ochen vergangen, ohne daß die Untersuchung erheblich fortgeschritten wäre. Die Photographie, der stumme An klagen war vorhanden, Kilian legte ihr großeTYichtith dei; Andere waren klllgcgcllgkicylc1 JchUIUllg. Der Amte« erichtsdirectar hatte dem Amte-richtet sogar eine Rüge ertheilt, daß er auf einen so unzulänglichen Beweis hin eine Verhastung vertilgt hatte. Er hätte sie auch nicht aufrecht erhalten können, wären nicht andere Dinge belastend dazu aetommen. ornedden hatte sich in peinlichltek Gel derlegenheit befunden; er war am Tage des Morde-I- in Bei-tin gewesen, um ein Darlehn auszutreiben, hatte leins betommen lönnen und wußte, daß in Ahrweilers eiserne-n Schrank Millionen lagen, die ihm von diesem testamentarisch vermocht waren. Nach seiner eigenen Aussa e und dem Zeugniß der Köhneschen milie war er der einzige Mensch, der zu Abr weiler etammen war; bei jeder An wesenheit inBerltn hatte er ihn besucht, aber er leugnete hartnäckig, das letzte Mal dort gewesen zu sein, und be mühte sich, nachzuweisen, miser die Peit ngehracht hatte. Bei seinem vie en in- und Her-fahren an jenem Tage war dies aber nicht möglich; es blieben Liicken, die er recht ut zu ei nem Abstecher nach Cha ttenburg benutzt haben konnte· Amtsrichter Kilian neigte überdies der Ansicht u, daß man et nicht mit einem taltb iitig iiberlegten Mard, sondern mehr mit ein-ern in der Ver weislun verübten Todtschiag zu thun Fabe, un er war bemüht, Dornedden in dieser R« lang zum Geständnis zu bringen. IBach dessen eigener Dar stellung bestand A weileri Benehmen aus den seltssam en Widersprüchen Er lebte mit einen Schwestern und deren Kindern aus gespanntern Jus-, ließ sie nie zu lich lommen und räurnte ihnen doch einenEewissen Ein luß auf fein T un und assen ein. r hatte eine hnun fnrstlich ein erichtet und hielt si selbst in des idenen Räumen aus, beschrönlte eine Be dienung aus die Frau und Tochter des Portierä. Er vermachte seinem eennde den größtenTheil seines acht illionen zählenden Vermö ens und würde ihm eine bescheidene «umme niemals ge liehen oder geschenkt haben. Dorned den wußte. dasz ihre Freundschaft einen argen Stoß erhalten haben würde, wäre er als Bittender zu Ahrweiler elommen. Der Mann, der durch eine Schwere Schule des Lebens geringem war von einem unbesiegbaren Miß trauen und zog sich zurück wie eine Schnecke in ihr Haus, sobald er Eigens nu zu wittern glaubte. « · ' er Amtsrichier fchlosz werter: Dornedden hatte ihn noch nie mit einem Anliegen behelligt; aber das Wasser ging ihm bis an den Hals; er sah keinen anderen Austerl und wagte es, Ahrweilers Hülfe in nsdruch zu nehmen. Er war an jenem düsteren, schneereichen Tage nach der Uhland straße gelommen und hatte in der Por tierwohnung die Aufwärter-in seines Freundes nicht gesunden. Nachdem er bei Abrweiler aeschellt, war ihm von diesem selbst geöffnet worden. Er hatte ihm seine Bitte vorgetragen, sie waren in Wortwechfel, in Streit gerathen, und vielleicht war es Ahriveiler gewe sen« der den Dolch von der Wand ge rissen nnd ihn zuerst gezückt hatte. Dornedden, der Stärkere, hatte ihm denselben entwunden und blind den Stoß geführt, der. wie dies in solchen Fällen häufig geht, nur zu gut getrof fen hatte. Von Entsetzen gepackt, war er geflohen, nur daraus bedacht,unge sehen hinwegzulommen, ohne daran zu denken, sich von den vorhandenen Schätzen etwas anzueignem Wahr scheiniich hatte er in jenem Au endliel nicht einmal darn gedacht, daß ge doch sein eigen würden. Später war ihm diese Ueberlegung aelommen, und er hatte sich als Erbe gemeldet. Wenn der Amtsrichter dem unglück lichen Dornedden alle diese Dinge vor rechnete und ihm in den Mund legte, sich zu der That zu belennen und sie als einen Akt der Nothwehr hinzufteli len, dann lächelte dieser trübe und ant wortete seufzend: »Ja, ja, herr Amts richter, Sie schildern das so anschau lich, »als ob Sie dabei gewesen wären, es konnte sich wohl auch so zugetragen haben.'« »Sagen Sie doch endlich: es hat sich io zugetragen!« drängte ihn dann Ki lian, und regelmäßig schwieg der Ver haftete etliche Minuten. schaute nach denllich vor sich hin und seufzte schwer Statt des erwarteten Geständnis-fes tam dann aber der Ausrus: »Ich habe es nicht gethan! Jch lann nicht zu geben, was ich nicht begangen habe; ich bin an dem verhängnisvollen Tage gar nicht in de»r Ahrweiler’schen Woh ’ klllckg gckvcfclh Damit endete jedes Verlust Zuletzt tam noch die dringende Bitte, man möge ihm gestatten, seinen Sohn zu sprechen; er fürchte zu sterben und habe ibm Dinge mitzutbeilen, die siir seine Familie von größter Wichtigkeit wä ren, mit dem Prozeß aber gar nicht im Zusammenhang ständen. Der Untersuchungs-richtet glaubte endlich, vielleicht seinem Ziele näher zu kommen, wenn er das Ansuchen be willige. Er gab die Erlaubniß. Willibald Dornedden, davon in Kenntniß gesetzt, war nach Berlin ge eilt. Durch Gänge und über Treppen wurde er nach dem Theile des Char lottenburgerAmtsgesängnisses geführt, in dem sich die Zellen iiir die Unter suchunasaesangenen befinden. Der Schlüssel drehte sich im Schloß, ein schwerer Riegel fuhr zurück die Thiir öffnete sich und schlug hinter ihm so gleich wieder zu. Willibald befand sich in einem schmalen Gemach mit einem vergitter ten Fenster und der dentbar einsachsten Ausstattung- aber er hatte sich das Ge fängniß noch trauriger vorgestellt. Es war doch hell darin; es war ein wenn auch nur dürftiges Bett, ein Tisch, ein Strvbitubl, außerdem eine Schüssel und eine Kanne rnit Wasser zum Wa ichen vorhanden. Dornedden, der aus dem Stuhl ge sessen hatte, sprang beim Eintritt des Sohnes aus mit dem Nase: «Mein Willibald!« und hab die Arme, um ibn an die Brust zu ziehen, liesz sie aber wieder sinken und murmelte: »Nein, nein. das dars ich nicht!« «Bater?« rief Willibald und trat ibm einen Schritt niiber. Der Verbaitete wich aber uriiek und sagte abwehrend: »Ein Miit r bat je des Recht aus seine Kinder verwirtt!« Ein eisiger Schauer durchsuhr Wil libald. Der böse Verdacht kroch wie der in ibin empor, ringelte sich wie eine Schlange um sein here und seine Gedanken. Da aber war es ihm, als trete seine Mutter licht und ttar aus dunklen Welten hervor; sie stellte sich neben des Vaters so traurig verfallene Gestalt und hielt Lchiitend die Hand iiber ihn. Wie ein iiser Spuk vor dem Tageslicht entstehen seine Gedanken; er streckte die Arme aus, legte dai haupt des nnglüalichen Mannes an seine Brust und sagte mit zartlichern Vorn-urs: »Vater! tvie kannst Du so sprechen? —- Du bist kein Wörderi — Nicht nur Deine Frau, Deine Kinder W und Schwiegertinder, auch der größte Theil Deiner Freunde und Bekannten »Ich danke Dir --- ich danke Tir!« aniwrrtete mit halberstickter Stimme Tornedden und drückte sich fester an des Sol-ne- Bruftx Thriinen rennen aus seinen hohlen Au in den weiß gewordenen Bart. »Zei; thut Alle mehr, als ich selbst; mir ist ost, als hätte ich die That angen, und wäre es nicht um Euretwi en, ich "tte mich schon dazu bekannt, um die « ual los zuwerden.« Wieder durchzuckte ein Schreck den jungen Mann; hatten des Vaters Gei fteslriiste vielleicht gelitten? —- Ward er vonWabnvorstellungen heimgesucht? —- Priifend schaute er im ins Gesicht; das tiefeingesunlene Auge blickte ihn zwar traurig, aber mit voller geistiger Klarheit an. ,,Gied Dich nicht solchen krankhaften Vorstellungen hin,« redete er ihm zu. »Diese schwere Zeit wird vorübergehen, Deine Schuldlosigteit wird erwiesen werden -——'« .Wodurch? —- Wodurch?« seufzte Dornedden verzweifelnd. .Das weiß ich zwar nicht; ader ich bade die feste Zuversicht, daß es ge schieht!" antwortete Willibald, »Du wirst glänzend gerechtfertigt bald zu uns zurücktehren." »We) inzwischen Alles au Grunde gegangen ist!« sagte Dornedden und bettete das Auge aus den Boden. Willibald legte den Arm um seine Schulter und rief fröhlich und math voll: »Mein Vater! so steht- es nicht; mit Hülfe der Schwiiger und des Bei standes anderer Freunde ist es der Mutter und mir gelungen, das arg ariäbrdete Schiff durch die Klippen zu — fteuern; es ist fest beinahe wieder flott·" »Erziihle!« bat der Vater, und die gebeugte Gestalt richtete sich ftrafser empor. Er sege sich auf sein Bett und wies dem ·· ohn den Stuhl an. Willibald berichtete nun, was in zwischen von ihm und der Mutter im Geschäft gethan worden war. »Die Mutter ist eine seltene Frau,« fügte er hinzu; »sie läßt sich von ihrem Schmerz nicht niederbeugen, bewahrt immer ihre ruhige, zur-ersichtliche haltung; sie ist der Kopf, ich bin nur der ausfüh rende Arm.« «Vertleinere Dich nicht!« fiel ihm der Vater in die Rede, «Jhr seid beide tüchtige Menschen und tönnt schaffen, nun Ihr die Arme frei habt, und Der fenige, der Euch die Hindernisse in den Weg legte, bei Seite geräumt ift.« »O Vaterl« wollte ihm Willibald widersprechen. Er ließ ihn aber nicht dazu kom men, sondern winkte ihm zu schweigen .Laß es gut sein« ich hätte mich Euren Vorschlägen gegenüber nicht so ableh nend verhalten sollen," ent eanete er, »in der Einsamkeit einer Gefängniß zelle hat man it, über Vieles nach Zudenten und it Vieles tlar zu wet den. Kehre ich noch einmal zu Euch zurück, dann soll es anders werden, dann sollst Du Theilhaber und der eigentliche Leiter des Geschäfts sein·" Willibalds Augen leuchteten auf. «Walte Gott, daß es bald so weit feil« rief er, »mit den reichen Mitteln, die uns dann zu Gebote stehen, läßt sich Großes erreichen; wir werden Muster anftalten schaffen, wir werden fiir un sere Arbeiter nach allen Richtungen bin sorgen, wir werden —« Der Vater ergriff ihn am Arm· »Um Gottes Barmherzi teit willen, wovon redeft Du, mein ohn?« Willibald fah ihn betroffen an. »Nun, von den Ahrweiler’schen Millio nen; sie sollen schöne Friichte tragen; nick« umsonst soll er sie in Deine hände gelegt haben-« »Willibald, wie tannft Du daran denten? habe ich Dir nicht, ehe man mich ins Gefängniß führte, befoglem teinen Pfennig davon anzuriihren « » »Das Gebot war überflüssi , lieber Vater,« lächelte Willibald; » o lange die Untersuchung schwebt, giebt man uns teinen Pfennig davon, dennoch ist uns die Erbschaft seht schon von gro ßem Nutzen. Unser Credit ist darauf basirt; sobald Du frei bist, wird sie DikiiberspwiesenX --- . — Quirin-um rang vie »unpr. »U das habe ich gefürchtet, ich dachte mir, daß Du in irgend welcher Weise mit dern Ahrtveiler’schen Gelde rechnen tolirdest, und das darf nicht sein. Um Dir tas- zu sagen, habe ich Dich zu n:ir t«eschieden.« »Du willst das Geld nicht annehmen und es womöglich den Ahrweiler’ichen Verwandten uberweiien?« rief Milli bald. «Begehit Du damit nicht ein Unrecht an dem Verstorbenen, in dei s;n»Einn das sicher nicht gehandelt i r. Dornedden schüttelte den Kopi. «Du irrit Dich, das Geld gehört nicht mir, ich habe nicht das Recht, auch nur einen Pfennig davon u verwenden-« »Aber es ist — ir doch tettanrenta riich vermacht. Wem gehört es denn?« «Joiefine Leonhard, der Tochter der Frau Sanitiitsriithin Leonhard,« er widerte Dornedden; dern verwundert aussahrenden Sohne die hand leicht aui den Mund legend, fügte er hinzu: ,,Unterbrich mich nicht, die Zeit, die Du bei mir bleiben darfst, wird bald abgelauien fein und ich habe Dir noch viel zu ta en. Du weißt, in welchem Verhältni die Sanitiitsrathisr Leon hard und Kurt Ahrweitkr zu einander gestanden haben-« »Sie waren, wie ich einmal von Dir chitrt habe, mit einander verlobt und find getrennt worden. Nähereö hatt Du rnir nicht mitgetheilt,« antwortete Willibnld. »So muß ich ei jeßt thun,« tagte W mit einem leisen Seuzzee der Vater und erzählte dem So ne dieäelbe Ge schichte, die noch am gleichen age von der Sanitiitiräthin ihrer Tochter mit getheilt werden sollte. Nur verweilte er noch eingehender bei der Jnirigue, durch die man die Liebenden auseinan oer gerissen hatte und deren eigentliche Eriinderin und Triebfeder die fe ige Majorin Deppner gewesen war; hre Schwester hatte ihr nur beigestanden. »Aber wie konnte Ahrweiler auf einen solchen plumpen Schwindel ber einfallen!·' rief Willibald, die Hände zufammenfchlagend «hat er seine Braut nicht geliebt?« »Leidenfchaftlich; aber wie sein Ge müthszuftand nun einmal beschaffen, war er bösen Einflüsterungen deshalb um so zugän iicher. Er war schwach und mißtraui ch, der Gegenwärtige ge wann ieicht die Oberhand bei ihm, und ais seine Schwestern mit Beweisen, die sie Gott weiß wie gefälscht hatten, zu ihm nach London kamen, da gewannen fse Macht iiber ihn. Sie redeten ihm auch wohl zu, Europa zu verlassen, um Allem aus dem Wege zu gehen, in der Hoffnung er werde in kurzer Zeit das Mädchen vergessen haben und gefügig ihren Wünschen für eine in ibren Au gen cbenbürtige Heirath nach Berlin zuriicktehren.« »Darin haben sie sich aber ge täuscht?« »Gründlich. Schon auf dem Schiffe packte ihn die Neue und er schrieb einen abbittenden Brief an Sibylla Her mann. Es half ihm jedoch nichts, das junge Mädchen war zu tief verlegte sie hat sich nicht wieder versöhnen lassen.« »Hm sie ihn denn nicht geliebt?« »Ich glaube, die alternde Frau liebte ihn heute noch und sein«-Tod wird ihrem Herzen eine schwere Wunde geschlagen --.--A—..-»-«- »m aven.· »Aber sie hat sich doch mit einem Anderen derheirathet.« ,.Wahrscheinlich, um sich dagegen zu wappnen, daß sie nicht doch nachgiebis wurde, denn Ahrweiler ließ nicht a mit Bitten und sandte unverdrossen Brrese an sie ab, die alle unbeantwortet blieben. Nachdem er erfahren hatte, daß sie verheirathet sei, unterließ er es; aber taum war sie Wittwe geworden und die erste Trauerzeit vorüber, da begann das Werden von Neuem, und ich mußte, als sie nach Berlin gezogen war, die Bekanntschaft mit ihr er neuern und ihm das Wort bei ihr re den. Mit welchem Erfolge das ge schaä ist Dir ja beiannt.« » ie verbat sich zuletzt Deine Besu che,« warf der Sohn ein, »und ließ auch mich, den Du bei ihr eingeführt hattest, nicht mehr zu sich kommen. Es hat mir leid gethan; ich ging gern nach der stillen Wohnung in der Nettelbect strage.« » nd Ahrweiler wünschte so sehr« daß Du hingingst. Du warst zwar noch sehr sung und Josefine ein halbes Kind; aber er hatte schon seine Pläne mit Euch. Doch das ist nun Alles dor bei!« seufzte der Vater. Willibald that das Gleiche, indem er sagte: »Ich dachte nicht an Josefine Leonhard; mein Interesse war ander weitig in Anspruch enommen; doch das ist nun auch vor ei —- vorbei fiir alle Zeiten! Aber sprechen wir nicht von mir, erzähle bitte weiter.« »Ahrweiler hat bis u seinem Tode an der Hoffnung festgehalten, es werde ihm doch noch gelingen, die Geliebte seiner Jugend Fu versöhnen und als seine Gattin he mzufiihren. Jch glau be, es ist selten eine Woche vergangen, daß er ihr nicht einen rührenden Brief geschrieben hat, die aber alle unbeant wortet geblieben sind. Fiir sie stattete er seine Wohnung mit dem raffinirte ften Luxus aus; ihr wollte er alle die Reichthümer-, die er, wie er versicherte, nur siir sie zusammengehäuft hatte, zu Fügeen legen. Er hat sie auch oft aus der rne gesehen; ihrem ausdrücklichen Verbot entaegen, in ihre Nähe zu kom men, wagte er nicht. Die Liebe zur Mutter übertqu er auch auf die Tochter; es war sein sehn lichster Wunsch, sie kennen zu lernen, und meiner Ueberredung ist eö einmal gelungen, sie ohne Wissen ihrer Mut ter in seine Wohnung u bringen« »O Vater, das hättez Du nicht thun dürfen!« rief Willibald vorwuessvoll Dornedden neigte das aupt. »Du hast Recht« ich hätte ej ni t thun dur fen,« gab er zu, «hiittest Du·aber »ge ehen, wie unbeschreiblich glücklich ihn ieser Besuch gemacht hat, so würdest Du milder darüber urtheilen. Es Ist übrigens bei dem einen Male ebliei ben. Josefine Leonhard hat si ent schieden ewei ert, diesen Besuch zu wiederho en; re tannte zwar nicht ge nau das Verhältni , in dem Ahrweiler zu ihrer Mutter e anden hatte, tm - te »aber keine De mlichteiten vor t r Coccb y HERR-F sagte Willibald, »das jun ge ödchen hat Charakter.« «Daiiir ist sie dir Tochter von Si bylle Hermann,« erwiderte Dornedden und fuhr dann fort: »Ohne-di Attr wetter sein törperliches Leiden hatte, trug er sich mit Todes edanten und sann daraus. wie er Jose me Leonhard sein Vermögen zuwenden tönne.« »Err bauchte es ihr ja nur u ver machen, er war doch unumf äntter here seines Eigenthumz!« warf Wil libald ein. »Da hast Du wieder den zaghaftem schwankenden Ahrweiler, wie er leibte nnd lebte; er fürchtete sich vor seinen Schweitern.« »Die konnten ihm doch nichts mehr anhaben, wenn fein Testament eröffnet ward!« tagte Willihald lachend. Gortfekung folgt.)