Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 14, 1901, Sonntags-Blatt, Image 12

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    « Eine Trebernncx
Weste aus dem Theater-leben von
J a c q u e Z B u r g.
w
J Mag auch eine große Zahl von den
Mienen der jüngeren Generation, die
an in der Theatertvelt mit dem
mmeltitel «Jbsen-Spieler« zu be
« zeichnen pflegt, die Kenntniß und das
Studium klassisrher Rollen nicht mehr
sit «zeitgemäß« halten, so möchte ich
noch Jeden-, selbst dein allermodern
sten jungen Schauspieler, dringend ra
then, die Werte unserer dramatischen
Welt-Litteratur doch wenigstens zu
le sen ! Jch garantire dafür-, —
schaden lann’5 ihm auf keinen Fall, un
ter Umständen sogar nützen!
Alfons West-ermann, zum Beispiel,
— auch einer der »secessionistischen«
Menschendarsteller, — hätte sich durch
weniger großen Mangel an Bekannt
schaft mit den Klassikern eine mehr als
peinliche Situation ersparen können«
s Er gehörte zu den Jünglingen, die
zwar nicht besonders viel Intelligenz
. besitzen, dasin aber in der Wahl ihrer
Eltern äußerst vorsichtig gewesen sind.
Der Monatswechseh den ihm sein Va
ter sandte, belief sich meist aus sechs
hundert bis siebenhundert Mart! Für
einen laum Zwanziajährigen ein recht
ausliimmliches Stimmchen, zumal,
wenn man, wie Alsons es that, in h.
als Bolontair des Sommer-Theaters
lebt.
Alsons hfitte der glücklichste Mensch
der Weit sein tönnenx und er versuchte
auch, auf seine Art das Leben zu ge
nießen. Er speiste im ersten HoteL
tauchte die theuersten Jnroorten, ließ
" sich die wunderbarsten Anziisge »bauen«,
trug die tadellosesten Lackstiesel, —
aber er war dennoch mit seinem Schick-—
sal höchst unzufrieden; denn er durfte
nur außerhalb glänzen, nicht aus den
weltbedeutenden Brettern! Zu ganz
unwiirdigen Diener-Episoden, oft so
gar nur zur Statisterie wurde er er
barmungslos verwendet Nie betrante
man ihn mit einer Aufgabe großen
Stils. Der Oswald in den »Gespen
stern«, das- Hiinschen in der »Jugend«,
all die schönen Rollen, die er bei seinem
dramatischen Lehrer siudirt, blieben
ihm vorenthalten!
Westermann’s F lancholie steigerte
sich im Laufe der «1·:»«.)n Untier mehr.
Oft sah man ihn tiefsinnig im Theater
garten sitzen, und Jeder dachte, daß nur
die schlechte Beschäftigung Ursache sei
nes Kummers sei. Eines Tages aber
gestand er den Kollegen auf ihr drin
- gendes Frage-, daß erLiebesgram habe.
ränlein Dora Klages, das madonnen
ft gescheitelte, überschlanle Töchter
ehen des Ghmnasialdireitors, die mit
ihrerMutter so häufig im Theater saße,
sei die Auserwählte seines Herzens;
aber die Blicke der jungen Dame hätten
higher immer nur dem ersten Helden
nnd Liebhaber gegolten« nicht ihm, dem
unglückselian Statisten. Seine arme
Seele bedrücke in Folge dessen unsagba
res Leid.
Schauspieter nnd im Allgemeinen
gutmüthig, mitleidig und Voll Theil
nahme, wenn sie ernsthafter Nott- be
gegnen; doch für den Liebestnrnmer ei
nes-; jüngeren Fachgenossen fehlt ihnen
meist das Verständniß. »
So gewann auch Alfons nicht das
Mitgefiihl der Leute vom Bau. Zwar
zeigten sie Alle ein geheuchelteg Inter
esse, waren jedoch innerlich sofort ent
schlossen, dem guten Westermann in sei
nen Herzensangelegenheiien irgend ei
nen boshaften Streich zu spielen
Hubert Wächter-, der Bonvioant, der
größte Spaßvogel des Ensemble5, ant
wortete auf Alfon5«’ Geständniß im
überzeugungstreuesten Tone:
»Lieder Westermnnn, selbst die Toch
ter eines Gymnafial - Dir-errors muß
sich geschmeichelt fühlen, wenn ein
Künstler ihr seine Neigung schenkt.
Versuchen Sie es nur, sobald Sie ans
der Bühne beschäftigt sind, und Fräu
lein Klanes im Zuschauer-kaum sitzt, sich
recht auffällig zu benedeiten damit di:
junge Dame Sie bemerkt. Ein geniale:
Schauspieler kann Alles —- und Sie
sind doch ein genialer Schauspieier«
nicht math«
Alfons widersprach nicht und folgte
der Weisung. Schon am selben Abend«
in der Vorstellung der »Räuber«, sta
tirte er so scharf, daß er seinen riesigen.
nur mit Gummi angetlebten Vollbart
mitsammt der Perrijcke verlor. Einen
ganz leidlichen komischen Effekt hatte
also der tollegiale Rath schon erzielt
i mußte eine Steigerung kommen
Und Wächter schlug vor, einen fingit
ten Liebesbries an Westermann schrei
ben Jzu lassen, der dein Verliebten mög
lichst glciuwiirdig beweisen sollte, er habt
Ins die junge Dame bereits Eindrud
Lmacht Einer Kollegin die sich durck
eine besonders zarte Dank-schritt ans
Itchnetp wurde ein stimmungsvollei
rief diktirt, und — siehe da —- Alfons
ging auf den Leim!
Es ist mir geltenng erzählte er an
, Wen Morgen triumphirend, »in
- . hqbe die Groß-wag gemacht, — sie its
Mich bemerktP
Ists-i möglich?« fragt-e habet
III nnt spieltem Erstaunen
( Cis The-I doch nur sinnen «
has Antwortete Wen-nun stolz
Inst der Liebe steht schttth St
, « stiftete-i Antriebe neschrie
fix-i hingt ist M Mr Briefchenk
M! Horte-sent« tieer Alle
W tt«nichtliennezi
fiwumk ANY-qu
W
i
i
fich nicht iiber diese Zeilen. Gliihende
Liebe zwingt mich, sie zu schreiben. O,
wie schön waren Sie, als Sie ohne den
entstellenden Bari und die häßliche
Perücke gestern vor meinen entzückten
Blicken auf der Bühne standen! Jch
bin so oft mit Mama im Theater. Frit
ber erregte es in mir wenig Interesse,
jeßt aber werde ich nur noch Ihrem-e
gen kommen! Gestatten Sie mir, Sie zu
bewundern und Sie anzubeten2 Bitte,
bitte, beantworten Sie mir diese unbe
scheidene Frage. Aber adrefsiren Sie:
»D. K. 1000, postlagernd«. Mama und
Papa dürfen von unserer Korrespon
denz natürlich nichts wissen! Tausend
herzinnige Grüße, Jbre Dota Auges-«
Alfons war offenberzig genug, zu ver
ratben, daß er den Brief in einem acht
Seiten langen Schreiben bereits beant
wortet habe. und die Schauspieier freu
ten sich im Still-n, treil der gelungene
Scherz ihnen reiche Ausbeute versprach.
Jn der That bot ihnen Wesiermann’5
Brief, den sie Nachmittags vorn Post
amt abboltensp vielen Stoff zum Lachen.
Von der Stunde an wurden täglich
Schreiben gewechselt und die Flammen
in dem Herzen des jungen Mannes ge
schüri! Alles ging wie am Schnürchen,
bis ein Umstand eintrat, der die Sache
peinlich machte. .
Alsons begann stürmischer zu wer
den, als das zarte Lügengewebe es ver
trug. Er forderte dringend ein Beut-Dez
vou3! Endlich — so behauptete er —
babe seine treue Ergebenheit seine stille
Liebe diesen kleinen Lobn verdient! —
Selbsi die geschicktesten Ausreden, die
Hubert Wächter in allen Antwortsckxrei
ben vorbrachte, zogen nicht mehr. Die
persönliche Aussprache mit seiner ange
beteten Dora schien Alfons ein so un- -
widerstehliches Bedürfnifz, daß man da- T
rauf gefaßt sein mußte, er wiirde bei ei- .
net zufälligen Begegnung in den Stra
ßen IRS das ganz abnungsioie Mäd- s
chen ohne Weiteres anreden. Nur ein
Geniesireich konnte diese drohende Ge- ;
sabr verhindern. :
Eines Morgens-, im Theater - Gar- ;
ten. wurde der Fall erörtert. Die
Schauspieler überlegten und berietben. i
Aber Keinem fiel etwas Gescheidtes i
ein. Plötzlich erschien, hochroth vor Er- «
regung. Alsons und erzählte: s
»Eben habe ich Don gesehen, -—— J
ganz in der Nähe! Jch sprach gerade I
nzit dem Kassirerx da kam sie mit ihrer «
Mutter und bat für heute Abend zwei »
Billetz getauft. Jch bin frei, also get-e
ich auch in die Vorstellung, ietze mich ?
richx zu ih: und werde sie im Zwischen- H
alte anfprechen!«
Entsetzt warnten die Kollegen mit al- E
len Mitteln der Ueberredungstunst. ’
Umsonst! DerUngiiicksrnensch war nicht «
ron seinem Entschluß its-zubringen
Als Weitere-rann schließlich, durch
den Widerspruch beleidigt. seiner Wege
gegangen war, sagte hubert Wächter: ;
»Kinder, jetzt giebt es nur eine Ret- I
tung, —- Alfong muß heute Abend In
kein Stücke beschäftigt werden« ?
»Mute?« entgegnete ein Andere-. «
»Das ist doch ganz unmöglich! Ja,
wenn «Fieseo« oder »Hamlet« oder
,Tell« gegeben würde, dann ließe sich
das vielleicht machen. Aber wii haben
doch Iphigenie auf Tauri3!« der selige
z Goethe kann sein Wert jetzt nicht mehr
umdichien und noch einige Massen-See
nen bineinschreiben!«
,,Ree, das wird er allerdings nicht
tbun«, antwortete Hubert.
»Aber nun könnte doch Westerrnann
trittheilen er mijsse am Abend stati
ren· Er ist einer von den Hosen-Spic
lern«, die die Klassiker nie gelesen br
lsen. Jch wette mit Euch, dasz er »Joni
genie« nicht kennt, —- nicbt einmal
kein analte nach! Er wird ruhig in die
Garderobe tommen!«
»Aber früher oder später muß er doch
merken, daß er Nichts zu thun hat. Was
dann? So lange wir itm nicht an Ket
ten legen tönnen, ist bog Mädchen jetzt
nicht met-r sicher vor ihm!'
Selbst der schlaue Wächter wußte lei
nen Rath mehr. Eine beärsastiaende
Pause des Nachdenken-H entstand. Nie
mand regte sich vom Platze. Nur vie
Blätter der Bäume rauschten unheil
brohend im Winde.
»Ich hab’s,« rief urplötzlich der Bon
vivant und tanzte wie toll vor Freude
im Garten herum. »Ich bat-Ell Kin
der, —— das giebt einen hauptult und
einen würdigen Schlußessett der gan
zen Komödie! Wo ist Fräulein Man
ders, die uns bisher immer ihre Hand
schrift siir die Briefe zur Verfügung
gestellt?« .
»Sie sitzt im Partett und sieht sich
die Probe an.«
»Man rufe sie hinaus,« antwortete
Hubert pathetisch. ,,Außerdern besorge
man mir sofort vom Requisiteur Tinte,
Feder und Papier-l«
Die Befehle des Bonvioants wurden
weigerungslos und raschöesolgtx denn
Alle waren gespannt, rote Wächter die
büstere Situation zu lliiren gedachte.
Als die Schreibutensilien herbeige
schasst worden und Fräulein Manders
im Garten erschien, sagte Hubert zu ihr
parodiftifch- in einem Tone, als ob et
den Wurm in »Tai-eile und Liebe«
spielte:
«Seten Sie sich! Schreiben Sies«
Die Schauspielerin gebt-echte la
chend; sie konnte sich ja denken, an wen
der Brief gerichtet sein sollte.
»Kann sich denn Dorn immer noch
nicht beruhigen?« fragte ste scherzen-.
»Sie ist wissenschaftlicher denn je,«
antwortete Wächter »Mir- bitte,
schreiben Sie: »Mein Unsebetetert Das
M M Meter Liebe. heute klir
Yroico -pite .
Izu-Mitbe- LIM
VIIIin
mitgetheiltl Jeh bin
arna im Theater und,
da das Wetter so schön ist, wollen wir
narh der Vorstellung im Theatergarten
Abendbrot essen. Kommen Sie bitte,
auch dorthin! Ei wird sich eine Ge
lesznmheit bieten,das1 wir den ersten
wir uns briesti
am Abend mit
se händedruck tauschen! Ach, wäre
es doch schon Abend! Bis dahin Ge
duld, du mein stürmisch pochendesherzi
Auf Wiedersehen! Jhre Dara.«
»So,« sagte Hut-eri, nachdem er mit
den nöthigen Kunstpausen das Schrei
ben zu Ende diktirt. »Nun senden wir
den Brief per Eilboten dem guten Al
fons zu. Am Nachmittage gehen wir
dann selbst in seine Wohnung, als ta
men wir im Auftrage unseres hohen
s Ehefs und Brotherrn Wir verkün
den Westermann, daß er heute Abend in
der »Jphigenie« beschäftigt ist! Was
l für eine Rolle ich ihm zugedacht habe,
! verrathe ich Euch jetzt noch nicht. Aber
s verlaßt Euch darauf, sie wird ihn ver
; hindern ein Rendezvous mit Dora zu
suchen!"
Da Hnbert den Schleier dieses Ge
heimnifses absolut nicht lüften wollte,
mußten die Kollegen ihre Wißbegier be
zwingen, bis sie um siinf Uhr etwa Alle
zusammen Alfons Wohnung heiraten
Der junge Mann war bereits mit
seiner Toilette fiir das Rendezvous be
schöftigt—
»Warum sind Sie heute früh nicht
bei der Probe geblieben?« fragte
Wächter vorwurfsvoll. »Sie müssen ja
eine bochwichtige Rolle übernehmen. Zu
reden haben Sie zwar Nichts; aber äu- «
ßerst schwieriges siummes Spiel! Der
Direktor meinte, als JbsensDarsteller
könnten Sie so etwas besser, als irgend
Einer von uns!'·
.Welche Rolle ist denn
fragte Alfons, halb interessirt,
das?«;
halb "
ängstlich; denn vor seiner Dora wollte j
er sich nicht gern blamiren.
»Nun. — der Mohr,« lautete Hu- -
bert’s Antwort.
Wenn es der selige Gottbe gehört,
daß man in seine vaigenie einen Moh- .
ren hineindichtete, er hätte sich gewiß im
Grabe umgedrehtk
Auch den Schau- Z
spieiern war die originelle Idee Wöch- "
ter’s so überraschend, daß sie sich um
drehen mußten, —-— freilich nur« um ihr
Lachen zu verbergen.
»Was hat denn der Mobr zu thun?"
fragte Alfons ganz unschuldig
Er kannte also thatsächlich »Jphjge
J-« —:...4I
sur snwk
»Sie wissen nicht was der Mobr zu «
thun hat?« antwortete Hubert entrü- k
stei· »Er bat im Tempel gestohlen und I
wird, an beiden Händen gefesselt, der
»Jphigenie« vor-geführt Sie fragt ihn, T
ob er der Dieb sei. Der Macht ihres
Blickes kann er nicht widerstehen, be
jaht durch verzweifelte-l Kopsnieten —
und man schleppt ihn zum Schasfot.«
»Aber ich habe noch nie einen Mohren
gespielt,« klagte Westermann. »Ich »
weiß gar nicht, wie man sich schwarz «
’ macht.«
»Das werde ich anen zeigen, seien
Sie nur schon eine Stunde vor Beginn
der Vorstellung in der Garderobe7
dann will ich selbst Ihre Maske
schminten!« -—
Hubert hielt Wort. Er strich dem
armen Westerrnann riesige Quantitö-Z
ten des berübmten Mastix, des Kleb- ;
stoffes siir Bühnenbiirte, der schon,;
dünn ausgetragen, schwer von der
Haut zu entfernen ist, dick auf Stirn ·
und Wangen. Ueber diese feste Schicht »
» karn, vermittelst angebrannter Korlen, ·
die schwarze Farbe, bis in die Augen- s
iwintel hinein. Sogar die blonden;
Haare und die ganze Kopshaut mußte «
LAlsons sich mit dem Nuß einreiben
Ulassen «
Noch nie ist ein Neger so schwarz ge
wesen« wie Westermann es wurde.
Nicht nur das Gesicht, auch die Arme
und den Hals seines Kollegen bearbei
tete Hubert erbarmungslos nach dem
gleichen Rezept. Als das letzte Glo
ckenzeichen des Jnspienten ertönte,
stand der Mohr fertig da, in schwarzen
Tricots, bunt gestreisten osen und
Wams-. einen rothen Fez an dem Kopf
und Ketten an den höndern
»Man-n trete ich denn auf's« fragte
Alsonk
»Im lesien Alt lebte Seenec ant
wortete Wächter mit stoischer Ruhe.
»Und so lange soll ich hier so ekel
hast schmusig berumsitzeni« jammer
» te der Junge.
« «
»Ja, Uchc kflcllllch llllllclc ch Ank
wort, »die Künstlerlausbahn ist ein
Dornenweg1 Sie dürfen dasür heute
Abend Triumphe seiern!«
Jn der Pause zwischen dem vorletz
ten und letzten Att erschien Alsons end
lich ungeduldig auf der Bühne. Er
wollte durch das Guckloch im Vorhang
nach seiner Dora aus-spähen
Als der Direktor, der von dem
Scherz keine Ahnung gehabt, Westen
mann erblickte, brach er in ein domai
sches Gelächter aus.
»Mensch«, ries er, was wollen Sie
denn hier? Was hat man denn mit
Ihnen gemacht?!'«
»Ich soll den Mohren spielen!«
»Den Narren haben Sie gespielt,
aber nicht den Mohren! Fallen Sie
denn aus jeden Jux hinein, den sich die
Kollegen mit Jhnen machen? Gehen
Sie nur hinaus und ziehen Sie sich
wieder aus. Jn .Fieseo« kommt ein
Mohr vor, aber nicht in »Jphigenie«l«
Wie ausgestorben war die Garben
be, als Westermann, bebend vor Zorn,
zurücktum. Wächter und die anderen
bösen Buben hüteten sich, ihm in die
Nähe zu kommen. Sollte er sie aus
snchen nnd zur Rede stetleni Nein, die
Zeit drängte. Er mußte ja in den
Theatergarten zu seinem Rendezvouik
Seinen ganzen Vorrath an Vaseline
und Unmengen von Wasser und Seise
wandte Aksoni an, urn sich wieder zu
ver-menschlichem Umsonst! Die Hand-·
tücher wurden schwarz; aber seen Ge
sicht blieb es auch! Der Rus; llebtr.
dur den untergelegten Maer gehal
ten.· ie Pech.
Auch diesen Streich hatte er Hubert
! Wächter zu verdanken!
Längst waren alle Kollegen aus dein
Theater nach Hause gepilgert, als3 Al
E sons noch immer vor dem Spiequ stand
« und trampshasi an seinem Gesicht b i
umwischie. Es nützte nicktsI
I Wie ein Mulatte, halb Schwarz,
z halb Weis-, mußte er schließlich aus der
T Garderobe gehen. So konnte er doch
. nicht seiner Angebeteien begegnen.
J Was hätte sie von ibm gedachi? Durch
eine Hintertbiir schlich er sich von dan
nen und vermied den lebhaften Garten.
Auch die folgenden Tage mußte er
sich vor Menschen verstecken.
Zum Uebersluß erhielt der auie Jun
ge am nächsten Morgen ein Schreiben,
dessen heimlicher Urheber natiärlich wie
der der boshaste Hubert gewesen. Es
lautete:
»Mein Herr! Da Sie mich gestern
umsonst haben warten lassen. so sehe
ich, daß es Jhnen rnit Jbrer Liebe nicht
Ernst war! Jch verbitte mir in Folge
dessen jede künftige Anniiherung Ihrer
seits. Dorn Klages."
Vergebens schrieb Alsons lange Ent
schuldigungsbriesr. Seine Dora hat
ihm mit teiner Zeile mehr geantwor
tet. So endete seine stolze Eroberuugk
sang dem Reime des Belustigung-.
—-.--—
Nichts ist, nach dem Ausspruch der
örzllichen Wissenschaft. so nothwendig
fiir das Wohlvefinden des Menschen,
für die Gesundheit seines Körpers und
seiner Seele als der Schlaf, langer, fe
ster und erauickender Schlummer, und
ein uralicr Spruch verlangt als Aller
mindestes, was wir bedürfen. obne
das wir auf die Dauer nicht leben lön
nen, sechs bis lieben Stunden Schlaf.
Aber ebenso verderblich als das zu we
nig ist auch hier das zu viel; auch wer
zu oft und zu lang im Land der Trän
me verweilt. lann leicht vor der Zeit
ins Land der Schatten eingehen. Frei
lich gilt eins nicht gleichmäßig fin Al
le, oder wie Fritz Reuter so treffend sich
ausdrückt: .Wal den Ernen sin Nach
tigall is, is den andern sin Ubl." Tho
mas Edison. der amerikanische Erfin
der, gönnt sich selten mehr als vier
Stunden Schlases, und diese Eigen
schaft hat er mit vielen großen Män
nern gemein, so wie auch die Fähig
keit, die Fell-herum wie Napoleon und
Wellington. Zu «so und so vielen Er
folgen verhelfen bat, nämlich nach Be
lieben. zu jeder Tages- oder Nacht
zeit schlafen zu können. Dagegen hat
ten Männer, wie Voltaire, Rousfeau,
Jobnson, Nossini, ihr Leben lang ge
gen die barlnäckigste Schlafsucht anzu
iiimvsen gehabt und konnten schier Un
glaubliches in wiederholten und lang
dauernden «Nickerchen« leisten. Ja,
viele ihrer besten Einfälle sollen ibnen
also zwischen Schlaf und Wachen ge
kommen sein. «
-
Daß Leute im Ziehen zu schlasen
vermögen. und Soldaten sogar walt
rend des Marschierens einen Aussiua
ins Traumland machen, ist bekannt.
So dersielen aus dem berühmten Rück
zug nach Corunna die erschöpsten
Truppen Sir John Moores reihenwei
se in tiefen Schlus· Jn der Schlacht am
Nil schliefen die englischen und franzö
sischen Theerjacken über ihren Kanonen
ein, und bei einem Wettsaliren vor
mehreren Jahren passirte es einem bri
tischen RecordbrecheV daß er mehrere
Meilen hinter seinen SchrittInCOern
einhersauste. ehe diese die Entdeckung
machten, daß ihr Champion aus seinem
Rade sanst einaeschluinmert war.
Eine der seltsamsten nnd schrecklich
sten Formen irregulären Schlases ist
die asritanische Schlastrantheii. Sie
bildet eine der schwersten Plagen der
Eingeborenen des schwarzen Welttheilå
und wird dem übermäßigen Gebrauch
von Schnupstabai aus einheimischen
Pflanzen zugeschrieben. Andere dage
gen behaupten. sie werde durch den
Stich eines blauen Käserchens hervor
eeusen, eines am oberen Kongo be
sonders höusigen Jnsettes. Auch ei
ner gewissen Art Mosquitos wird ein
ähnlicher Einfluß nachgesagt, während
manche den übertriebenen Genuß von
Mandipe oder Cassava als Ursache der
Seuche ansehen. Sie äußert sich in al
len Fällen durch Schlassucht, die zum
Tode siihrt. Das Schlasgist kann til-ri
gens selbst Jahre lang im Körper ver
borgen liegen, ohne von seinem Dasein
Spuren zu neben, bis es urplötzlich den
Kranken packt und vernichtet; der Pa
tient wird dann immer trunkener und
apathischer. Nichts vermag ihn mehr
zu interessiren, er bat nur noch den ei
nen Wunsch- zu schlafen. Anfänglich
freilich hält er sich noch auseecht,
schließlich aber sucht er sein Lager auf,
um es nicht wieder u verlassen. Er
wird immer sch « r und schwächer«
neun Monate lang dauert dieser Zu
stand, bis endlich Starrtriimpse zum
ewigen Schlase hinüberleitetr.
Gleich schrecklich und todtbringend ist
die Schlaslosigieii. Wie lange Jemand
diese Pein ertr en tann, hört t natür
lich von seiner iderstandssäh gleit ab
Drei Tage und drei W ohne Schlat
MM tü- WM ichs-b M M
« . s «
Kranken dem Wahnsinn zu überliefern.
Doch finden sich Fälle, tn denen Leute
die es Maß erfolgreich iiber chritteu
ha n. So verbrachte der apitiin
Tanner von der »Dunieith« während
eines fürchterlichen Orlans viermal
vierundzwanzig Stunden schlafloj auf
der Kommandobriicle seines Schiffes;
er schloß in dieser Zeit tein Auge. Aber
während dieser Mann unter dem
Zwang der Pflicht und der Sechster
haltung. seiner Natur eine Leistung ab
rang, unternahm es ein Arzt in Edin
I butgh. Dr. Robert Staines, freiwillig
f und zum Zwecke eines Experimenteb,
sich eine schwere Entsagung aufzuerle
gen. Es war seine Absicht, zu erfor
schen, wie lange der Mensch im Stande
« sei, ohne Schlaf zu leben. Mit Hilfe
medizinischer Mittel gelang es ihm-IS
Tage und Nächte lang den Schlummer
, von sich fern zu halten« Dann aber
, war seine Kraft erschöva Er verfiel
j in einen Schlaf, der ununterbrochen 72
T Stunden währte. tlnd mit den schwer
sten Folgen wurde er hinterher fiir sei
nen Wagemuth gestraft: er litt fiir
den Rest seines Lebens an Jnfomnia·
Noch tragischer war das Schicksal
des amerilauischen Millionärs Ed
ward Bain. Dieser Ilngliiclliche hat
te in seinem unersättlichen Golddurst
einen regelrechten Kamvs gegen den
s lieblichen Gott des Schlases aufgenom-’
’ men. Schon als Knabe, da er noch
! Lehrling in einem Eisenwaarengeschiift
; war, pflegte Bain auch die Nacht zur
" Arbeit heranzuziehen, und zwar trieb
- er es io systematisch, daß er in regel
mäßigen Abstiinden eine Minute mehr
und mehr seinem Schlummer abstahl.
Es war, als habe er. wie Peter Schle
; mihl feinen Schatten, seinen Schlaf
H dem Teufel stir Mammon vertauft,
« nur daß. so wie das Gold nicht auf
einmal über ihn hereinrollte, er auch
riicht aus einmal den tröstlichen Besitz
des Menschen heranb. Je reicher er
an Gold wurde, um so ärmer wurde er
an Schlummer. Zuletzt, da er das
Ziel seines Lebens erreicht: da feine
Goldgier gesättigt war. war er der be
dauerntzwertbeste Sterbliche geworden.
Er brachte teine Nacht mehr im Bette
zu, der Schlaf floh ihn immer. Kein
Mittel wollte verfangen, die berühmte
sten Aerzte verschrieben vergeblich Arz
neien siir ihn. Sein Hirn wollte nicht
mehr ruhen, es arbeitete unablässig.
Das Einzige, was ihn noch zeitweise
betäubt-n konnte, war Lärm; entweder
das Rollen der Räder. oder das Klap
pern von Billardbällen. Stunden
lang mußte sein Diener neben ihm die
Kugeln durcheinanderwerfen. während
er, der Inhaber von Millionen, sich
: ächzend im Sessel umherwarf, vergeb
s lich die Augenlider schloß und um Er
T quiaung flehte. Oder sein Kutscher
fuhr ihn des Nachts im holvrigsten
Wagen iiber Stock und Stein, doch
? ohne daß das Rittteln und Schütteln,
T das Rasseln und Dröhnen ihn siir län
ger als einige targe Minuten in einen
« halbbetiiubten Zustand versetzt hätte.
. Endlich lam ihm jedoch die ersehnte
Erlösung wirklich. Eines Nachts, da
s wieder der Diener, und zwar seit
Stunden dicht an seiner Seite die Bil
; lardbiille hatte rollen und llavpern las -
x sen, war Edward Bain olöhlich ganz
! still geworden. .Wiire es möglich« —
I dachte der Diener —- ..daß er wirllich
i eingeschlafen ist?« Er hielt mit den
E Ballen inne, trat dicht an den Millio
k när heran, aber ebenso schnell trat er
E auch wieder zutiiel und verließ eilig das
; Zimmer. Ja! Bain schlief —- fein
s abgeheßtes Gehirn hatte endlich Ruhe
— im Tode —-— gefunden.
— »wes-—- -- s —
i
!
s
!
Belirgt
.,-.-.».
Erzählung von Annie Lati
Feldberg.
M .-.«...-..
Todes-matt lag ihr blasses Köpfchen
auf den ichneeigen Spitzentissem
Sie hatte getämpft um Leben und
Liebe —— . sie lonnte nicht mehr.
An ihrer Seite kniete ein Mann,
ihr Gatte.
Mit einer Gebärde des Widerwil
lens, der Qual hatte sie sich abgewandt.
Jhr schlanke-: Körper hob sich halb jäh
empor, wie zur Flucht, dann fiel er zu
rück in die Kissen.
Bewußtlosigleit umhüllte ihren
Geist.
Einige kurze, stöhnende Atheniziine,
ein Zittern durch die fchlanten Glie
der, ein Zacken. dann Ruhe »s-« starre
— kalte Ruhe des Todes.
Ein grenzenloser Schmerz verzerrte
das Gesicht des Mannes, ihres Gatten.
Er beugte sich nieder. Er riß mit
zitternder· rascher hand die spisenbes
lebte Leinwand hinweg.
Seine große. derbe Band lag auf
ihrern Herzen.
Er drückte sein Ohr an ihre Brust
Leise her töne, zum Erlöschen leise.
Große Tgriinen rollten iiher sein
härtiges Antlih. · -
Seine Zähne bohrten sich in die vol
len, rothen, chwulsiigen, brutalen Lip
pen.
Wie oft hatten sie geiiindigt gegen
sie, diese Lippen.
Welch' harte Worte waren ihnen
entglitten, Worte voll Hohn und
Spott« und doch —- doch liebte er sie.
Jn wenigen Minupn zogen in wun
derbarer Klarheit all’ die Bilder der
häßlichen Szenen an seinem Geiste vor
über; die er ihr bereitet.
Sie paßten nicht zufammen.
Sie wußte ei lange, bald nachdem
sie ihn erkannt
Sie gab sich Mühe. sich ihm anzu
passen, kalt, empfindungsloe zu wer
den gegen seine Gesiihlsrohbeiten.
Es gelang nicht.
Je weiter sie miteinander gingen.
desto nnmiiglicher wurde ihr Beisam
menleben.
Er liebte sie ans seine Art —- viel
leicht wie ein Tiger liebt — ein Tiger
ein Lamm, das er zerreißt. .
Jetzt, dem bewußtlosen, sterbenden
Weibe gegenüber wurde er weich.
Sie liebte einen Anderen, er wußte
es. Sie liebte einen Besseren. einen
Liebenswertben. Er haßte sie Beide.
Sie und ihn.
Jn einer bösen Stunde bat. flehte
« sie .
»Gieb mich strit«
»Niemal5!«
»Ich iann nicht länger mit Dir le
ben!« Wie ein Ausschrei aus todtwun
der Brust gellete es ihm in's Obr.
»So stirbs« böbnte er kalt.
Ein jähes Ausblitzen ihrer stahl
;blauen Au en, ein einziger wilder,
qualvoller chrei nnd ibr Haupt sank
» herab aus die Brust.
« Sie batte den Todesstrfich erhalten.
- Noch wenige Wochen blieb sie, er
machte sie ihr zur Hölle.
Dann flob sie.
; Allein, nicht mit dein Manne, der sie
’ liebte, nicht zu ibm. den sie anbetete.
Sie fürchtete für sein thenereö Leben.
Er mußte schnldlvz bleiben, rein wie
sie. Er sollte gar nicht ahnen, wie sie
: Zitt, wie sie ihn liebte, sie schämte sich
- des talten Hobnes ihres Gatten.
Sie wollte sterben und sie wußte,
daßsie starb-bald und sehnsüchtig er
wartete sie dies Bald.
Er hatte ihr nachgeforscht. Er hatte
« sie gefunden vor der Schwelle des To
; des.
; Eine seltsame Veränderung ging mit
! ihm vor, als er sie im Sterben vor sieh
2 sah.
E »Diese Nacht stirbt sie sicher,« hatte
s der Arzt ihm geantwortet.
; »An waä?"
E Der Mediziner, ein alter Herr, blickte
; ihn an mit weltersahrenen Augen·
E »Die Laien nennen es gebrochenes
; Herz. Wir Aerzte nennen es gebroche
nen Lehensmuth Todessehnsucht.«
Er zuckte zusammen.
l ,«,Ja, ja, es giebt solche Herzen, die
E weich sind, viel zu weich, die es nicht
E vertragen. wenn Einer tommt und da
E raus beruintritt ——— ja tritt —- solch' zer
E tretenes Herz hat Jhre Frau.«
Er nickte talt dein Gatten zu, es hatte
E dem alten Herrn wohlgethan, ihm die
E Wahrheit zu sagen« wie er es sich aus
j gebeten hatte, die ganze tlare Wahrheit.
Nun schlug ihr Herz, das zertretene,
noch tauni merklich, es zuckte unter sei
ner Hand, ein letztes Todtenzuclen.
»So stirb!«
Sein eigenes Wort tönte ihm im Ohr
wie Hammerschlag
Er hatte es gesprochen in habnendein
Tone. Er nagte in wildem Schiner
die Lippen, die es gewagt, so sreventli
zu siindigen.
Sie ivar noch so jung, als er sie an
sein herz zog.
Die arme, tleine Waise!
Gliiet hatte er ihr verheißen und be
bend, zitternd gab sie seiner stiirmisehen
Werbung nach.
Fünf Jahre lbeten sie zusammen —
nun starb sie.
»Nein —-- nicht doch! —- Meht ster
ben!« iam es heiß, flehend, dann be
sehlend über dieselben Lippen, die sie
dem Tode geweiht.
»Stirb nicht! Lebe — lebe und Du
sollst srei sein —-- srei und glücklich!«
Ein Seuszer ging durch den schlan
ten, jungen Frauenleilx
Wie beschwöer stand er an ihrem
Lager, die Hände der Kranken in den
seinen, in denen trastvolles Leben pul
sirte. Sein großes, brennendes Auge
war ans ihr Antlitz gerichtet
»Liebe —- lebe und sei glücklich mit
ihm —- ihm!" Seine Zähne tnirschtem
Wie haßie er Jenen, wie beneidete ee
ihn — wie sehnte er sich, geliebt zu wer
den von ihr, und doch —- doch gab er
sie ietzt ihm!
Er strich iiber ihre bleiche Stirn. über
das matte herz. er ballte die ände zu
Fäusten und beschwor sie lau. immer
i
lauter:
,,Lebe —-- lebe — leHe2«
Er schrie ers-wie ein Wahnsinniger,
um die Stimme zu betäuben, die höh
nend, gellend ihm in die Ohren schrie:
»So stirb!«
Lange stand er so am Bette der
Kranlen, dann brach er jiih zusammen
——— wie eine vom Mit-schlag gestürzte
Eiche.
Am Morgen fand ihn die Wärtetin,
deren Amt er für die Nacht übernom
men.
Er starrte sie an mit wildem Blick
Fiebergluth färbte sein Antlitz.
Man schaffte ihn fort in ern anderes
Fimmer ehe die Kranke erwachte, die
eltsam ruhig schlief mit einem Lächeln
auf den Lippen.
Sie träumte von Leben, Zukunft
und Glück.
Er starb, ihr Gatte, sein Geist hatte
sich verwirrt; im Fieber stürzte er sich
aus dem Fenster.
Erst als sie genesen war, erfuhr sie
seinen Tod. -
Er. den sie liebte, erzählte ez ihr.
»Ich träumte, er hätte mich frei ge
eben, er hätte mich beschworen, zu
eben — —- —«
Erröthend schwieg sie ·- dann flü
sterte sie:
»Ich glaubte —- ich hätte ihn doch be
siegt.« Eine Thräne floß iiber i re —
Wange-—- galt sie dem todten tten
oder dem Leid, das et über sie ge
brachtt
i
X . « ·«