Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 07, 1901, Sonntags-Blatt, Image 15

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    Nach demBericht des Generalinspei
tors der englischen Armee sind im letz
ten Jahre nicht weniger als 11,885
,,englische Helden« desertirt. Kein
Wunder, wenn die 250,000 Enfliiw
der nicht mit den 1.5,000 Buren
zu werden im Stande sind!
Holland will es sich zwanzig Mil
lionen Dollars kosten lassen, um
24,000 Acres des Zuhdersees durch
Entwässerung zu gewinnen. Mit der
selben Summe können die Ber. Staa
ten durch Bewässerung einen viel grö
ßeren Landromplex retlamiren.
ertig
Die österreichische Regierung will
in Zeit von 20 Jahren 750 Millionen
Kronen siir die Anlegung eines um
fassenden Canalnetzes ausgeben, und
die Zustimmung des sonst so uneini
gen Reichstages scheint siir diesen
Man gesichert. Die österreichischen
Tschechen sind in diesem Punkte ver
nünftiger wie die deutschen Agrarier.
Die im Regierungsbetrieb stehenden
Eifenbahnen von Ungarn, die zusam
men eine Länge von 8067 Kilometern
haben, erzielten im letzten Jahre eine
Einnahme von 843,000,000, wovon
316.000,000 als Reinertrag blieben,
sünf Prozent mehr als im Vorjahre.
Von der Zusamnienkunft Bothcks
und Ritchener s erzählt ein englischer
Offizier Folgendes: Hum Ende der
Unterredung sagte Botha: Nun muß
ich aber gehen! »Oh, es eilt nicht, er
widerte Kitchener, Sie brauchen ja den
letzten Zug nicht zu nehmen« Und
gerade das will ich thun, « sagte Bo
tha Zwei Tage darauf hat er es
auch gethan indem er einen Zug der
Delagoa- Bahn anhielt und ausmün
derte
Um die Trunksucht der »niederen
Volksklassen« in Deutschland zu be
kämpfen halten vornehme Junker und
ihre Damen jetzt wiedr allerhand Ver
bandstage« ab Dieses Pharisäerthum
charakterisirt folgender sehr treffender
Vers, dessen Heimath ,,Ostelbien« ist:
»Lern, mein cohn, das Leben iennen!
,,Nobel ist es, Schnapg zu brennen.
,,Bedenllich schon, ihn zu verlaufen.
»Doch proletarisch, ihn zu sausen.«
Eine französische Universitätgstatii
stik des Unterrichtsminister-H ergiebt
für Frankreich 29,k)01 Studirende al
ler Nationalitätem fast 1(),000 Juri
sten, 83913 Mediziner, 2868 Apotheier.
Tt762 literaturivissenschaftlicher Fa
tultäten und 33164 Studenten der Fa
kultäten der Wissenschaften Paris
hat fast die Hälfte aller Studirenden
Frankreich s:13280Lhon, Bor
deaux, Toulouse haben über 2000
Studenten, die übrigen Universitäten
weniger. Es studiren 5442 Frauen aus
französischen Universitäten, darunter
über M) Augianderinnm
Die Pariser Zeitungen unterhalten
ihr Publikum zur Abwechselung mit
Gruselgeschichten iiber die unheimliche
Rolle, die Kaiser Wilhelm als europii
ischer Friedensstifter zu spielen beab
sichtige, wie er Zwietracht zwischen
Frankreich und Nußland zu säen suche
und nur auf den Augenblick warte, wo
er die Hand auf Deutsch - Oesterreich
leaen lann. Aus die Hoffnungen der
All-Deutschen in Oesterreich sind von
Berlin ans so oft kalte Wasserstrahlen
aerichtet worden, daß man das Mär
chen von der reichsdeutschen Annn
ionslust fchlieiilich doch in der Rum
pellarrirner lassen sollte.
Eine wesentliche Verschiedenheit in
der Städteverwaltung offenbart sich
selbst in einer solch unscheinbaren Ba
atelle wie die Verwendung des Stra
enkehrichts und der Abfallsässer. Jn
Darvietv, einer englischen Fabritstadt
von 40,0()0 Einwohnern, wird die
städtische Beleuchtungs - Anstalt mit
solchem Kehricht geheizi. Jn Hunstan
ton verwendet man das nämliche Ma
terial zur Heizung der städtischen
Wasseranlagr. London baut eine elek
trische Lichtanlaae, zu deren Heizuna
ebenfalls der Kehricht verwendet wer
den soll und wodurch man eine Er
sparniß von 8100,000 das Jahr an
Heizmaterial zu erlangen gedenkt.
New York aber bezahlt 8500,000 das
l
,
ahy um seine Abfallstoffe in den
a en zu chleudern, wodur neue
often fiir usbaggerung entfte en.
Die Ergebnisse des Ausgangs vori- ;
gen Jahres vom Zweigverein Berlin- l
Charlottenburg des Allgemeinen !
Deutschen Sprachvereins verkündeten »
Preisausschreibens, die beste Verdeut
schung von zehn Fremdwiirtern betref
fend, liegen jetzt in folgenden preisge
krönten deutschen Neuwörtern vor:
Baby —- Kleinling; Couplet—Schel
menlied; Pedal —- (am Fahrrad) —- T
Tritt: Sweater (als Kleidungsstiich
—— Sportwams; Rochade, rochiren——
Königssprung, den König-springen
lassen und Frobenzug, den Frobenzug
machen; Record —- Stand; Reclame
—- Berkund. Bei drei anderen Fremd
wörtern mußte von einer Preisver
theilung abgesehen werden: fiir Con
curs hippique ist eine bessere als die
schon gebräuchliche Berdeutschung
Roß- und Wagenfchau nicht einge
gangen; auch das für Amateur schon
gebrauchß Liebhaber wird von keinem
der eingesaudten Wörter übertroffen;
nnd zu Hotelreftaurant ist kein fiir den
—
Die Ansprüche der Canadier auf
das ihnen temporär überlassene Gebiet
an der Grenze von Alaska und des
Weiteren auf den Lynn-Canal werden
durch eine, neuerdings wieder an das
Tageslicht gebrachte Landkarte wider
legt, welche die candische Regierung
im Jahre 1878, elf Jahre nachdem
Staatsseiretär Seward den Russen
Alaska abgekauft hatte, herstellen ließ.
Dieselbe, 24 bei 190 Fuß groß, war auf
der derzeitigen Pariser Weltausstel
lung ausgestellt und hing später im
Kapital in Ottawa. Sie verschwand
plötzlich, nachdem die Goldfelder in
Alaska entdeckt wurden. Dieser Karte
zufolge befindet sich die Grenze genau
da, wo sie von amerikanischerSeite als
gezogen behauptet wird und bezeichnet
das ganze Gebiet, welches die Cana
dier seither beansprucht haben, als
Besitz der Ver. Staaten. Jhr Vor
handensein wird den canadifchen Mit
gliedern der Ausgleichstommission un
willkommene Entdeckung sein.
Das General-Con1ite der französi
schen Arbeiter-Partei hat den Mille
rand’schen Streit- und Schiedsgericht
Gesetzentwurf mit 29 gegen 9 Stim
men als »der Entwicklung und den
Interessen der Arbeiterklasse schädlich«
verurtheilt. Die Mehrheit tadelte es,
daß Millerand organisirte und unor
ganisirte Arbeiter bei der Abstimmung
gleichstellte und damit die Berechtigung
der Gewerkschaften in Frage stellte.
Das ,,Philad. Tageblatt« bemerkt zu
dem Pariser Beschlusse: »Die, franzö
sischen Kapitalisten haben sich glegen
den Millerand’schen Entwurf ert art.
Jetzt thun es die Vertreter der sozia
listischen Arbeiter auch. Das ist merk
würdig. Jemand muß dabei auf dem
Holzweg sein und wir fürchten, daß es
die Kapitalisten nicht sind. Der Ge
genstand kann als vorläufig vertagt
und zur Diskussion gestellt angesehen
werden. Erledigt ist er nicht. Jm
Zeitalter der Trusts wird man nach
Ergänzungen für die Gewerkschaften
suchen müssen·
Noch iehnjiihriqer Pause hat Ar
gentinien die Tilgung seiner auswär
tigen Schuld wieder ausgenommen.
Wie Präsident Roca in seiner Bot
schaft Anfangs Mai dem Congreß
mittheilte, hat die Regierung bereits
eine Million Pfd. St. in London zu
dem Zweck niedergelegt. Der Fonds
für die Umwandlung des Papiergel
des habe die Höhe von 1,,700000 Pfd.
St. erreicht und werde in diesemJahre
bis auf Z, 400,000 Psd· St steigen.
Der Credit Argentiniens im Auslande
habe sich mertlich gebessert, der Curs
der 4procentigen Rente sei von 543
auf 68 Procent gestiegen. Die Erhe
bungen, welche die Regierung und die
Banquierg angestellt hätten, die in bil
liger Weise die Interessen beider Par
teien wahrnähmem seien ihrem Ab
schlusse nahe; die Regierung werde da
her bald eine Vorlage iiber die Verein
heitlichung der auswärtigen Schuld
einbringen, unt den gegenwärtigen
fchwersälligen Dienst zu vereinfachen
und die schwebende Schuld in Europa
zu bezahlen. Der Werth der Aussuhr
habe 770 Millionen Franlen erreicht,
derjenige der Einfuhr 567,500,000;
landwirthschaftlicheProducte seien für
356 Millionen Fronlen ausgeführt
worden.
f chiivijvs « «
«,, ,..
Wo ist die Bäuerini
Daß Jemand im Jahre 1869 auf
genommen "kvor«den, aber erft 1901 of
ficiell eintritt, ift doch wohl nur dem
Franzosen Emil Ollivier passirt. Die
Academie Francaife wählte ihn 1869
nach dem Tode Lamartine’s zum Mit
gliede. Als die Zeit der officiellen
Aufnahme kam, hatte der deutsch
französische Kriea die Verhältnisse sehr
geändert. Der Premierminifter Natio
leon’s, Ollioi«er, war mit feinem Herrn
gefallen. Da er nun in feiner An
trittsrede 1872 Ansichten vertrat,
welche die Commission, der die Prü- «
c
funa der Reden obliegt, nicht bi
konnte, fo wurde diese Rede nicht ge
halten, da Olivier eine Abänderung
nicht vornehmen wollte. So ,t sich die
Sache des Mannes, der das iferreich
für die befte aller Republilen hält, bis
jetzt hinqefchleppt. Als 75jähriaer hat
er seine Rede als Alademiker gehalten
und ift damit officiell aufgenommen
worden.
qen «
Mit der Prohibitionsbewegung geht
es überall abwärts. Jn den canadi
schen Seeprovinzen war sie noch vor
. zwanzig Jahren in vollem Flor, jede
Stadt und jedes Städtchen hatte einen
. Lotalverein, der eifrig für die Sache
agitirte. Auf der neulich in Truro,
N. S» abgehaltenen Convention, zu
welcher zahlreiche Delegaten erwartet
wurden, waren im Ganzen fünfund
zwanzig Personen erfchienen,dieMehr
zahl davon Mitglieder der lokalen
Organisation. Von den im vorigen
Jahre erwählt-n Beamten war nur
ein einziger, aus Nova Scotia da, um
Bericht zu erstatten. Prince Edtvard
Jsland wdr gar nicht vertreten und
aus New Brunswick nur durch Zufall
einer gegenwärtig
Das schwedifche Arbeiter-Versiche
rungs-Gefetz, welches demnächst in
Kraft treten soll, besagt: »Der Arbeit
geber ist verpflichtet, für alle nicht
selbst verschuldeten Unfälle Entschädi
gungen zu zahlen; sie können jedoch,
wenn sie wollen, sich von dieser Ver
pflichtung dadurch befreien, daf; sie
itzre Arbeiter in einer Reichsanstalt
versichern. Die Entschädigung beträgt:
J. bei Ovrübergehender Verminderung
der Erwerbsunfahigteit: eine Krone
Krankenunterstiitzung vom 61. Tage
an; 2. bei dauernder gänzlicher Er
werbsunfähigteit: 300 Kronen jähr
liche Leibrente und bei dauerndem
Verlust einei- Theiles der Erwerbs-un
fähigteit eine Leibrente von entspre
chendem Betrag; Z. falls innerhalb
zweirr Jahren der Tod eintritt: Be
gräbnißunterstützung 60 Kronen; fer
ner an die Wittwe 120 Kronen jähr
liche Leibrente und an jedes Kind un
ter 15 Jahren 60 Kronen jährlich, zu
sammen jedoch nicht mehr als 800
Kronen. Will ein Arbeitgeber, der
dem Gesetze nicht unterliegt, feineAr
beiter freiwillig in der Reichsanstalt
versichern, oder will ein Arbeiter, wel
chem Betriebe er auch angehört, sich
selber versicheru, so steht ihnen solches
frei.
I
Von der Gefährlichkeit der Grippe
machen sich Verhältnißmäßig wenig
Menschen die richtigeVorstellung: hier-:
zulande ist das auch gar nicht mög
lich, weil es an der speciellen Statistik
fehlt· Jn Preußen aber werden vie
Todegursachen nicht allein ganz genau
gebucht, sondern auch tabellarisch zu
sammengestellt und veröffentlicht, und
daraus ergiebt sich dann die richtige
Würdigung der verschiedenen Krank
heiten. Bezüglich der Grippe stellt z.
B. die »Statistische Correspondenz«
fest, daß diese Krankheit im Jahre
1899 wieder erheblich mehr Menschen
hingerafft habe, als im Jahre 1808
Jm Jahre 1889, in dem die Grippe
zuerst unter den Todesnrsachen aufge
führt ward, starben an ihr in den letz
ten beiden Nivnalen 314 Personen.
Jm Jahre 1890 stieg die Zahl auf
9,576, sant dann im Jahre 1891 auf
8,()50 und erreichte im Jahre 1892
mit 15,91l ihre Höchftzisfer. Dann
fand bis zum Jahre 1898 ein stetes
Sinken bis-; auf 13,559 statt. Im Jahre
1897 stieg die Zahl der Todesfälle
wieder aus 5,940, um im folgenden
Jahre 1898 mit 2,688 erheblich zu
rückzugeben Jm Jahre 1899 ist sie
wieder auf 7,310 gestiegen. Es erla
gen damit von einer Million Einwoh
ner 221 dieser Krankheit. Jn den
zehn Jahren von 1890 bis 1899 sind
in Preußen im ganzen 77,282 Perso
nen an der Grippe oder Jnfluenza
gestorben. — Aus diesen Ziffern läßt
sich zwar bloß vermuthen, wie enorm
dieGesammtzahl der Opfer der Grippe
auf der ganzenErde sein mag ———- unge
fähr 220 von jeder Million Menschen
—- aber man bekommt doch wenigsten-«
einen annähernd richtiger-. Begriff von
dein gefährlichenCharatter der Kraut
heit und der Nothwendigieit der äu
ßersten Vorsicht bei ihrem Auftreten.
——-—Vorausgeseßt, daß dieGrippe in den
Ver. Staaten im Jahre 1899 nicht
schlimmer war, als damals in Preu
ßen, würde sie bei unseren 76 Millio
nen Einwohnern 16,720 Todesfälle
verursacht haben!
, --—... .. -
Eine Freundin der Schleppe.
Jn Deutschland wirbelt gegenwär
tig wieder einmal die S leppenfrage
viel Staub auf. »Einge andt« füllt
die Spalten der Zeitungen. Die Mün
chener Neuesten Nachrichten erhielten
eine ergötzliche Zuschrist einer treuen
Anhängerin des Staubfeger5, der wir
Folgendes entnehmen:
Sie bekritteln die sittsame Länge
unserer Raben, und da Sie tein ande
resArgument da egen in’sFeld schicken
können, setzen ie sich auf Jhr hy
Igienisches Steckenpferd und stacheln
dies zur Attacke gegen die sogenannte
S leppe an. Abgesehen davon, daß
die es Jhr Vorgehen höchst ungalant
ist, verstoßen Sie dabei in erster Linie
egen die Loyalität. Sie wissen wahr
scheinlich nicht, daß die Schleppe ein
integrirender Bestandtheil der vorge
schriebenen Hoftoilette ist. Die Da
men müssen einfach unten zusetzen,
was sie oben weggelassen haben.
Was die Gesundheitsschädlichkeit
der Schleppen anlangt, so behaupten
Sie, durch die Schleppen würde der
Staub aufgewirbel: und in die Ath
mungsorgane der Straßengänger ge
leitet. Dieser Staub soll dann der Er
reger von so und so viel Krankheiten
sein! Jst das- wirklich auch bewiesen?
Nein! Jch will Ihnen das Gegentheil
beweisen! Haben Sie noch nie gese
hen, wie sich Tauben, Spatzen und an
dere Vögel im Staube badeten? Wir
sorgen, wenn Sie es recht betrachten
wollen, geradezu für Reinlichkeit auf
den Bürgersteiaen. Sie ahnen nicht,
wie viele Cigarrenreste, Orangenscha
len, Haarnadeln und dergl. ich schon
mit meiner Schleppe nach Hause ge
uqu »aus-.
Wie viel Unglück verhütet die
Schleppe! Jch habe schon einen Krei
sel, Dutzende von Nägeln, ein zer
brochenes Medizinfläfchchen, eine ab
gebrochene Feile, eine halbe Kaffee
tasfe, einen Pfeifenkopf — natürlich
nicht auf einmal, sondern im Laufe
der Zeit im Jnnern meiner Schleppe
mit mir nach Haufe genommen. Mit
diesen Sachen hätten sich spielende
Kinder, barfuß laufende Menschen
oder solche, die nicht sicher aus den Fü
fzen sind, bös zurichten können! Das
sind Thatfachen, keine Hypothesen, wie
Jhre Behauptung, daß die Schleppe
Mitroben vertheile!
Ein Toilettengeheimniß darf ich
Jhnen vielleicht auch verrathen: Die
Schleppe ist ein öconomischer Factor.
Nicht jede Dame kann sich alle Tage
neue Strümpfe laufen oder mit neuem
Schuhwerl versehen. Man tritt ein
mal einen Stiefelabsatz krumm oder
es platzt eineNaht am Strumpf; dann
sorgt eben nur die Schleppe dafür, daß
die vorwitzigen Blicke solcher kleinen
Defeete nicht gewahr werden und die
Spottluft der Männerwelt erregen,
welche ein Loch in ihren Strümpfen
ja auch nicht so sehr beachtet.
Endlich darf ich auf das Wichtigste
aufmerksam machen, was allerdings
heutzutage nicht genug berücksichtigt
wird, —— auf die Moral. Es giebt ja
Herren, welche fußfreieRücke fehr gerne
sehen, und leider gibt es auch Damen,
die mit zierlichen Stiefelchen und schön
gedrechselten Beinen kotettiren —« aber
das werden Sie wohl nicht gutheißen
wollen. Jch behaupte im Gegentheil,
durch die unnöthige Verkürzung des
weiblichen Gewande-H kommt die öf
fentliche Moral in eine eminente Ge
fahr. Nicht einmal die Frauen des
classischen Alterthums haben soge
nannte fußsreie Röcke getragen! Sol
len wir die Schleppe entfernen und
Wattons tragen? Sollen wir rohe
Aeußerungen neugieriger Verfolger.
provociren, wie z. B. es mir schon pas-—
sirt ist, als ich, über eine Pfütze schrei- -
tend, genöthigt war, die Schleppe hoch- »
zuheben. »Herr-gott, hat die a paar
Haxen, die reinsten Möbelwagen!«
Nein, ich bleibe bei der moralischen, «
herkömmlichen Rocktracht und lasse»
mich nicht perlocken, ein Ueberweib zu
werden. Jch habe,«Gott fei Dank, die (
Mittel, ein paar Meter Stoff mehr zu «
bezahlen und bedauere nur, daß es
Damen giebt, welche das tleinliche
Mittel des geringeren Stoffver- «
brauchö benützen, um vor ihren Män: «
nern schön dazustel)en; anstatt in die
Bronchien, streuen fie damit ihren»
Männern Sand in die Augen!
Jhre ergebenste
Thesa von Zwitfcherich.
s—-.—
Alte und junge Städte.
Man spricht von «ameritanischeni
Anwachsen« von Großstädten Die
allermeisten Groszstädte europäischer
Länder sind in den letzten Jahrzehn
ten ebensallg ,,ainerikanisch« gewach
sen. Man denke un London, das qu
das Jahr 1870 tauin U« ««.Utillionen
Einwohner zählte und jetzt über 5
Millionen hat, an Paris, dessen Ein
wohnerzahl von etwa 8()(),()()U Seelen
in 1870 auf LE- Millionen gestiegen
ist, an Berlin, dessen Einwohnerzahl
sich in Ito Jahren oerdreifaeht hat.
Glasgow in Schottland hatte zu Be
ginn des 19. Jahrundertg 77,385
Einwohner-, jetzt hat es fast 800,()()().
Freilich tann man von einem amerika
nischen Wachsthum von Städten re
den, aber der Ausdruck sollte auf Fälle
wie der von Chicago beschränkt wer
den. Wo heute die Weltstadt Chicago
mit ihren Hunderten von Wollen
schabern steht, gab es im Jahre 1840
kaum einge Blockhütten. Jn den Kul
turländern Europa’s, in denen es
Städte giebt, die auf eine Geschichte
von zwei Jahrtausenden zurückblicken,
ist die Zeit der Städtegründung längst
vorbei. Karlsruhe, die Hauptstadt
des Großherzogthums Baden, das iin
Jahre 1715 gegründet worden ist,
Mannheim, dessen Gründung in das
Jahr 1617 fällt, gelten für junge
Städte. Ueber ein Dutzend Städte,
wie Aachen, Paderborn, Hamburg u.
s. w., haben ihr tausendjcihriaes Be
stehen gefeiert. Kassel, die Hauptstadt
der preußischen Provinz Hessen-Nas
sau, wird im Jahr 1913 sein tausend
iähriges Bestehen feiern. Die große
Hafenstadt Msarseille in Süd-Frank
reich hat bereits ihr 2500jähriges Ju
b-läum gefeiert und die Geschichte der
Stadt von der Gründung im Jahre
F
,—
600 v. Chr. ist fortlaufend. Rom ist
im Jahre 753 vor un ercr Zeitrech
nunq gegründet worden« Athen, die
Hauptstadt Griechenlad’s, ist noch
älter. Jn Kleinafien giebt es eine An
zahlStädte, die eine Geschichte von
3000 Jahren nachweisen können. Von
Ohan wollen wir hier gar nicht reden.
(D. Corr.)
——-.-——
Japans Heeresmachn
» Das Kriegsdepartement ist im Be
sitz von interessanten Notizen über die
japanische Armee, welche in Form ei
ner Broschüre von der General - Ad
jutantur veröffentlicht worden ist.
Der in jüngster Zeit erfolgte außer
ordentliche Aufschwung, welchen die
japanische Armee und Marine genom
men, ist an Hand verläßltcher Daten
charakterisiri. Die Disziplin, Aus
dauer und Tapferkeit, weiche die ja
panischen Truppen sowohl in dem chi
nesischen Kriege von 1894-—95, wie l
auch besonders letzthin, bei den neue
sten chinesischen Wirken, wo sie den
Vergleich mit europäischen Truppen
aus-zuhalten hatten, gezeigt werden in
der Broschüre gebührend hervorgeho
ben. Jndeß werden Zweifel laut, ob
die japanischen Armee-Leiter und hö
heren Ossiziere überhaupt mit den
Strategen der übrigen großen Mächte
sich zu messen vermögen.
Für militärische Zwecke ist Japan
in drei große Distrikte eingetheilt, den
östlichen, centralen und westlichen.
Diese zerfallen wiederum in 12 klei
nere Abtheilungen. Die sechs Armee
korps haben ihre Hauptquartiere in
Totio, Dendai, Nagoya, Osaka, Hir
shima und Kumamuto. Die Armee
Japans besteht aus 183,000 Mann in
Friedenszeiten, die Kriegsstärke be
trägt 526,000 Mann kampffähiger
Truppen. Die Stabscorps sind darin
nicht einbegriffen. Der ärztliche Stab
soll kompleter sein, als ihn irgend eine
europäische Armee besitzt.
Bis vor zwei Jahren bestand in Ja
pan ein System militärifcher Kom
nien, welche zur Landesizertheidigung
eingerichtet waren, aber man fand,
dafz dieses System den modernen An
forderungen nicht genüge, und so ward
mit der Organisirung eines neuen, des
siebenten Armeekorps begonnen.
Da jedoch vorläufia nur ein Viertel
der für diese Organisation nöthigen
2,000,000 Yen bewilligt worden wa
ren, ist man damit noch nicht sebr weit
fortgeschritten In 19053 soll das
Korps nebst den in Verbindung mit
dieser Armeeverarößeruna geplanten
mächtigen Baiierien in Krieasbereit
schaft stehen. Alsdann wird Japan
an den weiteren Ausbau seiner jetzt
schon ganz respektablen Flotte gehen.
Der Eisfeltburm als Pariser Wetter-—
warte und elektrifche zeraftftqtioir.
Der Eiffelthurm in Paris verdankt
seine Berühmtheit mit Recht den ge
waltigen Maßen, der Höhe und der
Kühnheit seiner Construction, und
diese Eigenschaften waren es auch in
erster Linie, welche zur Errichtung des
gewaltigen Eifenbaues führten. Der
Plan zu diesem Riesenthurme hatte,
als er zuerst auftauchte, eine Menge
Gegner gefunden, und es wurde dabei
auch die Frage aufgeworfen, was ein
folches Bauwerk für einen Nutzen be
sitze? Diese Frage ist vor 14 Jahren
mit Heftigkeit erörtert worden und die
Widersacher wurden schließlich mit der
Gegenfrage aus dem Felde geschlagen:
Wozu nützt die ganze Welt? Für die
Pariser Ausftellung erwies fich später
der Eiffel - Thurm allerdings von er
heblichem Nutzen. Allmählich hat sich
herausgeftellt, daß der ungeheure
Thurm auch für Viele wissenschaftliche
und andere Zwecke von großer Be
deutung ist.
Der Laie glaubt in erster Linie an
einen großenNutzen des Eiffel - Thur
mes für astronomische Zwecke, allein
diese Meinung ist irrig, der Aftronom
kann auf diesem Thurme im allgemei
nen nichts besonderes ausrichten Weit
wichtiger ift er für den Meteorologen,
und in der That haben die Beobach
tungen auf dem Eiffel Thurme über
die Temperaturabnahme mit derHöhe
und über die Windgefchwindigteit zu
wichtigen Ergebniser geführt. Wenn
der Thurm 1909 in den Besitz der
Stadt Paris übergeht, wird wahr
scheinlich die Pariser Wetter-warte in
denselben verlegt werden.
Die Versuche mit drahtlofer Tele
graphie haben am Eisfel Thurme zu
sehr interessanten Ergebnissen ge
führt, und im vergangenen Novem
ber wurde Von seiner Höhe mit einem
Gourandschen lautfprechenden Phono
graphen bis jenseit der Jena - Brücke
verständlich gesprochen, trotz gleichzei
tig herrschenden stürmischen Windes-.
Blitzfehläge haben, wie auch erwartet
wurde, den Eiffel - Thurm wieder
holt getroffen, sind aber, dank der vor
trefflichenErdleitung, stets ohne jeden
Schaden in die Tiefe gefahren. Neu
erdings hat man dort einen Apparat
zur Messung ftarter elektrischer
Ströme aufgestellt und Blihschläge
von 10,()00 Bolt Spannung registri
ren können. Ob dagegen die Hoffnung,
den Eisfel - Thurm dereinst als Con
denfator der Luftelectricität und da
durch als electrifche Kraftquelle be
nutzen zu können, nicht chimärisch ist,
muß die Zukunft erweisen. Für die
Luftschifffahrt hat sich das riefigeBau
werk insofern als nützlich erwiesen,
als auf dem Thurm am 6. Juni 1890
Signale von einem Ballon erkannt
und gedeutet werden konnten, der sich
nahe an der deutschen Grenze befand.
Daß endlich der Thurm im Falle einer
Belagerung von Paris erhebliche mili
tärische Bedeutung besitzen würde, ist
außer Frage.
F j: - s s I
Der Garten-an zur Zeit der Herrschaft
der römischen Kaiser-.
Den römischen Patriziern war der
Gebrauch der Gewächshäuser nicht
unbekannt. Sie hatten transportable
Gärten, die auf Rollen ruhten, damit
man sie an schönen Tagen auf freie
Plätze schaffen und bei Regen und
Kälte wieder unter Dach und Fach
bringen konnte. Diese Gärten waren
nicht nur für Blumen, Melonen, Gur
ten, Orangen, Citronen und Gratia
ten, sondern auch für Weinstöcke,
Aepfel- und andere Fruchtbäume be
stimmt. Um jedoch selbst mitten im
Winter frisches Obst zu haben, setzten
sie die Bäume in eine Art geschlossenen
Hauses, das mit Fensterscheiben aus
Spiegelstein bedeckt war. Der Spie
gelstein ist eine Art durchsichtiges Mi
neral, das die Stelle des damals noch
wenig bekanntenGlases vertrat· Wenn
die Sonne nicht Kraft genug hatte,
um die Früchte zur vollkommenen
Reife zu bringen, degoß man sie mit
warmem Wasser. Man wußte den
Grad der Wärme so gut anzuwenden,
daß man stets einige neue Blüthen
und reife Früchte in dem strengsten
Winter hatte. Die Römer hatten nicht
nur Treibhäuser, sondern auch hohle,
von Wärmeleitungsröhren durchzo
gene Mauern, wie man sie heutzutage
noch häufig in England herstellt. Der
römische Imperator Tiberius, der
öffentlich große Mäßigkeit zr Schau
trug, war ein Feinschmecker erster
Classe und leidenschaftlicher Melonen
esser. Seine Vorliebe für diese aus
Asien stammende Frucht war so groß,
daß er sie, um sie zu jeder Zeit des
Jahres haben zu können, in großen,
auf Rädern ruhenden und mit Erde
gefüllten Bretterkästen ziehen ließ, die
bei Eintritt kälterer Witterung in
Sicherheit gebracht wurden. Die Völ
kerwanderung, das Eindringen der
Germanen in Italien, zerstörten bis
aus die letzten Spuren jenen blühen
den Zustand des Gartenbaues unter
der Herrschaft der römischen Kaiser.
Dies hatte zur Folge, daß die intelli
gentesten Völker Europas bekanntlich
mehr als tausend Jahre bedurften, um
die Cultur der Bäume und Pflanzen
auf jene Stufe zurückzuführen, auf
der sie einst schon gestanden hatte.
-—-.——
Gefahr-liebe Stoffe bei der Herstellung
von allerlei Süßigkeiten
Die Herstellung von Süßigkeiten ist
zu einer Kunst geworden, die immer
neue Wege findet, sie dem Auge und
dem Geschmack begehrenswerth ·zu
machen. Dieses Streben hat vielfach
auch auf Abwege geführt. n fruhe
rer Zeit wurden gelegentlich toffe ge
fährlichster Art dazu benutzt, den Su
ßigkeiten eine schöne Farbe zu verlei
hen. Chrom, Blei, Kupfer und sogar
Quecksilber und Arsenik waren, natur
lich in kleinen Mengen, in den Farb
stofsen zu finden, mit denen dieSüßig
leiten »verziert« wurden. DieserMiß
brauch ist glücklicherweise durch die
Entwicklung der chemischen Industrie
eingeschränkt worden, und heute wer
den höchstensAnilinsarben für Süßig
keiten benutzt, die zwar auch giftig
sind, aber eine so starke färbende Kraft
besitzen, daß sie nur in völlig unschäd
lichen Mengen verwerthet zu werden
brauchen. Außerdem werden auch
Pfanzenfarbenstoffe, z. B. Spinat
griin, das jetzt in großen Mengen siir
Handelszwecke hergestellt wird, zun-.
Färben von Bonbons benutzt. Das
Laboratorium der Londoner Zeit
schrift ,,Lancet«, in dem allerhand
Nahrungs- und Genußmittel unter
sucht werden, kann sich mit Bezug aus
die Färbung der Süßigkeiten durch
aus lobend äußern, dagegen ist dort
jüngst eine Entdeckung gemacht wor
den, die zu dem Scheußlichsten gehört,
wag bisher auf dem ausgedehnten Ge
biet der Nahrungsmittelfiilschung be
kannt geworden ist.
Der Laboratorium wurden einige
Proben eines sehr teuren französischen
Consectg zugesandt, das zu einemTheil
ans schönem Krystallzueler zu bestehen
schien. Sie sollten untersucht wer
den, weil lzwei kleine Kinder-, die da
von genossen hatten, mehrere Tage
lang an heftigen Unterleibgschmerzen
ertrankt waren nnd sich in schwerer-Le
bensgefahr befunden hatten. Die Un
T tersuchung ergab, daß die Bonbons
mit Glagsplittern versetzt waren, die
dem Zucker ein trhstallisirtes Aussehen
geben sollten. Als sie in warmem Was
ser aufgelöst wurden, sammelten sich
die Splitter als ein kleines Häuschen
auf dem Boden der Flüssigkeit an. Sie
zeigten scharfe Spitzen und Ränder,
mit denen sie im menschlichen Verdau
11ng5canal die surchtbarsten Wirkun
gen hätten herbeiführen müssen. Jn
der That wäre es schwer, ein stärkt-rei
mechanischesks Reizmittel auszudeuten
als solche kleine Glassplitter, und eine
Zerreißung und Vlntung im Darm
mußten beim Genuß solcher Süßig
keiten als eine fast unvermeidlicheFolge
erscheinen. Ein Jrrthum bei der Un
tersuchung war ganz ausgeschlossen
Zunächst blieben die Splitter in ko
chendem Wasser oder kochender Säure
unverändert, dann schmolzen sie bei
» Rothglut zu Klümpchen, endlich ent
! hülltc die Analhse ihre Zusammen
setzung aus Kieselsiiure, Kalt, Soda
und etwas Blei, den Bestandtheilen
des gewöhnlichen Glases-. Angeblich
wird diese ,,Decoration« von Conseei
ten gar nicht so selten benutzt und soll
besonders in französischen Fabriken
üblich sein. Der ,,Lancet« schließt
seinen Bericht: »Sandiger Zucker ist
schlecht genug, aber Glassplitier in
Süßigkeiten zu mischen, ist gradezu
teuflisch.«