Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, June 07, 1901, Sonntags-Blatt, Image 11

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    Sonxrtajg sFlatfj
Beilage des ,,Nebraskq Staats-Anzeigcr und Herold«
l ————
J. P. Wiudolph, Herausgehen
Stand FWand Nest den 7.Juni190l.
Jahrgang 21. Ro. 40.
Ohne Geld.
Novellette von Catharina Zitelmann.
»Ja, der olle ehrlicheJago bat Recht:
Thu Geld in deinen Beutel! Hat man
keins drin, so ist man ein hundsfott.
Mir ist es ’mal so ergangen, und ich
gestehe Ihnen, es war die peinlichste
Situation, in die ich je gerathen bin.«
»Erziihlen Sie, Kamerad, erzählen
Sie,« rief esdon allen Seiten. Haupt
inann von Wesselbaum lächelte vor sich
bin. Dann liesz er das scharfe Auge
iiber die sechs oder acht jungen Gesich
ter der Lieutenants gleiten, die die
Tafelrunde bildeten und ihn gespannt
anblickten, und begann
»Jch stand als junger Offizier in
Wiesbaden und war nicht im Besitz
von Vermögen; dafiir aber hatte ich
einen sehr anständigen Pathenonlel,
der sich auch höchst nobel gegen mich
benahm.
Jch hatte einmal ohne jeden Neben
gedanlen zu ihm geäußert, daß ich
sehr gern die Alpen kennen lernen
möchte. So um Pfingsten herum be
lomme ich einen Brief von ihm mit
600 Mart Einlage.
Wer war glücklicher als ich! Jch
nahm vier Wochen Urlaub und fuhr
los. Die sechshundert Märler, meint’
ich, könnten nie alle werden.
Das Tourenmachen ist aber eine
tbeure Geschichte, mein Geld schmolz
zusammen wie Schnee an der Sonne,
nnd als ich über’s Stilserjoch in’s Ti
zol’sche lam, freute ich mich, daß der
Wein so billig war. Ich wollte noch
von Sulden aus den Ortler besteigen
und zu Fuß durch die Oetzthaler Al
den zurückwandern, und bildete mir
ein, daß ich fo, die lange Eisenbahn
fahrt sparend, fiir fast nichts nach
sknnsbruck gelangen würde und noch
Geld genug hätte, um in dem billigen
Land ein vaar Tage zu verweilen. Dar
that ich denn auch. Jn Sulden war’s
Prachtvoll Und sbeim Kuraten arge
miithlich, ’ne wunderschöne Engländes
tin war auch da, der ich den Hof
machte und die mit mir auf den Ortler
stieg. Kurz, ich konnte mich nicht tren
nen, und ai. fch mir endlich die Rech
nung herangewunlen, da merkte ich zu
neinem Schrecke, daß nach ihrer Be
zahlung nur noch zehn oder zwölf
Gulden v iibrig waren und ich damit
unmöglich heimgelanacn könnte-.
So mußte ich mich denn, so unan
genehm es mir auch war, entschließen
au meinen Onkel zu schreib-en und ihn
z-.; bitten, mir noch hundert Mart nach
Jnnsbruck zu schicken. Dorthin wollte
ich aus Schuster-S Rappen zu kommen
suchen, und ich zweifelte nicht, das-. bei
dieser billigen Art der Beförderung
mein Geld reichen würde- Leider
nsachie mir aber das bisher so pracht
volle Weiter einen Strich durch die
Rechnung. Schon als ich im Thal an
kom, goß es mit Kannen, und was
balfes, ich mußte zwei Tage warten,
bis ich weiter lonnte und als ich in
Sölden, dem Hauptort des Thales,
ankam, hatte ich noch einen Gulden
und 16 Kreuzer im Beutel. Todmiide
nnd hungrig trat ich Abends nach
sechgsiiindiger Wanderung in strömen
dem Regen in den Gasthof, bestellte ein
Zimmer und ging in’5 Herrenstiible
Essen muß ich jetzt, oder ich sterbe,
dente ich bei mir. Dazu reicht ja meine
(tl—-—k-L-kt —-4.
QTIUIIUJUIL Its-W
Da füllt mein Blick aus einen Herrn,
rsvr dem eine Flasche Wein steht uno
der mit großem Appetit ein üvvigeg
Mahl verzehrt, das mir das Wasser im
Munde lensammenlauien macht. Als
ich die vollen Schüsseln sehnsüchtig be
trachtet habe und bei mir dente, das
kannst du dir nicht leisten, mußt heute
mit einer Käsestulle fürlieb nehmen,
schaue ich mir den Mann an, der sich's
so wohl sein lässt. Ein Sctinurrb.rrt,
sast wie meiner, militiirisch verschnit
teneg Haar, ein schneidiaeg, gebräuntess
Gesicht, — ich zweisle keinen Augen
blick, daß ich ’nen Kameraden vor mir
habe. Ten pumpe ich an, denle ich bei
mir, und die Freude fuhr mir nicht
nur in dieGlieder, sondern auch in den
Magen. Jch bestellte mir bei der Fielli
nerin ein Beefsteat, statt des Käse
brodes und einen halben Liter Land
nein, und setze mich dem Fremden ac
genüher an den Tisch. Der sah mich
prüfend an, und es dauerte nicht iiins
Minuten, da waren wir im Gespräch
und stellten uns einander vor. Er war
Teuzer Kürassier, ein Freiherr von
Schonen und begrüßte mich mit gro
ßer Liebenswürdigieii. Wir schüttel
ten uns die Hände, und er ließ eine
Flasche Selt kommen. Mir wurde ein
bischen slau dabei, aber ich dachte, der
Glückliche lann’s ja, und ließ mir’s
schmecken. Daß er einem in Verlegen
heit gerathenen Kameraden gern hel
sen würde, bezweifelte ich nicht. Schn
nen war ein urfideler Kerl und ein
Natursrennd wie ich. Wir schwärmten
uns beide von unseren Hochtouren vor,
und die Stimmung ward immer ge
müthlicher.
Am nächsten Morgen liege ich noch
m: tiefsten Schlat, als es an meine
Thiir pochte. Jch fahre auf und höre
die Stimme des Haiistnechts, der mir
bestellt, Freiherr vontSchonen ließe
mir faqen, das Wetter sei herrlich, ob
wir nicht zusammen aus die Dresdener
hätte wollten. Führer seien zur Stelle.
Jch konnte nicht widerstehen. Schuldiq
bin ich ihm doch schon ’was, so·iommt
es aus Mehr oder Weniger nicht»an,
dacht’ ich. Eine Viertelstunde spater
waren wir aus dem Wea. Bei der
Rückkehr wollte ich eben Schonen bit
ten, meinen Führer zu bezahlen, als
cr, mir zuvortommend, den Wirth, der
uns vor der Hausthür empfing, aus
forderte, das fiir uns beide zu thun.
Er hatte eine unnachahmlich Vornehme
Manier dabei, und ich hielt ihn fiir
esnen der glücklichen Marssiihne, die
das Geld nicht zu zählen brauchen un)
rie unter den Kavlleriften häufiger
sind, als in der Linie. Wir foupirten
wieder sehr nobel, schliefen noch eine
Nacht in Sölden und packten unsere
Tornister, um am anderen Morgen
zusammen egen · nnsbruck zu ziehen
Nach dem z rühftitck bestellten wir die
Rechnung. Ob leich der Champagner
Schonen ange chrieben war, machte
mein Konto doch 12 Gulden aus.
Schonen warf einen flüchtigen Blick
aus sein Blatt, steckte es ein und erhob
fich, um in fein Zimmer hinauszu
gehen. Jch ihm nach, denn vor der
Flellnerin mocht’ ich ihn nicht bitten,
meine Rechnung zu beglichen. Oben
cuf der Treppe erwartete ich ihn. Nach
einer Weile trat er aus seiner Thür,
Zum Abschied aeriiftet, die Rechnung in
der Hand. Bevor ich noch sprechen
konnte —- es kostete mich eben doch
einen Entschluß —- sagte er so oben
hin: »Bitte, lieber Wesselbaum, legen
Sie für mich aust« ,,Darum wollte
ich Sie eben bitten,« fiel ich ihm in’s
Wort. »Ich bin in Verlegenheit ge
rathen und erwarte erst Geld in Inn-Z
bruck. Sie erhalten morgen bereits
alles zuriick.«
»Sie wollen doch wohl nicht sagen,
daß Sie nichts haben2«
Jch zoa.n1eine Börse und zeigte ihm
M Kreuz-r. Den Gulden hatte ich als
Trinkgeld an die Führer gegeben.
iGanz entgeistert starrte er mich an
und sagte: »Ja wag machen wir dann?
Jch hab’ auch nichts.«
Meine Finie begannen zu wanten
end ihm schien es nicht besser zu gehen,
denn er setzte sich auf die oberste Trep
penstuse nieder und starrte wie ein
gänzlich geschlagen-er Mensch schmei
gend vor sich hin. Endlich ermannte
sich meine gepreßte Seele zu den vor-:
nurfgvollen Wort-ne »Aber Sie ließen
roch Seit kommen«
»Weil Sie so forsch aus-seinem« aab
er in tläqlichem Tone zurück.
Dann trafen sich unsere Augen, und
wie auf Verabredung brachen wir beide
in ein tratnpfhaftes Gelächter aus-, in
dem sich die innere Spannung wohl
tbätig löste.
Als wir uns beruhigt hatten, er
hoben wir uns und stieaen sehr lang
sam die Treppe hinab. Jndem öffnete
der Wirth unten die Thür des Gast
zimmers nnd trat auf uns zu. Las
er in unseren Armesiinoermienen2
Jch wollte sprechen und konnte nicht;
der Hals war mir wie zugefchniirt So
stieß ich Schonen mit den Ellbogen,
um ihn zum Reden zu bewegen. Aber
et sah mich flehend an, indem er etwa-J
Unverständliches murmelte und wie
das schlechte Gewissen selbst aussah.
Da faßte ich mich und begann, so fest
ich es vermochte —- mein Lebtaa ift
nir leine Aussprache schwerer get-vors
den «—dem Wirth zu gestehen, daß uns
beiden das Geld ausgegangen sei und
wir uns- fiilschlich einer auf den ande
ren verlassen hätten. Damit löste ich
meine Uhrtette mit der Uhr und bot
ihm beide zum Pfande. Schon-In zog
mit einer tragischen Geberde einen
Ring vom Finger nnd reichte ihn eben
falls dem Wirth.
Der lächelte mit pfiffiaem Gesicht
rnd schüttelte den Kopf, unsere Liebes
gaben hold oerschmiihend »F kenn’ das
schon, das is nix Neu’5, den jungen
Herrn .1eht’s öfter so,« meinte er ge
miithlich, die Hände in den Taschen
seiner Beintleider oergrabend. »Sie
sind preußische Offiziere, da vertrau’
i auf Jhr’ Ehrlichkeit. J hab’ Jhr
Wort, nit wahr?«
Jch hätte dem Mann um den Hals
fallen mögen, und bis an tneinLebenå
ende werde ich ihm ein dankbares Ge
oenlen bewahren. So drückten wir
dem biederen Tiroler herzhaft die
Hände und wanderten froh sürbaß.
Aber wir hatten och einen sauren Tag
ror uns, und wie wir uns mit den
paar Kreuzerm die wir besaßen, bis
Jnnsbruck durchgeschlagen haben, ist
mir noch ein Ritthfel Jch kam mir wie
ein Landstreicher vor und lebte von
Brod nnd Käse« Jn anständigen
ciasthiiusern konnten wir nicht einkeh
ren und schliefen Nachts in einer
(.-3cheune. Aber wir gelangten doch end
lieb nach Jnnsbrucl und stiegen natür
lich in einem der ersten Hotels ab. An
unserem Aeuszeren nahm man keinen
Anstoß, man war es gewohnt, dieFusz
reisenden in etwas desolatem Zustande
von den Bergen herablommen zu
sehen. Wir seyten unsere vornehmste
Miene aus, und ich sandte den haus
lneeht nach der Bahn, um meinen Kot
fet, den ich vorausaelandt, zu holen.
Dann machte ich Toilette, und begab
mich zur Post, um das Geld in Em
pfang zu nehmen. Der Beamte am
Schalter aber schüttelte den Konf, als
ich ihm meine Karte reichte. »Nir fiir
Sie doa.«
»Nichts für mich da?« frage ich, und
ich denke wirklich, mich soll der Schlag
rühren. Konnte men Onkel mich in
dieser Noth stecken lassen? Unmöglich!
Mein Urlaub ging zu Ende, und nicht
einmal ein paar Kreuzer hatte ich in
rer Tasche, um zu telegraphireni eht
hörte die Gemiithlichkeit doch aUTI
Schauen, der vor der Thiir wartete,
merkte an meinem verstörten Gesicht
sofort den Braten, schnitt eine Gri
masse, legte den Finger an die Stirn
und entgegnete seufzend: »Wer hätte
gedacht, daß Sie einen solchen Filz
tragen zum Onkel haben.«
,,Sparen Sie sich Ihre Bemerkun
gen,« fuhr ich zornig auf. »Der Brief
muß sich verspätet haben. Wenn ich
uur Geld hätte, um zu telearaphiren!'«
Da fiel mir meine Uhr ein, und
schon eilte ich davon, um sie beim er
sten besten Goldschmied zu versehen.
Aber auch mein Telegramm blieb
unbeantwortet, und meine letzte Hoff
nung schwand. Ware Schonen nicht
gewesen, der immer noch mit einem
faulen Witz in meine Triidsal fuhr,
ich hätte Selbstmordgedanken gefaßt.
Eben wollten wir wieder im Post
Bureau Nachfrage halten, als sich die
Thür vor uns öffnet und ein Herr her
aus-tritt. Vor mir steht leibhaftig —
uiein Ontell
»Da bis du ja, Hund« lacht er ganz
dergniigi. »Soeben habe ich deinen
Brief und das Telegramm erhalten.
Junge, driick’ mich nicht todt!«
Ich umarmte ihn nämlich so stür
misch, wie ich nie ein Weib umarmt
habe und lief-, in meiner unsinnkgen
Freude auch nicht ab, ihn an mich zu
pressen, bis er, trebzroth im Gesicht,
unt Gnade bat.
Abends tranken wir wieder Seit,
ohne daß wir ihn zu bezahlen brauch-«
ten. Der Onkel erzählte, daß er, durch
meine begeistert-In Schilderung-In an
gereat, Lust betommen habe, ebenfalls
in die Alpen zu gehen und es so ein
gerichtet habe, mich in Jnnslxrisck noch
zu treffen. Die Schilderuna unserer
Abenteuer erheiterte ihn höchlichst: fiir
den Wirth in Sölden fahte er eine
solche Vorliebe, daß er selbst unsere
Schuld dort zu bealeichen sichoornahm.
Auch Schonen händigte ihm seine un
bezahlte Rechnung ein und schwor
feirlich, dass, er jeneg schnöde Beiioort
zuriickuiihme, mit dem er den aiitigfien
aller Onlels belegt habe.
So löste sich die Sache in Wohlges
sallen auf. Jch habe mich aber Dort
efi gefraat, wag geworden wäre, wenn
der Onkel mich nicht getroffen hätte,
und bei späteren Reisen habe ich Jagoz
Rath nach Kräften befolgt: Thu Geld
in deinen Beutel! Es ist ein ewig be
herzigenswerther Imperatio
Eine rndfahrende Prinzefsin im Contlttt
mit den Hütern des Gesetze-n
Die einzige noch unverheirathete
Tochter des Königs Ed!1ard, Prinzes
sm Victoria, ist dieser Tage in Wind
sor im wahren Sinne des Wortes mit
den Hütern des Gesetzes in Collision
gekommen. Jn Begleitung einer Hof
darne, der Ladh Musgrave, machte sie
eine Radsahrt durch den Pakt von
Windsor und wollte auf dem Rücttoege
den tiirzeren Weg zum Schlosse neh
men, der über den sogenannten Long
Wall, die lange Promenade, führt.
Das Radfahren ist hier jedoch nicht
gestattet, und ein Partwachter, der die
Prinzefsin nicht erkannte, rief den Da
men zu, daß sie absteigen und umkeh
ren müßten. Hiervon nahm die Prin
zessin natürlich keine Notiz und fuhr
weiter, worauf der Partwächter ihr
mit einigen langen Sätzen nacheilte,
die Lenkstange des Rades ergriff und
dieses mit einem Ruck zum Stehen
brachte, so daß die Prinzessin zu Bo
den geschleudert wurde, wobei sie bei
nahe noch von ihrer dichtan folgenden
Hofdame überfahren worden wäre.
Die Prinzefsin gab sich dem Beamten
zu erkennen, den sie wegen seines Ue
bereifers, der ihren Sturz verursachte,
tadelte. Hiermit war das Abenteuer
der Prinzessin noch nicht beendet. Als
die beidenRadlerinnen an dem anderen
Ende der großen Promenade anlang
ten, tauchte plötzlich ein junger Polizist
aus dem Gebüsch auf, der sich ihnen in
den Weg stellte, ihnen befahl abzustei
gen, und sich bereit machte, die Namen
der beiden Uebelthäterinnen in sein
Dienstbuch einzutragen. Er unterließ
dies natürlich, und Buch und Bleistift
entfielen beinahe den Händen des er
schrockenen »Bobbin«, als er hörte, wen
er angehalten hatte. Zu feiner großen
Freude sagte ihm aber die Prinzessin,
daß er nur feine Pflicht gethan. Ohne
weiteren Aufenthalt konnten nun die
Radfahrerinnen nach dem Schloß zu
rücktehren.
—.
New York, die Stadt der meisten Theater
nnd Singspielhallen.
Nach einer Statistik, die von der
New Yorker ,,World« ausgestellt wird,
ist New York jetzt die Stadt, die die
meisten Theater und Singspielhallen
enthält. Jn New York ist die Zahl
der Sitzplätze, welche die verschiedenen
Etablissements an demselben Abend
dem Publikum zur Verfügung stellen
können, 123,795; in London sind es
120,950 Sitzplätze und in Paris nur
82,331. London besitzt die meisten
Theater im engeren Sinne, nämlich
89, New York hat deren Bl, Paris 24.
Unter den Theatern hält das Pariser
Chatelet den Record in der Zahl der
Platze, es faßt 3600 Personen, die
New Yorker Oper kann nur 3549 auf
nehmen und in London haben das
Drury Lane und das Stanard je
3500 Plätze. Dagegen hat New York
einerseits die kleinsten Theater, sein
Madison Square (646 Plätze) und
sein Lyceum (650) und andererseits
Die qeräumigsten Concertsäle, Madi
son Square f9000 Plätze) und Grand
Central Palace (8(300).
Wir ein Windstoß-einem französischen
Pröfckten arg mitspielte.
Als der Prinz-Präsident Louis Na
poleon im Verlause seiner Reise durch
Frankreich, die angesichts der bevor
stehenden Errichtung des Kaiserreichs
unternommen wurde, nach Bordeaux
kam, hatte der Präfect der Gironde
befohlen, beim Eintritt in die Stadt
einen Triumphbogen zu errichten, in
dessen Mitte eine von einem Strick ge
haltene Krone hing. Oben prangte
die Inschrift: »Jl l’a bien meritee!«
Jn dem Augenblick, wo der Präsident
oorbeitommen würde, sollte die Krone
sich aus das Haupt des Prinzen sen
ten, wie man dies am Ende des vier
zehnten Jahrhunderts beim Etnzug
der Jsabella Von Bayern in Paris
gethan hatte. Aber ein unglücklicher
Windstoß entführte kurz vor dem ent
scheidenden Moment die Krone, und
als der Präsident durch den Triumph
bogen kam, blieb nur noch der herun
terhängende Strick mit der JnschristI
»Jl l’a bien meritee!«, die nun eigent
« lich nichts anders mehr bedeuten
konnte als: »Er hat ihn wohl ver
dient!« Der Präsect zitterte für sich
wegen dieser Missethat des Windes.
Aber seine Besorgniß war von kurzer
Dauer, denn die Jdee mit der Krone
brachte ihm gnädige Verzeihung.
---—«——-.—
Etwas von den ersten Gigarrem die in
Deutschland fabrizirt wurden.
Der Hamburger Hans Heinrich
Schlottmann war der erste Ciaarren
fabrikant in Deutschland. Vereinzelt
wurden die Cigarros bereits in Ham
burg aeraucht, als der Tabakfabrikant
Schlottmann, der ihre Herstellung in
Spanien kennen gelernt hatte, im
Jahre 1788 solche zu rollen begann.
Jm Anfange fanden feine Cigarren
keine Käuferx er war gezwungen, sie
zu verschenken. Man war gewöhnt,
solche nur als Geschenk anzunehmen.
Nachdem aber mehrere Schiffe Ciriak
ren aus America brachten und Abneh
mer dafiir fanden, ging es bald mit
seiner Unternehmung und dem Betrieb
seiner Fabrikation besser. Erst in den
Jahren 1796 und 1797 fing das Ci
aarrenrauchen in Hambura an in
Mode zu kommen und war bald Be
diirfniß der Bevölkerung Schlatt
mann erhielt bald eine rühriae Con
eurrenz. Es entstanden nicht allein
in Hamburg, sondern auch in dem be
nachbarten Altona Cigarrenfabrilen.
Unlauterer Wettbewerb war bereits
damals nichts neues, und so schickten
einige inaeniöfe Fabrikanten ihre
selbstfabricirte Waare nach Cuxhaven
und führten sie durch dort liegende,
nach Hamburg bestimmte, amerikani
sche Schiffe wieder ein, wo sie von
Feinschmeckern als importirte echte Ci
garren zu guten Preisen gekauft wur
den. Zuerst verarbeitete man Virgi
nia- oder Louisiana - Blätter dazu,
später versuchte man es auch mit un
garischem und türkischem Tabak.
MerkwürdigerWeise versetzte man da
mals maaeren Tabak, wie Maryland,
mit Senfkörnern, Lümmel und Anis,
um ihn zu würzen
———.——-.
Rätlsfellsafke Inseln-isten auf den Felsen
deo Berges Sinai.
Die Jnschristenforschung bietet doch
merkwürdige Ueberraschungen. Außer
den Namen von Touristen, die mit
Coot’schen oder Stang’fchen Reisege
sellschasten durch dieWelt pendeln, fin
det man auf den Felsen des Berges
Sinai tausende von Jnschriften, von
welchen mehrere, die mit archaistifchen
Schriftzeichen und in längst vergesse
nen Dialekten niedergeschrieben sind,
lang für unentzifferbar galten. Nach
einer Sage sollen einige von diesen Jn
schristen aus der Zeit des Auszuges
aus Egypten stammen. Der franzö
sische Gelehrte Chermont-Ganneau hat
zwei solcher Texte aus dem Nabathä
»
1
nischen (ein semitischer Dialekt) über
setzt. Die erste Inschrift stammt aus
demJahre 204 oder 205 unserer Zeit
rechnung und schließt mit einem Ju
belruf zu Ehren dreier Cäsaren, des
Kaisers Septimus Severus und seiner
Söhne Caracalla und Geta. Die
zweite Jnschrist stammt ans dem
Jahre 189, in welchem die Araber das
Land verwüsteten. So wurde die Jn
schrift wenigstens von deutschen Ge
lehrten (von Euting u. A.) gedeutet.
Clermont - Ganneau behauptet jedoch,
daß sie einen ganz anderen Sinn habe;
er übersetzt: »Das Jahr, in welchem
den Armen des Landes das Recht auf
das Pfliicken der Datteln gegeben
wurde.« Das wäre allerdings ein ge
waltiger Unterschied zwischen den bei
den Uebersetzungen, Clermont - Gan
neau giebt viele Gründe an, die für die
Richtigkeit seiner Deutung sprechen.
]
T
—-«..—-.
Eine lustige Tlieateraeschichte durch das
Rilzcln in dcr Nase.
Von Bressant, der ein vorzüglicher
Schauspieler in Paris war, erzählt
man folgende lustigeTheatergeschichte:
Er besaß unter andern Gaben eine
entzückende, szum Herzen gehende,
wohlllingende, süße, musikalische
Stimme, die goldeneStimme derLieb
habet. Er entzückte wie keiner das
Publikum, wenn er einer Frau eine
Liebeserklärung machte, natürlich hat
te er in fast jeder Rolle eine zu machen.
Eines Abends atte er in einem neuen
Stück in dem "ugenblick, wo er sein
Liebessolo singen sollte, das unwider
ftehliche Bedürfniß, zu niesen. Aber
in dem Augenblick, wo er einer Frau
die zärtlichsten Worte sagen sollte, wo
der ganze Saal auf ihn hörte, wo die
esntzürkten Zuschauerinnen im voraus
seine Sätze und den schmeichlerischen
Stimmfall seines bezaubernden Or
gans genossen, zu niesen, —- das war
unmöglich Er gab sich die größte
Mühe, aber das Kitzeln in der Nase
ließ nicht nach, nahm vielmehr noch
zu. Bressant sprach, aber er fühlte,
daß, je mehr er sprach, die Geschichte
immer schlimmer wurde· Noch eine
Secunde, und er konnte nicht mehr
widerstehen, es war abscheulich! Was
thun? Da kam Bressant eine Idee:
Obgleich dies nicht zu seiner Rolle ge
hörte, wars er sich der Dame zu Fü
ßen, that, als ob er vor Rührung und
Liebe schluchzte, verbarg denKopf hin
ter ihrem Kleide und —- nieste ruhig!
Die Dame —- die Schauspielerin —
belam einen so tollen Lachanfall daß
sie von der Bühne abtreten mußte, und
Bressant sagte mit der größten Ruhe:
»Diese Frau hat kein Herz, sie wird
mich niemals lieben!« Jn demselben
Augenblick trat Bressant’s Großvater,
oder wenigstens der diese Rolle spie
lende Schauspieler ein und sagte, wie
feine Rolle verlangte: »Gott segne
Dich, mein Kind!« Bressant
selbst hat mehrere Monate darüber ge
lacht.
Ein interessanter Vorschlag über eine
neue Art Straße-than
Einen interessanten Vorschlag über
eine neue Art Straßenbau macht Sir
Bramwell in einem Briefe an die
»Timek3«. Zunächst würde ein Fahr
weg Von vielleicht acht Fuß Breite,
wie gewöhnlich mit Fußqängersteig an
der Seite, vorhanden fein. Auf letz
teren gehen die unteren Stockwerke
der Läden hinaus· Auf den Dächern
dieser Läden würde ein breiterer, obe
rer Fußgängerfteig von etwa 15 Fuß
Breite sich befinden, der nach der
Straße zu durch einGeländer geschützt
und von unten auf, in bequemen Zwi
schenräumen vorhandenen, Treppen
erreichbar sein würde. Die äußere
Hälfte dieses oberen Fußweges würde
nicht bedacht sein, während der innere
Theil durch Vorbau des oberen, durch
Säulen gestützten Theile-s der Häuser
geschützt sein und so bei nassem Wet
ter Gelegenheit zum Promeniren bie
ten wiirde. Wie nach dem unteren
würden auch nach dem oberen Fuß
gängerfteig sich Läden öffnen. Brücken
würden beim oberen Trottoir über alle
Seitenstraßen und an passendenPunk
ten über die Hauptftraßen führen. Es
würen zwei Reihen von Läden auf
dem jetzt von einer Reihe eingenomme
nen Raume geschaffen, was denMieth
werth der Häuser entsprechend erhöhen
würde. Fußgänger könnten nicht nur
gegen Regen geschützt, sondern beim
Ueberschreiten von Brücken von dem
Straßenverkehr unbehindert ihre
Gänge besorgen. Gleichzeitig würde
sich eine höchst inalerische, mannigfal
tige Architectur erzielen lassen und
viel Licht und Luft vorhanden sein.
Die ,,Times« besprechen diesen» »au
ßerst fesselnden Vorschlag«« gunftig,
fürchten jedoch, daß die Reinhaltung
der Treppen und Trottoirs und die
Fortschaffung von Asche u. s. w. aus
den verschiedenen StockwerlenSchwie
rigkeiten bereiten würde.
Brief einer tchwiiiischen Ruhme-d an den
Großherzog tm- Hadem .
Den folgenden köstlich und bei aller
Naivität geschickt abgefaßten Brief ei
ner schwäbischen Kuhmagd an den
Großherzog von Baden theilt der »Ho
henstaufen« mit: »Geehrtesster Herr
Großherzog! Es thut mtr ehr ei·d,
den hohen Herrn zu belästigen, allein
ich weiß keinen anderen Rath mehr.
Am 15. d. M. führte ich einen Wagen
Dung auf unser Feld (bin nämlich al
les in allem; ban Stallmagd, bald
Köchin, baleimmermiidchen und habe
die Arbeit, welche drei Stück Vieh ge
ben, bereits ganz allein zu be orgen,
bin aber so heiter und so vergnügt da
bei wie der Vogel in der Freiheit) und
setzte mit im Heimgehen auf den leeren
Wagen. Am 16. erhielt ich schon ei
nen Straszettel dafür, weil ich die
Ordnung, daßKuhfuhrwerke vom Wa
gen aus nicht geleitet werden dürfen,
übertreten habe. Aber habe ich das
Gesetz iibertreten, wenn ich es nicht
weiß? Und meine daher, wenn die Be
hörde so divicill ist, da dieses fast
täglich vorkommt, so gut als es an den
Brunnen öffentlich angeschlagen ist,
auch öffentlich an eschlagen gehört,
daß es jedermann lesen kann. Gerns
bach ist doch ein kleines Städtchen und
da wird die Polizei (drei an der Zahl)
schon so viel Zeit finden, einem zu sa
gen: dieses ist nicht erlaubt. Nach kur
zem, aber hartem Kampfe bat ich mir
die Erlaubniß aus, mich an den-Herrn
Großherzog wenden zu dürfen, da ich
den HerrnGroßherzog für einen Mann
halte, der auch dem Geringsten seiner
Unterthanen Rechnung trage. (Der
hohe Herr werde eine rechte Freude an
mir haben, war der Befcheid.)
Dann bat ich den Herrn Bürger
meister nochmals, ob der Herr Bürger
meister die Strafe nicht erlassen könne,
auf »Nein« machte ich Kehrt. Muß
schon sagen: so wenig Freundschaft ist
mir in den letzten zwölf Jahren noch
nirgends von Seiten der Behörde ent
gegengebracht worden wie hier . .
und ich bin doch fremd hier, und ein
Fremdes erwartet doch immer, daß
man einein auch, wie es die Behörde
verlangt, ehrerbietig entgegenkommt
und nicht blos strafen will, muß daher
annehmen, daß man hier die Schwa
ben nicht leiden kann, welche doch ihrer
Pflicht und Schuldigteit so gerne ge
recht werden möchten. Bitte daher den
hohen Herrn zu entscheiden, ob ich so,
auch ganz unwissentlich, strafbar ge
handelt habe, da meine Kuh wie ein
Lamm fortgelaufen ist und niemand
belästigt oder angehalten wurde . . .
Wollte jetzt schließen, aber da kommt
tnir noch der poetische Gedanke aus
»Blumen und Sterne« in den Sinn:
Wac- zagst Tn ohne Trost nnd Muth,
Wenn Tiels der Etnrtn ntnltrnnsr
Tet« Himmel wird Tidt nietn verlassen,
Wenn Tn Tit selbst vertraust . . ..
llnd sinkt Tein (Stliietsttern, ist gewiß
Ein neuer Tit« nicht fern;
Getrost mein Herz, der Stern des Abend-is
Jst aneb der :ttcorgenstern.«
Zerfallene und verlassenc Ortschaften in
allen Theilen der Welt.
Merkwürdige Geschichten von ent
täuschten Hoffnungen erzählen die zer
fallenden, verlassenen Gruppen unbe
wohnter Gebäude, die man hier und
da in fast allen Theilen des Erdballs
findet. Auch in England giebt es
solche. Bei Hemel Hempstead befindet
sich in einem hübschen, mit Föhren be
standenen Thale ein Dorf, das über
hundert Häuser hat, von denen kaum
ein halbes Dutzend von Einwohnern
besetzt ist. Die Wege sind mit Gras
bedeckt, und im Sommer wuchert dickes
Unkraut auf den Fußsteigen. Der
Besitzer des Landes, auf dem Hammer
field —- dies ist der Name des Dorfes
—— gebaut ist, wollte ein Centrum für
Schuhfabrication gründen. Er baute
die Fabrik und eine Anzahl Häuschen
und holte Schuhmacher aus Mittel
englang heran. Aber es fehlte bald
an Geld, so daß das Besitzthum ver
pfändet wurde. Die Arbeiter gingen
fort und allmählich wurden aus dem
,,neuen Northampton« zerbriickelnde
Ruinen. Durch nichts entsteht eine
Stadt schneller-, als durch eine Gold
Inine, und nichts wird schneller zu
Grund gerichtet als eine Goldminen
Colonie, wenn die Goldförderung auf
hört. Die Weststaaten Anierilas
zeigen viele einsame Ruinen solcher
verlassenen Minenstädte. Von diesen
ist ,,Excelsior City« in Nordcalifor
nien vielleicht das aufsallendste Bei
spiel. Die Stadt wurde im Jahre
1866 begründet, und in zwei Jahren
wurden gegen 82,700,000 für Berg
werle und Gebäude ausgegeben; die
Bevölkerung bestand aus 8,000 Per
sonen. Der Platz hatte fünf Hotels,
zwei Kirchen und ein schönes Theater.
1872 versagte jedoch die Goldader.
Jetzt ist von der einst blühenden Stadt
nur ein aus einem eFlsen stehendes
Gebäude geblieben, sonst giebt es nur
noch Ruinen. Noch schlimmer erging
es Cahaba, der einstigen Hauptstadt
des großen Baumwollenstaates Ala
bama. Sie lag auf einer Anhöhe hoch
über dem Fluß und bedeckte 1,620
Acres Land. Vor siebzig Jahren war
Cahaba der Mittelpunkt der Siidstaa
ten. Ein Haus allein, das der Familie
Perrine gehörte, kostete s400,000.
Aber der große Bürgerlrieg vernich
tete Cahaba. Die Leute zogen nach
dem zehn Meilen entfernten Ort
Selma. Jm Jahre 1866 wurde
Selma die Hauptstadt des Bezirks.
Viele Gebäude Cahabas wurden nach
der neuen Stadt gebracht, wo der
Fluß bessere Chancen für den Handel
bot, und im Jahre 1870 wurde der
Ort Cahaba an einen Regen der frü
her Sclave war, für 8550 verlauft.