Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 31, 1901, Sonntags-Blatt, Image 17

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    s.T.:-.........». —,-« . H
i er grösste Liebesdriuriz. I
— . ....»—-.—
Aus dem Leben von Ludwig
Ganghofer. «
Der farbige Sonnenschein des spä- s
ten Nachmittags erfüllte das hehaglicheI
Zimmer Am gedeckten Tische saß die s
junge Hausfrau in Gesellschaft einer z
Freundin Die Beiden hatten sich viel. «
zu erzähen, von ihrem Jammer mit !
den Dienstboten, von der neuen Win
tertoilette, von den Verlobungen- Hoch
zeiten und Todesfällen in den Kreisen s
ihrer Bekannten, sie plauderten so un- .
ermüdlich und laut darauf los, daß
man nur ab und zu von der Straße
heraus das gedämpste Geräusch der
vorüberrollenden Fuhrtverte veruahm.«l
Sogar der Kanarienvogei. der sich zu
weilen hören ließ, hatte Mühe, mit sei- -
nem zwitschernden Gesang den Klang i
der beiden Stimmen zu übertdnen. Und
wenn es ihm glückte, dann mahnte ihn
die Hausfrau mit univilligem Zischen ’
zum Schweigen· i
»Ein unausstehliches Thier! Man i
hört ja taum sein eigenes Wort . . . « :
Nach solcher Mahnung verstummte I
wohl der Vogel und blickte mit erstaun- ;
ten Aeugelein unruhig umher, doch
über die ihm zugefügte Kränkung
schien ihn das zarte Stimmchen rafch »
zu trösten, daß ihm durch die Drähte
des Bauers zärtlich und leise zulisvelte: .
»Goldi-Goldi! Mein süßes, süßes
Goldi!«
Jn dem kleinen Eiter-, den die Son
ne mit leuchtenden Strahlen durchwoh,
stand der aus feinen Drähten gefloch
tene Käfig auf dem Nähtisch Vor ihm,
in einem schwerfälligen Rohrfauteuil,
tauerte mit aufgezogenen Fäßchen ein
etwa sechsjähriges Mädchen. Braune
Löckchen umschatteten das feine Gesicht,
ein beständiges Zucken und Zittern ging
um die schmalen Lippen und um die
dünnen Flügel der seinen Nase, und
aus den großen, feuchtglänzenden Au
gen sprach ein frühreifer Geist, eine em
pfindsame Kinderseelr. Die inageren
Aermchen hatte das Kind um den stä
sig gelegt, das Köpfchen lag seitwärts
geneigt auf der Schulter, und so schaute
es mit heißen, zärtlichen Blicken zu
dem Vöglein empor. Und immer wie
der flüfterte die Kleine mit gespißtem
Mäulchem »Goldi-sGoldi! Mein sü
ßer-, gutes Goldi!«
,,’.1.liunm1!" klang vom Tische her die
Stimme der Mutter. ,,Las1, doch ein
mal den Vogel in Ruhe!«
Erschreat fuhr das Kind mit dem
Köpfchen in die Höhe und stammelte
mit schüchternem Stimmleim »Aber
. . . Mama . . . ich thu’ ihm ja nicht«
»Ja, daß weis-, ich, daß Du dem Vo
gel nichts thust!« erwiderte die Mutter
halb im Ernst und halb im Scherz.
»Ich glaube, Du thötest eher m i r et
tot-Si«
Die beiden Frauen lachten und sau
derten weiter. Aus den Zügen des
Kindes aber. das in den Stuhl zurück
gesunlen war, lag der Ausdruck eines
tiefen SchreCtL. Mit angstvollen Au
gen blickte es- zur Mutter hinüber, und
wenn es auch zuweilen mit einem
scheuen, heimlicheu Blick das hüpfende,
leise zwitschernde Vöglein streifte, so
glitten die feuchten, furchtsamen Kin
deraugen doch immer wieder hinüber
zum Tische und starrten die Mutter an,
wie ein großes, unfaßbares RäthscL
Nun hörte man vom Flur herein die
Glocke; die Mutter sprang aus, ihre
Freundin erhob sich, und auch Mimmi
machte eine Bewegung, als wollte sie
den Stuhl verlassen. Aber der jubeln
de Laut, mit welchem die Mutter ihren
«Prinzen« begrüßte, der aus dem Arm
seiner Amme unter der Thiir erschien,
mochte Mimmis Absicht geändert ha- -
ben; mit sinsterem Gesichtchen preßte sie ;
sich in den Stuhl zurück, während sie
keinen Blick von der Mutter verwandte, ;
die ihren Buben mit überschwänglicher s
Zärtlichteit herzte und küßte. Und bei ;
jedem Kasse, bei jedem zärtlichen Na- :
men und Koselaut, der vom Tisch her
übertlang in den Erler, wurde die;
Röthe auf Mimmig Wangen immer!
tiefer und heißer, der sehnende, dürsten
de Ausdruck der weit geöffneten Augen
immer begehrlicher. Und endlich glitt
sie vom Stuhl herab, kam zögernd an
die Seite d.r Mutter geschlichen, um
ilammerte ihren Arm mit beidenHänd
chen und stammelte: »Mama!«
»Lafz michs« Und mit dem Ellbogen
schob die Mutter das Kind beiseite.
»Geh’ Du nur zu Deinem Goldi!«.
Die Thränen schossen in Mimini’s
Augen, die Lippen fielen ihr auseinan
der, und langsam hob sie das Händchen
an den Hals, als empfinde sie einen
plötzlichen Schmerz in der Kehle. Sie
stand noch eine Weile, während ihr
Brüderchen von den beiden Frauen ge
herzt, bewundert und gehätschelt wur
de; dann wandte sie sich ab, schlich dem
Erter zu, kauerte sich auf den Stuhl,
legte wieder die Aermchen um den Kä
fig und ließ das Köpfchen auf die
Schulter sinken, mit dem Gesichte gegen !
das Fenster, um die Thränen zu ver
bergen, die aus ihren Augen niederrie
selten über die heißen Wangen. Und
als verstünde der Vogel den Kummer s
feiner kleinen Freundin, so kam er über
die Stäbchen herabgehiipst, klammerte
sich an die Drähte des Käfigs wendete
forschend das Köpfchen hin und her und s
pictte mit seinem Schnäbelchen nach den
zuckenden Lippen des Kindes. Dawers i
siegten Mimmi’s Thränen, ihre Augen
leuchteten aus« noch näher drückte sie ihr
Gesichtchen an die Drähte des Bauers,
und lautlos bewegten sich ihre Lippen
. . . sie sagte es nicht . . . sie dachte nur«
was sie sagen wollte: »Goldi! Mein
gutes, liebes Goldi-Goldi!« Und das
»Goldi« hüpfte, flatterte und zwitscher
te und nun schwang es sich zu oberst im
Käfig in den schwebenden Ring und
schaukelte sich mit abwärts hängenden-.
Körper, als hätt’ es das Turnen von ei
nem Papagei gelernt.
Mimmi llatschte vor Freude in die
Hände und jubelte: ,,Mama, sieh doch
her, was das »Goldi« treibt . . .'«
»Jetzt hab’ ich es aber satt, das Ge
thu’ mit dem Vogel,« schalt die Mut
ter, welche von Mimmi’s Jubel in einer
drastischen Schilderung der Amme und
ihrer tykannifchen Ansprüche unterbro
chen wurde. »Entweder gehe aus dem
Zimmer, oder ich trage den Käfig hin
aus.«
»Aber ich bitte,« fiel die Freundin
begütigend ein, ,,lassen Sie dem Kinde
doch fein unschuldiges Vergnügen«
»Ach, diese übertriebene Zärtlichkeit
für ein Thier! Das Kind hat ja den
dummen Vogel lieber als mich.«
Das war kein Scherz mehr; aus die
sem Worte klang wirklicher Aerger. fast
etwas wie Eifersucht. Dieser Laut
drang in die Seele des Kindes, und
wieder war in seinen Augen jener star
re, furchtsame, fast eutsetzte Blick. Re
gungslos saß es eine lange Weile und
starrte nur immer vor « « Isin ins Leere
Und Plötzlich löste sich, was im herzen
des Kindes nagte, was in seinem Köpf
chen stiirmte und wirbelte in ein heftig
erströmendes Schluchzen.
»Aber Mimmi!« fuhr die Mama
auf. »Was hast Du denn? Weshalb
weinst Du jetzt? Du weißt, diese grund
lose Weinerei ist mir unausstehlich!
Geh’ aus dem Zimmer . . . geh!«
»Ich bitte . . . Mama . . · ich will . . .
nicht weinen!« stammelte das Kind und
suchte sein Schluchzen gewaltsam zu
unterdrücken.
Wieder legte sich die Freundin ins
Mittel und Mimmi durfte bleiben.
Aber ehe die Mutter weiterplauderte,
streifte sie noch das Kind mit einem un
willigen Blick. Unter diesem Blick
schauerte das Kind zusammen, und da
saß es nun still und lautlos, nur manch
mal hob es die Hand, um die Thräne
von den Wangen zu wischen, und dann
erschütterte wohl ein unterdrücktes
Schluchzen das zarte Körperchen in
allen Gliedern. Mit nassen Augen hing
Mimmi an dem Käfig und verfolgte
jede Bewegung ihres zwitschernden
Lieblings. Jhre Blicke und Züge nah
men einen grübelnden Ausdruck an,
und dann s-— wie unter einem Plötzlichen
Einfall zitterte ein verträumtes Lä
cheln um ihre Lippen . ..
Die beiden Frauen hatten sich ausge-.
plaudert. Während sie zur Thüre gin
gen, wandte Mimmi langsam das Ge
sichtchen und mit einem heißen Blick voll
kindlicher Zärtlichkeit folgten ihre Au
gen der Mutter· Und dann scheu
und hastig, als begänne sie etwas Ver
botenes und fürchtete, überrascht zu
werden kletterte sie aus den Stuhl
und öffnete mit gewaltsamer Anstren
gung das Fenster. Mit zitternden
händen schob sie den Käfig zum Ge
sirnse, zerrte das Thürchen auf und un
ter rinnenden Thrönen stammelte sie:
»Flieg’ fort, Goldi slieg’ fort . .
fliea’ fort!«
Weinend lauerte sie sich in den Stuhl
zurück, starrte mit nassen, ängstlichen
Augen aus den Käfig.
,,Goldi« hatte schon wahrgenommen,
das; der Käfig offen stand; es flatterte
über die Stäbchen nieder, hüpfte zö
gernd unter das offene Thürchen, dann
hervor auf den Rand des Gestelles, und
hier stand es mit trippelnden Fäßchen
und wendete mit neugieriqem Geschau
das Köpflein nach allen Seiten. Ein
paarmal hob es die Flügel . . . Mimmi
zitterte und schluchzte und plötzlich
flatterte es hinüber auf das Gesims des
offenen Fenster-T Hier aber dachte es
an alles andere, nur nicht an’s Davon
fliegen; lustig hüpfte es auf und nieder
und pickte nach den winzigen Staub
lörnchen, die auf dem weibaestrichenen
Brette lagen.
Da llang von draußen das Ge
räusch einer sich schließenden Thür und
Schritte näherten sich durch den Flur.
Erschrocken fuhr Mimmi auf. »Fort
Dut« stammelte sie, beinahe zor
nig, und mit scheuchendem Zischen und
schlagenden Aermchen jagte sie »Goldi«
aus dern offenen Fenster. Dann aber
brach es jählings aus dem Kinde her
-.. —.4 Ind- k- -- ----- -« ks«-·IO
UUI, lllss Why uns- SVIIDIIUH I-- lese-u w
die Aermchen aus und schluchzte:
-»Goldi-Goldi mein süßes Goldi!«
Die Thür ging aus und die Mutter
betrat das Zimmer. Ein tühler Lust
zug suhr ihr entgegen. Sie gewahrte
sofort das ossene Fenster und eilte er
schrocken nach dem Erler. »Aber Mini
mi! Du angezogene-Z Kind! Wie tannst
Du Dich nur unterstehen, jetzt am
Abend das Fenster zu öffnen! Du wirst
Dich ertälten!« So zornig auch diese
Worte tlangen -—-— es sprach aus ihnen
die wirkliche Sorge des mütterlichen
Herzens-.
Hastig schloß die Mutter das Fenster
und als sie sich zurückwandte, um die
kleine Sünderin noch tüchtig auszu
schelten, sah sie plötzlich den leeren Kä
sig und sah das verstörte, von Thränen
überronnene Gesicht ihres Kindes.
Unter Schluchzen und nur mühsam
kam es über Mimmi’s Lippen: »Mein
Goldi . . . mein Goldi . . . bab’ ich flie
gen lassen damit Du nicht
glaubst . . . daß ich das Goldi . . . lieber
hab’ . . . als Dicht«
Die Augen der Mutter wurden
feucht und als ihr der reine Strahl ent
gegenleuchtete, der aus den Augenster
nen ihres Kindes brach, da tam es jäh
lings über ihr herz wie eine Offenba
! rung: Das Bewußtsein ihrer eigenen
j Schuld und die Erlenntnisr des kost
; baten Schayes der oerzaubeiit lag in
I der Tiefe dieses span Gemüthes.
- ,,Kind! ,Kind! ein gutes, mein
I " bes"Kind!« so stammelte sie, um
s s lang in ungestümer Zärtlichkeit nnt
i beiden Armen das zitternde Geschöpf
;chen und überströmte sein zuckendes,
ithränennasses llnündchen nrit Küssen
Und Küssen. Und Mimmi schlug die
Aermchen um der Mutter Hals, und
" unter Lachen und Schluchzen schmiegte
sie das Gesichtchen an ihre Wanae. Da
lief; sich vom Fenster her ein Klirrem
Picken und Schwirren vernehmen, und
als die Mutter das Gesicht erhob, sah
sie das Vöglein, dem die Freiheit nicht
gefallen wollte, über die geschlossene
Scheibe ängstlich hin- und widerflat
tern.
»Mimmi! Sieh doch her! Dein Gol
di ist wieder da, es hat Dich zu lieb, es
will nicht fort von Dir!« so lachte sie
und ohne das Kind aus ihrem Arm zu
lassen, riß sie das Fenster auf.
Und geraden Weges flatterte der Vo
gel dem offenen Thürchen des Käfigs
zu, schlüpfte hinein, schwang sich auf
das oberste Stäbchen, setzte sich bequem
zurecht und schüttelte die Federn.
« »Mimmi! So sieh doch her! Sieh
doch her! Dein Goldi ist wieder da!«
, Doch Mimmi wollte nicht sehen und
hören. Nur noch enger irampfte sie die
Aermchen um der Mutter Hals, drückte
; das Gesichtchen an ihre Brust und
wehrie... und weürie...
i
I ·- --——.s-— s
f wörtlich ask-gesinnt
x —OOO———
Z Militär-Humokeske von Christian
; S t u r m.
j Es war in der ,,guten alten Zeit«,
i als es noch wirtliche Originale gab,
, auch sogar unter den Soldaten, und
i zwar nicht nur bei den Offiziersbur
« schen, sondern bis zum General hinauf.
; Um diese Zeit garnisonirte in der
Festung R. ein alter General, nennen
, wir ihn von Z» der seine ganz besonde
: ren Passionen hatte. Als alter Jung
geselle pflegte er, obgleich er Kommun
dant der Festung war, ein überaus ein
faches Leben zu führen. Er aß und
trank höchst bescheiden, trug die ältesten
k Uniformen, so lange als sie nur ir
; gendwie zusammenhalten wollten« und
war überhaupt nach jeder Richtung hin
ein überaus einfacher Mann, dabei je
doch ein tiichtiger, ftrammer Soldat
und unter Umständen auch wohl mal
ein sehr gestrenger Vorgesetzter, von
dem es bekannt war, daß er bei der
Ausführung seiner lurz gegebenen Be
fehle keinerlei Einwendungen oder Wi
derspruch duldete.
Zu den übrigen Offizieren der Gar
nison, soweit sie in dieser Geschichte in
Betracht kommen, gehörte nun zunächst
noch ein Oberstleutnant von Knopp,
welcher damals als Kommandeur eines
Jnfanterie-Bataillons fungirte und
wohl eigentlich nur so eben um die Ma
jors-Ecke herumgetommen war, denn
er führte als schwer reicher Herr ein
ziemlich dienstwidriges, üppiges Leben,
und man wußte genau, das-, sein Kon
duiten-Lisie nicht gerade die allerbeste
sei. Jndeß in der damaligen g u t e n
alten Zeit waren derartige Dinge wohl
noch mal möglich, und man nahm das
im Allgemeinen nicht so peinlich genau.
Der zweite Mitwirkende in meinem
kleinen militärischen Drama aber war
der Adjutant des Herrn Generals,
Schneider mit Namen, ein ganz unge
wöhnlich diensteifriger Offizier, der sich
in seinem Streberthum fast nie genug
thun konnte, dem Herrn Kommandaw
ten Alles von den Augen abzulesen sich
bemühte und blindlings den Befehlen
desselben Folge zu leisten pflegte. —
Nun besaß aber der Herr General
e i n e ganz besondere Schwäche, er
hatte ein sogenanntes ,,faible« für dum
me Burschen! Möglich, daß dies mit
k « « - äs- On
............ H-;-:-».I;525«
Iculcs list-un ,,I-·rvsnutuu- u- «,u
sammenhange stand, indem er si gern
an der Originalität seiner Burschen
ergötzte, genug, er ließ immer Diejeni
gen siir seine persönliche Dienstleistung
ablommandiren, welche nach dem Ur
theil aller Unterosfiziere, Sergeanten
und Feldwebel den größten Anspruch
aus ,,Rhinocerosität« zu machen hatten.
Sprach sich dieselbe außerdem noch
deutlich auf ihren Gesichtern aus durch
Stülpnase, Fischaugen u. s. w., so war
ihm das desto lieber. »Ge i stvo l l«
durften sie aus teinen Fall sein!
Nun, das war der neue Bursche des
Generals, der Füsilier Putzte, denn
nun wirtlich auch nicht! Selbst sein
schlimmster Feind hätte ihm nicht nach
reden können, daß er ein großes ,,lu
men« gewesen wäre. Aber überaus
ängstlich und gewissenhast war er, fast
ebensosehr wie der Herr Adjutant
Schneider, der Streben Was ihm ge
sagt wurde. das führte Pußle stets so
fort wörtlich aus« zur großen Befrie
digung des alten Generals, er war also
nicht etwa ein bummeligeg Genie, wie
z. B. der Herr Oberstleutnant von
Knopp. ——-— —— —
Nun sah es aber, wie ich bereits er
wähnte, mit dem Kleiderbestand
des Generals von Z. im All
gemeinen recht dürftig aus-, besonders
wag die Dienstuniform anbetras. Da
mußte Putzle fast täglich mit Soda
tvasser, mit Salmialgeist und was
weiß ich sonst noch für scharfen Mit
teln eingreisen, um die bösen Flecke zu
beseitigen, und manchmal platzten bei
solchen Gelegenheiten dann auch sogar
die Nöhte, die Knöpfe sprangen ab,
s over es geschah sonst ein nein-s Mac
s beur, welches nur durch .den Regie
« mentsschneider wieder gut zu machen
i war. Jn solchen Fällen pflegte der
E alte Herr dann überaus ärgerlich zu
s werden« und es war dann mit ihm
I nicht zu fpafzen.
l So auch heute. —- Jn einer Stunde
i sollte eine Besichtigung der Festungs
; truppen vorgenommen werden, und der
Herr General war eben im Begriff,
seine Dienstuniform anzuziehen, als er
plötzlich bemerkte, daß der oberste
Knopf, gerade dort am Halse, wo die
steife Binde saß, sich zu lockern ange
fangen hatte. Himmeldonnerwetter,
Schockschtverebrett.
" ,,Putzke! Putzke!« brüllte der ge
strenge alte Herr, welcher sich —- wie
dies häufig in der guten alten Zeit vor
kam — des Volksdialekts bediente,
»Putzke! Der oberste Knopp will aus
reißen!« Aber Putzke hörte ihn nicht.
Er war nämlich gerade draußen im
Stall bei dem Pferde des Herrn Gene
rals beschäftigt.
»Ih- Kreuzbombenhagelfchlag, wo
steckt denn nun wieder der Kerl?« Und
der alte Herr zog sich die Unisorm wie
der aus, warf sie wüthend auf einen
Stuhl und sich selbst einen Schlaf
rock über die Schultern, worauf er in
seiner gewohnten Rüstigkeit die Trep
: pen hinuntersprang und feinen Putzke
« suchte. Bald hatte er ihn denn auch
gesunden und rief ihm schon von Wei
tem durch die Stallthür zu: »Putzke,
der oberste Knopp will ausreißenl
Loose mal sofort zum Schneider und
« sage ihm det»
Der Bursche machte ein ganz über
aus dämliches Gesicht.
»Na. wat stehste denn da un hälft
Maulafsen feil?« erboste sich der Gene
ral immer mehr. ,,Kannste denn nich
T hören? Zum Schneider sollste loo
; fen!«
; Da war aber unser Putzke in seiner
« Angst schon an der Stallthür Und lief
dem Alten dicht vor den Füßen vor
bei, so daß er ihn beinahe umgerissen
hätte, worauf er ins Vorderhaus
hineinstürzte. so daß der General
: ihm nur eben noch hinterherrufen
T konnte: »Er soll mir ihn dann sofort
; hierher bringen! Verstanden?«
Z Mit diesen letzten Worten war na
- tiirlich der Unisormrock gemeint. —
» Um fo erstaunter war der alteHerr aber
kurz daraus als er ebenfalls ins Haus
zurückgekehrt war, daß er den Rock mit
dem lose gewordenen Knopf noch ganz
unberührt auf dem Stuhle liegen sah.
Von dem Burschen jedoch war weit und
breit nichts mehr zu erblicken!
Na, da wetterte der gestrenge
Kriegsherr denn natürlich nicht schlecht.
Jndesz es nutzte ihm weiter nichts, weil
das passende Objekt fehlte, über wel
ches sich sein Unwetter hätte entladen
können. — —
anwischen spielte sich in der Woh
nung des Herrn Adjutanten Schneider
eine höchst eigenthiimliche Scene ab.
Dort stand nämlich der unglückliche
Bursche des Herrn Generals, am gan
zen Leibe zitternd, und wurde einem
strengen Verhör unterworfen :
,,Also,« meinte der Adjutant mit
sinsterem Blick, ,,eine schriftliche Ordre
hat Jhnen der Herr General nicht mit
gegeben? Durchaus nichts Schriftli
ches?«
« »Nein, ganz wahrhaftig nicht, Herr
s Leutnant! Er rief mir blos zu, was
ich Jhnen schon eben gesagt habe, und
da bin ich gleich fortgesprungen, denn
Sie wissen ja, er duldet es nicht, daß
man erst noch viele Fragen thut!«
«Allerding5, allerdings! Hm! Al
so wiederholen Sie noch mal. Wie
lautete der Befehl?«
III-»m- mksl flink m Spänvihpk nnd
theile ihm mit, der Oberstleutnant
Knopp wolle ausreißenl Er solle ihn
sofort zu mir herbringen!« rapportirte
Putzle mit geschlossenen Hacken und
dienstlicher Haltung.
»Hm, hm! Ein uberaus heiller Auf
trag!« meinte der Adjutant, aber was
hilft es, wenn es der Herr General be
fohlen hat, muß es ja ausgeführt wer
den. — Hätte übrigens nie geglaubt,«
fügte er im Selbstgespräch hinzu, »daß
das lüderliche Leben des Herrn Oberst
leutnant ihn so weit bringen
würde!« —
Dann schnallte er seinen Säbel um«
bekleidete sich mit einer Schärpe, setzte
den Helm aus und machte sich zum
Ausgehen bereit, während er dem Bur
schen noch zurief: »Melden Sie also
dem Herrn General, ich würde seine
Ordre sofort ausführen und käme
dann gleich mit dem Herrn Oberstleut
nant zu ihm!« worauf Putzle vor
schriftsmäßig Kehrt machte und auf die
Straßen eilte, allerdings nicht gerade,
um direkt zum General zu laufen, son
dern um sich erst im nächsten Wirths
haus auf den ausgestandenen Schreck
zu stärken ———————
Viel eigenthiimlicher aber noch, als
die eben geschilderte Scene, war nun
mehr diejenige, welche sich jetzt in dem
Hause des Herrn Oberstleutnants von
Knopp zutrug, und die sich wohl Je
der wird ausmalen können, selbst wenn
er nicht Militär gewesen sein sollte.
Trotz seines ungeheuren Streber
thums und trotz seines großen Dienst
eifers war es dem Herrn Adjutanten
i nämlich jetzt doch ganz ungewöhnlich
schwül zu Muthe, als er vor dem
Oberstleutnant stand und demselben
unter Zittern und Zagen die Eröff
j
nung machte, daß er ihn zu verhaften
käme. ,,Bedaure unendlich, Herr
Oberstleutnant, aber Sie stehen unter
f dem Verdacht, flüchtig werden zu wol
; len, und so haben mir der Herr Gene
l ral den Auftrag ertheilt, Sie ihm zuzu
führen —— —- ich bedauere, wie gesagt«
unendlich, Herr Oberstleutnant.«
Der Oberstleutnant, welcher gerade
dabei war, eine Rebhuhnpdstete zu ver
tilgen und dazu eine Flasche Mumm
sich einzuverleiben, sprang wie vom
Blitz getroffen von seinem Sitze auf
und rief mit rothglühendem Angesicht;
»Ist der Herr General nicht ganz bei —
— ich wollte sagen — sind Sie viel
; leicht etwas —— — unwohl, Herr Leut
« nant? Was soll denn diese Komödie
bedeuten? Herrrr!!!«
Jndeß der Dienstbeflissene ließ sich
nicht von seinem Pflichtgefühl abbrin
gen. ,,Kom«o"die oder Tragödie, Herr
Oberstleutnant, ich muß meine Schul
digkeit thun! Ich muß Sie also er
suchen, mir ohne Weiterungen zu fol
gen.«
Da wurde denn die Geschichte dem
älteren Offizier doch schließlich zu
bunt.
»Nun, es ist gut,« meinte er endlich.
wüthend seinen Säbel umschnallend
und durch die Thiir schreitend, »dann
führen Sie mich also sofort zum Herrn
General, denn ich verlange jetzt Auf
klärung über diese unerhörte Behand
lung!« —
Und die wurde ihm dann auch.
Denn als die beiden Herren eben bei
dem aufs Höchste erstaunten alten
Herrn eingetreten waren und diese
dritte Szene in unserer Tragikomödie
soeben in ihrer Eigenthümlichteit die
beiden vorhergehenden noch weit über
treffen zu sollen schien, trat Putzke Vor«
der Unglücks-Putzke, durch dessen
,,Dämlichteit« der erste Anlaß zu dem
gesammten Mißverständniß entstanden
war, worauf die »Schneidigkeit« des
Adjutanten der Sache alsdann die
Krone ausgesetzt hatte.
»Nun sage mal, Du dreifach destil
lirtes Doppeltameel,« meinte der alte
: Herr zuletzt, »wenn ich Dir zurufe:
»Der oberste Knopp will ausreißen!'«
wie kannst Du dann verstehen, daß der
Herr Oberstleutnant von Knopp durch
brennen will? He, antworte, Du al
lerriesenhaftestes Hornoieh, das je aut«
Gottes Weide gegrast hat.«
»Na ja,« entgegnete Putzte, »wei!
mir der Herr General doch zum Herrr
Adjutanten Schneider zu gehen befah
len, daß der ihm sofort wieder bringets
sollte! Und das doch so’n tüchtiget
« Offizier ist!«
t »Hm, hm! Na, denn geh’ man jetzt
mit meinem Rock zum richtigen Schnei
der, die Besichtigung der Truppen fällt
heute aus, meine Herren!« Mit dröh
nendem Tritt marschirte Putzle ab.
si- sik I
Der Herr Oberstleutenant vor
Knopp avancirte bald darauf wirklick
zum Obersten; er wurde als solcher
wenn auch nicht angenäht, so doch ver
setzt, und er ließ als bleibende Erinne
rung an dies Ereigniß den Füsilie1
Putzte Photographiren, worauf er das
Bild dem Adjutanten Schneider schenk
te als Lohn fiir seine Schneidigkeit!!
—- .-—-—..-—— .
ili i ii M
H—
Von G. Wilde.
Jn einem mehr bequem als elegan
eingerichteten Salon war eine Gesell
schaft moderner Frauen — Studirti
und Studirende —- versammelt· Un
ter ihnen befand sich auch eine klein·
Dame, die nicht recht dahin zu passer
schien. Es war eine junge Frau, di·
nichts Anderes geworden war als di·
Gefährtin ihres Mannes und die Mut
ter seines Kindes.
Bald fühlte sie sich fremd in diese1
Umgebung, da sie nicht recht der sicl
auf allen Gebieten der Wissenschaft be
wegenden Unterhaltung folgen konnte
und so zog sie sich in einen Winkel zu
rück, von wo aus sie die Gesellschaf·
betrachtete.
Dabei erinnerte sie sich einer Da
mengesellschaft aus ihrer Mädchenzeit
Da hatten die älteren Damen au«
dem Sovha gesessen Und über Haus
halt und Dienstmädchen geplaudert
und die jungen Mädchen hatten sich it
ein Nebenzimmer zurückgezogen, un
einander ungestört vertrauliche Mit
theilungen über den Erwählten ihres
Herzens machen zu können.
Hier dagegen wurde der Mann gar.
nicht erwähnt.
Forschend blickte sie alle der Reih(
nach an, aber keine sah aus, als ob sii
etwas vermisse, und vergrämte oder
unzufriedene Mienen konnte sie nich
entdecken.
Ein leises Neidgefiihl bemächtigt
sich ihrer. Sie beneidete diese Frauen
die es verstanden hatten, ihre Kräft
fiir sich allein zu verbrauchen und das
Leben nach ihrem Beliebten einzurich
ten.
Sie ließ den Kon sinken und dacht
an sich selbst. Auch sie wollte einst et
was ausrichten. Seit ihrer Kindhei
hatte sie den Wunsch gehegt, Arzt zi
werden, wie ihr Vater, und je älte
sie wurde, desto mehr begeisterte sie sid
für diesen Plan. Wie hatte sie davot
geträumt, der leidenden Menschhei
ihre ganze Kraft zu widmen!
Sie kam jedoch nicht weiter als bi:
zum Abiturium, dann tam »er« — un·
die Liebe. Und da war alles ander
E
i vergessen. Das Neue, Große, Unfaß
bare erfüllte so ganz ihre Seele, dass
andere Interessen nicht mehr aufkom
men konnten. Die Liebe zum Manne
duldete nichts neben sich. Und sie
wollte auch alles entbehren — nur nicht
ihn!
Bis jetzt war sie glücklich gewesen
und hatte nicht an das gedacht, was sie
hinter sich gelassen —- bis unter diesen
freien Frauen das quälende Bewußt
sein sie beschlich, daß sie etwas verlo
ren, was doch werth gewesen wäre, fest
» zuhalten, nämlich —- sich selbst.
z Als sie allein und grübelnd ihrem
; Heim zuschritt, mußte sie fortwährend
an diese Frauen denken. Von ihnen
forderte Niemand Unterwerfung,
H Selbstvergessen und Aufopferung!
s Wie glücklich sie waren!
- Als sie nach Hause gekommen war,
ging sie gleich ins Kinderzimmer und
setzte sich an das Bettchen ihres schlum
mernden Kindes. Bald schwand auch«
- der grübelnde, mißmuthige Ausdruck
von ihrem Gesicht, ihre Augen leuchte
ten auf vor Glück und Stolz, und sie
beugte sich nieder und küßte die kleine
i auf der Decke ruhende«Hand·
i Jm selben Augenblick trat ihr Mann
herein:
; »Wie mich das freut, daß Du so
« bald nach Hause kamst, Liebling! Jch
« habe mich ordentlich nach Dir gesehnt,«
; sagte er leise.
Sie stand aus und betrachtete ihn
mit einem tiefen und innigen Blick.
Dann schlang sie ihre Arme um seinen
. Hals und flüsterte:
E »Ich möchte doch nicht tauschen —
ich bin viel reicher und glücklicher als
alle die Andern!«
i —- ——-.s.—» ------—
Gutes Vertreibungsmit
tel für Fliegen» — Daß Flie
genfallen oder gar Leimstöcke zum Weg
fangen der im Hochsommer wirklich
lästig fallendenFliegen etwas angenehm
Anzusehendes sind, wird wohl kaum je
mand behaupten und nur in Erman
gelung eines Besseren dazu greifen. Die
mit Spiritus gefüllten Fliegengläser
dagegen sind von sehr sragwürdigein
Nutzen, sie fangen ja allerdings viele
Fliegen, aber der Geruch des Alkohols
ltckt auch immer neue Plagegeifter ins
Zimmer.v Fliegengift bewährt sich weit
besser, aber es kann in manchen Haus
haltungen mit Rücksicht auf die Kinder
nicht angewandt werden. Das folgende
Mittel nun ist nur für Fliegen schädlich
und kann deshalb unbesorgt gebraucht
werden. Man rührt mehrere Eiger mit
zwei Löffeln feinem schwarzen Pfeffer
und ebenfoviel feinem Zucker gut durch
einander und schüttet von dieser Masse
etwas in flache Schalen, die man in »den
Räumen vertheilt. Man wird dadurch
bald von den Fliegen befreit fein. —
Um übrigens nicht allzuviel neue Flie
gen Tag für Tag in die Zimmer zu be
kommen, muß man es vermeiden, Fen
ster, auf welche die Sonne scheint oder
kurz vorher geschienen hat, zu öffnen,
weil die Fliegen wie alle geflügelten
Insekten am meisten ins Helle fliegen.
Jtalienischer Rindsbra
ten. Ein großes Stück Rindslende
(Beiried) wird von allem überflüssigen
Fett befreit, mit Salz und Pfeffer ein
gerieben, auf der unteren Seite mit Es
siggurkenstreischen, Speck,Schinken und
geräucherter Zunge, einigen gelben
Rübenstreifchen gespickt. mit den aus
gelösten Knochen und fein geschnittenetn
Wurzelwert gebraten. Die Sauce wird
leicht mit etwas Mehl angestäubt und
mit der nöthig-en Suppe vergossen. Man
giebt dazu den Saft von einer viertel
Citrone, sowie einige Eßlöffel Weis,
worauf die Sauce gut ausgekocht und
mit dem Braten und hart gedünsteterni
Reis servirt wird.
Buttermilchkaltschale. —
Man reibt s Pfund Schwarzbrot und
röstet es langsam unter stetem Rühren
mit 2 Unzen Zucker braun. doch darf
es nicht anbrennen, weil es dann sofort
bitter schmeckt. Man vermischt kurz vor
dem Anrichten 1 Quart Buttermilch
mit 6 Löffeln saurer Sahne, giebt et
was Zucker und Zimmt hinein und ver
mischt das inzwischen abgetühlte Brot
damit.
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Otßlöffel voll Reis werden dreimal ab
gelocht, dann in Wasser mit etwas
Salz gar gekocht, was etwa 25 Minu
ten dauert. Man schüttet den Reis auf
einen Durchschlag, übergießt ihn mit
laltemWasser, damit er klar wird. Zwei
Eßlöffel Korinthen hat man indeß in
Wasser augquellen lassen, die man nun
abgießt und zum Reis giebt. Wenn
beides adgekiihlt ist, thut man die Zu
tl,aten in eine Terrine, giebt eineFlasche
Apfelwein, der mit F Quart Wasser, 2
Ilnzen Zucker und etwas abgeriebener
Citronenschale vermischt wurde, da
tiiber und stellt die Kaltschale kühl.
Milchtaltschale mit Erd
be e re n. Ein Quart Milch wird mit
2 Unzen Zucker, etwas Citronenö ale
oder Vanille ausgekocht, etwas ge a zen
nnd mit einem Löffel voll glattgerühr
tem Maismehl verkocht. Die Milch
wird mit It Eigelb abgezogen und kalt
gestellt. Beim Anrichten werden 10
Eßlössel vorher eingezuckerte Erdbeeren
und vier zerbröckelte kleine Zwiebäcle
hineingethan.
Heidelbeerkaltschale. Ein
Pfund gewaschene Heidelbeeren tacht
man in Wasser mit etwas Cur-men
schale und 1 UnzePerlsago weich,stteicht
sie durch, süßt sie genügend, giebt eine
Flasche rothen Fruchtwein daran und
stellt sie kalt. Die Kaltschale wird mit
Zwieback servirt.