Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918, May 31, 1901, Sonntags-Blatt, Image 11

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    Sonjnthg - Pfaff
Beilage des Nebraska Staats-Anzejger und Herold«
J. P. Witcdolph, Herausgehen
Grund Island, Nebr» den Zi. Mai 1901.
Jahrgang 21. No. 39.
-I
W
Die lehte Nacht (
Untenaiis der Straße lag Stroht
ausgebreitet, damit das Rollen der-»
Wagen die Schwerlranke nicht störe.
Sie lag in deni hohen immelbett, die
durchsichtigen, dünnen inger grissen
nervos in die Spitzen der Decke, schwer
lagen die dunklen, langen Wimpern
über den umflorten Augen und auf
dein wachsbleicheii, nia eren Gesicht
chen lag ein Ausdruck hilfloser -rge
benheit.
Da bewegte sich die Portiere. Die
Kranle schlug die müden Augen aus
und ein leichtes Lächeln huschte über
ihre Züge.
,,Richard?« sagte sie leise.
»Ich bin’s, gnädiae Fiau!«
» h Sie, Herr Doktor!« « Es
klang enttöuscht und die Lidcr senkten
sich wieder.
Er trat an’s Bett.
»Wie geht’s, anädige Frau?«' fragte
er in geddnipstem Tone. ——— »Wie süh
len Sie sich?« -————
»Schwach —- sehr schwach.« —- —
,,Nun, das ist ja selbstverständlich«
—- tröstete er — »auch so einer Krank
heit. — Aber dafür sind wir jetzt
drüben·« —- —
»Doltor!«
»Gnä·dige zieauW .
»Nicht wa r —- Sie sind mein
Freund?«
Er zog als Antwort ihre Hand an
seine Lippen. ·
,,Sageii Sie mir die Wahrheit —
—— muß ich sterben?« —- —
»Abkr —- gniidige Frau!«· —·—— ·——
»Die Wahrheit —- ich will sie wis
sen.« —- Sie hatte sich ein wenig aus-—
erichtet und starrte ihm fragend in s
Gesichtss- Er mußte die Augen ah
wenden —- er konnte diesem halb ei
stordenen und doch so angstvollen
Blick nicht Stand halten.
»Nein«, sagte er gepreßt.
»Ihr Ehrenwort?«
im.:.- Mii
Ck allsmele swiucr. —- ,,«e«« s-.,
renwort«, sagte er dann.
Mit einem erleichterten Aufathmen
fiel sie in die Kissen zurück.
Eine Weile blieb es still, dann be
gann die Kranke wieder mit ihrer
leisen, belegten Stimme:
»Ich fürchte mich nicht vor dem
Sterben —- fiir mich wäre es ja eine
Erlösung —- Sie wissen doch, was ich
leide. Aber mein Mann —- ich kann
ihn nicht allein lassen. Wenn Sie
wüßten, wie gut er ist und wie er mich
liebt. Ein Anderer hätte schon längst
die Geduld mit einem solchen Kran
kensefsel verloren; sechs Fahre sind
wir oerheirathet und ich · in immer
traut, einmal besser-, dann wieder
schlechter —- nie eine Frau wie die an
deren. Er hat kein Heim, keine Frau,
keine —- ——— Familie. Und niemals
klagt er, immer ist er gut und liebevoll
—- und er iH doch noch jung und hat
noch mehr nrecht, als sein Leben
mit einer Kranken zu verbringen. Für
ihn möchte ich gesund werden, um ihm
fiir seine Güte danten Zu können
Werde ich diss jemals
Doktor! —- — —- werde ich einmal ge
sund werdens —- —-— —- —— "
Ein schwerer, trockener Hasten un
terbrach fie, und das Tuch, das sie vor
die Lippen preßte, färbte sich roth.
»Das haben S·e von dem vielen
Sprechen«, sagte der Arzt mit liebevol
lern Vorwurf, »wie oft shabe ich es
Ihnen untersasi. —- Nicht viel spre
chen und vor Lrtältung hüten —- und
das Uebrige wird Gott thun. —- Und
jetzt schlafen Stet«
Er deckte sie sorgfältig zu, schraubte
die Lampe etwas tiefer und ging leise
hinaus.
M- Ikl s-. Gipfe« Ifstsi., er das
.-.---.
»Es-« si- »s- susp-« .- .
Miidchen, das er im Vorzirnsmer traf.
» im Bureau.«
,, as ist nicht wahr. Das-» Bureau
ist um süns Uhr aus und Ietzt ists
neun Uhr vorüber.«
Das Mädchen zuckte die Achseln. «
»Ich-weiß nicht«, sa te sie, »aber ich
glaube, er ist im Fra fortgegangen.«
,,Jnsam«, knirschte der Arzt im
Hinausgehem »Die Frau liegt im
Sterben und er amiisirt sich.« —
Drinnen lag die Kranke mit ge
schlossenen Augen —- aber sie schlief
nicht; sie wartete aus ihren Gatten. «
Die verhänaten Fenster und die
schweren, dunklen orhänge ließen
keinen Strahl von außen herein, so
daß sie niemals wußte, welche Tages
zeit es war. Aber vor und nach dein
Bureau tain er immer zu ihr herein
und hauchte einen Kuß aus ihre
Stirne und sie wühlte dann mit zit
ternden Fingern in seinem dichten
Haare. Das war die einzige Lieb
kosung, die si gestattete; sie tüszte ihn
niemals aus urcht, ihre Krankheit
aus ihn zu ii ertragen. Und er —
dieser Gute —- begniigte sich mit dieser
kargen Zärtlichkeit Jetzt — in dieser
letzten Krankheit, wo eine Ertiihlung
sie aus lange Wo en niedergeworsen
-—— da hatte er Nii te hindurch an ih
rem Bette gemacht. Sie hatte nichts
dapon gewußt, denn sie war die meiste
Zeit ohne Besinnung gewesen —- aber
der »Arzt und das Madehen hatten es
ihr immer erzählt, wenn sie erwachend
nach ihm gesragt.
Sie erinnerte sich, wie ihr alle Welt
von der Verbindung mit dem leicht
sinnigen, oerschuldeten Lebemann ab
gerathen —- aber sie hatte ihn geliebt
von dem ersten Momente an, wo sie in
sein hübsches, verliebtes Gesicht ge
bliekt, und sie hatte bis jetzt keine Ur
sache gehabt, ihren Entschluß zu be
reuen. s- Er war der beste. geduldigste
Ehemann. —
Und da gab es Leute, die behaupte
ten, er hätte sie nur des Geldes wegen
geheirathet.
» Glück- —— —
s auf.
« Sie lachte leise aus —- so ein stilles,
zitterndeg Lachen, unb dann träumte
sie weiter von ihrem eingebildeten
Ein pglterndes Geräusch, als ob
etwas umgefallen wäre, schreckte sie
»Was giebt’s?« rief sie mit schwa
cher Stimme.
»Ich bin’s«, klang es aus- dem Ne
benzimmer.
»Du, Richard-«m Wie leises Jauch
zen lag es in dieser rage.
»Ja —- ich. Du bist noch auf?« Er
trat ein, noch völlig angetleidet, in Hut
und Ueberrock.
Er streckte ihr-n die zitternde Hand
entgegen und er beugte sich über sie.
Da schlang sie ihre Arme um seinen
Hals und blickte ihn zärtlich an.
,,Jst’s denn heute später als sonst?-«
stagte sie.
,,Nein«, gab et zurück, »das heißt
ja; es war viel zu thun, da mußte ich
länger bleiben.«
»Und mir war die Zeit so lang’ — ·
und so bang’ nach Dir. Aber jetzt ;
bleibst Du ein wenig bei 1nir«, schmei- ?
chelte sie» - I
-.-»--.
»Um biete Zell must JUU Ruhe »u
ben«, wich er aus.
»Ich will ja nicht sprechen —- nur
daß ich Dich bei mir weiß.«
»Ich bin auch müde und möchte
schlafen,«« sagte er gähnend.
»Verzerh’ — ich bin eine Egoistin«,
hauchte sie resi nirt.
Er beugte ich iiber sie, um sie den
obliaaten Abschiedöluß zu geben, da
mußte sie plötzlich hüstelnd abwenden;
ein schwerer Weindunst entströmte sei
nem Munde.
,,Entschuldige«, bat sie, »Du hast
wohl Wein getrungen?«
,,Ja«, stotterte er, »ein Gläschen
nur —- —— wenn man so arbeiten
muß. . . .«
Sie blickte veränajtigt zu ihm auf,
es war ihr, als ob ihm die Zunge den
Dienst versagen würde, als ob er die
Worte nu«r so lallen möchte, und seine
sonst geistvollen, fpöttischen Augen
blickten sie so verglast an. Erschreckt
sirich sie sich mit der itternden Hand
iiber die Stirne und liclte ihm nach,
wie er mit unsicheren Schritten auH
dem Zimmer ging.
»Was er nur haben mag —- — am
Ende ist er trani«, dachte sie. Sie
wollte sich aufrichten und dem Mäd
chen tlingeln. Da siel ihr Blick auf
eine Blume, die auf ihrem Bette lag.
Es war eine Chrysantheme —- die
Lieblingsblume ihres Gatten, die nie
in seinem Knopfloch fehlen durfte,
wenn er zu einer Unterhaltung ging.
Sie mußte ihm entfallen sein, als er
sich über ihr Bett gebeugt. —- —
Aber er tam doch vom Bureau! —
Einen Moment war es ihr, als ob
ihr der Athem stocken würde, und
plöslich horchte sie auf.
on dem nahen Kirchthurme schlug
es die zwölfte Stunde. -
,,Bin ich derrückt«, stammelte sie
leise, «es« kann doch jetzt nicht Mittag
« III
Sie wollte tlingeln, doch dann be
sann sie sich eines Anderen. Langsam,
mit unfäglicher Mühe richtete sie sich
auf und ftieg aus dem Bette; wankend,
und bei jedem Schritt Halt machend,
ging fie zum Fenster, fchob mit zit
ternder Hand den schweden Vorhang
zur Seite und öffnete das Fenster. . ..
Finstere Nacht aähnte ihr entgegen.
,,«J·ltitternacht!« stöhnte sie.
Und plötzlich wußte sie Alleg; sie
durchfchaute den frommen Betrug des
Arztes-, und ein qualvoller Schmerz
drückte ihr das Herz zufammen. Die
rauhe Nachtluft ftrich ihr tühlend über
die fchweiszgebadete Stirn —- kalte
Schauer rannen ihr über den Rücken
—-— -—- mit leifem Stöhnen sank sie zu
Boden. « J
Am nächsten Tage war das Stroh
von der Straße weggetehrt und die
Wagen fuhren rasselnd und polternd
über das Pflaster. Doch sie ftörte es
nicht mehr; sie lag ftill und ruhig auf
ihrem Bette und der Arzt ftand kopf- H
fchiittelnd daneben und starrte in das
fahle Gesicht, auf dem der Tod den
Ausdruck wilder Verzweiflung festge
halten hatte.
Er wußte ja nicht, daß ihre letzte
Nacht die fchwerfte gewefen war.
Lola Margulies.
——-——--—.--——--—-·
tfin Eint-reiben der auf einen guten
Troper hält
Jn dem Lagerkeller eines- Breslauer
Kaufmanns an der Berlinerftraße
wurde diefer Tage ein Einbruch aus
geführt. Der Thäter hatte das Vor
legefchlosi mittelst Nachschliiffels ge
offnet, darauf sich 10 Flaschen Roth
wein, 5 Flaschen Wei wein, 10 Fla
fchen Malaga, 3 Fla chen Porttoein«
3 Flafchen Cognag sowie eine lafche
Himbeersaft angeeignet und a sdann
den Keller wieder-, jedoch mit einem
anderen neuenVorlegefchloß, verschlos
sen. Jn dem Kellerraum fand man
einen an den geschädigten Kaufmann
gerichteten Brief vor, den der dreiste
Dieb wahrscheinlich am nächsten Ta
ge, nachdem er das gestohlene Gut in
Sicherheit gebracht und erprobt hatte,
durch das Kellersenfter hineingewor
fen hat. Der Inhalt des Brieer lau
tet: »Ihr Wein ist zwar nicht schlecht,
aber schlecht kann einem dabei werden«
;ch bitte Sie, das nächste Mal edlere
orten zu lagern. Ein guter Bekann
ter.«
—--.—
Lebensdauer der Frauen in verschiedenen .
Ländern.
Die Statistik über die Lebensdauer
der Frauen aus den verschiedenenLän
dern giebt recht bemerkenswerthe Aus
schlüsse. Jn Deutschland z. B. erreichen
von 1000 Geborenen nur 415 Män
ner, dagegen 500 Frauen das Alter
von fünfzig Jahren. Jn den Vereinig
ten Staaten giebt es 2535 weibliche,
gegen 1898 männliche Hundertjährige.
Den Frankreich find von 10 Hundert:·
jährigen 7 Frauen und nur 3 Män
ner. Jm übrigen Europa kommen auf
je 21 Hundertjährige 16 Frauen. Ab
gesehen von der größeren Sterblichkeit
der Knaben im frühesten Kinde-Halten
dürfte die auffallende Verschiedenheit
in der Lebensdauer beider Geschlechter
doch wohl nur darauf zurückzuführen
sein, daß die Männer im Allgemeinen
ein weniger geregelte-Z Leben führen,
als die mehr ans Haus gebundenen
Frauen.
Wie General Wrnnael einem Bauer-ie
chef das Fragen ahnen-blinkt
Aus einer Jnspectionsreise als com
mandirender General des 2. Armee
rorps beehrte Wrangel einst einen klei
nen Ort, in welchem eine Batterie can
tonnierte. Wranael traf spät Abends
ein, wollte daselbst nur nächtiaen und
anderen Tages früh seine Reise fort
setzen. Der Batteriechef empfing ihn,
übergab den Rapport und fragte un
vorsichtiger Weise: ,,Befeblen Ew. Ex
cellenz die Batterie zu sehen-?« —- »Ja
wohl, mein Sohn«, entgegnete Wran
gel, ,,morgen früh um Viere!« Es war
Sommerzeit und die Batterie völlig
um ihre Nachtruhe gebracht; Pferde,
Geschütze, Manturen usw. mußten
schnell noch geputzt werden, um zur
; Morgendämmerung bereit zu stehen
; und keinen Anlaß zum Tadel des alten
: scharfen Herrn zu geben. Wrangel kam
’ pünktlich zur Stelle- sah sich die Bat
terie genau an, ohne ein Wort zu ver
lieren und bestieg dann seinen Wagen
zur Fortsetzung der Reise Kaum hatte
er Platz genommen, so rief er dem ne
ben ihm sitzenden Adjutanten trium
ghirend zu: »Der fragt mir nie wie
: ck.«
i ———-O—-———
Luttroncette geslüaelter Musikanten im
Reiche der Mitte.
Eine höchst originelle und bei den
Chinesen sehr beliebte Einrichtung
sind die durch gesliigelte Musikanten
veranstalteten Lustconcerte. Jn Pe-v
king, und namentlich in der Umgebung
der Kaiserstadt, beobachtet man zahl
reiche Taubenschwärme, die, je nach
dem sie sich nähern oder entfernen eine
liebliche, bald anschwellende bald er
« sterbende Sphärenmusit hervorbrin
- gen. Die Töne sind sanft und weich,
ioehmiithig stimmsend wie ein Concert
von Aeolgharsen —— und kleine Aeolgi
harfen.sind die Instrumente in der
That. —— Es werden nämlich zahmen
Tauben kleine Pfeisen aus dem denk
bar leichtesten Material (Bambug)
und von verschiedner Größe unter die
Schivanzfedern gebunden; sobald die
Vögel alsdann in die Höhe steigen,
entsteht durch den starken Lustdruct
bei schnellem Fluge die anmuthige
Musik, die zum ersten Mal vernom
« men, einen wunderbaren Eindruck auf
das Ohr des Hörers macht·
——.-—
Mertwiirdiges Material stir Flintcn und
Kanonenkugeltn
Für Geschosse wird manchmal merk
würdigesMaterial verwendet. Goldene
und ilberne Flintenkugeln sind bei
der 5 elagerung von Amadanagar aus
Befehl des Moguls Cande nach dem
seindlichen Lager derschoss worden
Utn die Geschosse noch wir satner zu
machen, hatte man sie mit Verwün
schungen beschrieben. Selous, der afri—
tanische Jäger und Forscher, soll in
den sechsziger Jahren nördlich donBu
luwayo Löwen auch mit goldenen Ku
xln etlegt haben. Blei war dort eine
eltenheit und nur mit Schwieri kei
ten von weither·zu beschaffen. old
dagegen wurde an Ort und Stelle ge
funden und erwies sich ja auch brauch
bar. Während der Kämpfe an der
Grenze"von Kashmir benutzten die re
bellischen Hounzas in Blei eingeschlos
sene Granaten lhalbe Edelsteine), wo
mit sie die englischen Truppen beschaf
sen. Steinerne Kugeln hatte man schon
1314, Blettu eln kamen erst gegen
Ende des 16. Jahrhunderts aus. Ei
serne Kugeln werden dagegen schon
1550 erwähnt. Hölzerner Kugeln be
diente sich ein Theil der spanischen
Truppen auf Cuba, während die Ein
geborenen in Mashonaland Telegra
ähfndrähte zu Kugeln zusammenwi
e ten.
Drolliqe Scene zwischen zwei Stottern-n
in Paris-.
Die drollige Scene, die sich dieser
Tage zwischen zwei Stotterern in Pa
ris ereignete, von denen der,eine stot
ternd nach dem Wege gefragt und der
andere stotternd geantwortet hatte,
worauf ihm der erstere wegen seines
»Witzes« eine Ohrfeige verabreicht
hatte, giebt dem Theaterplauderer ei
ner Pariser Zeitung den Anlaß, ein
paar hübsche Anecdoten aus der Thea
terwelt zu erzählen. Man hat mit den
Stotterern im Theater oft Mißbrauch
getrieben. Einmal bat ein Dramatiler
den Director der Varietes, ihm ein
Stück vorlesen zu dürfen, was dieser I
» ihm auch gestattete. Der Dichter, der
T- natürlich sehr erregt war, las sein
Stück unter vielem Stottern vor. Und
der Director lachte bei allen Phrasen.
Als jener zu Ende war mit dem Lesen,
fragte: »Nun, wie finden Sie mein
Stück?« Der Director antwortete:
Mein Lieber, ich habe sehr gelacht!
Das ist ja wirklich reizend! Aue diese
Leute, die da stottern! Das ist sehr
originell und wird viel Erfolg ha
ben....« »Aber sie stottern ja
garnicht! Jch bin es ja, der st. . . .stot
tert....« Da war der Director wie
verwandelt und sagte kühl: »Ach, sie
ftottorn nicht! . .. Das ist etwas an
deres. Dann ist es gar nicht mehr lu
stig. . .. thut mir leid, lieber Freund,
ich kann Ihr Stück nicht annehmen.
Und damit fiihrte er den ganz ent
tiiuschten Autor zu der Thiir seines
TLLUTUPZUIUHTLV.
——-—-.———— .
Woher die volksthiimlikhe Bezeichnung
,,Hngestolz« stammt.
Die Furcht vor dem Heirathen
mehrt sich unter den Männern, die
ahl der «Hagestolzen« wächst inStadt
und Land. Wer hätte nun nicht schon
die volksthümliche Erklärung gehört:
Ein Hagestolz ist ein Mann, der zu
stolz zum Heirathen war! Und doch
hat hier die Silbe »stolz« ursprünglich
nichts mit dem selbstbewußten Stolze
des Mannes zu thun. Das Wort
heißt altdeutsch hagustalt oder haga
ftalt und bedeutet: der auf dem Hag
Eingestellte oder über denHag Gesetzte.
Diesen Namen trugen die nach dem
alten deutschen Erbrecht minder be
dachten jüngeren Söhne eines Vaters-,
die mit einem geringeren Befitzthume,
einem »Hage« (weil oft von einer Hecke
eingefriedigt) zufrieden sein mußten,
während der Erstgeborene das väter
liche Hauptgut erhielt. Diesem waren
die Brüder sogar zins- und dienst
pflichtig. Uralt sind übrigens solche
Bestimmungen, berichtet doch schon die
Bibel von gleicher Einrichtung bei den
Jstaeliten. Bis in das vorige Jahr
hundert haben sie sich stellenweise er
halten; in Mecklenburg sind sie erst in
den sechziger Jahren aufgehoben wor
den. Weil nun ein Mann mit so
geringem Besitzthum nicht einen eige
nen Hausstand gründen konnte, so
verband sich mit dem Begriff Hagestolz
der des Ledigseins, und heute versteht
man darunter noch einen Mann, der
über die gewöhnliche Zeit hinaus die
Eheschließung versäumt hat.
-——-.-.---—..
tiqiscr Wilhelm fchwiirmt iiir deu ameri
kouiicheu Frtihftiickgtiich
Die guten alten amerikanischen
Buchweizenluchen mit Ahornsirup,
Pfannkuchen aus grobgemahlenem
Mais u. s. w. können auch einen kai
ferlichen Gaumen reizen. Deshalb
hat sich kürzlich der kaiserliche Mund
koch Win Bölters auf Befehl Wil
helm des Zweiten auf die nach New
York fahrende Deutschland begeben,
wo er zwei Tage in der Kunst, ame-«
rikanische Gerichte zu bereiten, unter
richtet wurde. Unter der Leitung des
Küchenchefs dieses Dampfers der
Zamburg-An1erita-Linie, lernte Herr
tölkers die bewährtesten Methoden,
Koteletts und Steats zu röften, sowie
Welsh rarebit und besonders Weizen
mehl-, Maisbrei- und andere leichte
Gerichte, die man auf dem amerikani
schen Frühstückstifch findet, zu berei
ten. Kaiser Wilhelm hatte die schmack
haften Eigenschaften der amerikani
schen Küche während feines Besuches
auf dem Dampfer »Prinzefsin Vikto
ria Luife« am CZ. Januar entdeckt. Bei
dieser Gelegnhett bereitete der Küchen
chef der Deutschland auf der »Min
zefsin Viktoria Luise« ein amerikani
sches Frühstück für den Kaiser, der so
entzückt davon war, daß er auch zum
Lunch und Diner blieb und nach dem
Besuch eines Hamburger Theaters
wieder auf das Schiff zurückkehrte und
dort übernachtete, um dort noch ein
zweites rühstück am anderen Tage ein
zunehmen. Die Dampfschiffs-Gesell
schaft gestattete natürlich, daß der
Mundloch des Kaisers in der Küche
und dem «grillroom« der Deutschland
einen ursus durchnahm. Völkers blieb
zwei Tage an Bord und verließ das
Schiff in Cherbourg mit der Befähi
gung, auch den verwöhntesten amerika
nischen Geschmack zu befriedigen.
————-.——
Einc Reise ans dem Zweirad im Innern
Astikaek
Eine bemerkenswerthe Reise auf
dem Zweirade durch einen der wenigst
bekannten Theile Afritas hat ein jun
aer Engländer Namens Bailey, der
soeben nach London zurückgekehrt ist,
zurückgelegt. Er ist von Mombasa
uber Uganda nach dem sOberen Nil
gereist. Jn sieben Wochen nach seinem
Ausbruch von Uganda erreichte er
Khartum. Jnteressant ist, wie sich die
Eingeborenen zu diesm ihnen völlig
neuen modernen Beförderungsmittel
stellten. Ost wollten sie, wie Bailey
erzählt, bei seiner Annäherung schleu
nigst verschwinden, aber es gelang ihm
doch, sich ihr Zutrauen zu verschaffen
und in einem Falle brachte er einen
nackten Bari sogar dazu, auf dem
Rade zu fahren, während er selbst ihn
»hielt. Das ganze Dorf war»bei die
Iclll gcllscll Scclglllnc lcUlUUlUJ Zuge
gen und war über den Anblick höchst
erstaunt. Oft erschienen Hunderte von
Eingeborenen am frühen Morgen, um
zuzusehen, wenn er abfuhr, und sie
riefen ihm ihre besten Wünsche für
seine Reise nach. Seine Bahn war
immer der Fußpfad der Eingebore
nen, der etwa einen Fuß breit ist, und
da das Land theilweise sehr reich an
großen Dornen ist, so konnte er von
Glück sagen, daß er auf dem ganzen
Wege nur vier Stiche abbelain Oft
schraubte er auch den Deckel der Glocke
los, der vernickelt war und als Spie
gel gebraucht wurde. Zuerst herrschte
große Bestürzung, dann eine aewisse
Furcht, die allmälig einem herzlichen
und stürmischen Gelächter Platz mach
te und alle drängten sich dazu, den
Spaß mitzumachen. Am eifrigsten
sich selbst zu sehn, waren die Frauen
die wahrscheinlich in vielen Fällen
zum ersten Male dazu Gelegenheit
hatten.
»Roroko« durch einen französischen Eini
grantenprinz in Mode gebracht.
Im Jahre 1792 befand sich in Cob
lenz unter den Emigranten auch ein
französischer Prinz, ein lustiges Haus,
der dem sonnenlosesten Tage nochLicht
abzugewinnen wußte und stets zu al
lerhand heiteren Abenteisern aufgeleat
war. Eines Tages, als er nach einem
guten Diner mit einer Gruppe gleich
aearteter Freunde die Straßen irchs
wanderte kam es ihm in den Sinn, ei
nen Streiszug in einen Trödlerladen
zu unternehmen, um allerhand komi
sches altes Gerümvel zu besichtiasen
und auszukaufen· Mit weinseliger
Stimme rief der Prinz deshalb einen
Vorübergehenden an, den er in wun
derlichem Radebrechen nach einem
Händler von der begehrten Sorte
fragte. Der Angeredete gerieth in Ver
legenheit, wie er in dem gegebenen
Falle sich verständlich machen solle.
Schließlich entschied er sich dafür-,
durch Qesien anzudeuten, daß vor dem
Laden des Trödlers etwas in der Luft
hängen werde, das den Cavalieren als
sicherer Wegweiser dienen würde, und
bezeichnete dieses baumelnde Etwas
nachdriictlich mit dem mehrmals wie
derholten Worte ,,Rock«. Dem Prin
zen kam das Wort in der Art, wie es
vorgebracht wurde, sehr komisch vor.
Er brach zunächst in ein lautes Ge
lächter aus und rief dann einmal iiber
das andere: »Qui, Qui, roc, roc, ro
cococo!« Unter dem Rufe: ,,Rocococo!«
brach dann die Gesellschaft bei dem
«Alterthümler« ein, und das Wort
blieb Losungswort fiir diese und jede
ihr ähnliche Gelegenheit bei den End-—
lenzer Einigranten. Während der Re
stauration wurde das Gefchichtchen an
der königlichen Tafel erzählt. Man
fand es, schon des prinzlichen Einfal
les wegen, sehr geistreich und witzig,
und der Ausdruck «Rococo« kam in
die Mode, fiir alles, das den Geschmack
Ludwig’s der Fniifzehnten und des
Vier-zehnten an Gebäuden, Zimmer
schmuck, Hausrath und Trachten kenn
zeichnet.
Die Beuthener Zeitung veröffent
licht folgende ,,Warnung für Butter
händler. Die Zabrzer Polizei revi
dirte sämmtliche Butter auf dem
Markte und befchlagnahmte Butter im
Gewicht von über 100 Kilogramm
Darunter befand sich auch eine öfter
reichische Butterhiindlerim welche in
Haft behalten wurde.« Es war in der
That höchst unvorsichtig von der But
terhändlerin, sich unter die Butter zu
verkriechen.
III-W
Geheimnisse aus Urs. Weilt-W Schin
heitswerkstatt in London
Ein Londoner Blatt schreibt: Das
Doppelkinn ist besiegt. Ein Zeitalter
dämmert herauf, in dem die menschli
che Gesellschaft vom Doppeltinn be
freit werden soll. Und der Herold die
ser herrlichen Schönheitsepoche ist
Mrs. Delia Watson. Außer dem
Doppeltinn sollm aber auch andere
Schrecken unter der zauberhasten Be
rührung von Mrs. Watson weichen.
Die rothen Nasen, aufgesprungenen
Lippen, die triefenden Augen und die
gefärbten Zähne werden bald nur noch
Schreckgefpenster der Vergangenheit
sein. Es genügt, daß man sich Mrs.
Watson anvertraut; das Uebrige be
sorgt sie. Jst man bereits schön, so
macht Mrs. Watfon Einen noch schö
ner. Die Photgraphien von Mrs.
Langtry, Mme. Melba und Marie
Anderson, die in Mrs. Watfon’s
Schönheitswerkstatt in der Conduit
Street hängen, sind beredte und dank
bare Zeugen dieser Thatsache. Auf die
Frage, durch welche Kunst sie das
Doppeltinn verbannen und den Run
zeln Trotz bieten kann,antworteteMrs.
Watson: Da habe ich zuerst meine
Mixtur ,,Slenderinse«. Damit und
mit meinen Fingern kann ich die Fett
leibigkeit in der ersten Woche um vier
bis sieben Pfund, in der zweiten um
drei bis fünf und in jeder folgenden
Woche, so lange es nöthig ist, um je
zwei Pfund verringern. Jch gebrau
che nicht eigentlich Massage, sondern
mehr »Be·wegungen«. Diese wirklich
wunderbaren Bewegungen lehrte mich
ein Doktor aus Kairoz aber ich würde
sie niemals gelernt haben-; wenn er
nicht entdeckt hätte, daß ich in meinen
besonders dafiir anaerxaßten Fingern
eine seltsam-e elektrische Kraft befäße
Durch dieselbe ziehe ich die Muskeln
zusammen, oerjiinge das Gesicht und
entferne auf eine Weise, die mein be
sonderes Geheimnis-, ist, das Doppel
kinn. Wer sich Alles bei mir vom
anpelkinn heilen läßt, darf ich nicht
sagen, da es das Geheimniß meiner
Kundschaft ist. Namen kann ich nicht
nennen, nur sagen, daß die halbe Ge
sellschaft und ——— hier dämpfte sich
Mrs. Watson’s Stimme zu einem
Flüstern — »auch Mitglieder des Kö
nigshauses zu mir kommen.«
Dic Matthiaginseh das verrufenfteEiland
dco Siidsce-Arct1ipelo.
Die Matthias - Insel, auf der vor
Kurzem der deutsche MillionärYJtencke
und sein Secretär Caro von den Ein
geborenen ermordet wurde, war von
jeher ein verrufenes Eiland. Es rächen
sich jetzt dieBerbrechen, die lange Jahr
zehnte «die Capitäne der englisch-au
stralischen »Anwerbeschisfe« in Mela
nesien begangen haben — der planmä
ßig betriebene Menschenran Die
St. Matthias - Insel im besonderen
ist noch bis in den Beginn der neun
ziger Jahre hinein von solchen gewis
senlosen Menschenräubern heimgesucht
worden, da die Aussicht mangelte. Hin
und wieder erging es einem Anwerbe
schiff freilich auch sehr schlecht; so
wurden 1884 von den Matthias - Jn
sulanern zwei Weiß-e mit der Be
mannung ihrer Boote erschlagen, die
»Arbeiter« für die englischen Fidschi
inseln ,,miethen« wollten. Die Folge
war leider, daß die Jnsulaner nun in
jedem Europäer ihren Feind sahen,
und noch 1896 und 1898 wurden die
der Neu - Guinea - Compagnie gehö
renden Schiffe ,,Senta« und «Johann
Albrecht«, die in bester Absicht kamen,
angegriffen, und es fielen Menschen
auf beiden Seiten. Jm August 1899
gelang es dem deutschen Bermessungs
dampfer »Möwe«, mit den Bewohnern
in freundlichen Verkehr zu treten, und
ebenso im Mai 1900 dem deutschen
Kreuzer ,,Seeadler«. Leider sind diese
Beziehungen nicht Von langer Dauer
gewesen.
Erst die erwähnten Besuche der bei
den deutschen Schiffe haben einige
Aufschlusse iiber die Jnsel gebracht.
Die Umrisse wurden vermessen, und
man fand, daß die Matthias - Jnsel
eigentlich eine Gruppe ist, die aus ei
ner großen, hohen, dicht bewaldeten
Hauptinsel und mehreren kleinen Ei
landen ringsum besteht. DieBewohner
glichen im Aussehen denen der benach
barten Admiralitäts - Inseln. Sie
sind wohlgebaut und gehen fast nackt;
nur die Weiber tragen schöne Gewebe,
die vom Gürtel bis zum Knie herab
hängen. Auf den Kopsputz wird viel
Werth gelegt, sonst ist Schmuck wenig
in Gebrauch. Hütten und Canoes sind
ganz ursprünglich Eisen ist nicht be
kannt; die Waffen, hölzerne Speere,
sind sehr sorgfältig und künstlerisch
geschnitzi. Von europäischen Tausch
artikeln wiesen die Matthias - Instr
laner die sonst in der Südsee so stark
begehrten Streichhölzer, Messer und
Tabak zurück und grissen nur begierig
nach rothen Perlen, Lappen und Fla
schen, sijr die sie ihre Speere, Muschel
äxte undGewebe bereitwillig hingaben.
Es geht schon daraus hervor, daß die
Eingeborenen den Ueberfall auf die
deutsche Forschungsgesellschaft sicher
lich nicht deshalb unternommen haben,
um sich in denBesitz vonGeld zu setzen:
sie wissen nicht was Geld, nun gar
Papiergeld ist, und könnten es auch
nicht verwenden. Wie alle Melane
sier sind die Matthias - Jnsulaner äu
ßerst argwöhnisch, zumal sie ja mit
den Weißen seh-r übte Erfahrungen ge
macht haben; re sind aber gleichzeitig
ginterlistig und leicht reizbar. Die
nsel ward vom Handel lange Zeit
gemieden.