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About Nebraska Staats-Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1901-1918 | View Entire Issue (May 24, 1901)
3000 )000· o osoooo ooooos isoooo W Das Bild im Äuge. ; Roman von F. Atnefeldt. Z v-vv-vv-—s—-—s— -- - « (2. Fortsetzung) «Theile dem Vater mit,« hieß es dann in dem Brief, »daß sein Freund Uhrkoeiler ermordet worden ist. Jch hebe den Vater bei unserem kurzen Zusammensein so erregt und ange griffen gefunden, daß ich nicht wage, an ihn zu telegraphiren und ihm die Nachricht unvorbereitet zukommen zu lassen.« »Der gute Junge!" schaltete hier Frau Dornedden ein, blickte aber auf die ungeduldige Bewegung ihres Mannes schnell wieder in den Brief. Der Vater hätte ihm gesagt, schrieb Willibald, er könne heute nicht zu Ahrtveiler nach Charlottenburg hin aus, weil er mit Arbeit überbürdet sei, und so müsse er annehmen, er habe Berlin verlassen, ohne von der traurigen Geschichte etwas erfahren zu haben. »Ja, ja, stimmt Alle-W stöhnte Dornedden, sichtlich gequält. ,,Mach’ der. Sache ein Ende! Lieg schnell wei ter.« Wiuioato oerrchrecc, oas Abend Extradliitter den Mord in Charlottenburg verkündet hätten, und daß er, sobald er sich aus kurze Zeit frei zu machen vermocht, nach der Uh landstraße geeilt sei, um dort Näheres zu erfahren. Er sei dort gerade zu einer recht häßlichen Szene gekommen. Die beiden Schwestern des Verstor benen wären dagewesen und hätten sich wie wahnsinnig gebärdet, daß sie nicht in die Wohnung gedurft, die ver schlossen und mit einem Gerichtssiegel versehen war , und daß man ihren Bruder nach dern Schauhause gebracht. Die Frau Majorin Devpner konnte nur mit Mühe davon abgehalten wer den, die Siegel abzureißen, und Kaus mann Jlgener, der auch hinzugekom -nien war und versucht hatte, sie zu be ruhigen, sei sehr unartig von ihr be handelt worden. Am schlimmsten sei es aber gewor den, als er. Willibald, sich erlaubt hätte, auch ein Wort dazu zu sagen, da wären Beide auf ihn losgesahrem hätten ihm Schweigen geboten und er klärt, hier habe jetzt Niemand etwas zu besehlen, als sie. »Das sieht der Fannh und der Arna lie ähnlich-« seufzte Dornedden mit einein mühen schmerzlichen Lächeln; i;esine«diirsten sich aber oerrechnet ha ,,Die Räthin hat doch sonst immer gethan, als ob ihr viel an Willibald gelegen wäre, ihn immer ins Haus geladen und ihre Charlotte ———" wandte Frau Dornedden ein. Doch ihr Mann unterbrach sie »Das sind ja alles Nebendinge. Weiter — weiter —- der Mörder —« »Ist noch völlig unbekannt!« nat wortete Frau Elisabeth und las wei ter, wie man Ahrweiler in seinem Blute unweit des eisernen Schrantes in seinem Schlaszimmer aus dem Teppich liegend gesunden habe. Ein Steh ins herz mit der scharfen Spitze « eines Dolches aus seier eigenen Sammlung, der neben ihm gelegen, habe nach ärztlichem Ausspruch seinem Leben sofort ein Ende gemacht. Die Lage des Todten. wie die Beschaffen heit der Wunde ließen jede Vermu thung, dasz ein Selbstrnord geschehen sei, als hinfällig erscheinen. - »Dann ist wohl ohnehin nicht zu denken!« schaltete Frau Dorneden ein. »Was sollte den reichen Mann zum « Selbstmord oeranlaszt aben?« »Er hatte ost recht trübe Stunden, unmöglich wäre es nicht!« erwiderte Jagdnedden nachdenklich. »Was wei r « «Thiiren und Fenster waren ordent lich verschlossen, keine Spur von Ge walt daran wahrzunehmen,« las M Elisabeth weiter.« »Kein . ank, kein Behältniß erbrochen, es iß ein Räthseh wie mand einge drungen nnd wieder h uögetommen » ist, nnd ein Raub kann auch nicht ver Fbt sein. Man nimmt an, Ahtweiler hohe dein Minder selbst die Thür ge W und ihn eingelassen.« »Das that er sonst nicht!« sagte ! Dornedden kopfschüttelnd und ver- i färbte sich sichtllich, als seine Frau ent- ; egnete: »Oder es müßte ein nah-er i ekannter gewesen sein,«· er antwor- : tete aber daraus nicht, sond-!n rief heftig: »aus-wack- Dich dpdnichi so ost, was steht noch weiter in dem Briefs« »Nicht, viel; Willibald fragt an, ob Du viellekcht eine Ahnung hättest, wer zu Ahrweiler gekommen sein iönnte.« Sie erschrak über den Zorn, mit dem er entgegnete: »Wie sollte ich? Was fällt ihm ein,'« «Je nun, Du kennst doch weit mehr als alleAnderen von Ahrweiler’s Vor 1eben, da wäre es doch eine Möglich tett,« suchte sie ihn zu beruhigen. Eis-lenkend nickte er. »Das ist wohl wahr, aber von dem Mörder weiß ich nichts. Bist Du sertig?« «Wtllibald schreibt nur noch, daß das Begräbnis erst übermorgen statt findet weil die Untersuchung Zeit er fordert, und fragt an, ob Du dazu kommst nnd wann er Dich vom Bahn hof abholen foll. " »Selbftverständlich fahre ich hin, das tann doch gar keine Frage sein!'· ries Dornedden· »Es ist mir nur lieb, daß das Begräbniß nicht schon morgen ist« Es würde mir recht schioer ange kommen sein, wenn ich heute Abend schon wieder auf die Bahn gemußt hätte, so kann ich doch eine Nacht we nigstens wieder im Bette liegen, wenn von Schlafen auch teine Rede sein wird. Jetzt muß ich aber nach der Fabrik hinüber.« Er erhob sich müh fam vom Sopha. »Aber erhole Dich doch erst, es hat Dich doch gar zu furchtbar angegrif fen« redete sie ihm zu, aber er wider fprach: »Nein! Du weißt nicht, welche Arbeitslast auf meinen Schultern liegt. Es kann sehr wohl sein, daß ich einige Tage in Berlin bleiben muß, da soll vorher Alles geordnet seinif ,Wenn Du doch Willibald hier hät iest,« sagte sie; aber er fiel ihr in die Rede: »Fange doch nicht wieder davon an!" Sich stark machend, verließ er das Zimmer, die Thiir ziemlich ge räufchvoll ins Schloß drückend, wie eS sonst nicht seine Gewohnheit war. Frau Elisabeth Dornedden blieb noch ein Weilchen auf dein Sopha im Zimmer des Hausherrn sitzen. Den Fion mit dem noch vollen Haar von einem warmen Blond vorgebeugt. die Hände über dem auf ihrem Schooß liegenden Brief gefaltet, sah sie sehr ernst nnd nachdenklich vor sich nieder. Frau Elisabeth war während ihrer dreißigjährigen Ehe nicht nur die Gattin ihres Mannes-, nicht nur die sorgende Mutter ihrer drei Kinder, sie war auch stets seine beste Freundin und kluge Beratherin gewesen« und sie empfand eg mit tiefem Schmerz, daß dies in letzterer Zeit anders geworden zu sein schien. Elisabeth Krebs war die Tochter eines wohlhabenden Fabrikbesitzerg in Schmiedeberg, hatte im Haufe ihrer Eltern und in der Pension in Frank furt an der Oder eine frohe Jugend oerlebt und dann das Glück gehabt, den Mann ihrer ersten Liebe, den Sohn des Spinnereibesitzers Willibald Dornedden in Landeshut, zum Gatten zu bekommen. Die Väter waren be freundet gewesen, die Verhältnisse hat ten zu einander gepaßt —- Schwierig keiten hatte es nicht gegeben. Daß solche doch vorhanden gewesen, daß Karl Dornedden nicht ganz ohne Widerstreben zur Ehe rnit ihr geschrit ten war, hatte Elisabeth erst erfahren, als diese Ertentiß den Frieden ihrer Seele nicht mehr zu trüben vermochte. Auch milderte es die Schärfe des Em pfindens, daß fein Widerstand nicht einer anderen Neigung entsprossen war und daß er weniger ihrer Person, als dem Berufe gegolten hatte, an den er mit seiner Verheirathung sich unwider ruflich gefesselt fühlte. Karl Dornedden hatte weit mehr den grünen Wald als die Schreibstube geliebt, wäre weit lieber Jorjtinann als der Leiter eines gewerblichen Un ternehmens geworden. Es konnte aber keine Rede davon fein, daß er diesen Neigungen folgen dürfe. Er war der einzige Sohn seiner Eltern, wie fein Vater der einzige der seinigen gewesen war, und er hatte dessen Wert fortzu setzen, wie dieser es gethan. Als guter Sohn und verständi er Mensch hatte Karl sich gefügt und ei nen Neigungen für Forft und Jagd nur in feinen Mußeftunden Genüge gethan, aber der ihm versagte Beruf war ihm doch wie ein schönes Traum land sein ganzes Leben hindurch er schienen, und nicht wenig hatte esszur glücklichen Gestaltung seines Eheleburs beigetragen, daß seine Frau ihm dabei das volle Betständni entgegenge bracht, immerdar Nach gegen seine Leidenschaft geübt hatte und mit den eigenen Wünschen und Neigungen stets dagegen zurückgetreten war. Aber der wang, den Dortndden sich bei der hl seines Herr-fes auf erlegen gemußt, trug seine Zo Karl Dornedderr war ein liebt-e treuer und gar nicht ungeschickter Ge werbtreibender geworden, aber der Impuls fehlte ihm. Er setzte das Wert sienes Großvaters und Vaters fort, jedoch ohne die schöpserische, trei bende Kraft, die jenen inne gewohnt hatte. Wie seine beiden Vorgänger es gehandhabt, so sollte es weiter gehen; zu Neuerungen tiesz er sich nur im äußersten Nothsall und dann nur im kleinsten Maßstabe herbei» und alle Bitten, alle Vorstellungen seiner weit sichtigen, unternehmungslustigen Gat , tin prallten wirkungslos von ihm ab. Frau Elisabeth gab es endlich aus« durchgreifende Veränderungen herbei führen zu wollen und bemühte sich, im Kleinen dasiir zu sorgen, daß das Wert trosdem in gutem Gange erhal ten ward. Und es ging — ging Jahrzehnte lang. Die Dornedden’sche Spinnerei erfreute sich eines so guten Rasci, einer so ausgezeichneten Landschaft, war mit so vorzüglichen Ditlfsmitteln ausgestattet, daß ihr gegenwärtiger Besitzer schon einige Jahre aus den Lorbeeren seiner Vorgänger ruhen konnte. »Und ehe sich die Mängel empfind lich fühlbar machen, wird ein neuer Herr herangewachsen sein, der neues Leben in den veralteten Bau zu brin gen versteht!" tröstete sich Frau Dorn edden und blickte mit stolzer Zuversicht aus ihren Sohn, der nach dem Groß vater Willibald getauft war. Es schien Tradition in der Dorned den’schen Familie bleiben« zu sollen, daß nur immer ein Sohn und Cer vorhanden war; auch Willibald war der Einzige geblieben. Jhm waren noch zwei Schwestern gefolgt, die sich beide sehr jung, die eine an einen Fabrikbesitzer, die andere an einen Landwirthverheirathet und beide die Eltern bereits mit Enleln beschenkt hatten. Wer den Knaben und späteren Jüngling Willibald Dornedden sah und seinen Großvater gekannt hatte, nannte ihn das lebendige Ebenbild desselben, und still und laut prophe zeite man der Dornedden’schen Spin nerei einen erneuten Aufschwung, wenn der tüchtige, energische Sghn erst seine Hand darin haben würde. Als aber diese Zeit kam, als Milli bald nach sorgfältiger Vorbereitung und Absolvirung seiner Militärvflicht nach Landeshut zurückkehrte, da gab es Mißhelligkeiten zwischen Vater und I Sohn, so sehr sie einander liebten, so ! sehr der Eine die Vorzüge des Ande ) ren schätzte und anerlannte. Willibald erkannte mit seinem durch den Aufenthalt in Spinnereien des Jn- und Auslande-? geschärsten Blick, daß umsassendeVeränderungen in dem väterlichen Etablissement unerläßlich wären; er wies nach, daß dessen Ren ! tabiliiät schon bedeutend gesunken sei ; und, wenn nichts geschähe, weiter sin . ten müsse. Die Mutter stellte sich aus ’ seine Seite. ; Aber der Vater wollte davon nichts J hören. » Ist-a P- e-.- « r- - ; Ul- chlllsc IIW IIIUYL Ul Ucl YUgO IV tostspielige Bauten und Anschafsum ; gen, wie der Sohn im Sinne habe, zu s machen, sagte er; es sei bisher gegan i gen und werde weiter gehen. Wenn ? die Einnahmen sich verringert hätten, z so liege das an schlechten Conjunctu ; ren der vergangenen Jahre und werde ; sich wieder ändern; er habe schon öfter ; solche Krisen durchgemacht - ; Und endlich war es von allen Thei » len als der beste Ausweg betrachtet ; worden« wenn Willibald Landeshut i aus unbestimmte Zeit wieder verlieszr. ) Unter dem Borwande, er erachte es » I-fiir nothwendig, sich auch noch eine Ausbildung im Banlsache onst-eignem war er als Bolontär in ein großes Banlhaus in Berlin eingetreten und hatte dank seiner Tüchtigteit bald eine bezahlte Stellung darin erhalten. Mit Willibald’ö Weggang von Lan deshut schien sich aber das Blatt zum Schlimmen gewendet zu haben; ein Schlag folgte dem andern. Durch meh rere schnell auseinander folgende Fal lissements erlitt Dornedden schwere Verluste; Aufträge, auf die er gerech net, trafen nicht ein oder wurden zu rückgezogen, große Posten Waaren, die nicht tadelfrei ausgefallen waren, ihm zur Berfii ung gestellt. Nur mit den größten nstrengun en, mit Aufl-ie tung seines ganzes åredits vermochte er seinen Verpflichtungen nachzukom men, und er sah den Tag herannahen, wo alle seine Hülfsquellen erschöpft sein würden, wo er sich fiir ahlungs unfähig werde erklären miå en. Sein lehter Aufenthalt in Berlin hatte ihm gezeigt, wie start erschüttert ein Cre dit bereits fei; unzulänglich und unter harten Bedingungen hatte er Geld auf zutreiben vermocht. Frau Elisabeth ahnte alle diese Dinge, sie las sie in den verstörten Mienen ihres Mannes-, aber sie erfuhr sie nicht aus seinem Munde. Das alte, schöne Vertrauen war verschwunden mit dem Wohlstande der früheren Zage, die Lippen des bedauernswer Unsinn-K onst-m weis-«le « O sor te, grämie und quälte sich ab, seine Geialt verfiel, und sie stand raihlos neben ihm und mußte das Verhängnisz seinen Laus nehmen lassen. Und dabei hatte sie die Ueberzeugung daß er viel zu schwarz sähe da sich Abhiilse schaffen lasse, daß no Alles gut wer den könne, wenn er sich ihr nur rück haltslos entdecken, wenn er Willibald nach ause rufen, wenn er dem Sohne undi rr vollen Einblick in die Verhält nisse gestatten, sie Beide Hand anle gen lassen wolle, die verfahrenen Dinge wieder in s Geleise zu bringen. »Wie kann man ihn nur dazu ver mögen ?« murmelte sie, als sie mit ihren Gedanken wieder bei diesem Punkte angekommen war, und schlang die schmalen Hände ineinander. »Er ist von Berlin noch viel verstörter, viel trostloser zurückgekommen, als er hin gereist ist, und nun noch dieser plötz iche Tod seines Freundes! Jch hatte immer gehofft, er werde sich doch end lich ein Herz sassen und ihn um ein edarlehen bitten; für den mehrfachen Millioan wäre das ja eine Kleinig keit gewesen, und er hätte sein Geld ehrlIF wieder haben sollen!« org en will er nun wieder nach Berlin,« Isrtzle sie nach lur er Pause ihr Selbstge präch spri; »er eagh et wisse nicht, wie lange er dort auf ehalien werde, Und nachsten Sonna end ist Weihnachiiheiligabend Er kann doch — nicht weabletbery wenn die Kinder und Enkel kommen.« Jhre Wangen rothe ten sich, die Augen erhielten einen hel leren Glanz, die Brust hob si freier; sie gedachte der früheren gliick ich ver lehten Weihnachten und sah dem korn menden Fe te, das ihr die Töchter und Schwiegersöhne mit den Kindern, das ihr den seliebten Sohn in’s Hans bringen so te, mit Freude entge en. « ielleicht ist dieser Tag ein rede puntt, vielleicht läßt sickäskarl bestim men, Willibald um heilhaber zu machen,« sliisterte re, um gleich daran muthlos den Kopf zu schütteln »Er wird es nicht thun!« fiigte sie aussauf zend hinzu, und wie eine Ahnung kom menden schweren Unheils legte es sich cuf ihre Brust. 4 Von dem Schauplatz des Mordeis in der Uhlandstraße hatte sieh Dr. Beutter eiligst nach der Wohnung des Gericht-I arztes Dr. Müller in der Berliner strasze begeben. »Seht haben mir einen e’s-all, College, wo " ie endlich Jhr Ver sprechen einlösen und mir einen Ge fallen thun tönnen,« hatte er gleich beim Eintritt in dessen Arbeitszim!;:er ausgerusen. Der schon ziemlich befahrte Arzt, der lesend im Lehnstuhl neben seinem Schreibtisch saß, richtete sich aus und fragte mit dem mürrischen Tone eine-S aus seiner Ruhe ausgestörten Mart-: net-: »Welches Versprechen? Wovon reden Sie eigentlich, Collegek Sie sind T ja ganz außer Fassuan Zehen Sie sich und erholen Sie sich erst.« Die Gutmüthigteit des alzen Herrn hatte schon wieder die Oberhand ge wonnen, und ohne aufzustehen, schob e: einen im Bereiche seines Armes-— befind lichen Lehnstuhl etwas näher. Bentler sont darauf nieder, und es währte ein paar Minuten, ehe sein vom schnellen Laufen start angestreng ter Athem sich soweit beruhigt hatte, dasz er dern Kreisphhsiius mittheilen konnte, man habe ihn vor Kurzem nach der Uhlandstraße gerufen, wo an ei nem dort wohnenden Rentiet Namens Ahrweiler ein Mord verübt sei und die Leiche sei in’g Schauhaus zur Obhut tionEeichaift worden . LI- ---—-L—---. —--Z- « I--«L-l r »Or- nq sonnt-nun treuh, tutHu der alte Physilus. »Die Stelle als Gerichtsarzt wird mir recht lästig, ich werde nächstens beantragen, daß man mich davon entbindet. Da Sie ohne-s hin schon mit dem Fall zu thun ge habt haben, so bitte ich, daß Sie mir dabei assistiren.« »Gem, gern!« versicherte Beutler eifrig, »das ist ja grade, was ich wünsche, und dann wird es uns- nicht schwer fallen, ganz unbemerkt ein Auge siir etliche Stunden zu entset nen.« «Ein Aue « wiederholte Müller und zog die ugenbrauen in die Höhe. »Ein Auge des Todten! Aber was wollen Sie denn damit?« »Ich will es photographiren!« rief Beutler und schüttelte ganz entrüstet iiber die Ver eßlichleit des alten Herrn den Kopf lTåie lonnte man etwas ver gessen, was sich auf die Kunst des Pbo tographirens bezog und geeignet er schien, dieser nach einer bisher wenig beachteten Seite große Bedeutung zu verschaffen! Dr. Beutler war ein sehr eisriger sogar im Verdachte stand,seinen Beruf der Liebhaberei nachzusetzen Daran dachte jetzt der Physitus und sagte mit leisem Lächeln: »Ach. es handelt sich um Photographie.« »Gewiß, darum handelt es sich,« erwiderte Dr. Beutler mit Nachdrucl, »und zwar um eine Anwendung der selben, die, wean sie gelangt, beruhen ist, in der gerichtlichen Praxis- eine große Rolle zu spielen, eine völlige Umwälzung darin hervorzubringen Jsch habe Jhnen das doch früher schon auseinandergesetzt.« Dr. Müller nicktr. » ch erinnere mich jetzt. Es handelt ich um den Versuch, das Bild, welches das Auge eines Verstorbenen im legten Augen blick ausgesungen hat« mit Hülfe der Photographie zu sixiren." »So ist es, so ist es. College!« ries Beutler erfreut, ward aber sehr miß gestimmt, als der Phhsitus etwas von oben herunter hinzustigte: »Ach, lieber Freund, das ist ja humbug!« Dr. Beutler spran so heftig auf, das der schwere Stu l hinter hm ein Stint zurücksuhn trat dem Physituz ein paar Schritte näher und entgegnete mit erhobener Stirn-ne: «Sagen Sie das nicht, lieber Eollegr. Es ist ein Experiment, daz gebe ich zu, aber las sen Sie sich erklären, aus welchen Ge sehen es beruht « Yr. Mauer seufzte. er ware weit lieber zu seiner Zeitschrift zurückge kehrt, hätte auch vielleicht aern nach angestrengter Vormittagsarbeit ein Schläfchen gemacht; aber er kannte Dr. Beutler, wenn der etwas wissen schaftlich erklären wollte, ließ er sich so leicht nicht abweifen, und so sagte er denn: »Na, meinetwegen. Schiefzen Sie los, aber setzen Sie sich wieder.« Dr. Beutler folgte der zweifachen Aufforderung und begann in lehr-haf tem Tone: »Eine Photographie des Auges ist vermittelst geeigneter Appa rate dergestalt zu vergrößern, daß sie ein deutliche-Z Bild desjeni en Gegen standes wiedergiebt, der si ulegt auf dem Auge abgespiegelt hat. m Leben währt eine solche Spiegelung auf dem Auge allerdings nur ganz kurze Zeit und wird, wie der Sprachgebrauch es seht richtig bezeichnet, im Au enblict von einem anderen in den Gesi tstreis tretenden Gegenstand verdrängt; im — merhin isi die Dauer des Bildes auf dem Augennetze durch verschiedene Ur sachen bedingt. Richtet das Auge sich aus einen sehr hell beleuchteten Gegenstand, so ist der dadurch aus das Au enneh hervor gebrachte Eindruck ein o starker, daß das blendende Bild daraus noch sicht bar bleibt, wenn der Blick auf etwas Anderes fällt, namentlich aber, wenn er sich aus eine helle, farhi e Oberflä che richtet; statt jedoch he zu erschei nen, stellt sich das Bild nun dunkel dar, als ob es der Schatten des zuersi aufgenommenen Gegenstandes wäre. Die Dauer des Eindrucks ist ferner abhängig von den imAuge enthaltenen Säften, und hierauf beruht haupt sächlich das Verfahren, vom Augen spiegel eines Ermordeten das legte Bild, was er ausgesangen, also das des Mörders, mit Hülfe der Photo graphie zu gewinnen. Den meisten Erfolg verspricht ein solches Verfahren, wenn der Tod au genblicklich eingetreten ist, da alsdann eine flüssige Absonderung sich über das Auge verbreitet. die nicht wieder vergeht, sondern nach dem Entfliehen derLebensirast sozusagen gerinnt oder sich verhärtet. In dieser Masse bleibt das Bild ganz ebenso zurück wie das jenige, welches das Licht mit den zar testen Abstufungen auf die Pl tte des Photographen prägt. Daß er Tod augenblicklich eingetreten ift, hat mich die oberslächlicbste Untersuchung ge lehrt," fügte er hinzu, »die scharfe Spitze des Dolches ist in’s Herz ge drungen.« Dr. Müller hatte sehr aufmerksam zugehöri, wider seinen Willen begann ihn die Sache zu interessirenx er mach te indeß noch manche Einwande. So wies er daraus hin, daß es nach der Schilderung. die Beutler ihm gemacht, in dem Zimmer dunkel gewesen, als man den Verstorbenen ausgefunden, daß aber der Eindruck ein besonders starier sein solle, wenn das Auge sich auf einen hell beleuchteten Gegenstand gerichtet habe. »Um-ritt noch ieineswegg ge sagt ist, daß eg, wenn dies nicht der Fall ist, das Bild gar nicht erscheint," fiel Beutler ein, »und außerdem ist noch durchaus nicht festgestellt, daß das Zimmer nicht hell gewesen und erst nachträglich durch den Mörder verdunkelt worden ist. Ahrweiler soll, wie die Portiersleute erzählen, nie im Dunleln geblieben fein und würde schwerlich einen Frem den bei sich eingelassen haben, ohne es hell zu machen." »Besiizen Sie denn Apparate, wie sie für ein solches Experiment erforderlich sind?" erkundigte sich der Physiluå, nachdem Dr. Beutler alle seine Zwei fel widerlegt halte. Dieser versicherte: »Gewiß. Jch i habe tie schon lange angeschafft und l aus eine Gelegenheit fiik ihre Anwen- l dung gewartet; eine olche, wie diese, loinnit so leicht nicht wieder, lassen Sie sie nicht ungenützt verstreichen. Sie sind das wirklich der Wissenschaft i schuldig-« i « »Es ist ein Uebergriff, den ich nicht ! verantworten lannl« wehrte sich der thsilus. i Aber Beutler gab nicht nach. »Wir J entfernen das Auge, ohne daß es Je- J mand merlt,« sagte er, »und bringen ; es nach wenigen Stunden wieder an s seine Stelle. Die Verwandten be tornnien den Todten erst zu sehen, wenn er in der Leichenhalle des Fried hofes ist. Gliith der Versuch, so wird man es uns danlen.« »Und wenn er mißgliictt2« »Dann braucht Niemand etwas da von zu erfahren,« war die Entgeg nung. Endlich gab der alte Herr nach. Dr. Beutler befand sich noch bei ihm, als er schon die Aufforderung erhielt, sich nach dem Schauhaufe zu verfügeiistuin dort die deuttion dor.iunehnien; on dein Collegen begleitet, machte ei sich dahin auf den Weg. Es gelang den Aerzten, besser als sie gehofft, ein Auge des Ermordeten unbemerlt aus seiner Höhle zu lösen. Der Nichter, dein vom Criniinalge richt die Untersuchung übertragen worden war, hatte sich von dein ihm Ekel erregenden Vorgang der Obdut tion abgewendet, und auch der Ge richtsschreiber hatte sich bemüht, so wenig wie möglich davon zu sehen. Jni Uebri en hatte der Physilus nur den Ausspruch seines Collegen be ftiitigen können. Die sze eines haarscharf geschliffenen Dol s war ins Herz gedrungen und tte den · Tod unverzüglich herbeiges hrt Ein Selbttmord war ausgeschlossen. Wer der Mörder gewesen, wie er an sein Opfer gelangt war, blieb noch immer riithselhast. Doktor Beutler aber war kaum noch im weisel, daß es ihm vorbehalten sei, icht in das Dunkel zu bringen. Das Au e des Ermordeten sorgfäl tig eingehü t und verborgen, hatte der wissengdurstige Arzt sich nach Hause begeben. Jn dem tleinen Zimmer,das er sich zum photographischen Atelier eingerichtet, machte er schnell und sicher mehrere Ausnahmen aus Glas, die natürlich viel kleiner waren als das Auge und einer entsprechenden Vergrößeruna bedurften. Als er eine genügende Anzahl dieser Ausnahmen zu haben glaubte, überbrachte er das Auge dem Physilus, der trotz der nun schon vorgerückten Abendstunde den Weg nach dem Schauhause nicht scheute und es wieder an seine Stelle setzte, wie von einer Last befreit Lus W s athmend, daß Alles unbemerkt verlau ; fen war. j Für Beutler hatte nun erst die Ar » beit begonnen, er konnte aber in der Nacht nichts thun und mußte sich ge dulden, bis das späte Licht des folgen j den Tages zu scheiden begonnen hatte. : Jm Gegensatz zu seinem Vorgänger Twar der Tag kalt, hell und sonnig, . fehr geignet, das Wert, auf dessen Be lginn Dr. Beutler mit fieberhafter Spannung wartete, zu begünstigen Das Licht war fein Bundesgenosse, . ohne den er nicht vorwärts kommen ; konnte, und doch mußte er es zum » größten Theil ausschließen Er verdunkelte sein Atelier vollstän dig. Die Fenster wurden mit Bret tern vernagelt und in eines derselben eine Oeffnung gebohrt, groß genug, um einen Lichtstrahl hindurch zu las fen. Dieser Strahl wurde durch eine Anzahl von Linsengläsern und durch die auf Glas genommene Photogra phie des Auges geführt, um es zu vergrößern und das darauf wiederge spiegeite Bild auf präparirtes Papier in deutlichen Umrissen erscheinen zu lassen. Doktor Beutler arbeitete unablässig und harrte mit fieberhafter Spannung auf die Enthüllung des Geheimnisies. Er war unverheirathet und hatte· sei ner Haushalterin streng anbefohlenl ihn heute ganz ungestört zu lassen, ihn nicht zu den Mahlzeiten zu rufen und vortprechende Patienten abzuweisen Trotzdem kam sie ein paar Mal und fragte durch die Thür, ob der Herr Doktor denn gar teinen Hunng Der spiire, erhielt aber immer nur den tur zen Befehl: »Lassen Sie mich in Rahel« Stunde auf Stunde verging in un unterbrochener Arbeit; Beutier’s Er Fegung steigerte sich fast zum Wahn inn. Endlich erschien ein Bild auf dem Papier-, aber so schwach, ungewiß, un faszbar, wie uns zuweilen im Traum Gesichter vorschweben. um schnell, ehe wir sie festzuhalten vermögen, im Ne bel wieder zu verfließen. Pfeilgeschwind verslog die Zeit, der kurze Wintertag neigte sich bereits wieder seinem Ende zu, und noch im mer hatte er es zu keinem greifbaren Ergebniß ebrarht —- er mußte wieder fiir eine acht die Arbeit einstellen. Jetzt stärlte er sich durch Speise und Trank und überließ sich auch dem Schlaf, der freilich unruhig genug war. Brachte der folgende Tag nicht wieder Sonnenschein, so war alle seine Mühe vergeblich Der Tag hielt indeß, was der ster nenklare Abend ihm versprochen hatte. Die Morgenfonne schien voll und hell. Ohne Aufenthalt schloß er den Laden und begann von Neuem seine Experi mente. Sie gingen heute besser von Statten als am vergangenen Tag; allmählich, Schatten aus Schatten. trat das Gesicht wie aus dem Nebel, in dem es verborgen gewesen war, immer bestimmter hervor. Als die Mittagsstunde schlug, da hielt Doktor Beutler das zwar etwas verschwommene, aber doch recht gut er kennbare Abbild desjenigen in der Hand, auf dem Ahrweiler’ö letzter Blick geruht hatte, der also sein Mör der sein mußte. wenn auch in seinen Zügen kein Ausdruck vonGrausamkeit, Blutdurst oder Wildheit zu finden i wol-. ! Es war der schmale, oben etwas s spitz zulausende Kopf eines nicht mehr ganz jungen Mannes, dessen Augen etwas Berschleiertes, Miides haben mußten. Das hagere Gesicht war glatt rasirt und hatte nur am Kinn einen spitz zulaufenden Bart. Von der Kleidung ließ sich nicht viel erkennen; es war besonders der Kopf- den der Blick des Sterbenden getroffen haben mußte. Jn höchster Erregung stand Doktor Beutler mit der Photographie in der band am Fenster seines Arbeitsziw mers. Sein Werk war gelungen, aber der Kopf, den er mit unendlicher Mühe aus dem Auge des Todten auf das Papier gebracht, damit es zum Antlit ger des Mörders werde, trug ihm völ lig fremde Züge. »Ich muß eine Be stätigung haben, daß der Mensch, den diePhotographie darstellt, wirklich exi stirt, daß er zu greifen und zu halten ist,« sagte er, kleidete sich eiligst an und ging nach der Uhlandstraße. hier traf der Arzt den Portier stöh ne und dessen Frau und Kinder« schwarz gekleidet und im Begriff, sich nach dem Kirchhof am Fürstenbrun ner Wege zu begeben, wohin die Leiche aus dem Schauhaufe geschafft worden war, und wo die Bestattung uzn drei Uhr Nachmittags stattfinden sollte. Nach kurzer Begrüßung hielt er den Leuten einen Abzug der Photographie entgegen mit der Frage: Nennen Sie den Mopr Ein lauter Schrei der Frau ant wortete ihm. Stammelnd fragte sie: »Woher haben Sie das Bild, here Doktors« »Ich frage Sie, ob Sie ihn ten nen?" wiederholte er ungeduldig, aber Frau Löhne rief erst noch, ohne zu antworten, ihre Tochter herbei und ge bot. ihr: »Sage Du, wer das ist« Ma rie.«' (Fortseßung iolgt.) ------.-— Man er Oatte hat Alpdriietem weil das Ba tleid seiner Frau ein »wah rer Traum« war.