Gerliner Straßenbilder von Oötar Horn ein-er ..daupt- und Residenz stadt" Thüringens geschah es einmal —- bor sünsundzwanzig Jahren etwa und Augenzeuge der Komödie war ich selber —- daß in der Sitzung der Stadt verordneten einer dieser biederen Stadtväter den Antrag stellte, jeder Drehprgelspieler müsse in Zukunft, ehe er den Erlaubnißschein, in den Stra ßen der Stadt zu spielen. erhalte, aus dem Rathhause eine Probe seiner Kunst ablegen, und der Herr Bürgermeister dars diesen Schein nur ausstellen, nach dem er sich eigenohrig von der Reinheit der Klange, sowie der Kunst der Mu siri im Drehen ihrer Orgeln überzeugt. Der betreffende Stadtvater war Be sitzer einer Harmonitafabrit und als solcher konnte er sich ja berufen fühlen, in musikalischen Dingen ein Wort mit zusprechen. Fortschrittler und Demo kraten im Stadtrath waren-sofort ei nig, dein, weil nationalliberal, verhaß ten Bürgermeister ein neues Geschäft chen aufzuhängen, der s ozialdemotrati sche Vertreter war ein Harmonilama cher, und unter den Anhängern der mehr rechts stehenden Parteien war je ner Fabritant mit einigen Kollegen, natürlich nur aus Geschäftssinn, gegen die Drehorgeln eingenommen, welche nicht bei ihnen getauft waren: der An trag wurde zum Beschluß erhoben! — Armer Bürgermeister, in vierzehn Ta gen sollte Bogelschießen sein! Richtig, « vor Beginn des letzteren fanden sich sie denundzwanziq Orgelspreler im Hof des Stadthauses ein: Blinde und Lab me, Stelzsße und Armlose, mit Mili- Z tärpapieren und ohne solche, die stehen- ? den Figuren aller Volks-feste im schönen I Thüringen. Der Bürgermeister war in Verzweiflung. Diese alle prüfen? Er s besprach sich mit dem Polizeimacht-nei- s fter und bald zog paarweise eine lange s Gesellschaft durch vie Straßen ve: 1 Stadt. Ein Hu.ndesuhrwert, das ei nen mächtigen Orgeltasten vorwärtsj bewegte. eröffnete den Zug und schwan- j tende Gestalten mit schwankenden Jn- z ftrumenten, getragen, geführt, von al len Größen und in allen Farben want ten hinterdrein, Orchesterorgeln und so fort in absteigender Größe bis Zur Schweiz-er Spieldose, die eine ehemalige « Schönheit — lang’, lang’ ist’s her — zärtlich zwischen Nachtjacke und Um schlagetuch an den Busen drückte. Po lizeimannschaft führte die Gesellschaft z hinaus vor die Stadt, wo die Villa des E tunststtknigen Kommerzienraths,Stadt- - verordneten und Harmonitasabritan- I ten stand. Jn langer Reihe stellten sich dort Orgelrnann und Orgel auf und auf das Kommando des Wachtmeisters stimmten dann alle Siebenundzwanzig gleichzeitig ihre Weise an, während der Wachtrneister einen Brief des Bürger meisters in der Billa abgab. Es war sehr schön! So schön, daß die Orgel- « proben über Nacht wieder eingestellt wurden, und die städtische Kapelle und die verschiedenen Gesangvereine wieder anfathmeten, denn auch über ihrem Haupt hatte eine Zeit lang das Da motlesschwert ftädtischer Bevormun dung geschwebt; der Sozialdemokrat irn Stadtrath hatte bereits eine Rede dagegen geschmettert, daß man den Enterbten des Schicksals durch diese neue Schikane das Leben sauer mache, während die Bourgeois der Vereine un gehindert mii ihren fatschen Tönen die Ohren der Nachbarschaft zerreißen durften. s Ich bin aus jenem Städtchen rnit sei nen Wall-bergen bald wieder fortge wandert, aber die 27 Musiker versotss gen mich seitdem, nnd selbst hier wie der inA der ReichshaaptstadtjaM ich sie Iarnmrnch irn saure oreier weonare an getroffen. Der erste »spielte« unter dem Balton meines Fensters. Jch rang die Hände, als ich die verstimmten Töne hörte -—- Verdi ist ein großer Mann und die Trauer, in welcher sein Vaterland Fini um den Sarg des Maestro stand, wahgrhaft rührend, die Jtaliener feiern ihre großen Sohne doch anders, als es unter unserem bleigrauen Himmel zu geschehen pflegt — wie gesagt, Berdi ist ein großer Mann und von Zeit zu Zeit laIe auch ich mich in seinen Melodien gerne schaukeln, die wie warmes Wasser an den Badenden sich schmiegen —- aber eine alte Drehcrgel muß es gerade nicht - sein, ’e rnir einen »Troubadvur« wie der aufdringlich in die Erinnerung bringt Das war der Chorsührer vor-. annp dazumal. Dieselbe Orgel auf dem hundesuhrweri, dieselben zwei al ten Aste-r, die Ohren und Schwanze traurig zur Erde hängen ließen. Der Besitzer des Fuhrwerles hatte ein rothes Tuch um die eine Lopshiilfte geschlun n,. ganz wie damals-, und hinterm zweite er eben die NickeL die ihm zu .Worsen wurden. Merkwürdig, Kinder Mk Dienstmädchen sind wie elektrifirt. sen Viehe Orgel erilin t, und ich selber starr die ganzeseit ü r auf dem Bal iqn und sah dem Manne zu, wie er jene tin nettes Register zog und die Töne W Winzers en den vier Wänden Des i «na31ssliichteten, als fürchteten ) me Intiick zu müssen in den al « « zstjqnhigkenKastew Ja damals, da » par der Walz-e jung und auch ich »M,nnt-«» . M w Prins Achtechtstraße seht .: U ein 1W,:Ilewes Männlein Nisus seine Und wird halb ge « nn« halb tragen, wenn es seinen « weis-fass spät wieder im Ieht ci- winiiget Instrument "« Mis chen fteht vor ihm, auf den eisiiberzoge nen Steinplatte-i und mit zitternder band dreht der Aermsie und .spielt«. Dreiviertel aller Töne sind bereits ver stummt, in Zwischenriiumen piepsi wie der etwas, ein verlorener Klang, in diefe Zwischenraum fällt der Aste mit feiner vertlungenen, bebenden Stimme und fummt die Melodie . . . . Schng gegenüber, wo die Gartenwand des Pa lais zu Ende geht, kauert ein Weibchen, i eingefallen, alt, ein Däufchen Frost und I Elend die, welche damals die Schwei zet Spieldose fo zärtlich an’s herz ge drückt, und wirklich die alte Dose sieht noch vor ihr ein winziges, kleines Ding , und titl, ticl, tick klingt es manchmal i daraus mit ersterbendem Stimmchen. Eines Abends fand ich sie dort, halber ftarrt vor Hunger und Kälte; der Kopf lag auf den Knieen, ein paar diirftige Strähne grauen Haares hatten sich aus dem Kopftuch hervorgeschoben« die Hände waren um die Kniee gefaltet und in den ertalteten Fingern hielt sie lrampfhaft die alte Spieldofe. Wie lange mag sie fo gelegen fein, und die Dofe spielte —- ich habe sie nie so deut lich gehört —- das Lied von der stillen, heiligen Nacht; die brave Dose hatte das wohl eigens fiir die alte Frau aus gesucht, in deren Traum hinein die lei ien Töne verklangen. Vielleicht war sie glücklich in diesem Augenblick die arme, alte Frau. Ergriffen blieben die Vorübergehean eine Weile stehen und legten Geld auf die mitleidige Spiel dofe. Nun wach’ aber auf, gute Alte, fonft kommt ein weniger Ergriffener heran und streift Dir die paar Nickel wieder von dem Deckel der Dose. Uccllschcllllllsllllll lll Ucl Clavus-l straße, dort wo sie in den Belle - Al lianceplag einmündet. EinKnäuel Neu gieriger stört jeglichen Verkehr, fast bis in die Mitte der Straße hinein. Aus den Zehen heben sich die Neuanlornmenden und ihre Blicke suchen das Gewühl zu « durchdringen, aus dessen Mitte ein iingstlichejf Stöhnen und Wimmern er tdnt. Ein Junge drängelt sich aus dem Kreise heraus .Wat wird’s jehen«, giebt er zur Antwort, »drinnen liegt » eine —Olle, die is schwer besofsenl« Und johlend stürmt er von dannen. Nach einiger Zeit rücken Schutzleute heran; und ein Rettungswagen erscheint, die Alte wird darin gebettet und das lönig- » liche Instrument David’s auf dem Wa gen zeigt uns ihren Beruf. WenigeTage später sah ich die Harseniitin aus einein Hofe an der Ecke der Koch- und Wil lzelmstraße herauskommen Auch ein Ekenbild Gottes? Dem Gesicht zwar sah man es noch an, daß es vor Kurzem wieder einmal gewaschen worden war, auf der Rettungsstation. Aber sonst! Leruntergetretene Schuhe mit Löchern überall, die Strümpfe darüber herabge scllen. der Rock starrend von Schmutz, rundum til-getreten die Eint-eisums schnur aus besseren Tagen nachziehend, voll Flicken und Löcher, die Jacke eben so, und eine alte Daube. aus der un gelämmtes, braunes haar hervor drängte, umrahmte ein stumpssinniges Gesicht rnit todten. erloschenen Augen. - Wie eine röthliche Flaschenztviebel hing die Nase zwischen diesenAuoen nach dem Munde. Mein Gott, vor dreißig Jah ren war auch sie ein sogenanntes Mei sterstück der Schöpfung, war Ediih Schwanenhals und hat bei Poppenberg dinirt, bis sie allmälig über »Or pheum« und «Anton" auf die Straße fiel Jch gan ihr nach. Jm Nachbar hofe begann sie zu spielen. Aber die I Saiten sträuhten sich unter ihren Fin l gern, da wurde sie wild und schlug mit i den Fäusten dazwischen; schrille Klänge Und ihre Stimme dazu, sie sang Schnaps. Ein vaar rohe Kerle mach ; ten sich über die Künstlerin lustig. dann i packte iie fluchend die alte harte, die sich fchier trümmte unter diesen Händen. und schleifte fee nach sich in s Haus· Mitleid aiebt ibrgzvohl hier und dort ein paar Pfennige die wandern dann gleich in die nächste Deitille. Der Schnaps ist iiir sie alles, Vergessen, Be täubung. Jn’s Wasser zu get-In —- vor langen Jahren hat sie einen Augenblick lin daran gedacht! Läuf dem Potsdamer Bahnboi treff ic!, wieder zwei Thüringer Bekannte. Sie tragen Militijrmiitzen und lange Schnurrbärte von ausaewaichener Farbe. Die Miitn ist natürlich Schwin del. Aber es geht doch io mancher vor bei und schilt im Stillen aus den Ruder von Staat, der feine verarmten Inva liden aui die Deebargel verweist. Wabe braucht ei deshalb Ia nicht Fu sein. Die Jungen neben um die orae nden Sän ger, Rickel fetten auf die Teller, disk Handwerk nährt ieinen Mann; es ist immer aut. wenn der Mensch etwas aelernt t, und wäre es auch nur Mu sik, so aucht er doch nicht zu bettelt-. In der Mauerstrahe ist mein Speisehaui Freundin-. anaenedrn, kein beim-ist Les-ten kein Trintzwang. Einige junge Mädchen Buddattetinnen aus besseren Geschäften die herren meisi junge Beamte nnd Praktitanten von den nahen Votüiniterm bilden die tägliche Tiichaeiellschnit das Ganze schier eine Familie bildend· Wir Ren gegen drei Uhr um den runden Tisch, und die milde, wiirziae Sommerluit dringt herein zum gediineten enster Ta, ein paar Akkorde im Hof chlechie Guitarre aber nun fängt eine Stimme an: erit verhalten gebrochen die Töne müssen sich erst an einand- r gewöhnen denn aber mit einemmal tiinni ei weich nnd siiß voll Klang und mit innigem « 5.«.’eriiandniß: JIP endseit. o Liebestraum Was it so süß wie Du! W Meine kleine Nachbarin wiegt sich anf ihrem Stuhl, die Weise geht ihr tief in’s Herz — wir eilen alle nach dem Fenster-. den Sänger zu sehen. der über solchen Stimmreft gebietet. Dran ten im Hof auf der Treppe, die zu den Wohnungen des Querbaues führt, siht ein alter Mann; er maltriitirt die Guitarre und finat dazu. Aber seine Stimme reicht fiir nichts als die beiden ersten Verse ..... er singt sie wieder und wieder. Die Fenster öffnen sich überall. die Dienstmädchen kommen herunter und schleppen Kassee herbei und Kuchen, die Kinder geben ihm Geldstücke in Papier eingewiclelt. O Jugendzeit, o Liebestraum, Was ist so süß wie Du! So eigen wird Allen um’s Herz, die plaudernde Tafelrunde verstummt, der alte Sänger im Hofe zgubert jedem süße Erinnerungen vor die Seele. Noch einmal, ich glaube, zum zehntenmale llingt es: »O Jugendzeit, o Liebes traum.« Dann lehnt der alte Mann sich rückwärts an die Mauer und schlummert ein« und Alle, die ihm zu gehört haben, schleichen auf den Zehen davon, keiner will seine Ruh-. stören« Jch selber bin in tiefster Seele er griffen! Jch wartete, bis der Alte sein Schläschen gemacht hatte, dann sehte ich mich zu ihm aus die Treppe. ich mußte . Näheres über den Mann erfahren. Ob i er mir wohl Alles gesagt het. ob des . H Roman seines Lebens, den er mit dor- ; ;trug, nicht wohl einstudirt neiveiensl ’ Er war Vorsänger gewesen in einer I Synagoge im Posen’schen und hatte fein Auskommen; diese Leute End ja sneitt sehr sparsam, und etwas zu han- 1 deln findet sich immer nebenher, was-i ebenfalls einträgt. So ging Alles gut, i aber —- da kam das Schicksal in Ge stalt des Rabbi und des Rabbi’s Toch ter. Der Rabbi brauchte einen Schwie gersohn für die letztere und da Nebelf chen von dem Vorsiinger nicht-S wissen wollte, so verlor er die Stelle und Vortärger wurde ein anderer. der zwar weniger Stimme, dafür aber auch we niger festen Willen gegenüber dein Rabbi Schwiegervater besaß. War es die Wahrheit? Er erzählte so. Dann tarnen spaz- und Quer ziige, Versuche als Gesanglebrer; es ging bergab mit ihrn und nun sucht er sein Brot unter den Kindern und Kö chinnen der Höfe. »O Jugendzeit, o Liebestraum« fang er: »wenn ich das singe, kommen sie alle wieder zu mir und die Mädchen in Berlin sind ja so gut gegen den alten Mann.« Ich schentte ihm ein Geldstück als Honorar für feine Erzählung Als ich Abends so«nach«els Uhr heimging — die Nacht war llar und das Mondlicht lag aus den Gassen —- hbrt’ ich Scheltworte ; und Schläge fallen indem Keller an z der Ecke, die Thüre wurde ausgerissen T und heraus auf die Straße stürzte der E hofsänger, dort blieb er schwer betrun -ten liegen; hinter ihm drein schmet terte eine träftige Faust die unschuldige Guitarre, daß sie in Stücke sprang. Jrn »Jurist« war es umgekehrt: »Zum Teufel erst das Instrument, zum Ten fel hinterdrein der Sänger.« Als ich im Jahre 1872 zuerst die hauptstadt des neuen Reiches besuchte« stand allmorgentlich «Unter den Lin den« bot dem Eclfenfter des hotel Meinhard genau aus derselben Fliese neben dem Laternenpsahl ein kleiner Mann, wohlgenährt, wenn auch in ge schenkten Kleidern, und dudelte auf ei ner ausgeblasenen Klarinette den »Lie ben Augustin« und den «Graf von Luxemburg« immerfort. Er tannte nur diese beiden berühmten Gesange. Unter den Linden! Und so lange, bis man ihm gab, nur damit er gehe. Mir Münchener erschien das seltsam. Sollte das einer mal bei uns in der Maximi lianstrasze prodirenl Aber warum nicht, Berlin ist nun einmal die Stadt der Konzerte, die musikalische Stadt «lat exochen'«, und wie die oberen Schmau send ihre Philbarmonie haben und ihre ; großen Konzerthiiuser, so bestehen die Kinder und Köchinnen aus der gelieb ten DrehorgeL und wo deren Klänge ertönen, auch wenn sie gar nicht mehr an Frau Musila erinnern, die kleinen Füße trippeln unbewußt den Takt da za und ergänzen den Singsang des Lei erkastens. Wie viel Brosamen geben von vollbesetzten Zischen verloren, was liegt daran. wenn auch ein paar große Sperlinge davon gesättigt werden. Wenn die Sperlinge groß sind, mei netwegen; nur Kinder sollen zu sol chem Leben nicht systematisch erzogen werden. An einein der lalten Januar tage klang aus einem Thorbogen der Königgriiserstraße Räuspern und Pu sten, man mußte wirklich scharf Unhö ren, um einen sogenannten Gesang zu erkennen. An das geschlossene That . gelehnt —- ein alter Mann, eine Frau und drei Kinder. Von den Lippen des alten Mannes kamen die Töne, welche den Gesang vorstellen sollten, die Frau sprach nur immer, wenn Menschen an der Gruppe vorübergingen, ein aus druetsloses «Armer, alter Manni« Auf dem »arinen« lag der Ton; »ar mer, alter Mann·« Sie bat um nichts, sie bettelte nicht. Gegenüber dem österreichischen oder siiddeutschen »Bitt’ gar schön,« erschien mir dieses tonloö hingesliislerte »Armer, alter Manns« diese hilflose Konstatirung des Elends wie eine furchtbare Anklage der vorn Schicksal Enterbten gegen die Brutalitiit unserer sozialen Zustände. «,.Sittliche Wellordnung« . . . wie beißt? Wo der eine hungert, der andere speist, sagt der Schweizet heim-ich Luni-hin in bleichen Wintertag erschienen die Esset-Wen der armen Kinder noch blei cher, noch blutleerer nnd in den sites-ern ihrer Kleiderchen fing sich der schnei dende Ostwtntk Laßt doch wenigstens die Kinder zu haufe! Aber nein, die Kinder sind gemiethet ans der Nachbar schaft. damit die Vorübergehenden vielleicht abgestumpft durch die Erfah- ! rungen der Großstadt, über ihr Elend! von Mitleid »genko in vie Tasche! greifen. Und wenn die Aermften in; der Nacht endlich heimgeschickt werden« T - dann nimmt ihnen Vater nnd Mutter I die paar Nieiel Sündenlohti und setzt l — sie in Schnaps um und die vor Kälte i s und Hunger winimernden Kinder er « halten noch Prügel. Großstadtelend, wer kann all den lArmen helfen, wer kann hinter diese Flicken und Lumpen sehen, ob wirkliche. bittere Noth dahinter steckt, oder Be trug und Heuchelei! — - -«-.I.--- « ——-« »Ja —- iitnina —- !« — Von Banns v. Zobeltiy. WO Frau Clara von Zallentin. 47 Jahre. Jmoosante Blondine; ausge zeichnet ionservirtx sehr elegant, etwas zu jugendlich gekleidet: dunkelgrüner, auf Seide gearbeiteter Rock, eine Nu ance hellere Bloufe mit goldgefticktem Kragen und edensolchen Mund-Be fchlögen, Goldgiirtel mit schwarzer Stahl - Chatelaine, winzig kleiner, stimmt-» Sirt ’""Fkäöiein’ Nens von Zoll-nun 24" Jahre. SedrichlanL feines, liebens triirdiges Gesicht, große. graue Augen, außerordentlich klarer, durchsichtiger Ieint, volle, rothe Lippen. die, meist ein wenig geöffnet, die schönen Zähne sehen lassen. Elegantes, aber etwas zusammengesuchtes italienisches Ko siiim, rothen iußsreier Rock, weiße, buntgestickte Schürze mit Franzen, weißestkopstuch aus dem vollen, schwar zen Haar. Ueber der am Halse ziemlich , ries herzförmig ausgfschnittene Taille ; mehrere Reihen Korallen, in den Ohren ; große, goldene Ringe. Rathe Lack- ; schade mit hohen Absätzen, gestreistej Seidenstriimpfr. Großer Saal des Kaiserholes. Der Wohlthätigkeit-Z - Bazar ist in Berlin I ice ben eröffnet; nur einzelne Gäste. Frau don Zallentin steht mit ihrerToch ter hinter dem Vorhang des aus bun- « ten Teraichen und Simle ausgebau- ; ten italienischen Zeltes. in dessen Vor- — dergrund zwei tleine Tische: der eine mit allerlei billigen Nidveg. der andere s mit einigen Fiaschi. Gläsern, einem Teller mit Trauben. Drüben, am Seit - Busset, wird die erste Flasche Moet geöffnet; Lachen klingt herüber; die Zigeuner - Katzelle intonirt. Frau Clara: Nella! Nella: Ja --— Mamal — Frau Clara: Tritt ein wenig mehr dor. Nein — sey Dich lieber! Nella: Ja —- Mama! — Frau Clarat Nicht so! Du kannst die Füße etwas mehr zeigen. Doch das Hiibscheste an Dir. Und stiiße den rech ten Ellbogen aus, so daß der Aermel heruntersiillt. » Nella (gepreßt): Ja —- Marnal rau Clatm Driiben i . . Rose Jn tof . . . natürlich wieder der reineMag net. Am Seit - Busset ist es doch im mer noch am vortheilhastesten . . . (et mai spsttifch und zugleich mit einein kleinen Seufzer): . . . siir Jemand, der ten Mund austhun tann . . . (bittend): . . . natürlich —- Dich kennt Excellenz Gratow lchonl Dich postirt sie in irgend Finem todten Winkel, als hübsche Staf age. Nella: Ja —- Mainal Mich kennt sie! Seit sechs . . . langen . . . Wintern . · . — (Paule). » Bann und wann gern ein Vekr vo: über. streist mit mehr oder weniger in teressirtem Blick das- hiibsche Miidchenx i der oder jener grüßt; eine ältere Dame I bleibt einen Augenblick stehen. mustett 1 tie Nimm-, schüttelt mit dein Kaps, geht 1 weiter-· « Frau Clara: Nella! ! Nella: Ja —- Mamak — l Frau Gara: Warum animittest Du « s eken die Dame nichts Ich ertannte sie : nicht gleich. Jetzt weiß ichs . . . es ist die dicke Schlöchtetlsran aus der Mauersttaße. hasschgiichteemeister — sehr reich. Wenn Du nur ein bissel zu varltnnntend sein wolltest — Rellat a —Mama l — Frau lara: »Ja — Mama i« »Nein -—- Mama t« Es ist zum Ra sendwerden. Wenn Du nach dumm wärst —- Gott verzeih miss — es wäre wenigstens eine Ertliirun ! Aber es ist ja nur Tros! Stump sinniger Tratzt Zu Hause, wenn Vetter Erich nur die Nase zur Thiit hineinstetlt, tannst Du doch reden. Natürlich — und wie! Aber in Gesellschaft.... seit den letzten drei Jahren-» der reine Staatssch. Watte nur . . . es wird Dich noch gereuen! Wenn Du einmal als alte Tante mit dem sympa dour bei allen Verwandten herumste hen wirst t« Ein junger Herr (Cylinder, Geh-roch hoher Kragen, rathe Etat-atte) tritt herein, bitter um ein Glas Wein Nella steht aus« wie müde, warm-, schenkt ein. Der Herr fragt, was die Relie, die »gut« Fräulein« im Gürtel trägt, taste ; Nella schüttelt den Kopf ; ,,Unvertiiuslich.« Der Herr legt ein Geldstück ans den Tisch, geht weiter. Frau Clna : Was hat er gegeben? k Nkllsk Fäsfsif Wenn Mann-. " Frau clara (acht): est nobel. Ganz recht, daß Du dem die Rette nicht geben wolltest. Die Sorte kenne ich: Vase-ethischen Damme Bmgel’s, die auf eine Stunde den vornehmen Mann spielen mischten ...... (Pauie—) . . . Kind ! Nella : Ja —- Mama ! — Frau Clara (dringend, fehr leise) : Jch hoffe, daß nachher Baron Gattern tommen wird. Dem darfst Du die Nelte geben. Oder. . . wart’ einmal, Nella . . . . ich werd’ sie Dir lieber hin ters Ohr ftecken . . . . das sieht fo flott aus . . . . fie fällt da auch mehr anf. . . . fo . .. ! Und überhaupt, Kind, fei teine Thörinl Sei doch nur ein bischen lie benswürdig, ein bischen entgegenkom mend gegen Gattekn! Jch weiß, er wartet nur dareiqu Kind! Nella! So sei doch einmal llug, einmal ver nünftig ! Nella lsiht noch einige Setunden ganz still, mit zufammengepreßten Lip pen, die Stirn getrauft ; springt dann plötzlich, ganz verändert, auf, tritt rück wärts neben die Mutter): Manns Ich flehe Dich an: erlaß mir das! Jch taan ihm doch teine Oeffnung ma chen. Jch kann, ich darf es nicht. Es wäre Sünde. — Fkau Clara (gedehnt) : Sünde ? Welch’ überfpannte Redensart ! Etwa wegen eurer Jugendefelei . .. oder -fchwärmerei, wenn Du das lieber hörst ? Erich und Du! Zwei habe nichtse! Mein liebes Kind, ich sollte meinen, Du mußtest wissen, wie schreck lich eine Ehe ist, in der man jedes Zwanzigmartstiick dreimal umdrehen mußt Du hast mir doch auch zuge schworen, dasz . . . das aus sei zwischen Euch . . . .«« Nella (schmerzlich): Ja — Mamal Zwei Herren bleiben vor der Bude stehen. «Ecro, Bellissima!« — Nella wendet sich schnell uni, sagt mechanisch: »Comandi, Signor?« Die Herren tu scheln, schließlich meint der eine: »Bu lissima —- tennen Sie die polnische Sitte, aus dem Schuh eines schönen Mädchens aus dessen Wohl zu trinlen ?« Nella schüttelt den Kopf. »Was tostet es, wenn Sie mir dies reisende, rothe Schuhchen dazu leihen, Madatnigella?« Sie sieht ihn von oben bis unten an, stößt dann hervor: »Tausend Marti« Die beiden Herren lachen. »Gar nicht theuer, Signorinania! Jch will nur schnell zur Bant gehen, die tausend Mart zi: holen aus Wird-ersehen, Bellissima!« Nella (sich wieder halb zur Mutter tehrend): »Und das nun so . . . . jahr ein ——- jahraus . · .. dieselben Albern heiten siins, nein, sechs Winter schon . . . .« Frau Clara (achselzuckend): »Deine Schuld! Du hättest viermal eine gute Partie machen tönnent Bierrnall Soll ich sie Dir ansziihlen?« Nella: »Nein —- nein. Mama!« Frau Clara: Dabei hast Du noch Glüetl Unverniinstiges Glück, dasz sich der Leo Gattern in Dich oergasst. Was willst Du denn eigentlich? Er ist wohlhabend —- nein, er ist reich! Du tannst aus Pawenden die große Da rne spielen; verstehst Du nur einiger maßen, ihn zu nehmen« drückst Du jährlich eine schöne Reise durch; eitel genug, seine hübsche Frau gut angezo gen sehen zu wollen. ist er auch. Na ..... und gut-nöthig . . . . unglaublich gutmüthigl Wartest Du etwa aus den »Ptince charmant« aus dem Märchen? Nella lsteht einen Moment stumm, mit beiden, sest zusammengeschlossenen Händen vor der Brust): Ja doch — Manta —- jat Aber . . . er ist gewiß zwanzig Jahre älter als ich . . . . und (mit geschlossenen Augen) er ist so dick . . . . . Frau Clara: Du bitt einfach eine Närrin! Sei doch froh. wenn Du einen Mann hetornrnst, der sich die hörner schon abgelauer hat und mit Dir, an statt allein nach Monte Carlo . .. oder so ....reisi Und dict! Pfui, Nella! Er ist nicht stiirter als Papa. Uebri gens sind die etwas torpulenten Män ner immer die bequemsten. (Pause)... Es wird schon hübsch voll. Driiben die Japanertnnen haben riesigen Antray... natürlich Geishai sind Mode! Was die Trude Morraz heut wieder mal totettirtt Die geht ab wie eine warnte SernnieL ; Nella: Ja, Mama! Warum auch snicht? Sie ist htisch, liebenswürdig I —- uuv hat Gen-. Sie wird nicht sechs »Winter tanzen und aus diesen i Mädchenmärtten sich auszustellen I brauchen! . - Frau Clara: Pfui, Kind! Wenn man Dich so hört! Noth tbnnte man werden. Das ist nicht die Weiblich teit, die einem Mann begehrenswerth erscheint — wahrhaftig nicht. Und zu drtn -—- Du änderst die Welt doch nicht. Aber das muß ich Dir sagen: wenn Du diese Gelegenheit auch wieder var übergehen liiszt, diesen lieben, prächti gen Mann auf Deine betannte Art von Dir sortscheuchst,«" dann —- dann — (Panse. Sie stehen wortlas neben einander die Mutter nervös an ihrer Chateleiue spielend, Nella mit ihren großen, grauen Augen in den Saal starrend.) Frau Clara: Du mußt verständig sein. Elli ist jetzt achtzehn — ich habe wirtlich teine Lust, rnit zwei Mädels aus die Balle zu ziehen. Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Das EIimmity mein Mist-, das d die nl Kurt braucht ein un nniges sGeld Heidelberg ist nun einmal so i thener.. .aber schließlich sind die Aus gaben fiir s Korps eine Kapital- Anlage ur das ganze spätere Leber-. Du kennst das ja! Egon kommt mit seiner Zu lage auch nie aus. Nun, ihr Mädels! « Jm Vertrauen gesagt, mein liebes-kind, s Papa weiß oft nicht, wo aug, wo ein. ; Wir haben Schulden — viel Schulden! ; .. .. Für Euch Kinder gemacht! , Nella izuclt nervös zusammen): Ja · · — Mama! — ; Frau Clarm Nun alfoi Du wirst schon unser liebes, verständiges Kind i sein . . .zu Deinem eigenen Glück! (Paufe; dann lebhafter): Da kommt er J übrigens wirklich! Gatternl Nella, I nimm Dich zusammen! Wart’ ich will E Dir die Nelte am Ohr noch ein Bissel ! besser stecken. und zeig Deine hüb E schen Zähne .lächeln ) Nella: Ja -— Mama!-— , Frau Clara (eilig): Kind, Muth! . LieberGott, wer von uns hat denn ganz » feinem Herzen folgen tönneni Es geht s auch so« .die Liebe kommt fchon in » der Ehe nach J Nella (sieht sich noch einmal um, mit schmerzlich verzogenem Gesicht) .Ja .Mama!. .(wendet sich dann dem nahenden herrn zu und lächelt mit halt-offenen Lippen, hinter denen die I weißen Zähne leuchten). Baron Leo von Gattern kaut konser J virter Vierziger, mit starker Anlage zum Embonpoint, gutmiithigem, ge bräuntem, tandem Gesicht, Ansatz zur « Glatze; ein wenig leger gekleidet, Geh rock, helle Beintleider, derbe Stiefel, niedriger Kragen, schwarzer Plastranx J echaussirt): Gnädiges Fräulein! Gu ten Tag. Fräulein Nella! n’ Abend, gnädigste Frau! Warum verstecken Sie sich denn dort so hinter dem Teppich? Himmel, ist das eine Hiße hier! . . «. . Aber was sehen Sie reizend aus als, . . als Römerin . . . nicht wahr? Röme rin? . . . Darf ich Ihnen etwas ablau - sen? Arn liebsten . . . wenn’s erlaubt ist« . die Nelte da! . . . Nella (anscheinend zögernd, erröthet leicht; lehrt sich halb nach rückwärts um): Mama, Herr von Gattern will mir die Nelle hier abtausen. Darf ich? Ja — Mama? Frau Clara (vortretend, lächelnd): Aber. Nella, das mußt D doch selbst wissen! Du hast sie zwa schon ein paar Herren abgeschlagen . . . indessen einem so lieben Freunde . . . Nella treiszt hastig die Nelle hinter " dem Ohr hervor): j Ja, Martia . . . Jawohl . . . Martia! . —-.« —---—.-·....-—-.» . -- Wie getrönte hänpter sSchätze sammeln. —Vom Prä ; sidenten Krüger an bis zum Sultan E in Konstantinopel sehlt wohl tein Name Z der Ersparnisse zurücklegenden Staats ; oberhiiupter im Hauptbuch der Bank H von England. Einer der geschäststun s digsten Monarchen, der Padischah, läßt ! von Zeit zu Zeit durch einen besonderen ? Kurier sein Depot in der City von Lon ! don vergrössern. Die Mitglieder der russischen Zarensamilie, denen ein her vrrragend ölonomisches Talent nachge sagt wird, vertrauen ihre Gelder theils der Banl von Frankreich, theils der von England an, nnd im britischen nsel reiche erregte es seiner Zeit ho Be friedigung als Kaiser Alexander lll. seine uriickgelegten 5 Millionen Doi larj einermdezehrzen Schnge-rin,tder ) l i Dllkllllllgcll Pllllscsslu UUII Muse-, que terließ. Als wahre Genie-s im Punkte der Spekulation gelten König Leopold rson Belgien und König Georgioo von Griechenand. Ersterer erzielte mit den von seinen Eltern ererbten 5 Millionen Dollars binnen vier Wochen einen Ge winn von 20 Millionen Dollars, die er später zur Hebung des Kongo - Staa tes anwandte, und von denen er be stimmt hosst, dasz sie ihm über kurz oder lang noch gute Zinsen tragen werden. Jenem phrhgischen Könige Midas ber gleichbor, dem alles unter seinen Hän den zu Gold wurde, sind die finanziellen Unternehmungen des hellenischen Herr schers durchweg von beispiellosem Er folge begleitet.« Er soll sogar einmal einem amerikanischemGetreideshndikate ein Paroli geboten haben. —- Den Luqu eines Bantinstituts zu seinem ausschließlichen Gebrauche hat sich der Milado von Japan gestattet. Alle von itim zu leisten en Zahlungen werden durch·Tratten aus die kaiserliche Bank in Totio essettuirt. , Der verhastete Krimis nalbeamte. Bei thöl in Nord Schleswig wurde vor einiger Zeit ein Postwagen von Räubern überfallen. Die Untersuchung siihrt Kriminalins speltor Engel aus Altona, der seine Nachsorschungen in verschiedenen Ver kleidungen anstellte. Als Vngabund vertleidet, begab sich Engel vor einigen Tagen nach einem Dorse in der Nähe von Nyböl und schloß sich unterwegs einem reisenden Handwerks-gesellen an. Engel war so gut tostiimirt, dasz der handwerlsbursche keinen Verdacht schönste, sondern sich seinem »Kollegen« anschloß und mit diesem ploudernd die Reise fortsetzte. Nachdem ste die Hälfte des Weges zurückgelegt, wurden sie oon einem Polizeibeamten aus Graasten, der sich aus der Suche nach zwei Va gabunden befand, angehalten und — alle beide verhaftet. Es erregte natur lich große Heiterkeit, old es sich heraus stellte. daß der eine Handwerksgeselle der Kriminalinspeltor war