Im Sturm. —-—.---.— « Novellette von E. Ca y iet) Tie Wogen des Meeres gingen hoch und ein starker Wind hatte sich erhoben. Mi t eiligen Schritten lief Ola am Strande entlang, dem Winde entgegen. Jhr träftiger Körper ermüdet nicht leicht. Sie war nicht nur das schönste, sondern auch das kräftigste Mädchen auf der Jnsel und hätte es im Laufen und Rudern mit jedem Manne aufneh men tönnen. Ihre Schulhikdung hatte sie von ihrem Vater, dem Pastor, erhal ten. Die Mutter hatte sich wenig um sie bekümmert und sie war inmitten de: Dorfjugend aufgewachsen, frei und nn gebiindigt wie die Möven, die über ih rem Kopfe kreisten Heute vor den cr fte n, schweren Konflikt ihres Lebens ge stellt, flüchtete sie sich ganz instinktivj an s Meer das ihr stets ein Freund und I Nathgeher gewesen war. n der fri- z schen Seeluft suchte sie K arbeit und - Fisssisssg .. I wir km toupfaytug llus ysllclllll himmel war das Schreckliche in ihr friedliches Dasein gefallen. Der Va ter, den sie verehrte, hatte schlecht e wirthschastet und Schulden gema t. Auf allen Möbeln klebten Gerichtssie gel — wenn das Konsistorium davon ersiihre, würde der Vater seines Amtes entsetzt und sie — sie allein konnte ret kend eingreisen. hans Ohlsen, ihr alter Spielgefiihrte, der reichste Fischer aus der Jnsel, verlangte sie zum Weibe; er würde den Vater seiner Braut vor sei- z nen Gläubigern retten können, und : Olas Mutter verlangte von ihr, das; I sie ihr Jawort gebe. trotzdem sie ihn s nicht liebte. - I Hans Ohlsen, siir den sie nur Spott l nnd Verachtung gehabt hatte, seitdem I er sich von ihr schlecht behandeln ließ —- seitdem er wie ein Mädchen errö- « i""-ete, wenn sie ihn ansah und zitterte, Denn sie zornig wurde! — — — 1lnter dem Leuchtthurm an der Nord spitze war aus großen Steinblöeien eine ; Art Male zum Schutz des Thurme-, I in’s Meer hineingebaui. Hier blieb - Ola stehen, strich sich die zerzausten; braunen Locken aus dem Gesicht und i suchte ihre Gedanken zu sammeln. « Gerichts-siegel, Pfändung, Exniiss i sion! Die Schande, o dir Schande, und sie allein war im Stande, sie abzuwehren durch das Opfer ihrer selbst! Hatte sie nicht das Recht zu wählen, wie andere Mädchens- Hans Ohlsen? s-- sie sah ihn vor sich, groß. blond und sonnen verbrannt. mit den blauen Auan nnd dem gewinnenden Lächeln, start, her .risch und männlich Männern gegen über, aber schüchtern wie ein junges Mädchen an ihrer Seite. Haßte sie ihn wirklich oder —- »- ? Noch einige Zeit blieb sie am Leucht thurm, dann lehrte sie,in’s Pfarrhaus zurück, suchte ihre Mutter aus und sagte ruhig, aber mit bleichen Lippen: »Ich habe reiflich überlegt; Ihr könnt Euch beruhigen, ich werde Hans Ohlsen heirathen!« Die Mutter lächelte und streichelte Olas hand. ,,"5reue Dich, mein Kind, Du brauchst uns das Opfer nicht zu bringen. Mein Bruder-, an den ich mich —- sreilich ohne Hoffnung auf Er folg —— gewendet hatte, schickte uns so eben die nöthige Summe. Wir sind nun, Gott sei Dant, fiins Erste aus der Verlegenheit heraus-. Vor einer Viertelstunde war Hans Ohlsen hier, um sich Deine Antwort zu holen. Da Du ertliirtest, ihn nicht Zu lieben, habe ich ihn in Deinem Namen abgewie sen." — —- — - « si I i i s , Jm großen Saal- des Wirthshauses " wurde getanzt. Ola saß mit ihren Eltern am Honoratiorentisch Sie tanzte nicht ; —-- sie wartete auf Hans, sonst ihr eifrigster Tänzer, denn sie hatte sich vorgenommen, ihm ein paar freundliche Worte zu sagen und ihn zu bitten, daß er ihr nicht zürnen möge. Sein langes Ausbleiben bean ruhigte sie —- sie mußte fortwährend an ihn denken. Der Abend war schon weit vorgerückt, als er endlich in der Thür erschien. Ola athmete erleichtert auf. Aber anstatt, wie sonst, sofort auf sie zuzueilen, schritt er an ihr vor über, als sähe er sie nicht und forderte ihre Nachbarin, die Wirthsiochter zum Tanze auf. Später setzte sich das Paar dicht vor Ola hin und diese konnte se hen und hören, wie der blonde Riese seiner Dame in einer Weise den Hof machte, wie er es Dla gegenüber nie gewagt hatte. Der sonst so ruhige, nüchterne Mensch hatte offenbar start getrunken. Sein hiibsches Gesicht war geröihet, die haare hingen ihm wirr in die Stirn und in seinen Augen brannte ein düsteres Feuer. Von Zeit zu Zeit erhob er sich und ließ sich am Schaut tisch Gliihwein geben. Dabei lärmtc er und zantte mit den jungen Schif sern, lachte überlaut, schlug auf den Tisch, daß die Gläser klirrten und be nahm sich so auffällig, daß die älteren Leute ihn wiederholt zur Rede stellen mußten und ihn ertnahnten, sich zu mäßigen. Ola ärger-te sich zwar über ihn, aber tnerlwiirdigerwrise verlor er keines wegs in ihren Augen durch sein Beneh men. Seine gleichmäßige, lorrette Art hatte sie oft gelangweilt und sie freute sich darüber, daß er auch einmal aus schweiien und wild werden konnte, wie die anderen Männer. Daß er ihre Zu rückweisung übel nahm und ihr zürnte, imponirte ihr. Als Ohlsen seine Tänzerin wieder an ihren Plah zutiickfiihrie, begegnete er Olas Blick. Er sah ihr einen Augen blick starr in die Agen, dann beugte er sich zu seiner Nachbarin nieder und fliisierte ihr zu, so laui jedoch, daß Ola seine Worte hören mußte : »Sie wären die richtige Frau fiir mich, Fräulein Marie ; Sie sind keine herzlose Koketiel Was meinen Sie, wollen Sie mich heirathen, sagen Sie »ja« — dann machen wir in drei Wo chen Hochzeit l" Das war zu viel für Ola ; sie ent fernte sich still aus dem Saale. Jn der Hausthiit fand sie eine kleine Gruppe aufgeregt gestikulirender Schiffer um einen alten Lotsen versammelt, der das Wasser von seinem triefenden Südwe sier abschiiiielte. »Verlaszt Euch darauf,« sagte er ein dringlich, »es wird die ,,Marie Louife« sein ; die mußte um 8 Uhr von Adven hagen aus hier vorüber. Sie sihi nörd lich vom Leuchtthurm auf der Drachen klippe feft. Wenn dieser Wind an hiili, ist sie in einer Stunde zerschelli., Jhr könnt immer das Reitungsbooi klar machen." »Bist wohl verrückt, Joost,« rief eine Stimme, »bei dem Seegang fährt kei ner hinaus ; das wäre der reine Selbst mord !'« Die Anderen stimmten ihm zu ; dar auf zogen sie alle ihre Kragen in die Höhe, drückten ihre Mützen auf die Stirn und begaben sich an den Strand· Der Südwestwind, der den ganzen Tag geweht hatte, war zu einem Or kan herangewachsen. Ola mußte sich am Thürpseiler festhalten. Jm Haus slur wurde es lebendig, die Tänzer eilten in’s Freie. Alle die jungen Leute, die da drinnen getanzt, gelacht und gezecht hatten, waren bei der Nachricht von dem Schiffbruch sofort in ernste, thatträftige Männer ver wandelt worden Ohlsen’s mächtige Gestalt drängte sich zwischen die Leute hindurch. Ola stand ihm im Wege; —- er faßte sie an den Schultern und schob sie bei Seite, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Dann war er in der Dunkelheit ver schwunden. Ola war es gewöhnt, bei allem Außergewöhnlichen, das sich zutrug, dabei zu sein. So erschien es ihr auch selbstverständlich, daß sie sich einer kleinen Gruppe von Männern und Frauen anschloß, die dem Strand zu strebte. Jm Lichttreis des Leucht thurms, hinter dem eine Viertelmeile seewiirts das gesährdete Schiff auf einem Felsen festsasz, hatten sich die Be wohner der Insel versammelt, und be obachteten angestrengt das kleine blaue Licht, das dann und wann in der Ferne auftauchte. Dort lämpsten an gesichts des nahen Landes unglückliche Menschen den verzweifelten Kampf mit dem sicheren Tod. Jetzt stieg die Ra kete auf und gleich daraus eine zweite; —- die Funken zerstoben im Winde. Es war ein lehtes sruchtloses Flehen um hilfe, die nicht gewährt werden konnte. Das Rettungsboot war dreimal aus gesetzt und immer wieder zurückgewor fen worden. Der Orkan stieg von Mi nute zu Minute; man wagte den Ber such nicht mehr. Hans Ohlsen stand bewegungslos an den Thurm gelehnt. Plötzlich wandte er sich und rief mit schallender Stille : »Wir tönnen es machen, Leute. Von der Spitze der Mole aus würde das Boot sofort weggetrieben werden. —- Jch wage es, wer kommt mit?« »Nicht fünf Miinuten lebst Du auf dieser See· —-— Sei nicht tollkiihn, mein Junge, mahnten die alten Män ner. Aber Hans horie nicht auf sie; schon eilte er hinunter, da erfaßte Ola seinen Arm. »Thu’s nicht« Hans-", slehte sie. ,,bleibe hier, ich bitte Dicht Hörst Du Hans? —-— Um meinetwillen bleibe hier!« Ohlsen blickte nieder in die schönen braunen Augen, die ihn so angstvoll anschauten. Einen Augenblick zögerte er. Er war ruhig und offenbar ganz nüchtern geworden. Dann schüttelte er die Hand des Mädchens ab. »Ich gehe«, sagte er barsch. »Mir liegt nichts am Leben und die Leute haben vielleicht Frauen und Kinder. Wer lommt mit?« Niemand rührte sich. »Warte noch eine halbe Stunde,« nrahnte Einer-»urn elf Uhr flaut viel leicht der Wind ab.« Hans nicktez um das Mädchen be lümmerte er sich nicht mehr. Ola trat zurück und rang die Hände. Sie kannte Hans genug, uin zu wissen, daß er sich von seinem Vorhaben nicht würde abhalten lassen. Er würde un tergehen und sie. Ola, wäre an seinem Tode schuld! Mit furchtbarer Gewiß heit ertannte sie in diesem Augenblick, rast sie sich selbst getäuscht, daß sie Hans Ohlsen immer geliebt hatte und seinen Tod nicht würde überleben tön nent Einem plötzlichen Impulse sol gcnd, wandte sie sich und lies, so schnell sie konnte, zurück in’s Dorf. Jin ersten hause desselben wohnte die junge Frau eines unlängst ertruntenen Schiffers. Diese sollte ihr behilflich sein, den Ent schlusz den sie gefaßthatte auszuführen. II II II Der Wind slaute uni elf Uhr nicht ab, spadern wurde immer heftiger. Noch einmal forderte Hans die Leute auf, ihm beizustehen, allein es wollte Nie mand in den sicheren Untergang gehen, kenn auf den Wellen ritt heute Nacht der Tod. Da erfaßte der junge Mann das Fahrzeug, holte es mit Hilfe eini ger Burschen bis zur Spitze der Molc, schob es in’s Meer und sprang hinein. Sofort wurde das Boot wie ein Feder ball in die Höhe gerissen und mit der j Strömung weit fortgefchleudert. — k hans preßte die Zähne zusammen i l und ergriff die Ruder. Zu feiner Ueber raschung wurde ihm das kleine aus der Hand genommen. Er wendete sich jäh um und erblickte einen jungen Bur schen in Theerjacke undSiidwefter. Der selbe mufzte ohne fein Wissen im letzten E Augenblick in’s Boot gesprungen fein « und faß nun, den Kopf gegen den Wind E gesenkt und kräftig mit dem Ruder - c.usholend, hinter ihm. Zu einer Er klärung war keine Zeit. Hans nickte J nur in Anerkennung der muthigenThat ; und wandte dann feine ganze Aufmerk- : famkeit feiner Aufgabe zu —- —— — Fast wäre es gegliicki. Vor ihnen ragte « eine dunkle Masse auf, an deren Seite ; . hoch oben ein blaues Licht schimmerte « —- das einzig Stabile in diefer wogen- J . den Welt· Ein Dutzend Hände streckten I E fich den Nettern entgegen ein Tau fiel ; dicht vor ihnen in’s Wasser. Da wurde das kleine Fahrzeug wie vonRiefenfauft , emporgehoben und gegen die Seite des « KERFE-OR sskAksnhsvö Msn merks- 0·II- i J vqs II-- q- l-·»----s·«0 v --------- n-- . brach, das andere wurde weggespiilt, · nnd in der nächsten Setunde wurde das T Boot fortgerissen und entschwand den i Blicken der Todtgeweihten. —- — —- s Hans wendete sich um. »Es ist » aus«, sagte er, und suchte mit den Au- I aen seinen heldenmiithigen Gefährten. i Beim Schein der kleinen Bootslaterne ; sah er diesen hinter sich am Boden des ; Fahrzeuaes knieen. Er erblickte ein weißes Gesicht mit großen. angstvollen ! Augen. Der Südwester war abgefal- ; len, reiches, braunes Haar wehte im« Winde .— zwei zitternde Mädchenhände streckten sich ihm entgeaen. — : Worte waren unmöatich. Hans zog Ola zu sich empor, bettete ihren Kon an seine Brust »und drückte seinen Mund iest aus ihre kalten Lippen. Das Boot tanzte und kreiste in einem schäumen den Höllenschlund: vor ihnen thürmte sich ein dunkler, zischender Berg in die Höfe. — —- — ; Aus dieser Welle ritt der Tod. -.s.-— Fie let-mische Alte. Novellette von A. S ch o e b e l. . , .. Mitten in der Nacht war Edwina Dallmer aus grauen, huschenden Träu men ausgefahren. Hatte sie nicht ein Pochen erweckt? Das Pochen einer unbekannten Hand an ihre Thür? Mit weit offenen Augen starrte sie in’s Dunkel hinein. Sie kannte keine Furcht vor Einbrechern und Dieben, aber die Lebensangst, die kannte sie! Wenn dasSchicksal selber an ihre Thür A getlopst hätte? Unruhig warf sie sich zwischen den Kissen. Schließlich tastete sie nach den Zündhölzern. Auch vor dem Schein des Lichtes wollte die stumme Qual nicht weichen. Edwina griss nach dem Buch, in tue-l chem sie vor dem Einschlasen geblättert hatte. Ein neues Drama war’g, »Bei denschast« betitelt. Sie würde darin vermuthlich die Hauptrolle zu kreiren haben. Eine Salonrolle. Sehr schwie rig zu spielen. Eine Rolle, die Alles vom Lampenlicht erwartete, von dem Geist, der den todten Buchstaben leben dig macht, von der pilanten lärmenden Darstellung und — von der Requisite. Von verblüfsenden Toiletten und einer rothgoldenen Perücke. Ghminn sont-i- Qn ssrifnnnnnnsm reichte ihre Gage nicht hin. Die guten Zeiten, da sie die idealen Schöpfungen der Klassiter vertörpern gedurft und die Klärchen und Luisen in hellen Kat tunsähnchen gespielt, die waren längst vorüber. Hatte sie nicht bereits die Perlenschnur, die eine kunstsinnige Her zogin ihr einst utn den Hals gelegt, so wie den Opalring der Gräfin Bewi dingen zum Juwelier getragen, um ge gen den Erlös ein paar Krepp de Chine-Kleider und einen Sammetpelz zu erstehen, deren Anschafsung der Di reltor für den Erfolg eines neuen Zug stiicks als unumgönglich nöthig er klärte? « Verstimrnt tlappte Edwina das Buch zu. Erst gegen den Morgen hin schlief sie ein. Um die neunte Stunde erhob sie sich init mildem schleppenden Bewegungen, nahm ihr Frühstück ein und sing da nach an, in leichter Pinselfiihrung die bedeutsamsten Szenen der neuen Rolle anzulegen. Sie wuchs hinein, sie fand interessante Nüancen, die starre, todte Gestalt der Dora bekam Blut, Leben Gegen Mittag wurde sie unterbro chen durch das Eintreffen eines Brie fes. Von der Theaterdirettion? Und mit der Post gesendet? Das hatte Et was zu bedeuten! Warum brachte nicht der alte Bureaudiener die ausgeschrie bene Rolle? Eilig durchflog Edtvina das Schrei ben. Dann ließ sie es fallen, als habe sie unversehens in Feuer gegriffen. Sie mußte sich setzen. Jhre Augen starr ten. Jn schonenden, von leichtem Be dauern tiberflogenen Worten forderte die Direktion Fräulein Dallmer aus, v,om nächsten Quartalsersten an gütigst die Rollen der in den Ruhestand treten- j den »komischen Alten« übernehmen zu wollen. Ein ihren Leistungen anhaf tender schalthaster umor prädestinirc sie geradezu siir die es dankbare Fach das im Uebrigen auch für ihre Jahre geeigneter erscheine als das einer ersten Liebhaberin. Jn Folge der neuen Be stimmung müsse die Rolle der Dora aus dem neu einzustudirenden Stück in die Hände von Fräulein Lilli Mertens übergehen, die der Gestalt die erfor derliche Frische, vor Allem aber einen verblüffenden Haarteichthum entgegen bringe. Die Direktion halte sich ver sichert, den eigenen Wünschen eines ge schätzten und beliebten Mitglieds durch ihre Verfügung entgegengetommen zu sein, und verbleibe mit ausgezeichneter Hochtung etc. etc. Edwina stöhnte. Das dunkle Et was, das sie mit Fledermausflügelm umschwirrt hatte, nun sah sie es vor sich, entschleiert. Dahin also war es- mit der Kunst ; gekommen! Von einem Wust rother T Haare, von der Dreistigkeit einer 7 Schauspielerin im Leben und auf der Bühne hing ein Erfolg ab! Und von blendendem Toilettenglanzl Fräulein Lilli Mertens, die Freundin eines rei chen Kaufmanns, trat an die Stelle ei ner Künstlerim die nur dem Jdeal ge lebt, die mit delikatestem Verständniß den Absichten der Dichter nachgegangen war, die den Schein dem Jnhalt ge- i opfert hatte! i Langsam erhob sich Edwina, trat i vor ihren großen, dreitheiligen Toilet-F tenspiegel hin. Mit grausamer, uner- f bittlicher Aufrichtigkeit betrachtete sief sich Ia: Sie war alt geworden! Graue s, Fäden zogen sich durch ihr gelichtetes I Haar, die dunklen Wimpern, die sonst ; die vollen Wangen so reizend beschatte- s ten, erschienen spärlich fahl. Aus den I Augen leuchtete nur mehr ein mattes l Feuer, die Mundpartie zeigte sich er- Z schlafft, das Kinn zu voll, der Hals mit Runzeln bedeckt. Und die einst so ge- i schmeivige Gestalt hatte die fein-u Li- ( dien verloren, die Grazie, die ihr die I Erdenschwere genommen. ! Edwina’s Augen füllten sich mitl Thränen. Ja, sie war alt geworden! Aber mußte sie deshalb komisch wir ken? Den Spott, die Lachlust rei zenZ Sie wendete und drehte sich nach al len Seiten. Nein! Einen komischen Eindruck brachte ihre Erscheinung nicht hervor! Was sie da im Spiegel er- i blickte, war eine gealterte Schönheit, die der Zeit den Tribut gezollt hat ——— « das Spaßhafteste, das Grotestr. das würde erst künstliche Nachhilfe, ! Schminie, absonderliche Tracht und Perücken ihr anhaften müssen Sie richtete sich auf. Komische Al te! Niemals würde sie einweiligen, das zu werden. Lieber sterben! Wozu leb te sie iiberhaupt, wenn man ihr den « Boden entzog, in dem sie Wurzel ge schlagen, auf dem sie gebliiht hatte ? Verwirrt von ihrer Begeifterung für die Kunst, überspannt, romantisch, war sie als achtzehnjiihriges Mädchen aus dem Elternhause entflohen. Jhren Stolz hatte sie nicht zugleich mit ihrem Namen abgelegt, als sie die Bretter be- : trat. Unter den erdriickendsten Ver hältnissen war sie vornehm, adlig ge blieben, nie hatte sie dem Bühnenleben eine unwiirdige Konzession gemacht. Und als später ihr Künstlername gleich einem Stern über ihrem Haupte strahlte, da hatte sie die Bescheidenheit und edle Einfachheit bewahrt. Alles drängte und stieß und suchte sich Raum zu schaffen auf Kosten Anderer sie vermochte das nicht. Sie blieb eine der letzten Jdealistinnen in der Welt des Scheins, der Jntrigue. i i i i i l l l i i Der Liebe, oer Leidenschaft harre sie ihr Herz nicht geöffnet. Jn diesem glühenden Herzen wohnten die Eg mont, die Ferdinand, die Posa —- eine Schaar Unsterblicher. Und neben ihnen mußten alle irdischen Gestalten in den Staub sinken. Eine ganze Reihe von Männern war ihr genaht mit jenem aus Eitelkeit und IHerablassung zusam mengemischten Gefühl, das Bühnen tünstlerinnen entgegengebracht zu wer den pflegt. Glänzende Versorgungen hatte sie ausgeschlagen und selber nur an die Treue und Echtheit eines einzi gen Mannes zu glauben vermocht. Der kurze Traum war noch unter dem Dach ihres Vaterhauses geträumt worden. Ein blutjunger Offizier hatte ihr sein heißes Herz zu Füßen gelegt, und sie, "sie hatte es verschmäht, trotzdem in ihrem eigenen Jnnern eine warnende Stimme sprach und tönte. Sie war der Kunst, dem Ruhme entgegengele- ; gen! der-gesehm nur durch die Zeitungen je und je von seiner Beförderung Kennt niß erhalten, und vor zehn Jahren et wa auf demselben Wege von seiner Vermählung Jn glänzenden Verhält nissen mochte er leben, und sie —- sie sollte zur komischen Alten degradirt werden! Es wurde leer in ihr, öde, kalt. Sie hatte es gelernt, Entschlusse zu fassen, gelernt bei ihren Heiligen, bei der Thekla, bei dem Märchen des gro ßen Egmont — — —- Nur teinen Kompromiß machen mit dem Leben, nur nicht den Staub berühren mit der Stirn! Sie würde zu sterben wissen als eine Heldin, wie sie so est aus der Bühne gestorben war! Sie schrieb keine Antwort an die Di Nie hatte sie den Verschmähten wie- » reltion. Der Brief, der ihr Leben ver nichtet hatte, blieb auf dem Fußboden liegen. - Den Tag über beschäftigte sie sich mit dem Ordnen ihrer Habseligleiten. Jhre geringen Ersparnisse bestimmte sie für ein paar blutarme alte Kolleginnen; alles Schristliche, Briefe, Krititen ver brannte sie, nachdem sie diese noch ein mal durchgelesen. Hicxbei war ihr ein kleines, rührend unbeholfenes Gedicht in die Hände gelommen. Von dem jun gen heißen Menschen stammte er, der sie geliebt in ferner Jugendzeit. Sie konnte es nicht verbrennen, ihr war’s, als sollte sie etwas Lebendiges den Flammen auslieferm als müßten die treuen Worte Qual empfinden ..... sie legte das Blättchen in eine kleine Tasche, deren Jnhalt zu ihrer Relog noszirung dienen sollte, wenn man sie morgen fand ..... Dann machte sie sich aus, noch ehe die Dämmerung sank, um im Stadtpark die Nacht abzuwarten. Jn dem stillen Weiher mit denSeerosen wolle sie schla fen gehen. So lonnt wenigstens Nie mand sagen oder schreiben, daß Edwi PRDallmer als lomische Alte gestorben et. Das Wort rrteo ne aus der Weit, das schreckliche Wort! . . . Zu ihrem Befremden fand sie die einsame Bank neben dem melancholi schen Teich nicht unbesetzt. Sonst wur de der Platz von fröhlichen Menschen gemieden, heute hatte sich ein Kleeblatt dort angesiedelt. Drei Kinder und eine junge Hütetin Die Kinder tollten übermüthig am Ufer umher, zwei Kna ben und ein Mädchen, alle weiß geklei det-, mit dunklen Haaren und leuchten den Blauaugen. Der ältere Knabe schien sich mit dem Mädchen in hundert Uebermiithigkeiten und Wildheiten zu verstehen. Der zweite Knabe hielt sich mehr abgeson dert und wurde von den anderen geneckt und verspottet. Edwina hatte neben der jungen Hü terin Platz genommen. Gegen ihren Willen zog das Treiben der Kinder sie an. Die Verstoßung des Kleinen weckte ein Echo in ihrer Brust. Sie lauschte, horchte, beobachtete. Und die junge Hü terin wurde plötziich plauderhaft. ,,Jsmmer steht er daneben, der Ernst! Niemals erwischt er Etwas! Die bei den Großen werden ihn noch todt le ben!« Edwina horchte aus. Todt leben! War sie nicht auch nieder-gelebt worden von einer frischen, muthigen Kraft-! Und dieser Knab war so jung noch, so klein, so schwach! Und schon unglück lich wie sie! Jhr Herz begann sich mit Mitleid zu füllen, eine geheimeZärtlichkeit erwachte in ihr. Die Hüterin schwatzte weiter. »Die Ellen ist furchtbar schwer zu er ziehen, ein boghaftes, snchippisches Ding! — Es ist ein wahres Kreuz, daß die Mutter von den Kindern weg gestorben ist! Was soll nun aus dem armen Ernst werden!« Edwina durchfuhr’s. Eine Mutter hatte von diesen drei reisenden Ge schöpfen scheiden müssen! Und dieser zarte Knabe stand verlassen, hungernd nach Liebe neben den Geschwistern! »Der Herr Major hat schon den Ab schied genommen. Er will sieh gänzlich den Kindern widmen. Hoffentlich giebt er ihnen bald eine gute Stiefmutter.« Mitleidig rief Edwina den kleinen Ernst zu sich, ein paar liebevolle Fragen an ihn richtend. »Ich soll nicht mehr mitspielen,« stammelte er betrübt. »Ich soll nach Haus gehen, haben sie gesagt.« »Willst Du Dich auf meinen Schooß setzen? Soll ich Dir ein Märchen er zählen?« fragte Edwina leise. Die blauenAugen leuchteten aus. Der Knabe lauschte —- beinahe andächtig 1ausch1e er, uno ais Die Crzaylerin ge endet, da schlang er seine Aermchen um ihren Hals und flüsterte: »Du bist wie die Mutter war —« Edwina erbebte. Durstige Sehn sucht regte sich in ihr. Eine einzige Welle aus dem großen Meer der Liebe, durch einen Zufall herangetrieben, hatte genügt, die trüben Todesgedanten aus ihrem Jnnern sortzuspülen Die Wärterin erhob sich, um die äl teren Kinder aufzusuchen, die plötzlich unter lautem Gelächter davongerannt waren. —- Edwina zog den Knaben an ihre Brust, sein blasses Gesichtchen mit Küssen bedeckend. Da knirschte der Kies hinter der Bank unter festen Schritten. ,,Ernst!« rief eine tiefe Stimme. Der Knabe schmiegte sich enaer an seine Beschützerin ,,Vater!« Er jauchzte es beinahe. »Ich hab’ eine Mutter gefunden!« Jn Edtvina’s verblühtem Gesicht sammelte sich das Blut zu einem flam menden Erröthen. Noch suchte sie nach einer passenden Wendung, um damit das holde, unbedachte Kinderwort aus znlöschen, da stand bereits eine hohe Männergestalt vor ihr, ein leicht er grauter Kopf neigte sich über sie hin — sie blickte in ein Paar Augen, die sie nicht gesehen, seit sie ihr Vaterhaus ver lassen — — Vom Roth der Abendsonne und der Scham verklärt, saß sie da. Die Schönheit ihrer Jugend schimmerte über ihre Züge hin . . . Der Mann vor ihr griff sich an die Schläfe. z· »Ellen!« Dcr Name, den Edwina einst getragen, ehe das Licht der Lam pen sie bestrahlt, lam von seinen Lip I pen. »Ellen!« ,,Wolfgang!« erwidektesieszleise pet halten, zaghaft ,,Ellen! Du! Meinen Knaben im Arm und der Knabe nennt Dich i Mutterl« I Dascmr ihr das-Haupt um siehet « wurde Alles grau, Schatten schlichen . aus den Büschen und langten nach ih rem Herzen »Ich war hierhergelommen, um zu sterben,« murmelte sie. »Man hatte mich aus dem Geleise geworfen, mich gedemiithigt —- da streckte dies süße Kind die Hand nach mir aus —- — Dein Kind, Wolfgang!« »Und der Vater thut es ihm nach! Ellen, ich weiß, wie rein Du Dich stets gehalten hast in Deiner gefährlichen Karriere. Bin ich doch jedem Deiner Schritte gefolgt. Aber ich wagte der gefeierten Bühnenkünstlerin nicht zu nahen als bürgerlicher Ofsizier. Jch nahm mir endlich ein Weib für mein Haus. Das Haus steht nun Verwaist — meine Kinder sind verlassen. El len —— ! wenn der Traum meiner Ju gend so spät noch zur Wirklichkeit wer hon fnnnip -- Geriihrt, bestürzt, die Augen voll Thränen, blickte sie ihn an. »Man hat mich erniedrigt,« stammelte sie. »Ich kann Dir nicht zumuthen ——" Er unterbrach sie. »Und wenn die ; ganze Welt gegen Dich aufsteht. Jch glaube an Dich. Jch schütze Dich. El len von Kottwitz — willst Du zum Zweizten Male vor meiner Liebe flie enc« Da glitten ihre Blicke fort von dem Weiher, der dalag, schwarz, binsenum slort, von den Seerosen wie von Tod tenblumen über-schimmert — sie lä chelte. Und aus einein schmalen Täschchen zog sie ein vergilbtes Blatt. »Von Al lem, was ich besessen im Leben, war es das einzige, das mir würdig erschien, mich in den Tod zu begleiten —- —« Der Mann las. Dann deckte er die Hand über die Augen« Und von ferne jauchzten zwei süße, verwilderte Stimmchen: »Vater! Va ! ter!« Der Goldontel in Ame 1 i k a Aus Rom schreibt man: Seit zwei Jahren war ein junger Fischer i von Ancona mit einer Fischerin aus s derselben Seestadt verlobt. Da beide blutarm waren, hatten sie wenig Aus sicht aus Erfüllung ihrer Sehnsucht ! nach einem trauten Eheheirn. Da er ? innerte sich eines Tages das Mädchen, nachdem sie wieder einmal inbrünstig die Madonna um Hilfe angefleht hatte, daß sie einen Onkel in Amerika besiiße, der reich sei. Sie wandte sich also in ihrer Herzensangst an diesen und er hielt eines Tages in der That einen Brief, in welchem sich der gute Onkel gern bereit erklärte, etwas zu ihrem Glücke beizutragen —- vorläufig siige er beisolaenden Eheck aus 837,000 bei. Das Glück der Liebenden war vollstän dig und die Legende vom Goldonkel in Amerika hat wieder in ganz Italien Gläubige gesunden. Eine interessante Szene aus dem Thierleben konnte kürzlich von Ersurter Ausslüglern be obachtet werden, die eine Waaensahrt nach dem benachbarten Dorfe Schmira machten. Jn ziemlicher Höhe schwebte über einein scheinbar ahnunaslosen Staar ein Habicht. Plötzlich stieß der Räuber auf den laut aufschreienden Staar und suchte ihn sortzutragen. Der Kutscher knallte wiederholt laut mit der m txt-k« ...-. k-- c-«J. :·.c.x « . du«-Ok-« - KLIL.UJL, UND ULlc UJUUIWD ou Uss.ws,p0 chen, und wirklich ließ dieser auch sein Opfer fahren. Nun geschah etwas. was alle überraschte. Der blutende, zer-· rupfte Staat flog auf das Handpferd. duckte sieh nieder und stierte unverwandt auf den Habicht, der das Gefährt, den Blick auf sein Opfer gefesselt, von Baum zu Baum begleitete. Trotz der lauten Unterhaltung der Jnfassen blieb der Staat geduckt auf demPferde sitzen, bis das Dorf erreicht und der Habicht aus dem Gesichtskreis verschwunden war. Da hob er fich, schüttelte das Ge fieder und flog davon. Dieser Bor gang ist wieder ein Beweis dafür, daß kleinere Thiere in Stunden der Gefahr Schutz bei größeren zu suchen pflegen. Jtalienische Hirten im Kampfe mit einem Wolfe. Jn Cerchiara lCalabrien) wurde ein Hirt des Fürsten Strongoli-Pignatelli, der mit einem großen Hunde eine Schafherde hütete, von einem Wolf überfallen. Der Hirt schoß auf die Be stie, traf sie aber nur an der Pfote. Wild aufheulend in furchtbarer Wuth zerfleischte jetzt der Wolf den Arm des Hirten und ließ erst von seinem Opfer ab, als der Schäferhund ihm in den Nacken fuhr. Ein Kampf zwischen dem Wolf und dem Hunde war die Folge — doch der treue Helfer seines Herrn un terlag. Inzwischen waren auf das verzweifelte Geschrei des Berwundeten hin drei andere Hirten herbeigeeilt. Unbewaffnet, wie sie waren, nahmen nun sie den Kampf mit dem blutgieri aen Thiere auf. Der eine hatte den Wolf mit eisernem Griff an der Gur gel gepackt, die anderen hieben mit Stöcken auf das Vieh ein, das endlich, nicht ohne dem ersten Angreifer norh einen schweren Biß in die Brust beige bracht z haben, verendete. Zwei von den tapkren Hirten schweben in Le bensgefa r, die anderen haben im Kampfe mit der Bestie mehr oder weni ger schwere Verletzungen davongetra gen.